TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/19 W187 2164031-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.02.2020
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Entscheidungsdatum

19.02.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §34 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W187 2164036-1/8E

W187 2164033-1/6E

W187 2164032-1/7E

W187 2164031-1/7E

W187 2164027-1/5E

W187 2164035-1/5E

W187 2164023-1/5E

W187 2220780-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hubert REISNER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1. XXXX , geboren am XXXX , 2. der minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , 3. dem minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , 4. der minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , 5. der minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , 6. der minderjährigen XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , 7. der minderjährigen XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , 8. dem minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , alle Staatsangehörigkeit Afghanistan, die Minderjährigen vertreten durch ihre Mutter XXXX , alle vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom jeweils XXXX , 1. XXXX , 2. XXXX , 3. XXXX , 4. XXXX , 5. XXXX , 6. XXXX , 7. XXXX , bzw vom XXXX , 8. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz 2005, der minderjährigen XXXX , dem minderjährigen XXXX , der minderjährigen XXXX , der minderjährigen XXXX , der minderjährigen XXXX , der minderjährigen XXXX und dem minderjährigen XXXX gemäß § 3 Abs 1 iVm § 34 Abs 2 Asylgesetz 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX , der minderjährigen XXXX , dem minderjährigen XXXX , der minderjährigen XXXX , der minderjährigen XXXX , der minderjährigen XXXX , der minderjährigen XXXX und dem minderjährigen XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. XXXX (in der Folge: Erstbeschwerdeführerin) und ihre minderjährigen Kinder XXXX (in der Folge: Zweitbeschwerdeführerin), XXXX (in der Folge: Drittbeschwerdeführer), XXXX (in der Folge: Viertbeschwerdeführerin), XXXX (in der Folge: Fünfbeschwerdeführerin), XXXX (in der Folge: Sechstbeschwerdeführerin) und XXXX (in der Folge: Siebtbeschwerdeführerin) reisten gemeinsam unter Umgehung der Einreisebestimmungen schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am XXXX , die Minderjährigen vertreten durch ihre Mutter, die Erstbeschwerdeführerin, ihren Antrag auf internationalen Schutz stellten.

2. Die Erstbeschwerdeführerin wurde im Rahmen ihrer Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu ihrer Identität, ihrer Reiseroute und ihren Fluchtgründen einvernommen. Dabei gab sie an, traditionell verheiratet und Mutter ihrer sechs mitgereisten Kinder zu sein. Sie sei am XXXX in XXXX geboren, gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und sei sunnitische Moslemin. Weiter führte sie aus, ihr Ehemann sei mit ihnen gemeinsam ausgereist, jedoch in Griechenland verschollen. Sie wisse nicht, wo sich ihr Ehemann derzeit aufhalte. Als Beweggrund für die gemeinsame Ausreise führte die Erstbeschwerdeführerin an, dass die Taliban XXXX eingenommen hätten. Die Situation sei immer schlechter geworden. Häuser seien geplündert worden und Angehörige der Erstbeschwerdeführerin hätten Drohungen erhalten. Daher hätten sie gemeinsam beschlossen, das Land zu verlassen. Ihr Haus sei geplündert worden, sie hätten keine Zukunft in Afghanistan und würden bedroht. Die Erstbeschwerdeführerin wünsche sich eine gute Zukunft für sich und ihre Kinder.

3. Die Erstbeschwerdeführerin wurde am XXXX vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich zu ihrem Antrag auf internationalen Schutz sowie zum Antrag auf internationalen Schutz ihrer Kinder einvernommen. Sie gab hier zunächst an, dass sie in XXXX geboren und aufgewachsen sei. Ihren Gatten habe sie vor ca. 14 Jahren in XXXX geheiratet und sei anschließend mit ihm nach XXXX ins Haus ihrer Schwiegereltern gezogen. Ihr Ehegatte habe später eine Zweitfrau geheiratet und mit dieser ebenfalls einen Sohn. Seine Zweitfrau sei nach wie vor in Afghanistan aufhältig. Zu ihren Fluchtgründen gab die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen zusammengefasst an, die Taliban seien in die Provinz XXXX einmarschiert. Das Leben sei immer schwieriger gewesen, viele Frauen und Mädchen seien vergewaltigt worden, Büros seien geplündert worden. Am Tag, nachdem die Taliban in der Nacht einmarschiert seien, hätten ihr Gatte und ihr Schwiegervater über Facebook und die Medien davon erfahren, dass die Taliban XXXX eingenommen hätten. Noch am selben Tag sei die Familie geflüchtet. Bei ihrer Flucht hätten sie gesehen, dass die Taliban in der Stadt anwesend waren. Sie hätten Kampfhandlungen und Schusswechsel beobachtet. Mit der Erstbeschwerdeführerin und ihren Kindern seien auch ihr (damaliger) Gatte, XXXX , ihr Schwager, XXXX , und ein Cousin, XXXX , ausgereist. Auf der Reise sei ihr Gatte von der Küstenwache festgenommen und in die Türkei gebracht worden. Dort sei er 20 Tage in Schubhaft gewesen und schließlich nach Afghanistan abgeschoben worden. Derzeit lebe ihr Gatte wieder zu Hause in XXXX bei seinen Eltern. Überall in Afghanistan herrsche Krieg, ihr Leben und das ihrer Kinder sei in Gefahr. Die Erstbeschwerdeführerin fürchte, dass ihre Kinder vergewaltigt würden. Gefragt, ob ihre Kinder eigene Fluchtgründe hätten, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihre Kinder dieselben Fluchtgründe wie sie selbst hätten.

4. Am XXXX übermittelte die Polizeiinspektion XXXX dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Meldung bzw. eine Verständigung von einer Amtshandlung gegen einen Fremden hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin. Aus dieser Meldung ist ersichtlich, dass die Erstbeschwerdeführerin am XXXX wegen des Verdachts auf Diebstahl angezeigt wurde.

5. Am XXXX langte bei der belangten Behörde ein Abschluss-Bericht der Polizeiinspektion XXXX hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin wegen des Verdachts auf Diebstahl ein. Aus dem Abschluss-Bericht ergibt sich, dass der Erstbeschwerdeführerin vorgeworfen wird, sie habe am XXXX eine Jeans in der XXXX am XXXX gestohlen und anschließend versucht, in der XXXX in XXXX 37 Bekleidungsstücke zu stehlen. In der XXXX sei sie von der Ladendetektivin angehalten worden, welche die Polizei verständigt habe. Die Erstbeschwerdeführerin zeigte sich geständig.

