Entscheidungsdatum
27.03.2020Norm
BDG 1979 §91Spruch
W136 2220530-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch RA Dr. Martin RIEDL, Franz Josefs Kai 5, 1010 Wien, gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 09.05.2019, GZ BMI-42097/0014-DK-Senat 2/2019, betreffend die Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldstrafe zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG insofern abgeändert, als über den Disziplinarbeschuldigten XXXX gemäß § 92 Abs. 1 Z 2 BDG 1979 eine Geldbuße in der Höhe von ? 2.500,- verhängt wird.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Mit Disziplinarverfügung vom 22.01.2019 wurde über den nunmehrigen Beschwerdeführer (im Folgenden kurz BF) eine Geldbuße in der Höhe von ? 1.000,- ausgesprochen, weil er am 27.11.2018 einer Kollegin an der Dienststelle mit einer Schere Haare in der Länge von mehreren Zentimetern abgeschnitten hatte.
Nach Einspruch gegen diese Disziplinarverfügung durch die Disziplinaranwältin leitete die belangte Behörde ein Disziplinarverfahren gegen den BF ein und erkannte den BF mit dem im Spruch genannten Disziplinarerkenntnis schuldig, er habe am 27.11.2018 in den Räumlichkeiten der Polizeidienststelle F. seiner Kollegin H die Haare mit einer Schere in einer Länge von mehreren Zentimetern abgeschnitten, wodurch er eine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 , § 43a BDG 1979 sowie § 2 der Dienstordnung der LPD Wien vom 23.01.2013 iVm § 91 BDG 1979 begangen habe und verhängte gemäß § 92 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 eine Geldstrafe in der Höhe von ? 3.400,-.
Zur Strafbemessung wurde wörtlich wie folgt ausgeführt:
"Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Disziplinarbeschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Disziplinarbeschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaße eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen, oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff; VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).
Erschwerungsgründe:
Die Tat an sich, die auch Folgen nach sich gezogen hat - nämlich den unfreiwilligen Friseurbesuch, wobei insgesamt 24 cm von der Haarlänge abgeschnitten werden mussten,
das spöttische bzw. das belustigte Verhalten der Kollegen gegenüber dem Opfer und damit im Zusammenhang auch die Störung des Betriebsklimas an der Dienststelle
Milderungsgründe:
Geständnis - iSd § 34 Abs. 1 Ziffer 17 StGB
Belobigungen
Unbescholten - positive Zukunftsprognose
Persönliche Entschuldigung
Der Senat ist der Meinung, dass die gewählte Strafhöhe den Unrechtsgehalt der Tat ausreichend sühnt, um dem Disziplinarbeschuldigten das Unrecht seiner Tat vor Augen zu führen und auch generalpräventiven Erwägungen gerecht wird. Maßgebend für die im Sinne des Strafantrages der Disziplinaranwaltschaft erfolgten Bestrafung ist vor allem, dass der Beschuldigte vorsätzlich eine zutiefst niederträchtige Handlung begangen hat, indem er der Kollegin hinter deren Rücken die Haare abschnitt. Sie konnte sich nicht wehren und sie konnte es nicht verhindern. Letztlich wurde sie sogar teilweise von der Kollegenschaft vom "Opfer zum Täter" gestempelt, nur weil sie das Vorgesetzte Kommando über den Vorfall informiert hat. Alleine an diesem Umstand ist erkennbar, wie wichtig im vorliegenden Fall generalpräventive Maßnahmen sind. Dass sich der Disziplinarbeschuldigte - wenn auch verspätet - umfassend geständig zeigte, sich beim Opfer persönlich entschuldigt und auch die Friseurrechnung beglichen hat, steht den obgenannten Erschwerungsgründen als mildernd gegenüber."
2. Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob der BF rechtzeitig Beschwerde bezüglich des Ausspruches der verhängten Strafe und beantragte eine schuld- und tatangemessene Herabsetzung der verhängten Disziplinarstrafe.
