TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/17 L526 2183232-1

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Veröffentlicht am 17.12.2019
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Entscheidungsdatum

17.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z2
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs3

Spruch

L526 2183245-1/34E

L526 2183241-1/18E

L526 1314246-2/18E

L526 2183235-1/18E

L526 2183232-1/19E

Schriftliche Ausfertigung des am 14.11.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1) XXXX , geb. XXXX alias XXXX , geb. XXXX , 2) XXXX , geb. XXXX 3) XXXX , geb. XXXX , 4) XXXX , geb. XXXX , 5) XXXX , geb. XXXX , alle StA Georgien, die minderjährigen Beschwerdeführer gesetzlich vertreten durch XXXX , diese und XXXX vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 14.12.2017, Zlen XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 14.11.2019 zu Recht:

A) Die Beschwerden werden mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 3 FPG 2005 mit 3 Monaten ab Rechtskraft der angefochtenen Bescheide neu festgesetzt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "BF" oder "BF1" bis "BF5" bezeichnet) sind Staatsangehörige der Republik Georgien und brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 29.11.2017 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge kurz "bB" genannt ) Anträge auf internationalen Schutz ein.

I.2. Die weibliche BF1 ist die Mutter der minderjährigen BF3 bis BF5. Die weibliche BF2 ist die Mutter der BF1 und Großmutter der BF3 bis BF5.

I.3. Anlässlich ihrer Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab BF1 an, in Georgien sei es sehr gefährlich und lebensbedrohlich gewesen für ihre Kinder. Sie fürchte, dass die Kinder in Georgien entführt würden oder ihr Leben verlieren würden.

BF2 brachte vor, dass ihre Enkelkinder in Österreich auf die Welt gekommen seien und ihre Tochter schon einmal hier gelebt habe. Diese habe entschieden, dass es hier besser sei. Zu ihrem Grund für die Ausreise gab BF2 an, dass sie persönlich nichts zu befürchten hätte. Ihr Schwiegersohn habe mit Reifen gehandelt und ein Verwandter von ihm habe viel Geld investiert. Im Zuge eines Brandes seien diese Reifen dann verbrannt und der Investor verlange jetzt 50.000 Euro. Er sei ein mächtiger Mann aus Russland und habe den Schwiegersohn auch schon verprügeln lassen. Er habe auch gesagt, wenn der Schwiegersohn das Geld nicht bringe, werde er dessen Kinder entführen. Sie habe die Tochter nicht alleine nach Österreich fahren lassen.

Vor der bB gab BF1 zu ihrem Fluchtgrund im Wesentlichen an, ihr Ehemann habe Reifen aus Europa in kleinen Stückzahlen importiert. Ihm sei dann eine große Geldsumme gegeben worden, damit er die Reifen in Georgien verkaufen könne. Er sei nach Österreich gekommen und sein Geschäftspartner habe Reifen nach Tiflis mitgenommen, um sie dort zu verkaufen. Dann sei ein Feuer auf einem Markt ausgebrochen, wo die Reifen gelagert wurden, und der Geschäftspartner habe gesagt, dass der Geschäftsstand komplett verbrannt sei; auch die Reifen. Im Juli habe der Mann begonnen, das Geld zu fordern. Er habe gesagt, dass es nicht sein Problem sei. Es habe sich um 50.000 Dollar gehandelt. Teilweise habe ihr Mann das Geld durch Verkauf von Reifen, die er noch in XXXX gehabt hätte, zurückbezahlt. Aus diesem Grund habe er auch das Haus mit einer Hypothek belastet. Der Mann habe öfters das Geld gefordert und ihren Mann geschlagen. Ihr Auto und das Reifengeschäft hätten sie verkaufen müssen. Der Mann habe Kriminelle geschickt, welche gedroht hätten, den Kindern etwas anzutun. Im September hätte sie sogar Angst gehabt, die Kinder zur Schule zu schicken. Einmal hätten fremde Männer nach dem Kind in der Schule gefragt. Sie hätten etwa 10.000 bis 15.000 Dollar bezahlt, mehr hätte ihr Mann sicher nicht aufbringen können. Ihr Mann versuche auch, den ehemaligen Geschäftspartner zu finden, damit dieser ihm helfe. Dieser sei auch nicht mehr in Georgien. Zur Polizei seien sie nicht gegangen, weil die Männer von Anfang an gesagt hätten, dass sie sich an den Kindern rächen würden, falls die Polizei kontaktiert würde. Nachgefragt gab BF1 an, der Geldgeber sei in Russland, der Brand sei im Juli erfolgt und ihre Schwester hätte keine Probleme mit diesen Männern bekommen; ihr Mann habe das Problem und wegen diesem auch ihre Kinder.

BF2 erstattete vor der bB ein im Wesentlichen gleichlautendes Vorbringen. Ergänzend dazu gab sie an, die Tochter und ihre Familie seien vorher schon in Österreich gewesen und hätten auch die Kinder in Österreich bekommen. Sie seien aus Österreich nach Georgien zurückgekehrt und hätten finanzielle Hilfe bekommen, womit sie eine Stelle zur Vulkanisierung von Reifen eröffnet hätten. Sie persönlich habe keine Probleme. Sie habe nur die Tochter nicht allein in ein fremdes Land reisen lassen können.

I.2. Die Anträge der BF auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der BF1 in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu zusammengefasst aus, dass BF1 eine "Privatverfolgung" vorgebracht habe, es jedoch nicht habe erkannt werden können, dass Georgien nicht im Stande wäre, Schutz zu gewähren. Es habe auch nicht erkannt werden können, dass dieser Schutz den BF künftig verwehrt würde. In einer Gesamtschau mangle es an einem in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählten Fluchtgrund.

In Bezug auf die weitern BF wurde in sinngemäßer Weise argumentiert.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die bB ausführliche und schlüssige Feststellungen.

Zur Situation im Falle der Rückkehr hielt die bB fest, dass es den BF aufgrund der familiären Anknüpfungspunkte, der Sprachkenntnisse, der Berufserfahrung , ihres Gesundheitszustandes, ihres Alters und ihrer Arbeitsfähigkeit zugemutet werden könne, ihre Lebensbedürfnisse selbständig zu befriedigen und ihren Lebensunterhalt in Georgien zu sichern.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorgekommen wäre. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben. Die Rückkehrentscheidung stelle auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Auch die privaten Interessen und die Integrationsbemühungen der BF seien nicht ausreichend, um daraus ein Überwiegen der persönlichen Interessen der BF, in Österreich zu bleiben, für eine Abwägung im Sinne des Art. 8 EMRK ableiten zu können.