6. Mit den gegenständlich angefochtenen Bescheiden vom jeweils XXXX wurden die Anträge der Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführerin, des Drittbeschwerdeführers, der Viertbeschwerdeführerin, der Fünfbeschwerdeführerin, der Sechstbeschwerdeführerin und der Siebtbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Unter Spruchpunkt II. wurde den Beschwerdeführern gemäß § 8 Abs 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Unter Spruchpunkt III. wurde den Beschwerdeführern gemäß § 8 Abs 4 AsylG die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX erteilt.

Für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde den Beschwerdeführern amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

7. Gegen Spruchpunkt I. dieser Bescheide erhoben die Erst- bis Siebtbeschwerdeführer, die Minderjährigen vertreten durch ihre Mutter, alle vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, mit Schreiben vom XXXX gemeinsam fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften.

8. Die Beschwerde und die dazugehörigen Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entscheidung vorgelegt. In einem verzichtete die belangten Behörde auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

9. Der (damalige) Gatte der Erstbeschwerdeführerin bzw Vater der Zweit- bis Siebtbeschwerdeführer, XXXX , reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX seinen Antrag auf internationalen Schutz.

10. Am XXXX langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Strafkarte bzw. Verständigung von einer rechtskräftigen Verurteilung hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin ein. Aus dieser ist ersichtlich, dass die Erstbeschwerdeführerin wegen der Vergehen des Diebstahls und des versuchten Diebstahls (Datum der letzten Tat XXXX ) am XXXX vor dem Bezirksgericht XXXX , XXXX , nach § 127 und §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 14 Tagen, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt wurde. Dieses Urteil ist seit XXXX rechtskräftig.

11. Am XXXX wurde der gemeinsame Sohn der Erstbeschwerdeführerin und ihres (damaligen) Ehegatten, XXXX , namens XXXX (in der Folge: Achtbeschwerdeführer), geboren. Die Erstbeschwerdeführerin stellte am XXXX als gesetzliche Vertretung für den Achtbeschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei sie angab, der Achtbeschwerdeführer habe keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen, sein Antrag beziehe sich ausschließlich auf ihre eigenen Gründe.

12. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom XXXX wurde der Antrag des Achtbeschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Unter Spruchpunkt II. wurde dem Achtbeschwerdeführer gemäß § 8 Abs 1 iVm § 34 Abs 3 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Unter Spruchpunkt III. wurde dem Achtbeschwerdeführer gemäß § 8 Abs 4 AsylG die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX erteilt.

Für ein allfälliges Beschwerdeverfahren wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem Achtbeschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

13. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Achtbeschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter, diese vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, mit Schreiben vom XXXX fristgerecht Beschwerde. Hinsichtlich der Begründung wurde u.a. auf die Beschwerde gegen den Bescheid der Erstbeschwerdeführerin verwiesen.

14. Die Beschwerde des Achtbeschwerdeführers und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entscheidung vorgelegt.

15. Am XXXX informierte die Erstbeschwerdeführerin das Bundesverwaltungsgericht durch ihre Rechtsvertretung darüber, dass sie seit XXXX von ihrem Ehemann, XXXX , geschieden ist. In einem legte sie den Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX über die Scheidung im Einvernehmen vom XXXX samt Scheidungsvereinbarung vor. Die Scheidung ist seit XXXX rechtswirksam.

16. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte den Parteien mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung einschlägige Länderinformationen zu Afghanistan.

17. Am XXXX fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, im Zuge derer die Erstbeschwerdeführerin, die Zweitbeschwerdeführerin und die Viertbeschwerdeführerin im Beisein der ausgewiesenen Rechtsvertreterin, des Drittbeschwerdeführers und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari vom erkennenden Richter zu ihren Anträgen auf internationalen Schutz und ihren Beschwerdegründen im Familienverfahren einvernommen wurden. Die Fünft- bis Achtbeschwerdeführer sowie die belangte Behörde blieben der mündlichen Verhandlung fern.

Die Verhandlungsschrift lautet auszugsweise:

"[...]

Richter: Verstehen Sie die Dolmetscherin gut?

Beschwerdeführerin: Ja.

Richter: Sind Sie psychisch und physisch in der Lage, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen? Liegen Gründe vor, die Sie daran hindern?

Beschwerdeführerin: Ja.

Richter: Nehmen Sie regelmäßig Medikamente, befinden Sie sich in medizinischer Behandlung?

Beschwerdeführerin: Ich habe keine anderen Erkrankungen, außer einer Schilddrüsenerkrankung, pro Tag muss ich eine Tablette einnehmen, es ist eine Dauermedikation.

[...]

Beginn der Befragung der Beschwerdeführerin 1

[...]

Richter: Können Sie sich an Ihre Aussage vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erinnern? Waren diese richtig, vollständig und wahrheitsgetreu?

Beschwerdeführerin: Ja.

Richter: Geben Sie Ihr Geburtsdatum an. Wo sind Sie auf die Welt gekommen?

Beschwerdeführerin: Geboren wurde ich in der Stadt XXXX und zwar am XXXX .

Richter: Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie diese lesen und schreiben?

Beschwerdeführerin: Ich beherrsche nur Dari. Allerdings kann ich weder lesen noch schreiben, weil ich keine reguläre Schule besucht habe. Ich habe einige Jahre eine Koranschule besucht. Deutsch spreche ich nicht hervorragend, aber ich verstehe einiges.

Richter: Geben Sie Ihre Volksgruppe, Religion und Ihren Familienstand an.

Beschwerdeführerin: Ich bin Sunnitin und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Ich spreche Dari. Ich bin geschieden.

Richter: Haben Sie Kinder?

Beschwerdeführerin: Ich habe 7 Kinder.

Richter: Weshalb wurde Ihre Ehe geschieden?

Beschwerdeführerin: Wir sind nicht miteinander ausgekommen. Mein Mann hatte neben unserer Ehe eine Beziehung zu einer anderen Frau geführt, deshalb wollte ich die Scheidung.

Richter: Haben Sie das Kopftuch zum Zeitpunkt der Einreise in Österreich freiwillig getragen oder wurden Sie von Ihrem geschiedenen Mann dazu gezwungen?

Beschwerdeführerin: Ich habe früher freiwillig einen Schleier getragen, ich wurde nicht dazu gezwungen. Es war mehr eine Angewohnheit. Ich habe mich selbst freiwillig dazu entschieden meinen Schleier auch abzulegen.

Richter: Können Sie bitte soweit wie möglich chronologisch angeben, wann und wo Sie sich in Afghanistan aufgehalten haben.