Begründend wurde ausgeführt, dass die gegenständliche Tat von niemandem an der Polizeiinspektion beobachtet worden sei und es ein leichtes gewesen wäre, den Vorfall zu verschweigen. Der BF habe jedoch aus freien Stücken am 29.11.2018 den Sachverhalt dargestellt und sei nach Angaben der Inspektorin H in der Disziplinarverhandlung das Vorgefallene untergegangen. Lediglich habe sie den Vorfall bei einer Kollegin kurz angesprochen und zwar sinngemäß dahingehend, dass es nur ein Blödsinn gewesen sein könne. Nach eigener Bekundung der Inspektorin H habe sie das Abschneiden der Haare weniger gestört als der Umstand, dass der BF den ersten Entschuldigungstermin nicht eingehalten habe. Dies sei allerdings darauf zurückzuführen gewesen, dass der BF seine Mutter im Krankenhaus besucht habe.
Unbestritten sei, dass der BF den Friseurbesuch der Inspektorin H in der Höhe von ? 150, - beglichen habe und bei seiner Entschuldigung auch einen Blumenstrauß mitgebracht habe und die Betroffene die Entschuldigung auch akzeptiert habe. Inspektorin H selbst habe den Vorfall in der Disziplinarverhandlung ausdrücklich als "Schmarrn" bezeichnet und gemeint, dass Ganze könne man untereinander klären. Damit bringe sie klar und eindeutig zum Ausdruck, dass die Angelegenheit für sie von äußerst geringer Bedeutung gewesen sei und sie eher sich dadurch belästigt gefühlt habe, dass diese durch vorgesetzte Stellen im Kommando behandelt wurde.
Es sei nichts hervorgekommen und liege kein Beweisergebnis dahingehend vor, dass der BF generell eine negative Einstellung gegenüber Frauen, insbesondere gegenüber Kollegin Inspektorin H hätte oder dass er aus besonderer Bösartigkeit ihr gegenüber gehandelt hätte. Vielmehr liege Unbesonnenheit gemäß des analog anzuwendenden § 34 Abs. 1 Z. 7 StGB vor, was als wesentlicher Milderungsgrund zu berücksichtigen ist. Wenn die Disziplinarkommission vermeine, die Tat hätte einen unfreiwilligen Friseurbesuch, wobei insgesamt 24 cm von der Haarlänge abgeschnitten hätten werden müssen, nach sich gezogen, so sei darauf zu verweisen, dass nicht hervorgekommen sei, dass ein Friseurbesuch unabdingbar notwendig und die von Inspektorin H vorgenommene Anpassung der Frisur in diesem Ausmaß notwendig gewesen wäre.
Der angenommene Erschwernisgrund des spöttischen und belustigten Verhaltens entspräche nicht den analog heranzuziehenden Erschwernisgründen des Strafgesetzbuches und stehe überdies im Gegensatz zu den Angaben von Inspektorin H. Aus welchen Verfahrensergebnissen die Disziplinarkommission eine Störung des Betriebsklimas ableite, sei nicht ersichtlich.
Zu Unrecht gehe die Disziplinarkommission davon aus, dass der BF eine "niederträchtige" Handlung begangen habe. Dies könne nur dann nachvollzogen werden, wenn der BF aus besonderer Abneigung oder Bosheit gehandelt hätte, wofür jedoch keinerlei Anhaltspunkte vorlägen. Der Strafbemessungsgrund, dass Inspektorin H vom Opfer zum Täter gestempelt worden sei, sei in keiner Weise nachvollziehbar und durch keinerlei Vorsatz des BF bedingt. Die Strafhöhe steht auch in keinerlei Relation zu Dienstpflichtverletzungen anderer Kollegen, die wesentlich schwerwiegender wären.