I.3. Mit Verfahrensanordnung vom 15.12.2017 wurde den BF ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

I.4. Gegen den genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Gerügt wurde die inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dies wurde nicht begründet, eine ausführliche Darlegung der Beschwerdegründe wurde aber ausdrücklich vorbehalten.

I.5. Am 18.04.2019 erteilte BF1 die Zustimmung zu Ermittlungen durch einen Vertrauensanwalt im Herkunftsland.

I.6. Mit gesondertem Schriftsatz vom selben Tag wurden folgende Unterlagen vorgelegt:

- Schulnachrichten betreffend die minderjährigen BF

- Zeugnis des Österreichischen Integrationsfonds über eine bestandene Integrationsprüfung betreffend BF1 vom 26.07.2018, aus welcher hervorgeht, dass BF1 die Deutsche Sprache auf dem Niveau B1 spricht

- Bescheid über die Erteilung einer Umsatzsteuernummer

- Gewerbeanmeldung der BF1 sowie eine Nachricht der BH XXXX vom 16.08.2018, aus welcher hervorgeht, dass BF1 in Österreich ein Handelsgewerbe betreibt

- E-Cards für alle BF

I.7. Am 23.05.2019 gaben die BF auf Anfrage des Bundesverwaltungsgerichtes Daten in Bezug auf das Fluchtvorbringen sowie persönliche Daten, etwa ihre georgischen Personenidentifikationsnummern, und Daten zum Ehemann der BF1, Schwiegersohn der BF2 und Vater der BF3 bis BF5 bekannt.

I.8. Am 29.07.2019 langte eine Anfragebeantwortung des Verbindungsbeamten des Bundesministeriums für Inneres in Georgien ein. Zusammengefasst wird darin Folgendes ausgeführt:

Der Ehegatte sei an der Adresse gemeldet, die auch die BF als ihre letzte Adresse genannt hätten. In Georgien gäbe es ein Zentrales Handels- und Gewerberegister. Ein Gewerbe (keine spezifische Sparte) sei auf den Namen des Ehegatten der BF1 angemeldet. Als Adresse der Gewerbeausübung sei die Wohnadresse gemeldet. Ob an einem genauer bezeichneten Markt in Tiflis ein Gewerbe des Ehemannes betrieben wurde oder ob er dort ein Reifenlager hatte, konnte nicht eruiert werden. Im Juli 2017 sei es zu einem Großbrand auf dem besagten Markt gekommen und es sei eine Fläche mehr als 2000 Quadratmeter betroffen gewesen. Durch den Brand seien Immobilien, Reifen und Farben vernichtet worden. Die zuständige Polizeidienststelle habe Ermittlungen wegen Sachbeschädigung bzw. Brandstiftung in großem Ausmaß aufgenommen.

Über den Ehegatten der BF1 sei bekannt, dass dieser bis 26.11.2017 regelmäßig aus Georgien aus- und wieder eingereist ist. Dabei habe er sowohl den Landweg als auch den Luftweg benutzt, um EU-Destinationen anzusteuern, wie beispielsweise Wien oder München und sei jeweils wieder nach Georgien zurückgereist. Am 6.12.2017 habe der Ehemann den Namen seiner Frau angenommen und verwende seither Reisedokumente mit diesem Namen. Feststellbar seien die Regelmäßigkeit der Ein- und Ausreisen sowie ein gewisses Muster der Reisebewegungen und es sei auch dokumentiert, dass der Ehemann der BF1 eine Vielzahl von verschiedenen PKW benutze. So erfolge die Ausreise aus Georgien üblicherweise mit dem Flugzeug und die Einreise nach Georgien auf dem Landweg. Im Zeitraum von 2013 bis 2019 sei der BF mit 36 PKW gereist. Eine Unterbrechung der Reisebewegungen nach dem besagten geschäftsschädigenden Ereignis sei anhand der - im Bericht genau angeführten - Reisedaten vor und nach dem Ereignis nicht ersichtlich. Diese Regelmäßigkeit sei bis zum Jahr 2019 feststellbar. Der Ehemann der BF verwende auch zwei verschiedene Reisepässe.

I.9. Am 30.07.2019 wurden den BF die Ergebnisse der Ermittlungen des Verbindungsbeamten zu Gehör gebracht und wurde ihnen eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von sechzehn Tagen gewährt. Ferner wurden die BF eingeladen, binnen selbiger Frist Angaben auch zu ihrem Gesundheitszustand, ihren privaten und familiären Interessen, dem Grad ihrer Integration und allfälligen Rückkehrhindernissen zu tätigen sowie Bescheinigungsmittel vorzulegen und eine Stellungnahme zu den aktuellen länderkundlichen Informationen des Bundesverwaltungsgerichtes abzugeben.

I.10. Am 16.08.2019 erstatteten die BF eine Stellungnahme. Zu den zuvor genannten Ermittlungsergebnissen wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Ehemann der BF1 nie eine behördliche Abmeldung veranlasst habe. Es könne jedoch aufgrund dieses Umstandes nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass dieser nicht auf der Flucht sei. BF1 habe auch wenig Kontakt zu diesem. Beim letzten Kontakt habe er sich in der Türkei aufgehalten. Das in Tiflis betriebene Geschäft sei nicht vom Ehemann betrieben worden, sondern von einem Geschäftspartner. Zu den Reisebewegungen wurde angegeben, dass der Ehemann der BF1 sehr viel reise, um nicht von seinem Verfolger entdeckt zu werden. Die vermehrten Reisebewegungen würden nicht per se gegen eine Verfolgung in Georgien sprechen. Ferner wurde dargelegt, dass die Bevölkerung aufgrund der langanhaltenden Korruption in Georgien der georgischen Polizei gegenüber skeptisch eingestellt sei. Die Georgier gingen von einer tiefgreifenden Einflussnahme innerhalb der Polizei und daher auch von mangelndem Schutz durch diese aus. Daher sei es auch nachvollziehbar, dass BF1 nicht den Schutz durch die Polizei gesucht habe, könnte doch der Verfolger mit diesen in Verbindung stehen und weitere Maßnahmen gegen die Familie verfügen. Aufgrund des eingeschränkten Kontaktes zu ihrem Ehemann könne BF1 zu ihrem Fluchtvorbringen keine weiteren Beweismittel vorlegen.

