TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/6 W221 2225479-2

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Veröffentlicht am 06.04.2020
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Entscheidungsdatum

06.04.2020

Norm

AVG §73 Abs1
B-VG Art130 Abs3
B-VG Art133 Abs4
GehG §113
GehG §169c
GehG §169f
GehG §169g
GehG §175 Abs79
VwGVG §28 Abs7
VwGVG §8

Spruch

W221 2225479-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , MBA, vertreten durch Nenning & Tockner Rechtsanwälte, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Personalamtes XXXX der Telekom Austria AG betreffend den am 08.08.2013 gestellten Antrag hinsichtlich Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages ua. zu Recht:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird dem Personalamt XXXX der Telekom Austria AG aufgetragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichtes binnen acht Wochen ab Zustellung zu erlassen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer beantragte am 08.08.2013 die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages durch Anrechnung von vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten/Feststellung der daraus resultierenden besoldungsrechtlichen Stellung/allfällige Nachzahlung von Bezügen.

Mit Bescheid vom 08.05.2015 wurde dieser Antrag gemäß § 175 Abs. 79 Z 2 und 3 des Gehaltsgesetzes 1956 idF BGBl. I 32/2015 (GehG 1956), mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass der Gesetzgeber mit der Bundesbesoldungsreform 2015, BGBl. I 32/2015, alle bisherigen Bestimmungen betreffend den Vorrückungsstichtag aufgehoben und in der Übergangsbestimmung des § 175 Abs. 79 Z 2 und 3 GehG 1956 normiert habe, dass auch die bisherigen einschlägigen Bestimmungen in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden seien und somit die Rechtsgrundlage für den gegenständlichen Antrag weggefallen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde mit der Begründung, dass der Gesetzgeber durch die mit der Bundesbesoldungsreform 2015 getroffenen Übergangs- und Überleitungsbestimmungen die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes (EuGH) betreffend die Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Geburtstag nur unzureichend umgesetzt und damit die Altersdiskriminierung perpetuiert habe.

In Erledigung dieser Beschwerde erließ die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung, mit welcher sie die Beschwerde abwies. Gegen diese Beschwerdevorentscheidung beantragte der Beschwerdeführer, dass die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt werde (Vorlageantrag).

Das Bundesverwaltungsgericht setzte das Verfahren mit Beschluss gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die ordentliche Revision zu Zl. Ro 2015/12/0022 aus.

Mit beim Bundesverwaltungsgericht am 22.09.2016 eingelangtem Erkenntnis vom 09.09.2016, Ro 2015/12/0025, hat der Verwaltungsgerichtshof über die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen entschieden.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.11.2016 (W213 2100554-2/5E) änderte das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 26.06.2015 ab und hob den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 08.05.2015 ersatzlos auf.

Mit Bescheid vom 31.06.2017 setzte die belangte Behörde das Verfahren gemäß § 38 AVG bis zur Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsersuchen zu C-24/17 aus.

Mit Urteil vom 08.05.2019 zu C-24/17 hat der EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen entschieden.

Mit Schreiben vom 02.09.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens.