3. Mit Note vom 25.06.2019 legte die belangte Behörde die gegenständliche Beschwerde samt Verfahrensakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
4. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom Jänner 2020 wurde gegenständliches Verfahren der ursprünglich zuständigen Gerichtsabteilung W146 abgenommen und der Gerichtsabteilung W136 zur Erledigung zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der im Verfahrensgang dargestellte Sachverhalt ergibt sich unmittelbar aus der unbestrittenen Aktenlage. Der Schuldspruch des bekämpften Bescheides ist mangels Beschwerde in Rechtskraft erwachsen, zumal der BF diesbezüglich geständig ist. Zu der von der belangten Behörde vorgenommenen bekämpften Strafzumessung siehe unter II.2 A.
2. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen eine Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Im vorliegenden Fall hat der rechtsfreundlich vertretene BF nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Auch lassen weder die vorgelegten Verfahrensakten oder die Beschwerdevorbringen erkennen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache erwarten ließe. Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt ist von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden und weist bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit auf. In der Beschwerde wird kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet. Der Sachverhalt wird vom BF eingestanden und ist unstrittig. Ein Entfall der Verhandlung widerspricht daher weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389.
Zu A I.)
1. Die anzuwendenden Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. 333, i.d.F. BGBl. I Nr. 16/2020 (BDG 1979) lauten:
"§ 92. (1) Disziplinarstrafen sind
1. der Verweis,
2. die Geldbuße bis zur Höhe eines Monatsbezuges,
3. die Geldstrafe in der Höhe von mehr als einem Monatsbezug bis zu fünf Monatsbezügen,
4. die Entlassung.
(2) In den Fällen des Abs. 1 Z 2 und 3 ist von dem Monatsbezug auszugehen, der dem Beamten auf Grund seiner besoldungsrechtlichen Stellung im Zeitpunkt der Fällung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses beziehungsweise im Zeitpunkt der Verhängung der Disziplinarverfügung gebührt. Allfällige Kürzungen des Monatsbezuges sind bei der Strafbemessung nicht zu berücksichtigen.
§ 93. (1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen."
2. Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen.
3.1. Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dieser Maßstab richtet sich nach dem Ausmaß der Schuld und für die Strafbemessung ist danach sowohl das objektive Gewicht der Tat (der 'Unrechtsgehalt') maßgebend als auch der Grad des Verschuldens.
3.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, ist die Strafbemessung eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber im § 93 BDG 1979 festgelegten Kriterien vorzunehmen ist, wobei die Behörde verpflichtet ist, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen und Umstände insoweit offenzulegen, als dies für die Rechtverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (zuletzt VwGH vom 04.11.2014, Zl. Ro 2014/09/0023).
3.3. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. April 2015, Ra 2015/09/0009, Folgendes ausgeführt:
"Bei der Entscheidung über ein Disziplinarerkenntnis nach dem BDG 1979 handelt es sich nicht um eine Verwaltungsstrafsache im Sinne des Art. 130 Abs. 3 B-VG. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts trifft daher zu, dass das Verwaltungsgericht, wenn es zur selben sachverhaltsmäßigen und rechtlichen Beurteilung kommt, vor dem Hintergrund des Art. 130 Abs. 3 B-VG nicht sein eigenes Ermessen an die Ermessensübung durch die Disziplinarkommission setzen darf. Jedoch ist das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über die Bemessung einer Disziplinarstrafe nicht von der Verpflichtung zur Beurteilung entbunden, ob die Ermessensübung durch die Disziplinarkommission auf gesetzmäßige Weise erfolgte. Weiters ist zu bedenken, dass das Verwaltungsgericht im Fall einer gesetzwidrigen Entscheidung der Verwaltungsbehörde im Fall des § 28 Abs. 2 VwGVG (Art. 130 Abs. 4 B-VG) in der Sache selbst zu entscheiden und dabei auch eine Ermessensentscheidung zu treffen hat.