In Bezug auf die Rückkehrsituation wurde vor allem auf das hinsichtlich BF3 bis BF5 zu beachtende Kindeswohl hingewiesen und vorgebracht, dass BF3 bereits dreizehn Jahre als ist und aufgrund der Judikatur des VwGH als nicht mehr anpassungsfähig zu betrachten sei. Ferner wurden Ausführungen im Hinblick auf die Integration der BF getätigt.

Folgende Unterlagen wurden der Stellungnahme angeschlossen:

- Ein Operationsbericht betreffend BF2 vom 12.02.2018

- Schulnachrichten die minderjährigen BF betreffend

- Zeugnis des Österreichischen Integrationsfonds über eine bestandene Integrationsprüfung betreffend BF1 vom 26.07.2018, aus welcher hervorgeht, dass BF1 die Deutsche Sprache auf dem Niveau B1 spricht

- Gewerbeanmeldung der BF1 sowie eine Nachricht der BH XXXX vom 16.08.2018, aus welcher hervorgeht, dass BF1 in Österreich ein Handelsgewerbe betreibt

- Ein Foto, auf welchen Kinder beim Fußballtraining zu sehen sind

I.11. Am 14.11.2019 wurde eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht abgehalten. Dort wurden folgende Dokumente zum Akt gegeben:

- georgische Personalausweise für BF1 und BF2

- eine Zahlungsbestätigung für die Überweisung von 100 Euro an ein Sprachinstitut

- Bestätigung über die Teilnahme an einem Sprachtraining für BF1

- Ein leeres Formular einer Volksschule betreffend Schülereinschreibung

- Ein Empfehlungsschreiben des Vermieters der Familie

- Geburtsurkunden für BF3 bis BF5

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen mündlich verkündet und seitens der BF mit Eingabe vom 21.11.2019 die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Die beschwerdeführende Parteien (BF)

Bei den BF handelt es sich um einen im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörigen Georgier, welcher aus einem überwiegend von Georgiern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen.

BF1 ist eine junge, gesunde, arbeitsfähige und arbeitswillige Frau und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage im Herkunftsland. Die minderjährigen BF3 bis BF5 und BF2, die Mutter der BF1 bzw. Großmutter der BF3 bis BF5, sind ebenfalls gesund.

BF1 und ihrer Kinder haben noch eine Wohnung in Georgien zur Verfügung. BF2 hat ebenfalls noch ein Haus dort, in welchem ihre Tochter bzw. die Schwester der BF1 und Tante der BF3 bis BF5 lebt. Für BF2 bezahlt der georgische Staat auch noch eine Pension, von der zurzeit ihre Tochter lebt.

Auch die minderjährigen BF verfügen im Herkunftsstaat über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherte Existenzgrundlage. Ferner ist die Pflege und Obsorge der minderjährigen BF durch ihre Mutter und die Großmutter sowie eine hinreichende Absicherung in ihren altersentsprechenden Grundbedürfnissen gegeben. Den minderjährigen BF steht ferner kostenfreier und nichtdiskriminierender Zugang zum öffentlichen Schulwesen sowie leistbarer und nichtdiskriminierender Zugang zu einer adäquaten medizinischen Versorgung zur Verfügung.

Die BF haben in Österreich keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen, welche nicht zur Kernfamilie zu zählen ist. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit November 2017 im Bundesgebiet auf.

Sie reisten rechtswidrig in das Bundesgebiet ein. Sie sind noch als Bezieher der Grundversorgung gemeldet, die letzte Anweisung erfolgte am 12.9.2018.

BF1 und BF2 haben an sprachlichen Qualifizierungsmaßnahmen teilgenommen. BF1 und ihre Kinder sprechen schon gut Deutsch. BF2 spricht kaum Deutsch.

Die BF haben Freunde und Bekannte im Bundesgebiet. BF1 betreibt ein Handelsgewerbe, BF4 und BF5 gehen zur Schule. BF3 besucht den Kindergarten.

Weitere Integrationsbemühungen sind nicht feststellbar.

Die BF sind strafrechtlich unbescholten.

Die Identität der BF steht fest.

Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet war und ist nicht nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG 2005 geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurden nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Georgien

Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitierten und gegenüber dem Beschwerdeführer offengelegten Quellen getroffen:

1. Politische Lage

In Georgien finden regelmäßig kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewann, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben übergroßen Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen und die Rechtsstaatlichkeit wird nach wie vor durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Neue politische Parteien können in der Regel ohne Behinderungen gegründet werden und zu den Wahlen antreten. Allerdings war die politische Landschaft von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 4.2.2019).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl für maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren gewählt. (FH 4.2.2019).

Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei "Georgischer Traum", setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor und forderten vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).

Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt für sechs Jahre von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt werden. Der Präsident ernennt formal den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 4.2.2019).

Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei "Georgischer Traum" sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016).

Demonstrationen im Juni 2019 führten unter anderem dazu, dass bei der für 2020 angesetzten Wahl die Parlamentssitze nach dem Verhältniswahlrecht vergeben werden sollen. Ursprünglich sollte erst ab 2024 nach den neuen Bestimmungen gewählt werden (DW 24.6.2019, vgl. RFE/RL 5.8.2019).

Quellen:

* CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl: Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 12.8.2019

* DW - Deutsche Welle (24.6.2019): Proteste in Tiflis trotz Zugeständnissen, https://www.dw.com/de/proteste-in-tiflis-trotz-zugest%C3%A4ndnissen/a-49339505, Zugriff 13.8.2019

* FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin, https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 12.8.2019

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 12.8.2019

* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 12.8.2019

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 12.8.2019

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (5.8.2019): Georgian Parliament Speaker Presents Amendments To Electoral Code, https://www.rferl.org/a/georgian-parliament-speaker-presents-amendments-to-electoral-code/30093372.html, 13.8.2019

* Der Standard (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen - derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen, https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 12.8.2019

* Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren, http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 12.8.2019

2. Sicherheitslage

Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien bzw. Südossetiens und Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 13.8.2019).

Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetens erörtern soll (EC 30.1.2019).