Mit Schreiben vom 14.11.2019 erhob der Beschwerdeführer wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde ausgeführt, dass obwohl das Bundesverwaltungsgericht der belangten Behörde ausdrücklich aufgetragen habe, über den Antrag des Beschwerdeführers vom 08.08.2013 inhaltlich zu entscheiden, dieser weiterhin unerledigt sei. Das überwiegende Verschulden an der Verzögerung treffe ausschließlich die belangte Behörde, zumal kein Grund ersichtlich sei, weshalb nunmehr nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes und nach endgültiger Klärung der zwischenzeitig aufgeworfenen Rechtsfrage durch das Urteil des EuGH zu C-24/17 kein ordnungsgemäßer Bescheid erlassen worden sei.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde vorgelegt und sind am 12.03.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Die belangte Behörde führte in der Beschwerdevorlage aus, dass eine eigene Web-IT Lösung für die Dienstbehörden des PTSG-Bereiches in Aussicht gestellt worden sei, um eine einheitliche Anrechnung von Vordienstzeiten auch bei Beamten in ausgegliederten Unternehmungen zu gewährleisten. Dieses dienstbehördliche Berechnungstool sei aber bis zum Übergang der Entscheidungsfrist seitens des Ministeriums erst in der finalen Testphase und noch nicht verfügbar, weshalb der Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt werde. Der Beschwerdeführer habe mit Ablauf des 31.12.2009 gemäß § 21 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) seinen Austritt aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses erklärt. Aus diesem Grundes sei er auch nicht durch die Besoldungsreform 2015 übergeleitet worden. Im Rahmen eines Sozialplanes habe er bei seinem Austritt eine Abfertigung erhalten und unter einem ausdrücklich erklärt, dass nach Zahlung dieses Abfertigungsbetrages alle Ansprüche und Rechtsverhältnisse bereinigt und verglichen worden seien und habe daher auf die Geltendmachung aller wie auch immer gearteter Ansprüche verzichtet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer war Beamter bei der Telekom Austria AG und hat gemäß § 21 BDG seinen Austritt aus dem Dienstverhältnis mit Ablauf des 31.12.2009 erklärt.

Der Beschwerdeführer erhielt aus Anlass seines Austritts eine Abfertigung der Telekom Austria AG in der Höhe von ? 157.325,75 und erklärte in diesem Zusammenhang schriftlich, dass nach Zahlung dieses Abfertigungsbetrages sämtliche Ansprüche und Rechtsverhältnisse aus welchem Rechtsgrund auch immer gegenüber der Telekom Austria TA Aktiengesellschaft oder gegenüber der Telekom Austria Personalmanagement GmbH bereinigt und verglichen sind und er daher auf die Geltendmachung wie auch immer lautender Ansprüche verzichtet.

Am 08.08.2013 beantragte er die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages durch Anrechnung von vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten/Feststellung der daraus resultierenden besoldungsrechtlichen Stellung/allfällige Nachzahlung von Bezügen.

Die belangte Behörde hat über den Antrag des Beschwerdeführers vom 08.08.2013 nicht abgesprochen.

Mit Schreiben vom 14.11.2019 erhob der Beschwerdeführer wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, welche dem Bundesverwaltungsgericht samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt wurde.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt in Verbindung mit der Säumnisbeschwerde des Beschwerdeführers und sind soweit unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (GehG 1956, BDG 1979) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass dienstrechtliche Streitigkeiten öffentlich Bediensteter unter den Begriff der "civil rights" im Verständnis des Art. 6 Abs. 1 EMRK fallen, insoweit derartige Streitigkeiten durch die innerstaatliche Rechtsordnung geregelte, subjektive Rechte oder Pflichten des jeweils betroffenen Bediensteten zum Gegenstand haben (vgl. VwGH 13.09.2017, Ro 2016/12/0024 mwN).

Demnach kann eine Verhandlungspflicht gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK nur dann entfallen, wenn die Ausnahmen für nicht übermäßig komplexe Rechtsfragen oder hochtechnische Fragen Platz greifen (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0067).

Da sich im vorliegenden Fall der Sachverhalt aus den Akten ergibt und es sich auch um keine übermäßig komplexe Rechtsfrage handelt, kann von einer mündlichen Verhandlung, abgesehen werden.

Zu A)

1. Zur Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde:

Gemäß § 8 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen, einen Bescheid zu erlassen.