Beschwerdeführerin: Bis zu meinem XXXX Lebensjahr habe ich bei meiner Mutter in XXXX gelebt. Danach habe ich geheiratet und bin im Alter von XXXX Jahren zu meinem Ehemann bzw. zu meiner Schwiegerfamilie nach XXXX übersiedelt.

Richter: Wie haben Sie in Afghanistan gewohnt?

Beschwerdeführerin: Wir hatten kein eigenes Haus. Meine Mutter hatte auch nicht das Budget dazu. Wir hatten kein hervorragendes Leben, damit meine ich unsere finanzielle Situation, weil mein Vater verstorben war. Wir hatten kein Eigentum.

Richter: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Onkel)?

Beschwerdeführerin: Mit meiner Mutter stehe ich in Kontakt und mit meinem Bruder. Zu meiner Schwiegerfamilie besteht kein Kontakt. Darüber hinaus habe ich sonst mit niemanden Kontakt.

Richter: Haben Sie in Afghanistan weiter entfernte Verwandte oder sonstige wichtige Kontaktpersonen und wie heißen sie? Wo leben sie? Haben Sie zu ihnen Kontakt?

Beschwerdeführerin: Nein.

Richter: Wie ist Ihr Leben derzeit in Österreich? Was machen Sie in Österreich?

Beschwerdeführerin: Ich bin sehr zufrieden mit dem Leben, das ich hier in Österreich führen darf. Ich bin zurzeit damit beschäftigt die Sprache zu erlernen und besuche einen Sprachkurs. Ich betreibe nebenbei auch Sport. In meiner Freizeit gehe ich gerne Fahrrad fahren. Die XXXX veranstaltet ein Café-Treffen für Frauen und dort nehme ich teil. Ich gehe auch sehr oft schwimmen. Ich möchte auch eine Ausbildung machen. In erster Linie, möchte ich den Sprachkurs abschließen. Als Beruf habe ich mir überlegt, dass ich gerne Kindergärtnerin werden möchte. Ich bin auch daran interessiert meinen Führerschein zu machen. Ich bemühe mich so viel wie möglich zu erlernen, damit ich auf meinen eigenen Beinen stehen kann, damit ich auch meine Rechte verteidigen kann.

Richter: Haben Sie Freunde in Österreich?

Beschwerdeführerin: Ja. Ich habe einheimische Freunde, aber auch afghanische und sogar russische Freunde gefunden.

Richter: Sind Sie Mitglied in einem Verein?

Beschwerdeführerin: Nein, eine Mitgliedschaft habe ich nicht. Ich betreibe Sport. Ich habe aber keinen Verein gefunden, der mich sehr interessiert. Ich habe oft meine Hilfe angeboten. Ich durfte für die XXXX zwei oder drei Tage freiwillig arbeiten. Eine Bestätigung dazu habe ich nicht erhalten. Ich möchte sehr gerne Anderen auch behilflich sein. Ich habe sieben Kinder, auf die ich auch genau achte. Darüber hinaus muss ich auch zusehen, dass ich selbst Deutsch so gut wie möglich lerne.

Richter: Hatten Sie Probleme mit der Polizei oder einem Gericht?

Beschwerdeführerin: Ja. Unmittelbar nach meiner Einreise gab es Probleme. Die sind irrtümlich entstanden, durch Unwissenheit. Das Verfahren wurde geschlossen. In einem Geschäft haben wir Kleidung eingekauft, aber nicht richtig bezahlt, weil wir auch nicht wussten, wie man das tatsächlich bezahlt. Wir haben das mit dem Besitzer dann aber geklärt.

Richter: Handelt es sich dabei um den Vorfall am XXXX (Anzeige wegen Diebstahl in Akt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl)?

Beschwerdeführerin: Ja.

Richter: Bitte geben Sie Ihren Fluchtgrund an! Warum haben Sie Ihr Heimatland verlassen?

Beschwerdeführerin: Wir haben in XXXX gelebt. Dort herrschte Krieg durch die Taliban. Mein Exmann und Ex-Schwager haben im Internet durch die Nachrichten mitbekommen, dass die Taliban XXXX einnehmen. Wir waren in Gefahr, vor allem wegen unserer Töchter. Wir haben ja mehrere Kinder, deshalb haben wir entschieden, nach XXXX zu fliehen. In XXXX sind wir zu meiner Mutter gekommen, zwei Nächte haben wir dort verbracht. Die Taliban haben XXXX zur Gänze eingenommen, eine Rückkehr war nicht mehr möglich. Wir haben dann entschieden, die Heimat zu verlassen, da unser Leben in Gefahr war. Wir haben unsere Reise Richtung Europa angetreten. Wir sind dann auch tatsächlich nach Europa gekommen. Wir sind über die Türkei gereist. Bei der Überfahrt Richtung Griechenland sind wir mit einem Schlauchboot gereist. Es waren Personen mit uns unterwegs, die ihre Gesichter maskiert hatten, sie haben mit Absicht unser Schlauboot zerschnitten, ein Loch gemacht. Ich war mit meinen Kindern, mit meinem Cousin väterlicherseits und weiterer Familie plötzlich im Wasser. Mein Ehemann hat sich in einem anderen Boot befunden, sie mussten wieder in die Türkei zurückkehren. Wir wurden dann gerettet und auf das Festland gebracht. Sie sind dann auf der anderen Seite geblieben. Mein Exmann war ein Monat in der Türkei eingesperrt. Mein Ehemann wurde dann nach Afghanistan zurückgeschoben. Wir sind dann gerettet worden und sind auch weitergereist.

Richter: Haben Ihre Kinder eigene Fluchtgründe oder gelten für sie dieselben Fluchtgründe wie für Sie?

Beschwerdeführerin: Sie haben dieselben Fluchtgründe. Die Kinder haben sich immer bei mir befunden. Darüber hinaus hatten meine Kinder in Afghanistan keinerlei Freiheiten. Ich spreche von einer Ausbildung. Insbesondere Mädchen können keine Schule besuchen, die Taliban haben Drohungen diesbezüglich ausgesprochen.

Richter: Praktizieren Sie Ihre Religion in Österreich?

Beschwerdeführerin: Ja.

Richter: Welche Schulen oder Ausbildungen machen die Kinder?