Quellen:

* EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 30.1.2019

* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (13.8.2019): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 13.8.2019

2.1. Regionale Problemzone: Abchasien

Abchasien (ca. 200.000 Einwohner) hat sich - unterstützt von Russland - als unabhängig erklärt und sucht die weitere Annäherung an Russland. Die Regierung in Tiflis hat keine Verwaltungshoheit über das Gebiet, in dem sich de facto ein politisches System mit Regierung, Parlament und Justiz etabliert hat. Eigene Streitkräfte, unterstützt durch russisches Militär, sichern die zunehmend von ihnen befestigte Verwaltungsgrenze zu Georgien. Diese ist nur in einem sehr geringen Maße für Einwohner der Gebiete durchlässig. Militärische Auseinandersetzungen gibt es seit 2008 jedoch nicht mehr. Das Recht auf Rückkehr der vertriebenen Georgier wird von den abchasischen de facto-Behörden verwehrt. Nur der Verwaltungskreis Gali im südlichen Teil Abchasiens, nahe dem georgischen Hauptterritorium, ist noch stark georgisch/megrelisch besiedelt. Es liegen Hinweise vor, dass Bewohner dieses Gebiets bzw. Angehörige der georgischen/megrelischen Bevölkerung in Abchasien staatlich benachteiligt werden (z.B. beim Erwerb von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen, der Besetzung öffentlicher Stellen, dem Zugang zu Bildung oder bei der Gesundheitsfürsorge). Erschwernisse gibt es beim Übertritt der administrativen Grenze nach Georgien. Ziel ist es offenbar, die georgische Bevölkerung entweder zur Aufgabe der georgischen Staatsangehörigkeit oder zum Verlassen ihrer angestammten Heimat zu veranlassen (AA 27.8.2018).

In Abchasien verbietet das Rechtssystem Eigentumsansprüche von ethnischen Georgiern, die Abchasien vor, während oder nach dem Krieg von 1992-93 verlassen haben, wodurch Binnenvertriebenen ihre Eigentumsrechte in Abchasien entzogen werden (USDOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019). Die abchasischen Behörden verfolgen eine Politik, die den rechtlichen Status von ethnischen Georgiern im Distrikt Gali bedroht. Sie schlossen Dorfschulen und zwingen georgische Schüler, ausschließlich in russischer Sprache zu lernen (USDOS 13.3.2019).

Die abchasischen Behörden und russische Streitkräfte schränken weiterhin die Bewegungsfreiheit der lokalen Bevölkerung entlang der administrativen Grenzlinie (ABL) ein, gleichwohl sie Flexibilität bei Reisen nach Georgien aus medizinischen Gründen, zwecks Pensionsleistungen, Bildung, etc. zeigen. Dorfbewohner, die sich unerlaubt der administrativen Grenze oder den Grenzübergängen nähern, riskieren die Inhaftierung durch die Grenzschutzbeamten der Russischen Föderation. Russische Grenzschutzbeamte entlang der ABL mit Abchasien setzen die Vorschriften der abchasischen Behörden mittels Festnahmen und Geldbußen durch (USDOS 13.3.2019).

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat keinen Zugang zu Gefängnissen und Haftanstalten in Abchasien. Die Zustände dort gelten als chronisch schlecht (USDOS 13.3.2019).

Zu den anhaltenden Problemen Abchasiens gehören ein mangelhaftes Strafrechtssystem, die Diskriminierung ethnischer Georgier und ein Mangel an wirtschaftlichen Möglichkeiten. Während die Volksmeinung einen Einfluss auf die abchasische Innenpolitik hat, ist das Funktionieren der politischen Institutionen Abchasiens fast ausschließlich von der wirtschaftlichen und politischen Unterstützung aus Moskau abhängig. Die ethnisch georgische Bevölkerung ist regelmäßig von Wahlen und politischer Repräsentation ausgeschlossen. Im Jahr 2017 argumentierten die abchasischen "Behörden", dass die Mehrheit der Einwohner des Distrikts Gali georgische Staatsbürger seien und daher nicht wählen dürften (FH 4.2.2019).

Dennoch weist das politische System eine starke Opposition und zivilgesellschaftliche Aktivität auf. Allerdings behindert die Korruption innerhalb der Parteien deren demokratie- politische Funktion. Im Allgemeinen wird das Vereinigungsrecht geachtet. Ähnliches gilt für das Versammlungsrecht. Politische Parteien und Organisationen der Zivilgesellschaft organisieren regelmäßig Proteste, selbst für den Rücktritt des abchasischen "Staatspräsidenten" (FH 4.2.2019).

Hinsichtlich der Religionsfreiheit erfährt die georgisch-orthodoxe Kirche Restriktionen und Diskriminierung. Die Zeugen Jehovas sind als extremistische Organisation klassifiziert und seit 1995 verboten (USDOS 21.6.2019, vgl. FH 4.2.2019). Obgleich Vorsteher der muslimischen Gemeinde in der Vergangenheit angegriffen wurden, dürfen Muslime ihren Glauben frei praktizieren (FH 4.2.2019).

Nepotismus und Korruption, die oft auf Clan- und ethnischen Bindungen beruhen, haben erhebliche Auswirkungen auf die abchasische Justiz. Die Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen ist nach wie vor uneinheitlich. Das Strafrechtssystem wird durch den eingeschränkten Zugang der Angeklagten zu qualifiziertem Rechtsbeistand, Verletzungen des ordentlichen Verfahrens und langwierige Untersuchungshaft untergraben (FH 4.2.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Abkhazia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/abkhazia, Zugriff 20.8.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 20.8.2019

* USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011145.html, Zugriff am 20.8.2019

2.2. Regionale Problemzone: Südossetien

Große Teile Südossetiens wurden nach dem Ende eines Bürgerkriegs 1992 de facto unabhängig. Der Krieg im Jahr 2008 führte zum Einmarsch russischer Truppen und zur Vertreibung der zuvor noch bestehenden georgischen Regierungspräsenz sowie etlicher ethnischer Georgier. Nur Russland und eine Handvoll anderer Staaten haben seither die Unabhängigkeit Südossetiens anerkannt. Das Territorium bleibt fast vollständig von Russland abhängig und Moskau übt einen entscheidenden Einfluss auf die Politik und die Regierungsführung aus (FH 4.2019).