Der Beschwerdeführer hat am 08.08.2013 den gegenständlichen Antrag auf Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages gestellt. Mit Bescheid vom 08.05.2015 wurde dieser Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung änderte das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 26.06.2015 mit Erkenntnis vom 09.11.2016 (W213 2100554-2/5E) ab und hob den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 08.05.2015 ersatzlos auf. Diese Entscheidung wurde der belangten Behörde am 14.11.2016 zugestellt, sodass zu diesem Zeitpunkt die sechsmonatige Entscheidungsfrist neu zu laufen begonnen hat. Mit Bescheid vom 31.06.2017 setzte die belangte Behörde das Verfahren gemäß § 38 AVG bis zur Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsersuchen zu C-24/17 aus. Mit Urteil vom 08.05.2019 zu C-24/17 hat der EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen entschieden. Durch den Wegfall des Aussetzungsgrundes hat die Entscheidungsfrist der Behörde neu zu laufen begonnen. Die sechsmonatige Entscheidungsfrist des Personalamtes XXXX der Telekom Austria AG gemäß § 73 Abs. 1 AVG ist daher am 08.11.2019 abgelaufen. Am 14.11.2019 erhob der Beschwerdeführer Säumnisbeschwerde.

Wie sich aus den Verwaltungsakten und aus dem oben dargestellten Verfahrensgang ergibt, hat die belangte Behörde in dieser Zeit keine Ermittlungs- bzw. Verfahrensschritte gesetzt.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern "objektiv" zu verstehen, als ein solches "Verschulden" dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war (vgl. VwGH 21.09.2007, 2006/05/0145).

In diesem Zusammenhang ist daher festzuhalten, dass sich aus dem Akteninhalt nicht ergibt, dass die Verletzung der Entscheidungspflicht durch ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers oder durch unüberwindliche Hindernisse verursacht war. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher von einer durch die Behörde zu verantwortenden Untätigkeit aus, welche die Kriterien des "überwiegenden Verschuldens" erfüllt. Die Tatsache, dass es noch keine Web-IT Lösung für die Dienstbehörden des PTSG-Bereiches gibt, ändert daran nichts.

Aus all dem folgt, dass die Säumnisbeschwerde zulässig ist.

Da die belangte Behörde nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Bescheid innerhalb der Nachfrist von drei Monaten iSd § 16 VwGVG nachzuholen, sondern die Säumnisbeschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt hat, ist die Zuständigkeit an das Bundesverwaltungsgericht übergegangen.

2. Gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG kann im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen.

Auch wenn das Gesetz keine expliziten Voraussetzungen für die Ausübung dieses Ermessens nennt, ist anzunehmen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung in erster Linie die Grundsätze der Verfahrensökonomie zu beachten hat (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0023 mwN). Aus verfahrensökonomischer Sicht wird die Erlassung eines "Teilerkenntnisses" vor allem dann in Betracht kommen, wenn neben der Lösung der maßgeblichen Rechtsfragen auch noch der Sachverhalt weiter klärungsbedürftig ist.

Vor diesem Hintergrund macht das Bundesverwaltungsgericht von der Ermächtigung gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG Gebrauch und trägt dem Personalamt XXXX der Telekom Austria AG auf, den versäumten Bescheid innerhalb von acht Wochen unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung nachzuholen:

Zur Frage, ob der Beschwerdeführer mit der Unterzeichnung der Abfertigungsvereinbarung auch auf seine Ansprüche nach dem Gehaltsgesetz verzichtet hat, legt das Bundesverwaltungsgericht folgende Rechtsanschauung fest:

Wie sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, kann grundsätzlich auch auf dem öffentlichen Recht zugehörige Ansprüche und Anwartschaften Verzicht geleistet werden, dies muss jedoch in einer nach jeder Richtung hin unbedenklichen Weise erfolgen (vgl. zB VwGH 16.12.1993, 93/11/0174).