Beschwerdeführerin: Meine älteste Tochter, XXXX hat zuvor die polytechnische Schule besucht und besucht zurzeit einen XXXX -Kurs. Mein Sohn XXXX besucht die vierte Schulstufe der Hauptschule, er befindet sich im letzten Schuljahr und möchte die Ausbildung zum Auto-mechaniker machen. Meine Tochter XXXX befindet sich in der dritten Schulstufe einer Hauptschule und möchte eine Weiterbildung machen, denn sie möchte Zahnärztin werden. Meine Tochter XXXX befindet sich in der ersten Hauptschulklasse. Sie hat sehr gute Noten und sie möchte Polizistin werden. Meine Tochter XXXX befindet sich in der dritten Volksschulstufe. Meine jüngste Tochter heißt XXXX , sie befindet sich in der ersten Volksschulklasse. Sie ist sehr talentiert. Mein Sohn XXXX befindet sich zurzeit bei mir, ich habe aber vor, dass er in den Kindergarten geht.

Richter: Schildern Sie bitte nochmals die Gründe Ihrer Beschwerde!

Beschwerdeführerin: Weil ich nur ein Visum, gemeint ist subsidiärer Schutz, erhalten habe und ich davon überzeugt bin, dass ich als Frau mehr verdiene. Ich bin eine eigenständige Frau und kümmere mich mittlerweile alleine um meine Kinder. Ich möchte diese Gewissheit, dass meine Kinder in Ruhe ihre Ausbildungen machen können, etwas abschließen können. Ich möchte, dass sie auch die Welt kennenlernen, außer Afghanistan, dass sie vielleicht auch mal auf Urlaub fahren.

Richter: Was würde passieren, wenn Sie jetzt nach Afghanistan zurückkehren müssten?

Beschwerdeführerin: In Afghanistan herrscht Krieg durch die Taliban. Darüber hinaus habe ich mich von meinem Ehemann scheiden lassen. Dort sind die Sitten und Bräuche anders. Es wird mir sehr große Probleme verschaffen. Mein Leben ist dadurch in Gefahr. Ich möchte niemals nach Afghanistan zurückkehren. Ich möchte hier eine Ausbildung machen und auf meinen eigenen Beinen stehen.

Festgehalten wird, dass alle Beschwerdeführer Jeans und ein Top tragen. Die weiblichen Beschwerdeführer tragen die Haare offen. Sie tragen weder Schleier noch Kopftuch. Die weiblichen Beschwerdeführer sind geschminkt und tragen dezenten Schmuck.

Rechtsvertreterin: Was bedeutet für Sie Freiheit?

Beschwerdeführerin: Freiheit bedeutet für mich, dass eine Frau ihre Rechte verteidigen kann, dass eine Frau ihren Willen durchsetzt, z.B. eine Ausbildung zu machen. Die Freiheit, dass man als Frau ein Fahrzeug lenken kann. Viele Freiheiten, die einer Frau eigentlich zustehen, die ihr in Afghanistan aber verwehrt sind, weil die Gesetze es auch verbieten. In Afghanistan haben die Frauen auch kein Recht dazu, den Schleier einfach so abzulegen. Eine Frau kann sich nicht alleine nach draußen begeben. Einer Frau ist es verboten, ein oberflächliches Gespräch mit einem Mann zu führen oder in einem offiziellen Büro einer Arbeit nachzugehen. Es ist auch keine leichte Angelegenheit eine Schule zu besuche. Das bedeutet für mich Freiheit, all diese Dinge, die man als Frau in Afghanistan nicht machen kann, hier aber sehr wohl. Das allerwichtigste ist, dass eine Frau einem Mann hier gleichgestellt ist, nicht so wie in Afghanistan, dass eine Frau einem Mann untergeordnet ist. Deswegen ziehe ich es auch hier vor zu bleiben bzw. zu sein und nicht in Afghanistan. Sollte mich auch jemand dazu einladen, nach Afghanistan zurückzukehren, würde ich niemals dazu bereit sein, eine solche Einladung anzunehmen.

Rechtsvertreterin: Wie viel Geld haben Sie pro Monat zur Verfügung?

Beschwerdeführerin: 1215 EUR erhalte ich von der XXXX pro Monat. Darüber hinaus 1600 EUR Sozialhilfe. 880 EUR zahle ich davon für Miete, 155 EUR für Gas und Strom pro Monat, pro Monat zahle ich 41 EUR für den Internetanschluss, pro Semester zahle ich 120 EUR, damit die Kinder von der XXXX organisiert, einen Kurs besuchen können. Und 52 EUR für die Fahrkarte bzw. Bahnkarte für mich und meine älteste Tochter, XXXX . Ich zahle auch 80 EUR für die Nachhilfe für meinen Sohn XXXX . Er befindet sich im letzten Schuljahr und ich möchte, dass er gut abschneidet.

Rechtsvertreterin: Wie bekommen Sie das Geld? Bar oder überwiesen?

Beschwerdeführerin: Das Sozialgeld bekomme ich auch meine Bankkarte. Von der XXXX ist es unterschiedlich, entweder bar auf die Hand, oder überwiesen.

Rechtsvertreterin: Sie haben vorhin schon vom Fahrradfahren und Schwimmen erzählt. Was haben Sie sonst noch für Hobbies?

Beschwerdeführerin: Neben Fahrradfahren und Schwimmen höre ich gerne Musik und tanze auch dazu. In den Morgenstunden gehe ich gerne laufen. In meiner Freizeit gehe ich auch mit meinen Kindern an der XXXX grillen, oder wir besuchen andere schöne Parkanlagen. Museumsbesuche hatten wir auch schon. Ich unterstütze auch meine älteste Tochter, XXXX , dabei, dass sie in einem Fitnessclub Sport betreibt, genauer macht sie Bodybuilding und boxt auch. Wir haben auch gemeinsam ein, zweimal Filme in der XXXX angeschaut.

Rechtsvertreterin: Was tragen Sie zum Schwimmen?

Beschwerdeführerin: Ich bin etwas dick. Ich ziehe etwas an, damit ich meinen Bauch bedecken kann. Einen Schwimmanzug, damit ich meinen Bauch verbergen kann.

Rechtsvertreterin: Wer trifft, die Kinder betreffend, Entscheidungen zuhause?

Beschwerdeführerin: Wenn es um sehr wichtige Entscheidungen geht, muss der Vater miteinbezogen werden. Ansonsten entscheide ich für sie.

Rechtsvertreterin: Dürfen sich Ihre Töchter später einmal ihre Männer selbst aussuchen?

Beschwerdeführerin: Ja, das wollen sie. Meine Tochter XXXX hat zurzeit einen Freund und ich habe damit kein Problem.

