Entscheidungsdatum
06.04.2020Norm
BDG 1979 §15bSpruch
W221 2229239-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch RA Dr. Martin Riedl, gegen den Bescheid des Bildungsdirektors für XXXX vom 30.01.2020, Zl. I/V-Pers-3038.050461/61-2019, betreffend Feststellung von Schwerarbeitsmonaten, den Beschluss:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
Mit Schreiben vom 11.10.2019 beantragte die Beschwerdeführerin die bescheidmäßige Feststellung der Anzahl ihrer Schwerarbeitsmonate gemäß § 15b Abs. 3 Gehaltsgesetz 1956 (GehG 1956).
Mit Bescheid vom 30.01.2020 stellte die belangte Behörde gemäß § 15b Abs. 3 GehG 1956 fest, dass die Beschwerdeführerin keine Schwerarbeitsmonate aufweise. Begründend wurde ausgeführt, dass Schwerarbeit im Sinne der Verordnung über besonders belastende Berufstätigkeiten (Schwerarbeitsverordnung) dann vorliege, wenn bei einer achtstündigen Arbeitszeit von Männern mindestens 2.000 Arbeitskilokalorien (8.374 Arbeitskilojoule) und von Frauen mindestens 1.400 Arbeitskilokalorien (5.862 Arbeitskilojoule) verbraucht würden. Schwerarbeit sei nur insoweit anzunehmen, sofern kein maschineller Einsatz mit Großgeräten (wie z.B. Kräne, Bagger, LKWs) vorliege und auch nicht überwiegend Planungs-, Organisations-, Kontroll- oder Aufsichtstätigkeiten ausgeübt würden; in diesen Fällen sei a priori nicht von Schwerarbeit auszugehen. Die Beschwerdeführerin sei seit 01.02.1982 als Köchin an der Höheren Bundeslehranstalt XXXX beschäftigt. Ihre Normalarbeitszeit betrage 40 Stunden wöchentlich. Sie würde in einer Regeldienstzeit von 05:30 Uhr bis 13:30 Uhr jeweils 8 Stunden pro Tag arbeiten. Über Schicht- oder Wechseldienste auch während der Nacht lägen keine Informationen vor. Die Tätigkeiten der Beschwerdeführerin würden Maschinen (Kaffeemaschinen, Geschirr- und Gläserspüler) einschalten, Brot, Semmeln, Reservebutter richten, Übernahme der Lebensmittel für Mittags- und Abendtisch, Kochen des Mittagessens, eventuell Vorkochen für Abendessen (Kartoffeln etc.), Einschalten sämtlicher Warmhaltegeräte, Wasserkontrolle, Abzählen der Portionen, Ausgabenbereich herrichten bzw. Reservespeisen, Beobachtung der Portionen, Reinigung der Herde, Kessel, Öfen etc., Dienstübergabe an den Mittel- bzw. Abenddienst, Restspeisenversorgung und ordnungsgemäße Verwahrung der zurückgebrachten Speisen aus den Lehrküchen, Kühlraum in Ordnung halten, sachgerechte Mülltrennung, Meldung von Mängeln an Geräten, am Inventar etc. an den Fachvorgesetzten bzw. an die Haustechnik und freitags die Koordination betreffend Abwicklung des Mittagsessens, umfassen. Für die Vor- und Zubereitung vom Mittagessen und Abendessen stünden 3 Köchinnen, 1 Kochlehrer und durchschnittlich 4 - 5 Schüler aus dem Gegenstand Betriebspraktikum zur Verfügung. Pro Jahr gebe es durchschnittlich 167 Betriebstage. Abgeleitet von den Schülerzahlen der letzten Jahre betrage die durchschnittliche Anzahl der Mittagessen circa 45.200 pro Jahr. Die belangte Behörde komme aufgrund dieser Ausführungen zu dem Schluss, dass bei der Beschwerdeführerin keine besonders belastenden Berufstätigkeiten im Sinne des § 1 der Schwerarbeitsverordnung vorliegen würden.