Es ist jedoch nicht zulässig, dass der Beamte auf einen Bestandteil des Monatsbezuges verzichtet, der ihm zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes (und den seiner Familie) für die Erfüllung der ihm obliegenden Dienstleistungspflicht (siehe in diesem Zusammenhang insbesondere § 43 Abs 1 BDG 1979) kraft Gesetzes zusteht. Nur eine der Funktion des Beamten dem Gesetz entsprechende Besoldung, auf die er nicht verzichten kann, berücksichtigt nämlich hinreichend, dass das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis nach seiner normativen Ausprägung als eine lebenslang umfassend angelegte Rechtsbeziehung vorgesehen ist. Weiters wird nur dadurch die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Beamten gegenüber jedermann sichergestellt, dass der Beamte seine Aufgabe, eine den Erfordernissen des Rechtsstaates entsprechende Verwaltung (in welcher Handlungsform auch immer) durchzuführen, in bester Weise erfüllen kann. Die Unwirksamkeit des Verzichtes des Beamten auf den Monatsbezug (oder einen Bestandteil desselben) steht auch nicht im Widerspruch zur bisherigen Judikatur des VwGH, die zB den Anspruch auf Abfertigung nach § 26 GehG als verzichtbar angesehen hat, liegen doch hier offenkundig verschiedene Grundvoraussetzungen vor, die eine unterschiedliche Betrachtung rechtfertigen (VwGH 25.01.1995, 94/12/0252).

Vor diesem Hintergrund ist die vom Beschwerdeführer unterzeichnete Erklärung im Zusammenhang mit seiner Abfertigung nicht derart auszulegen, dass er damit auch auf ihm zustehende Ansprüche nach dem Gehaltsgesetz, die seinen Monatsbezug betreffen, verzichtet hat, sodass er einen Antrag auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages stellen konnte und der Antrag somit zulässig ist.

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass sich der Verzicht außerdem auf Ansprüche gegenüber der Telekom Austria Aktiengesellschaft und der Telekom Austria Personalmanagement GmbH bezieht, nicht jedoch auf Ansprüche gegenüber der Dienstbehörde (dem Personalamt XXXX der Telekom Austria Aktiengesellschaft).

Der Beschwerdeführer hat seinen Antrag am 08.08.2013 gestellt, als er bereits aus dem Dienststand ausgetreten war. Sein Austritt wurde mit Ablauf des 31.12.2009 wirksam.

In Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG ist die 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I 58/2019, ergangen.

§ 169 Abs. 1 GehG 1956 ordnet an, dass bei Beamten, die sich am Tag der Kundmachung der 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I 58/2019, im Dienststand befinden (Z 1) und die nach § 169c Abs. 1 übergeleitet wurden (Z 2) und deren erstmalige Festsetzung des Vorrückungsstichtags für das laufende Dienstverhältnis unter Ausschluss der vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Zeiten erfolgt ist (Z 3) und bei denen nach der erstmaligen Festsetzung nach Z 3 nicht die vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Zeiten nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes BGBl. I 82/2010 vorangestellt und durch Außerachtlassung der mit diesem Bundesgesetz bewirkten Verlängerung des für die erste Vorrückung erforderlichen Zeitraums zur Gänze für die Einstufung wirksam geworden sind (Z 4), die besoldungsrechtliche Stellung von Amts wegen bescheidmäßig neu festzusetzen ist.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. erfolgt bei den am Tag der Kundmachung der 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I 58/2019, anhängigen Verfahren, welche die Frage der Anrechnung zusätzlicher Vordienstzeiten, der Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags, insbesondere nach § 113 Abs. 10 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I 82/2010, der Neufestsetzung des Besoldungsdienstalters oder der Festsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung für eine Beamtin oder einen Beamten nach Abs. 1 Z 3 als Hauptfrage zum Gegenstand haben, eine Neufestsetzung im Rahmen dieser Verfahren.