Rechtsvertreterin: Wie hat sich Ihr Leben verändert im Vergleich zu Ihrem Leben in Afghanistan?

Beschwerdeführerin: Es sind viele Veränderungen für mich eingetreten. In Afghanistan konnte ich mich nicht einfach so nach draußen begeben. Das Leben, das ich hier führe, konnte ich dort nicht führen. Ich entscheide über mich selbst, ich verfüge über mich selbst und habe keinen Vormund. Es sind viele Veränderungen eingetreten. Ich bemühe mich sehr etwas zu erlernen, weil ich in Afghanistan nicht das Recht dazu hatte. Hier kann ich um ein Uhr in der Nacht nach draußen begeben, in Afghanistan durfte ich nicht einmal tagsüber nach draußen gehen. Hier verfüge ich über alles und dort war das eben nicht so.

Befragung der Beschwerdeführerin 2 auf Deutsch

Rechtsvertreterin: Können Sie mir sagen, wie Ihre Alltag hier in Österreich aussieht und was Ihre Pläne für die Zukunft sind?

Beschwerdeführerin: Ich habe am XXXX einen Termin. Ich fange Kurs, Vorbereitung als Pflicht-schulabschluss, wenn ich bald fertig bin, will ich Kosmetikerin werden oder Krankenschwester. Ich gehe Freunde treffen und ich gehe mit meiner Mutter manchmal raus, einkaufen. Ich gehe gerne Sport, Kino gehen.

Rechtsvertreterin: Gibt es Gewohnheiten von österreichischen Mädchen, die Sie ablehnen?

Beschwerdeführerin: Nein.

Rechtsvertreterin: Wenn Sie anderer Meinung sind, als Ihre Mutter, was machen Sie dann?

Beschwerdeführerin: Mit ihr reden. Wenn ich eine andere Meinung habe, rede ich mit meiner Mutter darüber. (mit Übersetzung): Wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, sprechen wir darüber, wir versuchen uns in der Mitte zu einigen.

Rechtsvertreterin: Ist es Ihnen wichtig, dass Ihr Freund später Afghane ist?

Beschwerdeführerin: Nein es ist egal, Afghane oder Österreich, oder aus einem anderen Land, egal.

Rechtsvertreterin: Wäre das auch für Ihre Mutter okay?

Beschwerdeführerin: Ja.

Rechtsvertreterin: Dürfen Sie sich auch am Abend mit Freunden treffen?

Beschwerdeführerin: Ja.

Befragung der Beschwerdeführerin 4 auf Deutsch

Rechtsvertreterin: Können Sie mir sagen, wie Ihre Alltag hier in Österreich aussieht, was machen Sie in Ihrer Freizeit?

Beschwerdeführerin: Ich gehe erst Schule, wenn ich fertig bin, gehe ich nach Hause, dann habe ich Kurs von der XXXX . Dann komme ich so um 5 oder 6 Uhr nach Hause. Wenn Sommer ist, gehen wir noch raus. Und Freunde treffen.

Rechtsvertreterin: Was ist Ihr Lieblingsfach in der Schule?

Beschwerdeführerin: Mathe.

Rechtsvertreterin: Was möchten Sie in Österreich machen?

Beschwerdeführerin: Ich möchte Zahnärztin werden.

Rechtsvertreterin: Haben Sie schon mit der Schule Ausflüge gemacht?

Beschwerdeführerin: Ja, wir machen viele Ausflüge, auch Projektwochen. Wir waren auf zwei Projektwochen, einmal in der dritten und einmal in der vierten Klasse.

Rechtsvertreterin: Ihre Mutter hat erzählt, Sie waren auch schon im Museum. Welches war das?

Beschwerdeführerin: Technische.

Rechtsvertreterin: Welche Gewohnheiten von österreichischen Mädchen haben Sie übernommen?

Beschwerdeführerin: Dass ich mutig sein kann, auf eigenen Beinen stehe.

Rechtsvertreterin: Gibt es Gewohnheiten von österreichischen Mädchen, die Sie ablehnen?

Beschwerdeführerin: Nein.

[...]

Die Beschwerdeführerin bringt nichts mehr vor.

Richter: Haben Sie die Dolmetscherin gut verstanden?

Beschwerdeführerin: Ja."

Die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer legte im Rahmen der mündlichen Verhandlung Fotos der Erstbeschwerdeführerin, eine Teilnahmebestätigung vom XXXX , eine Terminkarte vom XXXX , eine Bestätigung über die beabsichtigte Teilnahme an einem Kurs vom XXXX , eine Teilnahmebestätigung der XXXX vom XXXX , ein Konvolut an Zeugnissen und Schulbesuchsbestätigungen der Kinder, eine Teilnahmebestätigung vom XXXX , eine Anmeldebestätigung des XXXX vom XXXX betreffend die Zweitbeschwerdeführerin und ein Empfehlungsschreiben der Klassenlehrerinnen des Drittbeschwerdeführers vom XXXX vor. Diese Unterlagen wurden in Kopie zum Akt genommen.

Weiters erstattete die Rechtsvertreterin eine mündliche Stellungnahme zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer sowie insbesondere zur Lage von afghanischen Frauen. Im Wesentlichen zusammengefasst führte sie aus, dass der Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr Verfolgung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der westlich orientierten afghanischen Frauen bzw. Mädchen drohe. Sie hätten eine Wertehaltung und Lebensweise, die sich nicht mit der in Afghanistan durch die Gesellschaft, Tradition und das Rechtssystem vorgeschriebenen geschlechtsspezifischen Rolle in Einklang bringen lasse. Die Erstbeschwerdeführerin habe selbstbewusst zum Ausdruck gebracht, dass sie von ihren Freiheiten in Österreich täglich Gebrauch mache. Sie gestalte ihren Alltag nach eigenem Belieben und strebe eine berufliche bzw. finanzielle Unabhängigkeit an. Das in Afghanistan herrschende Frauenbild lehne sie ab. Die Erstbeschwerdeführerin sei eine Frau, die ihr Leben selbstbestimmt führen wolle und sich das auch für ihre Töchter wünsche. Ein solches Leben sei für die Erstbeschwerdeführerin, die Zweitbeschwerdeführerin und die Viertbeschwerdeführerin jedoch im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan nicht möglich. Die Erstbeschwerdeführerin, die Zweitbeschwerdeführerin und die Viertbeschwerdeführerin hätten eine Lebensweise angenommen, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme und die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck komme. Die Erstbeschwerdeführerin habe sich zwischenzeitlich von ihrem Ehegatten scheiden lassen, woraus deutlich werde, dass sie die westlichen Wertvorstellungen verinnerlicht habe. Eine Scheidung widerspreche nämlich der Gesellschaft, Tradition und dem in Afghanistan geltenden Rechtssystem. Weiter verwies die Rechtsvertreterin auf eine Entscheidung des VfGH sowie auf aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakten des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl und die Verfahrensakten des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Beschwerdeführer, insbesondere durch Einsicht in die vorgelegten Dokumente und Integrationsunterlagen, sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die ins Verfahren eingeführten Länderberichte.