Im März 2017 drückte eine Resolution des UN-Menschenrechtsrates große Besorgnis über die Menschenrechtssituation in den separatistischen Gebieten Abchasien und Südossetien aus, wobei insbesondere Entführungen, willkürliche Festnahmen, Verletzung von Eigentumsrechten, das Fehlen muttersprachlichen Schulunterrichts, mangelnde Freizügigkeit und Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft und Verweigerung des Rückkehrrechts für die geflüchtete georgische Bevölkerung genannt werden. Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um diese zur Abwanderung zu bewegen. Dagegen ist die Anwesenheit der im Gebiet von Akhalgori (Südossetien) lebenden Georgier gegenwärtig akzeptiert (AA 27.8.2018, vgl. FH 4.2.2019). Obwohl die südossetischen de facto-Behörden den meisten wegen des Konflikts von 2008 vertriebenen ethnischen Georgiern die Rückkehr nach Südossetien verweigern, gibt es eine besondere Übergangsregelung für diejenigen aus dem Bezirk Akhalgori. Die Behörden erlauben den meisten internationalen Organisationen keinen regelmäßigen Zugang nach Südossetien zur Leistung humanitärer Hilfe (USDOS 13.3.2019).

Die russische "Grenzverfestigung" (borderization) der administrativen Grenze (ABL) geht weiter, sodass Anrainer von ihren Gemeinden bzw. Lebensgrundlagen getrennt werden (USDOS 13.3.2019, vgl. AI 7.2019). Die Dorfbewohner - einige leben in den ärmsten Teilen des Landes - verlieren Zugang zu Weiden, Ackerland und Obstgärten, zu Wasserquellen und Brennholz. Sie sind von ihren Verwandten und Einkommensgrundlagen ebenso abgeschnitten wie vom kulturellen und sozialen Leben. Jedes Jahr werden Hunderte von Menschen willkürlich festgehalten, während sie versuchen, die ABL zu überqueren (AI 7.2019). Die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zwischen Südossetien und Georgien wurden 2018 verschärft. Wie in den vergangenen Jahren wurden Dutzende georgischer Bürger von südossetischen Grenzschutzbeamten in der Nähe der administrativen Grenze zum Rest Georgiens festgehalten und gegen Zahlung einer Geldstrafe freigelassen. Im November 2018 verabschiedete das Parlament Südossetiens ein neues Gesetz, das die Geldbußen für illegale Grenzübertritte um fast das Vierfache erhöht. Ende Dezember 2018 gaben die Behörden bekannt, dass ein spezieller Pass erforderlich sein würde, um die Grenze zu Georgien zu überschreiten (FH 4.2.2019).

Die lokalen Medien stehen weitgehend unter Kontrolle der Behörden, die auch die Aktivitäten der Zivilgesellschaft einschränken oder genau überwachen. Zahlreiche politische Parteien wurden durch bürokratische Hürden an der Registrierung vor den Parlamentswahlen 2019 gehindert. Aufgrund des erheblichen russischen Einflusses auf die Innenpolitik und Entscheidungsfindung arbeitet die Regierung Südossetiens nicht transparent. Behörden-Korruption ist weit verbreitet. Ein systematischer Zugang diese zu bekämpfen besteht nicht. Die Justiz ist nicht unabhängig. Sie unterliegt politischer Einflussnahme und Manipulation und dient zur Bestrafung der vermeintlichen politischen Gegner. Körperliche Übergriffe und schlechte Bedingungen sind Berichten zufolge in Gefängnissen und Haftanstalten weit verbreitet (FH 4.2.2019).

Die Bewohner demonstrieren gelegentlich gegen Umweltzerstörung, das schleppende Tempo des Wiederaufbaus nach dem Krieg und seltener gegen politische Missstände. Die Versammlungsfreiheit ist jedoch stark eingeschränkt. Teilnehmer an nicht genehmigten Versammlungen laufen Gefahr, angeklagt zu werden (FH 4.2.2019).

Die Mehrheit der Bevölkerung sind orthodoxe Christen. Es gibt aber auch eine beträchtliche muslimische Gemeinschaft. Ein Teil des Eigentums der georgisch-orthodoxen Kirche wird von der südossetisch-orthodoxen Kirche kontrolliert. Der Oberste Gerichtshof Südossetiens hat im Jahr 2017 die Zeugen Jehovas als extremistische Organisation verboten (FH 4.2.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* AI - Amnesty International: Georgia: Behind barbed wire (7.2019): Human rights toll of "borderization" in Georgia [EUR 56/0581/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2012567/EUR5605812019ENGLISH.PDF, Zugriff am 20.8.2019

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - South Ossetia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2014287.html, Zugriff 20.8.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 20.8.2019

3. Rechtsschutz / Justizwesen

Georgien hat bei der Reform des Justizsektors bescheidene Fortschritte erzielt. Es gibt noch immer wichtige Herausforderungen, um die erzielten Fortschritte zu konsolidieren und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Die Zivilgesellschaft hat Bedenken hinsichtlich einer möglichen politischen Einmischung in die Justiz und den Medienpluralismus. Die wirksame Umsetzung der Rechtsvorschriften zu Menschenrechten und Antidiskriminierung stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Am 23.3.2018 schloss das georgische Parlament den Prozess der Verfassungsreform ab. Die überarbeitete Verfassung enthält neue Bestimmungen über die Gleichstellung der Geschlechter, Antidiskriminierung und Kinderrechte (EC 30.1.2019).

Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. NGOs, die den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch begleiten, mahnen weiterhin die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren an. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz kommt in brisanten Fällen immer wieder der Verdacht externer Einflussnahme auf. In einigen Fällen wurde der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg angerufen. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 27.8.2018).

Trotz der laufenden Justizreformen bleiben die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Gerichte ein erhebliches Problem, ebenso wie die Korruption und der Mangel an Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren. Nach einem neuen verfassungsrechtlichen Rahmen, der nach den Präsidentschaftswahlen 2018 in Kraft trat, werden die Richter des Obersten Gerichtshofs nicht mehr vom Präsidenten, sondern vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt. Ein gerichtliches Selbstverwaltungsorgan wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates (FH 4.2.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019

4. Sicherheitsbehörden

Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Bis 2012 waren Exekutivorgane, z.B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter des Gesetzes werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen, was zu einem Verlust an Respekt geführt hat. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf. Eine von NGOs angemahnte organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium ist bisher aber nicht vorgenommen worden (AA 27.8.2018).