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde, in welcher ausgeführt wird, dass bei der von der Beschwerdeführerin verrichtete Tätigkeit keinesfalls von vornherein ausgeschlossen werden könne, dass es sich um keine Schwerarbeit iSd Schwerarbeitsverordnung handle. Für deren Beurteilung hätte die belangte Behörde ein ordentliches Ermittlungsverfahren samt Erhebung der von der Beschwerdeführerin bei der Arbeit verbrauchten Kilokalorien bzw. Kilojoule durchführen müssen. Sie habe ihren Antrag auf vorzeitige Alterspension auf das Vorliegen an sich schwerer körperlicher Arbeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 4 der Schwerarbeitsverordnung gestützt. Gemäß § 3 leg. cit. sei die Frage, ob eine bestimmte Tätigkeit als schwere körperliche Arbeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 4 leg. cit. gelte, nach den in der Anlage zu dieser Verordnung festgeschriebenen Grundsätzen festzustellen. Demnach setze schwere körperliche Arbeit eine in Bezug auf die Intensität oder Dauer der Belastung über das normale Kräftepotential hinausgehende Verausgabung von Arbeitskraft voraus, bei der die gesamte Körpermuskulatur beansprucht werde. Kriterien für die Einstufung von beruflichen Tätigkeiten als schwere körperliche Arbeit seien neben der energetischen Belastung sowie der Herz- und Kreislaufbelastung auch die Belastung des passiven und aktiven Stütz- und Bewegungsapparates, also der Knochen und Gelenke sowie der Sehnen und Muskeln. Die Beschwerdeführerin sei am 10.04.2019 an der linken Hüfte operiert und ihr ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt worden. Seither liege bei ihr eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 40% vor und sie erhalte aus diesem Anlass auch eine Versehrtenrente. Der Arbeitsenergieumsatz ergebe sich aus dem Gesamtenergieumsatz pro Arbeitstag abzüglich des Grundenergieumsatzes, dem Freizeitenergieumsatzes und einem kleinen Anteil für Energieverluste. Hätte die belangte Behörde die normierten Vorgaben über die Bewertung von Tätigkeiten als Schwerarbeit eingehalten, wäre festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin mindestens 5862 Arbeitskilojoule bzw. 1400 Arbeitskalorien bei einer achtstündigen Arbeitszeit verbrauche und ihre Arbeit somit als Schwerarbeit zu qualifizieren sei.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde vorgelegt und sind am 04.03.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im BDG für den vorliegenden Fall keine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zu A)
1. § 15b des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) lautet:
"§ 15b. (1) Die Beamtin oder der Beamte kann durch schriftliche Erklärung, aus dem Dienststand ausscheiden zu wollen, ihre oder seine Versetzung in den Ruhestand bewirken, wenn sie oder er zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand eine nach dem vollendeten 18. Lebensjahr zurückgelegte ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit (pensionswirksame Zeit bei Beamtinnen und Beamten, auf die § 1 Abs. 14 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340/1965, anzuwenden ist) von 504 Monaten, davon mindestens 120 Schwerarbeitsmonate innerhalb der letzten 240 Kalendermonate vor dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand, aufweist. Die Versetzung in den Ruhestand kann frühestens mit Ablauf des Monats in Anspruch genommen werden, in dem das 60. Lebensjahr vollendet wird. Beamtinnen und Beamten, die die Anspruchsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Vollendung des 60. Lebensjahres oder danach erfüllen, bleiben diese auch bei einer späteren Ruhestandsversetzung gewahrt.
(2) - (6) [...]"
§ 1 der Verordnung der Bundesregierung über besonders belastende Berufstätigkeiten lautet:
"§ 1. Die Verordnung der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz über besonders belastende Berufstätigkeiten samt Anlage, BGBl. II Nr. 104/2006, (Schwerarbeitsverordnung), ist auf Beamte und Bundestheaterbedienstete mit den Maßgaben anzuwenden, dass
1. unter Arbeitsbereitschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 jede in § 50 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes angeführte Form der Bereitschaft sowie vergleichbare Formen der Bereitschaft zu verstehen sind;
2. ein Schwerarbeitsmonat dann vorliegt, wenn eine oder mehrere besonders belastende Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 1 der Schwerarbeitsverordnung mindestens in der Dauer von 15 Kalendertagen in einem Kalendermonat ausgeübt wurden. Dienstfreie Zeiten, während der kein Anspruch auf Monatsbezug besteht, bleiben dabei außer Betracht;
3. anstelle der Meldung der Schwerarbeitszeiten nach § 5 an den Krankenversicherungsträger die Schwerarbeitsmonate nach Z 2 von den Dienstbehörden bzw. von den personalführenden Stellen automationsunterstützt zu verarbeiten sind.