4. Der Beschwerde kommt im Ergebnis Berechtigung zu.
4.1. Wie oben dargelegt, hat die belangte Behörde unter Beachtung der Strafzumessungsgründe nach § 93 BDG 1979 die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen für eine entsprechende Nachprüfbarkeit ihrer Entscheidung offen zu legen. Im gegenständlichen Fall hat dies die belangte Behörde zwar sehr kurz, aber (gerade noch) ausreichend für eine Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht getan.
4.2. "Als Maß für die Höhe der Strafe normiert § 93 Abs. 1 BDG zunächst grundsätzlich die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Da gemäß § 91 BDG nur schuldhafte Pflichtverletzungen strafbar sind, kann daher auch nur die Schuld das grundlegende Kriterium für die Beurteilung der "Schwere" der Dienstpflichtverletzung sein; dies ist eine konsequente Folge des Schuldprinzips. Das Ausmaß der Schuld wird zwar wesentlich auch durch das objektive Gewicht, dh. den Unrechtsgehalt der Tat als Schwere der Rechtsgutbeeinträchtigung (Verletzung dienstlicher Interessen) konstituiert; dieser darf für die Strafbemessung jedoch nur insoweit berücksichtigt werden, als er in den Schuldvorwurf miteinbezogen werden kann" (Kucsko Stadlmayer, "Das Disziplinarrecht der Beamten", 4. aktualisierte Auflage, Seite 103f.).
4.3. Den Ausführungen der belangten Behörde, dass das absichtliche Abschneiden der Haare einer Kollegin eine grundsätzlich schwerwiegende Pflichtverletzung ist, kommt Berechtigung zu. In diesem Zusammenhang ist nämlich darauf zu verweisen, dass das Abschneiden der Haare gegen den Willen des Betroffenen eine Körperverletzung im Sinne des § 1325 ABGB ist, welche einen Anspruch auf Schmerzensgeld für seelische Schmerzen begründen kann (vgl. 6 Ob 246/74).
Sämtlichen Beschwerdeausführungen, mit denen die Schwere der Tat relativiert wird, wie etwa, dass das Opfer der Tat dieser selbst "äußerst geringe Bedeutung" zugemessen hätte, kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gefolgt werden, zumal es sich dabei um eine reine Spekulation des BF handelt. Denn auch wenn die Kollegin die Tat als "Schmarren" bezeichnet hat, etwas, was man untereinander hätte klären können, bedeutet das nicht, dass die Angelegenheit für die Kollegin geringfügig war, was sich auch darin zeigt, dass sie den Vorfall ihren Vorgesetzten gemeldet hat.
Den Ausführungen, dass es sich nur um einen geringfügigen Anteil der Haare gehandelt haben könnte, weil die Kollegin vom Abschneiden der Haare nichts bemerkt hätte, ist entgegen zu halten, dass nach den glaubwürdigen und nachvollziehbaren Angaben der Kollegin vor der belangten Behörde (siehe Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde), sie vom Abschneiden der Haare deswegen nichts mitbekommen hat, weil die Haare zu einem Zopf gebunden auf der Uniformjacke auflagen.
4.3. Was die spezial- und generalpräventive Erforderlichkeit der Strafzumessung im gegenständlichen Fall betrifft, hat die belangten Behörde zutreffend dargelegt, dass eine besondere spezialpräventive Strafzumessung aufgrund der positiven Zukunftsprognose nicht erforderlich erscheint. Dies ergibt sich einerseits aus der geständigen bzw. einsichtigen Verantwortung des BF als auch dem Umstand, dass dieser sich für seine Tat entschuldigt hat. Der belangten Behörde ist auch zu folgen, wenn sie eine spürbare Strafe gerade aus generalpräventiven Gründen für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall haben sich nämlich Kollegen an der Dienststelle gegenüber dem Opfer spöttisch oder belustigt gezeigt, somit also deutlich gemacht, dass sie die Angelegenheit für bedeutungslos oder gar lustig halten. Gerade aber um deutlich vor Augen zu führen, dass es sich beim Abschneiden Haare, selbst wenn dies nicht aus Bösartigkeit geschieht, um eine schwere Dienstpflichtverletzung und nicht um einen Spaß handelt, war eine spürbare Bestrafung erforderlich.