Während die zivilen Behörden eine wirksame Kontrolle über das Verteidigungsministerium ausüben, besteht seitens der zivilen Behörden nicht immer eine wirksame Kontrolle über das Innenministerium und den Staatssicherheitsdienst. Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte ist begrenzt, und die Besorgnis über Straffreiheit bleibt hoch (USDOS 13.3.2019).

Straffreiheit für Strafverfolgungsbehörden bei Misshandlungsfällen bleibt ein anhaltendes Problem. Wenn Untersuchungen eingeleitet werden, führen sie oft zu Anklagen mit milderen bzw. inadäquaten Sanktionen und selten zu Verurteilungen. Die Behörden weigern sich routinemäßig, denjenigen, die eine Misshandlung anzeigen, den Status eines Opfers zu gewähren, und verwehren den Betroffenen, die Ermittlungsakten zu überprüfen (HRW 17.1.2019).

Trotz der rückläufigen Zahl der Beschwerden wegen polizeilicher Gewaltanwendung, welche beim Büro der Ombudsperson einlangten, verdoppelte sich fast gleichzeitig die Zahl der Verletzungen der Häftlinge nach der Festnahme. In der autonomen Region Adscharien stieg die Zahl der Verletzung nach Festnahmen fast um das Neunfache (PD 2.4.2019).

Im Juli 2018 verabschiedete das Parlament ein Gesetz zur Einrichtung eines staatlichen Inspektorats (State Inspector's Service), einer separaten Stelle, die für die Untersuchung von Missbräuchen durch die Strafverfolgungsbehörden zuständig ist. Das Gesetz räumt dem Staatsanwalt eine Aufsichtsfunktion über die Ermittlungen dieser Stelle ein, einschließlich des Rechts, verbindliche Anweisungen für jedes Untersuchungsverfahren zu erteilen oder Ermittlungsentscheidungen zu ändern, was die Unabhängigkeit des Inspektorats beeinträchtigt (HRW 17.1.2019).

Am 10.5.2019 nahm der "State Inspector's Service" als Nachfolgeorganisation des "Inspektionsbüros zum Schutz personenbezogener Daten" seinen Betrieb auf. Neben der Beobachtung etwa der gesetzeskonformen Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist seit 1.7.2019 eine weitere Hauptaufgabe des State Inspector's Service die unparteiische und wirksame Untersuchung schwerer Verbrechen (inklusive Folter), die von Vertretern der Strafverfolgungsbehörden gegen die Menschenrechte und Freiheiten verübt werden, sowie Untersuchung von Straftaten, die unter Anwendung von Gewalt oder unter Verletzung der persönlichen Würde eines Opfers begangen wurden (SIS 22.8.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019

* PD - Public Defender of Georgia (2.4.2019): Public Defender Presents Report on Situation of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://www.ombudsman.ge/eng/akhali-ambebi/sakhalkho-damtsvelma-parlamentshi-sakartveloshi-adamianis-uflebata-da-tavisuflebata-datsvis-mdgomareobis-shesakheb-angarishi-tsaradgina, Zugriff 26.8.2019

* SIS - State Inspector's Service (22.8.2019): Who we are? https://personaldata.ge/en/about-us#, Zugriff 22.8.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 22.8.2019

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Umfangreicher Personalaustausch, insbesondere in den Behördenleitungen, die juristische Aufarbeitung (Strafverfahren gegen Verantwortliche) sowie durchgreifende Reformen bei Polizei und im Strafvollzug haben Vorfälle von Gewaltanwendung auf Einzelfälle reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar. Ombudsperson und zivilgesellschaftliche Organisationen sprechen bekannt werdende Vorfälle von Gewaltanwendung und gegebenenfalls unzureichend betriebene Ermittlungen öffentlich an. 2017/18 gab es Berichte über angebliche Fälle von Misshandlungen in Polizeistationen (AA 27.8.2018).

Beim Besuch der Europäischen Anti-Folterkomitees des Europaratals (CPT) im September 2018 wurden seitens Personen, die sich in Polizeigewahrsam befanden oder zuvor befunden hatten kaum Anschuldigungen wegen Misshandlung durch Polizeibeamte erhoben. Keinerlei diesbezügliche Anschuldigungen gab es gegenüber dem Personal in temporären Haftinstitutionen (CoE-CPT 10.5.2019). Allerdings erhielt das Büro der Ombudsperson bis September 2018 149 Beschwerden über Misshandlungen durch Gefängnispersonal oder die Polizei und ersuchte hierbei die Staatsanwaltschaft, in acht Fällen Untersuchungen einzuleiten. Keine der Untersuchungen führte zu einer Strafverfolgung (HRW 17.1.2019 ).

Was die Misshandlung betrifft, so gibt es den Aktionsplan zur Bekämpfung von Folter, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe für den Zeitraum 2017-2018. Die Fälle von Misshandlungen im Strafvollzug haben sich im Gegensatz zu den Fällen von Misshandlungen durch Polizeibeamte verringert (EC 30.1.2019).

Laut Bericht des Büros der Ombudsperson ist eine der wichtigsten Herausforderungen die Durchführung effektiver Untersuchungen in Fällen von Misshandlung. Die im Laufe der Jahre bestehenden Probleme im Hinblick auf eine effektive Untersuchung sind meist noch vorhanden und stellen definitiv ein Problem dar. Aus diesem Grund hegt die Ombudsperson große Hoffnungen in die Ermittlungsfunktionen des staatlichen Inspektorates (SIS).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* CoE-CPT - Council of Europe - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (10.5.2019): Report to the Georgian Government on the visit to Georgia carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 10 to 21 September 2018 [CPT/Inf (20 19 )16], https://www.ecoi.net/en/file/local/2009081/2019-16-inf-eng.docx.pdf, Zugriff 22.8.2019

* EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019

6. Korruption

Bei der Prävention und Bekämpfung der Korruption hat Georgien die Antikorruptionsstrategie und seinen Aktionsplan im Einklang mit den Verpflichtungen der Assoziationsagenda weiter umgesetzt. Allerdings bestehen nach wie vor einige Bedenken hinsichtlich der Korruption auf hoher Ebene (EC 30.1.2019).