1. Feststellungen

1.1 Zu den Personen der Beschwerdeführer und ihrem Leben in Afghanistan

Die Beschwerdeführer tragen den im Spruch angeführten Namen und sind Staatangehörige der Islamischen Republik Afghanistan. Sie gehören der Volksgruppe der Tadschiken an und sind der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Dari. Die Erstbeschwerdeführerin kann diese Sprache weder lesen noch schreiben. Alle Beschwerdeführer sprechen zumindest ein wenig Deutsch.

Die Erstbeschwerdeführerin und XXXX heirateten am XXXX in Afghanistan. Sie sind Eltern der Zweitbeschwerdeführerin, des Drittbeschwerdeführers, der Viertbeschwerdeführerin, der Fünfbeschwerdeführerin, der Sechstbeschwerdeführerin, der Siebtbeschwerdeführerin und des Achtbeschwerdeführers. Die Erstbeschwerdeführerin hat keine weiteren Kinder. XXXX heiratete in Afghanistan eine Zweitfrau und hat mit dieser einen gemeinsamen Sohn. Die Erstbeschwerdeführerin ließ sich am XXXX in Österreich vor dem Bezirksgericht XXXX einvernehmlich von XXXX scheiden. Diese Scheidung ist seit XXXX rechtswirksam.

Die Erstbeschwerdeführerin ist im Entscheidungszeitpunkt jedenfalls volljährig. Die Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin sind im Entscheidungszeitpunkt mündige Minderjährige im Alter von XXXX und XXXX Jahren. Die Fünfbeschwerdeführerin, die Sechstbeschwerdeführerin, die Siebtbeschwerdeführerin und der Achtbeschwerdeführer sind im Entscheidungszeitpunkt unmündige Minderjährige im Alter von XXXX und XXXX Jahr. Die Minderjährigen sind ledig und kinderlos.

Die Erstbeschwerdeführerin wurde in XXXX in Afghanistan geboren und wuchs dort mit ihren Eltern, einem Bruder und einer Schwester auf. Sie besuchte dort einige Jahre eine Koranschule, jedoch keine reguläre Schule. Nach ihrer Hochzeit mit XXXX im Jahr XXXX übersiedelte die Erstbeschwerdeführerin zu ihrem Ehemann nach XXXX . Die Zweit- bis Siebtbeschwerdeführer wurden in XXXX geboren. In XXXX lebten die Beschwerdeführer gemeinsam mit XXXX , den Schwiegereltern der Erstbeschwerdeführerin, ihrem Schwager und dessen Kindern im Haus der Schwiegereltern. Nach der Hochzeit von XXXX mit seiner Zweitfrau zog auch diese ins Haus der Schwiegereltern ein. Ungefähr neun Monate vor der Flucht zog die Zweitfrau samt ihrem zwischenzeitlich zur Welt gekommenen Sohn aus. Die Erst- bis Siebtbeschwerdeführer lebten an keinem anderen Ort in Afghanistan. Der Achtbeschwerdeführer wurde in Österreich in XXXX geboren und war noch nie in seinem Herkunftsstaat Afghanistan.

Die Erstbeschwerdeführerin besuchte in Afghanistan abgesehen von einer Koranschule keine reguläre Schule. Anschließend war sie Hausfrau. Die Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer, die Viertbeschwerdeführerin und die Fünfbeschwerdeführerin besuchten bis zur Ausreise aus Afghanistan eine Schule.

Der Vater der Erstbeschwerdeführerin ist bereits verstorben. Ihre Mutter, ein Bruder und eine Schwester leben nach wie vor in Afghanistan in XXXX . Die Mutter der Erstbeschwerdeführerin arbeitet beim Wirtschaftsministerium, der Bruder ist Kraftfahrer. Der Ex-Mann der Erstbeschwerdeführerin (= Vater der Zweit- bis Achtbeschwerdeführer) lebt mittlerweile in Österreich in XXXX . In Österreich leben zudem der Ex-Schwager der Erstbeschwerdeführerin sowie ein Cousin. Die Schwiegereltern der Erstbeschwerdeführerin (= Großeltern der Zweit- bis Achtbeschwerdeführer) leben nach wie vor im Haus in XXXX . Die Erstbeschwerdeführerin steht in Kontakt mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in XXXX .

1.2 Zum Leben der Beschwerdeführer in Österreich

Die Erstbeschwerdeführerin, die Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer, die Viertbeschwerdeführerin, die Fünfbeschwerdeführerin, die Sechstbeschwerdeführerin und die Siebtbeschwerdeführerin gelangten im November XXXX gemeinsam in das österreichische Bundesgebiet und stellten am XXXX , die Minderjährigen vertreten durch ihre Mutter, die Erstbeschwerdeführerin, gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz. Seither halten sie sich durchgehend im Bundesgebiet auf. Der Achtbeschwerdeführer wurde am XXXX in Österreich in XXXX geboren und hält sich seit seiner Geburt durchgehend in Österreich auf. Am XXXX stellte er, vertreten durch seine Mutter, gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Verfahren wird als Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 geführt.

Der Vater der Zweit- bis Achtbeschwerdeführer, XXXX , dessen Bruder, XXXX , und ein Cousin der Erstbeschwerdeführerin, XXXX , halten sich in Österreich auf. Weitere Verwandten oder sonstige wichtige Bezugspersonen der Beschwerdeführer leben nicht in Österreich. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft der Beschwerdeführer in Österreich noch gibt es, abgesehen vom Achtbeschwerdeführer, in Österreich geborene Kinder der Beschwerdeführer.

Die Beschwerdeführer lebten zunächst in einem Einfamilienhaus in XXXX . Seit Ende XXXX bewohnen die Beschwerdeführer gemeinsam eine Wohnung im XXXX in XXXX . Sie beziehen Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und sind nicht erwerbstätig.