4. [...]"
Die Schwerarbeitsverordnung lautet auszugsweise:
"§ 1 (1) Als Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht werden, gelten alle Tätigkeiten, die geleistet werden
Z 1 - 3 [...]
4. als schwere körperliche Arbeit, die dann vorliegt, wenn bei einer achtstündigen Arbeitszeit von Männern mindestens 8 374 Arbeitskilojoule (2 000 Arbeitskilokalorien) und von Frauen mindestens 5 862 Arbeitskilojoule (1 400 Arbeitskilokalorien) verbraucht werden, oder
Z 5 - 6 [...]
(2) [...]
§ 2 [...]
§ 3 Ob eine bestimmte Tätigkeit als schwere körperliche Arbeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 4 gilt, ist nach den in der Anlage zu dieser Verordnung festgeschriebenen Grundsätzen festzustellen.
§ 4 - § 6 [...]
Die Anlage zur Schwerarbeitsverordnung lautet:
"Grundsätze für die Feststellung des Vorliegens einer schweren körperlichen Arbeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 4
1. Begriffsbestimmung und Kriterien
Schwere körperliche Arbeit setzt eine in Bezug auf die Intensität oder Dauer der Belastung über das normale Kräftepotential hinausgehende Verausgabung von Arbeitskraft voraus, bei der die gesamte Körpermuskulatur beansprucht wird.
Kriterien für die Einstufung von beruflichen Tätigkeiten als schwere körperliche Arbeit sind neben der energetischen Belastung sowie der Herz- und Kreislaufbelastung auch die Belastung des passiven und aktiven Stütz- und Bewegungsapparates, also der Knochen und Gelenke sowie der Sehnen und Muskeln.
2. Bewertung von Tätigkeiten als Schwerarbeit nach der energetischen Belastung
2.1. Arbeitsenergieumsatz-Grenzen von 8 374 Kilojoule (2 000 Kilokalorien) pro Tag bei Männern und 5 862 Kilojoule (1 400 Kilokalorien) pro Tag bei Frauen
Der Arbeitsenergieumsatz ergibt sich aus dem Gesamtenergieumsatz pro Arbeitstag abzüglich des Grundenergieumsatzes (differiert vor allem in Abhängigkeit vom Körpergewicht), dem Freizeitenergieumsatz (der je nach Freizeit-Aktivität unterschiedlich ist) und einem kleinen Anteil für Energieverluste.
Für die Festlegung der Schwerarbeits-Grenze ist die Lage der ?Energetischen Dauerleistungsgrenze', die mit dem Tages-Arbeitsenergieumsatz gleichzusetzen ist, von Bedeutung. Sie liegt für Männer bei 8 374 Kilojoule (2 000 Kilokalorien) pro Tag, für Frauen bei 5 862 Kilojoule (1 400 Kilokalorien) pro Tag (gerundete Durchschnittswerte).
2.2. Einstufung von beruflichen Tätigkeiten als schwere körperliche Arbeit
Die Einstufung von beruflichen Tätigkeiten als ?energetische Schwerarbeit' erfolgt nach folgenden Grundsätzen:
Die Arbeitsenergieumsatz-Richtwerte werden nach arbeitsmedizinischen Standards ermittelt. Auf dieser Grundlage werden Tätigkeitsbeschreibungen mit ihren Jouleverbrauchswerten erstellt und hinsichtlich ihrer Dimensionen umgerechnet.
Schließlich wird geprüft, ob durch die mit einem bestimmten Beruf verbundenen Tätigkeiten (Tätigkeitsbilder) die vorgegebene Kilojoulegrenze (8 374 bei Männern bzw. 5 862 bei Frauen) pro Tag erreicht oder überschritten wird."
2. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und der Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018] § 28 VwGVG Anm. 11).
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 06.10.2011 zu G20/11 ua, V13/11 ua in Punkt 2.5. zur Schwerarbeitsverordnung Folgendes festgehalten:
"Der Anhang zur Verordnung stellt nämlich [...] bloß klar, auf welchen wissenschaftlichen Methoden und deren maßgebenden Parametern der Begriff der körperlichen Schwerarbeit der Verordnung beruht. Diese Parameter sind dafür maßgebend, wie die einzelnen Belastungselemente beruflicher Tätigkeiten hinsichtlich des dabei auftretenden Kalorienverbrauchs bei einer zunächst abstrakt anzustellenden Durchschnittsbetrachtung zu bewerten und in dieser vergröbernden Bewertung sodann den Einzelfällen - unabhängig vom konkreten Körpergewicht und Freizeitverhalten der versicherten Person im seinerzeitigen Beschäftigungszeitraum - zugrunde zu legen sind.