Während das Land bei der Bekämpfung der Kleinkriminalität erhebliche Fortschritte gemacht hat, bleibt die Korruption innerhalb der Regierung ein Problem. In einigen Fällen hat sie bei der staatlichen Postenbesetzung angeblich die Form von Vettern- und Günstlingswirtschaft angenommen. Die wirksame Anwendung von Antikorruptionsgesetzen und -vorschriften wird durch die mangelnde Unabhängigkeit sowohl der Strafverfolgungsbehörden als auch der Justiz beeinträchtigt. Erfolgreiche Klagen gegen hochrangige Beamte, die mit der Führung der Regierungspartei "Georgischer Traum" in gutem Einvernehmen stehen, sind selten (FH 4.2.2019).

Im "Corruption Perceptions Index 2018" von Transparancy International erreichte Georgien 58 von 100 [bester Wert] Punkten und lag damit auf Rang 41 von 180 Ländern (2017: 56 Punkte und Rang 46 von 180 Ländern) (TI 29.1.2019a). Zwar hat sich das Land im Ranking leicht verbessert, doch steht es vor einem Rückfall in der Demokratieentwicklung, was es anfällig für Korruption auf hoher Ebene macht. Dieser Rückwärtstrend ist unter anderem auf die mangelnde Rechenschaftspflicht bei der Strafverfolgung, Korruption und politische Einmischung in die Justiz und von der Regierung unterstützte Angriffe auf die unabhängige Zivilgesellschaft zurückzuführen. Trotz der dringenden Notwendigkeit, Fälle von Korruption und Fehlverhalten in der Regierung zu untersuchen, hat Georgien es versäumt, unabhängige Stellen einzurichten, die dieses Mandat übernehmen. Straflosigkeit trägt zum öffentlichen Misstrauen bei. Laut einer kürzlich von Transparency International Georgia durchgeführten Umfrage glauben 36% der Bürger, dass Beamte ihre Macht zum persönlichen Vorteil missbrauchen. Das ist ein Anstieg des Wertes verglichen mit nur 12% im Jahr 2013 (TI 29.1.2019b).

Quellen:

* EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019

* TI - Transparency International (29.1.2019a): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/country/GEO, Zugriff 22.8.2019

* TI - Transparency International (29.1.2019b): Eastern Europe & Central Asia: weak checks and balances threaten anti-corruption efforts, https://www.transparency.org/news/feature/weak_checks_and_balances_threaten_anti_corruption_efforts_across_eastern_eu, Zugriff 22.8.2019

7. NGOs und Menschrechtsaktivisten

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) können sich in der Regel ohne Probleme registrieren und ihre Arbeit aufnehmen. Sie werden in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen, von der Regierung generell respektiert und können auch Einfluss auf die politische Willensbildung ausüben. Einige wurden auch an wichtigen politischen Verfahren als Berater beteiligt (AA 11.12.2017).

Ein wachsendes Netzwerk von sogenannten "Watchdog"-NGOs wirbt zunehmend für Bürgerrechte. Der zivilgesellschaftliche Sektor wächst weiter zahlenmäßig und hinsichtlich der Kapazitäten, bleibt aber in erster Linie in der Hauptstadt und anderen größeren Städte konzentriert. NGOs haben nur schwache Verbindungen mit der breiteren Bevölkerung (BTI 1.2018, vgl. FH 4.2.2019).

Trotz der Schwäche der zivilgesellschaftlichen Organisationen in Bezug auf die Zahl der Mitglieder und der Abhängigkeit von finanziellen Zuwendungen spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Formulierung der staatlichen Politik und der Aufsicht. Über die von der EU unterstützte Nationale Plattform des Forums der Zivilgesellschaft hat letztere die Möglichkeit, ihre Anliegen auf internationaler Ebene zu äußern (BTI 1.2018).

Während manche NGOs in die politischen Diskussionen einbezogen werden, berichten andere, dass sie unter Druck stehen, vor allem in Form von öffentlicher Kritik von Regierungsbeamten aber auch seitens der Opposition (FH 4.2.2019). 2018 kam es zu Statements des Justizministers und des Vorsitzenden des Parlaments, die sich an Menschenrechtsaktivisten richteten und darauf abzielten, die Arbeit von NGOs zu diskreditieren (HRC 2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 - Georgia Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Georgia.pdf, Zugriff 26.8.2019

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019

* HRC - Human Rights Center (2019): Annual Reprot, State of Human Rights in Georgia 2018, https://www.hridc.org/admin/editor/uploads/files/pdf/hrcrep2018/annual%20report%202019%20-eng-.pdf, Zugriff 26.8.2019

8. Ombudsperson

Die Ombudsperson (Public Defender of Georgia) überwacht die Einhaltung der Menschenrechte und Freiheiten in Georgien. Sie berät die Regierung in Menschenrechtsfragen. Sie analysiert auch die Gesetze, Richtlinien und Praktiken des Staates in Übereinstimmung mit den internationalen Standards und gibt entsprechende Empfehlungen ab. Die Ombudsperson übt die Funktionen des Nationalen Präventionsmechanismus (NPM) aus, der im Fakultativprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT) vorgesehen ist. Basierend auf dem Gesetz zur "Beseitigung aller Formen der Diskriminierung" wird die Ombudsperson auch als Gleichbehandlungsstelle definiert, deren Hauptfunktion darin besteht, die Umsetzung des Gesetzes zu überwachen. Das Büro der Ombudsperson führt zudem Bildungsaktivitäten im Bereich der Menschenrechte und Freiheiten durch und reicht beim Verfassungsgericht von Georgien Beschwerden ein, falls die Menschenrechte und Freiheiten durch einen normativen Akt verletzt werden. Die Ombudsperson ist ferner ermächtigt, die Funktion des Amicus Curiae bei den ordentlichen Gerichten und dem Verfassungsgericht von Georgien auszuüben (ENNHRI 19.12.2017).

Mit der Ombudsperson für Menschenrechte, aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Sie verfügen zwar nicht über eigene Sanktionsmittel, nutzen aber sehr aktiv ihre Möglichkeiten, Missstände und individuelle Beschwerdefälle zu untersuchen die Ergebnisse zu veröffentlichen und Empfehlungen an Regierungsbehörden zu geben. Mit ihren sehr zahlreichen öffentlichen Stellungnahmen zu vielen Themen und Einzelfällen und mit konkreten Empfehlungen an Regierungsstellen erzielt sie viel öffentliche Aufmerksamkeit. Die Ombudsperson veröffentlicht auch regelmäßig Berichte über ihre Erkenntnisse zur Menschenrechtslage. Die Regierung muss auf die Handlungsempfehlungen reagieren. Außerdem kann die Ombudsperson die Staatsanwaltschaft auffordern Untersuchungen einzuleiten und Verfassungsklagen erheben. Die Zahl der Regionalbüros im Land stieg auf neun. Der stetige Anstieg der Beschwerden zeigt ein zunehmendes Bewusstsein der Bevölkerung für ihre Rechte und ein zunehmendes Ansehen der Institution des Ombudsperson (AA 27.8.2018).