Die Erstbeschwerdeführerin war seit ihrer Einreise stets um ihre Integration und um die Integration ihrer Kinder bemüht. Während ihrer Zeit in XXXX besuchte sie nicht nur regelmäßig freiwillige Deutschkurse, sondern gestaltete auch Kochnachmittage mit. Weiter half sie bei der Flurreinigungsaktion im XXXX tatkräftig mit. Der Stadtrat für Umwelt der Stadtgemeinde XXXX , XXXX , beschreibt die Familie als ausgesprochen höflich und freundlich. Insbesondere berichtet er auch über die Bemühungen der Beschwerdeführer, sich bestmöglich zu integrieren. Ihre Unterkunftgeber in XXXX beschreiben die Beschwerdeführer als eine ordentliche Familie, deren Umgang untereinander sehr zuvorkommend und liebevoll ist. Bei der XXXX half die Erstbeschwerdeführerin zwei bis drei Tage freiwillig mit.

Die Erstbeschwerdeführerin hat zwar noch keine Prüfung zu ihren Deutschkenntnissen abgelegt, war jedoch seit ihrer Einreise trotz ihrer Betreuungspflichten für ihre sieben Kinder äußerst bemüht, die deutsche Sprache zu erlernen. Zunächst nahm sie in ihrer damaligen Heimatgemeinde über den Verein " XXXX " regelmäßig an Deutschkursen teil, wo sie bereits nach kurzer Zeit große Fortschritte zeigte. Seit XXXX nimmt die Erstbeschwerdeführerin an Integrationsmaßnahmen des ÖIF teil und absolvierte unter anderem die Orientierungsberatung und einen Werte- und Orientierungskurs. Derzeit besucht sie einen Start-Kurs im Rahmen der Basisbildungsmaßnahme " XXXX " und ist für mehrere Vertiefungskurse, unter anderem zum Thema "Arbeit und Beruf", die im XXXX stattfinden werden, vorgemerkt. Weiter nimmt die Erstbeschwerdeführerin regelmäßig am wöchentlich stattfindenden Frauencafé der XXXX teil, wo sie als kommunikative und interessierte Teilnehmerin auffällt.

Die Erstbeschwerdeführerin reiste ohne ihren (damaligen) Gatten mit ihren Kindern in die Bundesrepublik Österreich ein und kümmert sich seither alleine um ihre sieben Kinder. Im Jahr XXXX ließ sie sich von ihrem (damaligen) Gatten scheiden, weil dieser neben ihrer Ehe eine Beziehung zu einer anderen Frau führte. Die Obsorge für die minderjährigen Kinder kommt der Erstbeschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Ex-Mann zu; der gewöhnliche Aufenthalt der minderjährigen Zweit- bis Achtbeschwerdeführer ist bei der Erstbeschwerdeführerin. Entscheidungen hinsichtlich ihrer Kinder trifft die Erstbeschwerdeführerin grundsätzlich alleine und unabhängig von ihrem Ex-Mann. Hinsichtlich wichtiger Entscheidungen bezieht sie ihren Ex-Mann aufgrund der gemeinsamen Obsorge mit ein. Aufgrund ihrer Betreuungspflichten für ihren jüngsten einjährigen Sohn, den Achtbeschwerdeführer, ist es der Erstbeschwerdeführerin derzeit noch nicht möglich, einer Ausbildung in Österreich nachzugehen. Die Erstbeschwerdeführerin möchte jedoch, dass der Achtbeschwerdeführer zukünftig den Kindergarten besucht. Es ist ihr wichtig, in Österreich zunächst die deutsche Sprache zu erlernen und später eine Ausbildung zu machen, um finanziell unabhängig zu sein. Als zukünftigen Beruf strebt sie eine Ausbildung zur Kindergärtnerin an. Weiter möchte sie in Österreich den Führerschein machen, um auch mobil zu sein. Die Erstbeschwerdeführerin verwaltet das Geld für die Beschwerdeführer eigenständig und hat einen guten Überblick über die finanzielle Lage der Familie. Insbesondere ist sie auch im Besitz eines österreichischen Bankkontos sowie einer Bankomatkarte. An Afghanistan kritisiert die Erstbeschwerdeführerin insbesondere, dass ihre Kinder dort keine Freiheiten hätten. Insbesondere ihre Töchter würden keine hinreichende Ausbildung erhalten und könnten keine Schule besuchen. In Österreich legt die Erstbeschwerdeführerin großen Wert auf den Schulbesuch und die Ausbildung ihrer Kinder. Der Erstbeschwerdeführerin ist es besonders wichtig, zukünftig auf eigenen Beinen zu stehen und ihre Rechte verteidigen zu können. Sie schätzt es sehr, dass Frauen in Österreich Männern gleichgestellt sind und sie eigenständig Entscheidungen treffen kann. Für ihre Töchter wünscht sie sich, dass sie eine Ausbildung machen und sich ihren zukünftigen Ehemann selbst aussuchen können.

Die Erstbeschwerdeführerin nimmt regen Anteil am sozialen Leben und hat schon einige soziale Kontakte in Österreich - auch zu österreichischen Staatsbürgern - geknüpft. Sie ist gut in Österreich integriert und treibt in ihrer Freizeit gerne Sport. Insbesondere geht die Erstbeschwerdeführerin gerne Fahrrad fahren, schwimmen oder laufen. Sie hört auch gerne Musik und tanzt dazu. Mit ihren Kindern geht die Erstbeschwerdeführerin gerne bei der XXXX grillen. Die Familie besucht auch gerne Parkanlagen oder Museen.

Die Zweitbeschwerdeführerin besuchte unmittelbar nach ihrer Einreise in die Republik Österreich ab XXXX gemeinsam mit ihrem Bruder, dem Drittbeschwerdeführer, die Neue Mittelschule XXXX . Dort fiel die Zweitbeschwerdeführerin insbesondere durch ihr freundliches und besonnenes Wesen auf. Der Drittbeschwerdeführer wird von der damaligen Klassenvorständin als kontaktfreudig und gut gelaunt beschrieben. Die Geschwister nahmen an einem zweijährigen Deutschförderprogramm der Schule teil und machten bereits nach kurzer Zeit große Fortschritte. Anschließend besuchte die Zweitbeschwerdeführerin eine polytechnische Schule und nimmt derzeit an einem XXXX Kurs zur Vorbereitung auf den Pflichtschulabschluss für Frauen und Mädchen teil. Die Zweitbeschwerdeführerin genießt ihre Freiheiten als junges Mädchen in Österreich und hat einen festen Freund. Sie spricht bereits sehr gut Deutsch und möchte ihren Pflichtschulabschluss in Österreich machen. Anschließend möchte sie eine Ausbildung zur Kosmetikerin oder Krankenschwester absolvieren. Die Zweitbeschwerdeführerin hat soziale Kontakte in Österreich - auch zu österreichischen Staatsbürgern geknüpft. In ihrer Freizeit trifft sie sich gerne mit Freunden, macht Sport oder geht ins Kino. Ab und zu unternimmt sie auch etwas mit der Erstbeschwerdeführerin.