Erst aus der Zusammenschau der einzelnen (Durchschnitts-)Belastungen auf Herz und Kreislauf, auf den Stützapparat (zB Arbeiten im Gehen, Stehen oder Sitzen) und auf die Muskulatur (Hebearbeiten, Arbeiten auf Leitern, Arbeiten mit einem Arm oder mit beiden Armen, Arbeiten über Kopf usw.) im konkreten Einzelfall ist der Kalorienverbrauch der betreffenden Tätigkeit sachverständig zu ermitteln, ohne dass eine Berechnung des tatsächlichen Kalorienverbrauches anhand des Gesamtkalorienumsatzes bzw. der im Anhang genannten Teilumsätze im Einzelfall anzustellen wäre. Das im Anhang genannte Bewertungsschema soll vielmehr nur die wissenschaftliche Methode deutlich machen, auf Grund derer die verschiedenen Elemente der körperlichen Belastung bei einer Arbeitsleistung auf Grund aktueller Studien hinsichtlich des Kalorienverbrauchs gemessen werden können, um aus der so ermittelten Bandbreite Durchschnittswerte zu ermitteln, die dann - verfassungsrechtlich unbedenklich - geeignet sind, in der Vollzugspraxis auch für vergangene Zeiträume Verwendung zu finden.
Der Anhang der Verordnung richtet sich also an in Betracht kommende sachverständige Verkehrskreise, also an einen Personenkreis, von dem angenommen werden muss, dass seine Mitglieder auch in der Lage sind, die darin genannten Parameter auf Grund ihres Sachverstandes zweifelsfrei zu deuten und anzuwenden. Wenn und insoweit aber bei entsprechendem Sachwissen die Regelung ohne besondere Zweifel deutbar ist, ist davon auszugehen, dass eine solche Verordnungsbestimmung die Vollziehung hinreichend vorherbestimmt. Damit ist auch der Einwand der Unsachlichkeit der Anlage der Verordnung wegen des behaupteten Fehlens seiner Vollziehbarkeit widerlegt."
Die belangte Behörde hat es somit entgegen den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes zur Anlage der Schwerarbeitsverordnung unterlassen, ein Sachverständigengutachten zum Kalorienverbrauch der Beschwerdeführerin einzuholen, womit sie im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise ermittelt hat.
Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist es jedenfalls nicht undenkbar, dass die Beschwerdeführerin als Köchin Schwerarbeit verrichtet, insbesondere deshalb, da diese Berufsgruppe auch in der von den Sozialversicherungsanstalten herausgegebenen Berufsliste für Frauen und Männer mit "körperlicher Schwerarbeit" aus November 2019 vorkommt.
Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren ein Sachverständigengutachten einzuholen haben, um den tatsächlichen Kalorienverbrauch der Beschwerdeführerin zu ermitteln. Dabei ist im Sinne der dargestellten Rechtsprechung aus der Zusammenschau der einzelnen (Durchschnitts-)Belastungen auf Herz und Kreislauf, auf den Stützapparat (zB Arbeiten im Gehen, Stehen oder Sitzen) und auf die Muskulatur (Hebearbeiten, Arbeiten auf Leitern, Arbeiten mit einem Arm oder mit beiden Armen, Arbeiten über Kopf usw.) im konkreten Einzelfall der Kalorienverbrauch der betreffenden Tätigkeit sachverständig zu ermitteln.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist nicht ersichtlich, zumal es sich bei der in Rede stehenden Frage um eine solche handelt, die verwaltungsinterne Vorgänge betrifft, bei der die belangte Behörde besonders "nahe am Beweis" ist (vgl. VwGH 25.01.2017, Ra 2016/12/0109).
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.
Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bildungsdirektors für XXXX gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Bildungsdirektor für XXXX zurückzuverweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Beamter Ermittlungsmangel Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Feststellungen mangelnde Sachverhaltsfeststellung Schwerarbeitszeiten ZurückverweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W221.2229239.1.00Im RIS seit
05.10.2020Zuletzt aktualisiert am
05.10.2020