NGOs betrachten das Amt der Ombudsperson als objektivste aller staatlichen Einrichtungen, die sich mit Menschen- und Bürgerrechten befassen. Während das Büro der Ombudsperson im Allgemeinen ohne staatliche Einmischung arbeitet und als effizient gilt, berichtet die Ombudsperson im Gegenzug, dass die Regierungsstellen manchmal nur teilweise oder gar nicht auf Anfragen und Empfehlungen reagieren, obwohl sie verpflichtet sind, innerhalb von zehn Tagen zu antworten und Folgemaßnahmen innerhalb von 20 Tagen einzuleiten (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* ENNHRI - European Network of National Human Rights Institutions (19.12.2017): The Public Defender (Ombudsman) of Georgia, http://www.ennhri.org/The-Public-Defender-Ombudsman-of-Georgia-131, Zugriff 26.8.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 26.8.2019

9. Wehrdienst und Rekrutierungen

Es besteht eine zwölfmonatige Wehrpflicht, die sowohl bei den Streitkräften als auch bei der Polizei oder anderen Behörden abgeleistet werden kann. Zwangsrekrutierungen gibt es nicht. Diskriminierung anhand von Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung ist nicht feststellbar. Es besteht der Eindruck, dass die georgischen Streitkräfte vorrangig ethnische Georgier mit georgisch-orthodoxer Religion als Zeit- und Berufssoldaten rekrutieren. Das Verteidigungsministerium hat aber angekündigt, spezielle Programme zur Integration ethnischer Minderheiten aufzulegen, um die Basis für Rekrutierungen künftig zu verbreitern. Fahnenflüchtige werden gemäß den gesetzlichen Vorgaben strafrechtlich verfolgt. Ihnen drohen Gefängnisstrafen von drei bis zehn Jahren (AA 27.8.2018).

Die Stellung erfolgt zweimal im Jahr - im Frühjahr und im Herbst. Drei Regierungsbehörden rekrutieren Wehrpflichtige für ihre Bedürfnisse: das Verteidigungsministerium, das Innenministerium und das Ministerium für Justizvollzug. Nur 25% der Wehrpflichtigen kommen in die Armee. Der Rest dient als Polizeiwachmann oder in der Bewachung von Gefängnissen. Die Betroffenen erhalten fast keine militärische Ausbildung und dienen, einschließlich der Bewachung von privaten Einrichtungen, entweder unbezahlt oder für ein symbolisches Gehalt von 75 Lari (ca. 23 Euro) (JAMnews 4.9.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* JAMnews (4.9.2018): Military conscription in Georgia - defense of the homeland or free protection? https://jam-news.net/military-conscription-in-georgia-defense-of-the-homeland-or-free-protection/, Zugriff 26.8.2019

9.1. Wehrersatzdienst

Gemäß der Verfassung und der Gesetze sind alle männlichen Bürger im Alter von 18 bis 27 Jahren verpflichtet, sich der 12-monatigen Wehrpflicht in der Armee zu unterziehen. Das Gesetz sieht Ausnahmen aus bestimmten Gründen vor. Insbesondere sind dies: gesundheitliche Probleme, Begehung einer schweren Straftat oder Verbrechen von mittlerer Schwere, Erbringung von alternativen Dienstleistungen sowie das Vorliegen eines besonderen Talents, das durch ein spezielles Dekret des Premierministers bestätigt werden muss (JAMnews 4.9.2018).

Gemäß Kapitel 29 des Gesetzes über die militärischen Pflichten und den Militärdienst sind Personen, die einen nicht-militärischen, alternativen Arbeitsdienst abgeleistet haben, von der Wehrpflicht befreit. Laut Artikel 5 des Gesetzes über den nicht-militärischen, alternativen Arbeitsdienst, können Bürger als Gruppe oder als Einzelpersonen in folgenden Arbeitsbereichen den Dienst ableisten: Rettungswesen, Feuerwehr, Umweltschutz; Ingenieurwesen, Reparaturwesen, Einrichtungen für zivile Zwecke; Organisationen oder Einrichtungen der Landwirtschaft; kommunale Dienstleistungen sowie im Gesundheitsschutz. Die Regierung billigt hierzu eine Liste der Zivildienstarbeiten und Einrichtungen, wo ein solcher Dienst abgeleistet werden kann. Überdies sieht das Gesetz vor, dass auf der Grundlage eines Regierungsbeschlusses Bürger, die einen alternativen Arbeitsdienst durchlaufen, auch zu Arbeiten im Zuge von Naturkatastrophen oder zu saisonalen Erntearbeiten eingesetzt werden können (OSCE 31.7.2019).

Quellen:

* JAMnews (4.9.2018): Military conscription in Georgia - defense of the homeland or free protection? https://jam-news.net/military-conscription-in-georgia-defense-of-the-homeland-or-free-protection/, Zugriff 26.8.2019

* OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (31.7.2019): Response by the Delegation of Georgia to the Questionnaire on the Code of Conduct on Politico-Military Aspects of Security, https://www.osce.org/forum-for-security-cooperation/427691?download=true, Zugriff 26.8.2019

9.2. Wehrdienstverweigerung / Desertion

Laut Artikel 389 des Strafgesetzbuches wird das willkürliche Verlassen einer militärischen Einheit oder eines anderen Dienstortes durch einen Wehrdienstleistenden zur Vermeidung des Wehrdienstes oder des Reservedienstes oder das Nichterscheinen zum gleichen Zweck mit einer Freiheitsstrafe von drei bis sieben Jahren bestraft. Ein Wehrdienstleistender oder Reservedienstleistender, der zum ersten Mal eine solche Tat begeht, darf aus der strafrechtlichen Verantwortung entlassen werden, wenn die Desertion durch schwerwiegende Umstände verursacht wurde (LO 29.9.2016).

Es ist mögl

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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