Der Drittbeschwerdeführer besucht derzeit die vierte Klasse einer öffentlichen neuen Mittelschule mit Schwerpunkt Medienerziehung in XXXX . Er befindet sich in seinem letzten Schuljahr und möchte anschließend eine Ausbildung zum Automechaniker machen. Um einen guten Schulabschluss zu bekommen, besucht der Drittbeschwerdeführer auch Nachhilfeunterricht. Er hat soziale Kontakte in Österreich - auch zu österreichischen Staatsbürgern - geknüpft.

Die Viertbeschwerdeführerin und die Fünfbeschwerdeführerin besuchten nach ihrer Einreise nach Österreich die Volksschule XXXX , wo sie insbesondere durch ihren Fleiß auffielen. Neben dem Regelunterricht nahmen die beiden auch am täglichen Intensivdeutschkurs für Flüchtlingskinder an der Volksschule teil. Die Viertbeschwerdeführerin besucht derzeit die dritte Schulstufe einer öffentlichen neuen Mittelschule mit wirtschaftlichem Schwerpunkt in XXXX . Nach Abschluss der neuen Mittelschule möchte die Viertbeschwerdeführerin eine Weiterbildung machen und Zahnärztin werden. Sie spricht sehr gut Deutsch und macht von ihren Freiheiten in Österreich Gebrauch. Nach der Schule besucht sie einen Kurs der XXXX und trifft sich anschließend gerne mit Freunden. In Österreich hat sie gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen und mutig zu sein. Es gibt keine Gewohnheiten österreichischer Mädchen, die sie ablehnt.

Die Fünfbeschwerdeführerin hat die Volksschule im Schuljahr XXXX abgeschlossen und besucht derzeit die erste Klasse einer neuen Mittelschule. Sie möchte zukünftig Polizistin werden. Die Sechstbeschwerdeführerin besuchte nach ihrer Einreise in Österreich zunächst den Kindergarten in XXXX und lebte sich dort schnell sein. Derzeit besucht sie die dritte Klasse einer öffentlichen Volksschule mit vermehrtem sportlichem Angebot. Die Siebtbeschwerdeführerin besucht in XXXX derzeit die erste Klasse einer öffentlichen Volksschule mit vermehrtem sportlichen Angebot. Der Achtbeschwerdeführer soll zukünftig den Kindergarten besuchen.

Die Erstbeschwerdeführerin, die Zweitbeschwerdeführerin und die Viertbeschwerdeführerin haben ihr Kopftuch zwischenzeitlich abgelegt, tragen ihre Haare offen und kleiden sich nach westlicher Mode in Jeans und Top. Weiter schminken sie sich gerne und tragen dezenten Schmuck.

Die Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer, die Viertbeschwerdeführerin, die Fünfbeschwerdeführerin, die Sechstbeschwerdeführerin, die Siebtbeschwerdeführerin und der Achtbeschwerdeführer sind im Wesentlichen gesund. Die Erstbeschwerdeführerin erhielt im Jahr XXXX stimmungsaufhellende Medikamente ( XXXX ) und Antipsychotika (XXXX ). Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass sie diese Medikamente nach wie vor einnimmt. Die Erstbeschwerdeführerin leidet an einer Schilddrüsenerkrankung und muss deshalb täglich eine Tablette einnehmen. Ansonsten ist sie im Wesentlichen gesund und arbeitsfähig.

Die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin, der minderjährige Drittbeschwerdeführer und die minderjährige Viertbeschwerdeführerin sind strafgerichtlich unbescholten. Die minderjährige Fünfbeschwerdeführerin, die minderjährige Sechstbeschwerdeführerin, die minderjährige Siebtbeschwerdeführerin und der minderjährige Achtbeschwerdeführer sind strafunmündig.

Die Erstbeschwerdeführerin ist in Österreich strafrechtlich bescholten. Sie wurde mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , XXXX , wegen der Vergehen des Diebstahls und des versuchten Diebstahls gemäß §§ 15, 127 und 127 StGB zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 14 Tagen verurteilt. Das Datum der letzten Tat war der XXXX . Seither hat sich die Erstbeschwerdeführerin wohl verhalten und sich nichts zu Schulden kommen lassen.

1.3 Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer

Die Erstbeschwerdeführerin, die Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer, die Viertbeschwerdeführerin, die Fünfbeschwerdeführerin, die Sechstbeschwerdeführerin und die Siebtbeschwerdeführerin reisten Anfang XXXX gemeinsam aus ihrem Herkunftsstaat Afghanistan aus.

Die Erstbeschwerdeführerin ist in ihrer Wertehaltung überwiegend an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" zu bezeichnenden Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert. In diesem Zusammenhang droht ihr im Fall ihrer Rückkehr asylrelevante Verfolgung aus Gründen ihrer politischen Gesinnung bzw. Religion sowie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der westlich orientierten afghanischen Frauen bzw. Mädchen. Von einer solchen Verfolgung ist im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan auszugehen.

Zu den Angaben der Erstbeschwerdeführerin, der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährigen Viertbeschwerdeführerin über die (weiteren) Gründe, aus denen sie ihr Herkunftsland verlassen haben, werden keine Feststellungen getroffen. Der minderjährige Drittbeschwerdeführer, die minderjährige Fünfbeschwerdeführerin, die minderjährige Sechstbeschwerdeführerin, die minderjährige Siebtbeschwerdeführerin und der minderjährige Achtbeschwerdeführer machten keine eigenen Fluchtgründe geltend.

1.4 Zur Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer

Es werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführer getroffen:

1.4.1 Staatendokumentation (Stand 13.11.2019, außer wenn anders angegeben)

1.4.1.1 Politische Lage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).

In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).

Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).

Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).

Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 - mit Ausnahme der Provinz Ghazni - Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14. November 2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).

Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.3.2019).

Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Politische Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004, USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).

Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).

Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).

Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.1.2019).

Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.6.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.1.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.6.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.8.2019) - bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 8.9.2019) - mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als "Marionette" des Westens betrachten - auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.8.2019; vgl. NZZ 12.8.2019; DZ 8.9.2019).

Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, MS 28.1.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigten Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.5.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehreren Warlords, statt (Qantara 12.2.2019; vgl. TN 31.5.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 ta

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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