4.4. Was die von der belangten Behörde herangezogenen Erschwerungsgründe betrifft, ist Folgendes zu bemerken:
Die belangte Behörde hat als Erschwerungsgrund ["Die Tat an sich, die auch Folgen nach sich gezogen hat - nämlich den unfreiwilligen Friseurbesuch, wobei insgesamt 24 cm von der Haarlänge abgeschnitten werden mussten"] angegeben. Wenn man nicht unterstellt, dass die belangte Behörde eine unzulässige Doppelverwertung vorgenommen hat, ist anzunehmen, dass sie den Umstand, dass zur Herstellung einer ordentlichen Frisur des Opfers die Haarlänge besonders zu kürzen war, als Erfolgsunwert innerhalb der Strafbemessungsschuld herangezogen hat. Diese Vorgangsweise ist auch vor dem Hintergrund der Beschwerdeausführungen, wonach die vorgenommene Anpassung der Frisur in diesem Ausmaß nicht notwendig gewesen wäre, nicht zu beanstanden. Denn wenn in Haare, die zu einem Schwanz oder Zopf gebunden sind, ohne besondere Fachkenntnis "aus Spaß" hineingeschnitten wird, wird eine besondere Kürzung der Haare zur Wiederherstellung einer gleichmäßigen Haarlänge regelmäßig erforderlich sein.
Die belangte Behörde hat allerdings auch den Umstand, dass sich Kollegen an der Dienststelle dem Opfer gegenüber nach der Tat belustigt oder spöttisch gezeigt haben, was zu einer Störung des Betriebsklimas geführt hätte, als Erschwerungsgrund herangezogen. Abgesehen davon, dass - wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird - der bekämpfte Bescheid Ausführungen, in welcher Form dadurch das Betriebsklima besonders gestört worden sei, vermissen lässt, kann dieses ohne Zweifel gänzlich unangebrachte Verhalten von Kollegen nicht dem BF als Erschwerungsgrund angerechnet werden. Dies gilt insbesondere deswegen, weil diesem Aspekt, nämlich anderen (Bediensteten) deutlich vor Augen zu führen, dass es sich dabei um keinen Spaß handelt, bereits im Rahmen der generalpräventiven Strafzumessung besonders Rechnung getragen wurde.
Nach dem Gesagten erscheint nach Ansicht des erkennenden Gerichts die Heranziehung des zuvor angesprochenen Erschwerungsgrundes durch die belangte Behörde als verfehlt. Dem von der belangten Behörde zu Recht als erschwerend herangezogene nachfolgend notwendig gewordene Längenkürzung der Haare stehen jedoch die von der belangten Behörde bereits zutreffend erkannten Milderungsgründe entgegen, sodass die Strafe antragsgemäß schuldangemessen zu mildern war. Der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, dass nicht erkannt werden kann, dass, wie in der Beschwerde vorgebracht, der Milderungsgrund des § 34 Abs. 1 Z 7 StGB (Unbesonnenheit) vorliegt, zumal nicht dargetan wird, aus welchen besonderen Gründen der Willensimpuls des BF zum Haareschneiden der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen war (vgl. Ebner in Höpfel/Ratz, WK2, StGB § 33 Rz 18).
B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die unter A) zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird verwiesen.
Schlagworte
Disziplinarbeschuldigter Disziplinarerkenntnis Disziplinarkommission Disziplinarrecht disziplinarrechtliche Verfolgung Disziplinarverfahren Erschwerungsgrund Geldbuße Geldstrafe Generalprävention Milderungsgründe Polizist Spezialprävention StrafbemessungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W136.2220530.1.00Im RIS seit
05.10.2020Zuletzt aktualisiert am
05.10.2020