Gemäß Abs. 5 leg. cit. erfolgt die Neufestsetzung in bereits anhängigen Verfahren nach Abs. 3 bei Beamten, die nicht nach § 169c Abs. 1 (allenfalls in Verbindung mit § 169d Abs. 3, 4 oder 6) übergeleitet wurden, abweichend von Abs. 4 durch Feststellung 1. der Einstufung zum Tag der Antragseinbringung oder, wenn die Beamtin oder der Beamte vor diesem Tag aus dem Dienststand oder dem Dienstverhältnis ausgeschieden ist, zum Ablauf des letzten Tages des Dienststands oder Dienstverhältnisses und 2. des Vorrückungstermins, mit dem die Einstufung nach Z 1 erreicht wurde. Die Einstufung und der Vorrückungstermin nach Z 1 und 2 sind zunächst auf Grundlage des letzten Vorrückungsstichtags, der unter Ausschluss der vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Zeiten festgesetzt wurde, zu bemessen. Anschließend sind sie um die Anzahl an ganzen Monaten, die zwischen dem Vergleichsstichtag und dem Vorrückungsstichtag liegen, zu verbessern, wenn der Vergleichsstichtag vor dem Vorrückungsstichtag liegt, andernfalls um diese zu vermindern.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die belangte Behörde zunächst gemäß § 169f Abs. 5 GehG 1956 die Einstufung des Beschwerdeführers zum Ablauf des letzten Tages seines Dienstverhältnisses (hier: 31.12.2009) und den Vorrückungstermin, mit dem diese Einstufung erreicht wurde, festzustellen hat. Diese sind dabei zunächst auf Grundlage des letzten Vorrückungsstichtags, der unter Ausschluss der vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Zeiten festgesetzt wurde, zu bemessen.

In einem weiteren Schritt hat die belangte Behörde den Vergleichsstichtag gemäß § 169g GehG 1956 zu ermitteln.

Zuletzt hat die belangte Behörde die im ersten Schritt festgestellte Einstufung und den festgestellten Vorrückungstermin um die Anzahl an ganzen Monaten, die zwischen dem Vergleichsstichtag und dem Vorrückungsstichtag liegen, zu verbessern oder - wenn der Vergleichsstichtag vor dem Vorrückungsstichtag liegt - zu vermindern.

Sollte sich aufgrund dieser Berechnung ergeben, dass sich die Einstufung des Beschwerdeführers verbessert, würde dem Beschwerdeführer eine Nachzahlung der sich aus der Verbesserung seiner Einstufung ergebenden Bezüge gebühren.

Dazu ist folgende Rechtsanschauung festzulegen:

Der Beschwerdeführer hat seinen Antrag am 08.08.2013 und damit zu einem Zeitpunkt gestellt, als § 113 Abs. 13 GehG 1956 idF BGBl. I 82/2010 noch in Kraft war.

§ 113 Abs. 13 Gehaltsgesetz 1956, idF BGBI. I 82/2010 (kundgemacht am 30.08.2010), normierte:

"Für besoldungs- und pensionsrechtliche Ansprüche, die sich aus einer Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages ergeben, ist der Zeitraum vom 18. Juni 2009 bis zum Tag der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 82/2010 nicht auf die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 13b dieses Bundesgesetzes oder gemäß § 40 des Pensionsgesetzes 1965 anzurechnen."

Die Wortfolge "diese Bestimmungen sind in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden" in § 175 Abs. 79 Z 2 GehG 1956 idF BGBl. I 32/2015 (kundgemacht am 11.02.2015) steht im Widerspruch zum Unionsrecht und hat aufgrund des Effektivitäts- und Äquivalenzprinzips sowie des Schutzes des berechtigten Vertrauens unangewendet zu bleiben (vgl. auch VwGH 27.05.2019, Ra 2017/12/0001).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt die "anspruchsbegründende Leistung" nach § 13b Abs. 1 GehG 1956 im Bestand eines Dienstverhältnisses am Monatsersten (Fälligkeitsdatum). Nachdem mit dem Monatsersten der Anspruch auf den gesamten Monatsbezug entsteht, beginnt auch die dreijährige Verjährungsfrist bereits mit Ablauf des Monatsersten zu laufen (VwGH 19.09.2003, 2003/12/002).

Unter Berücksichtigung der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 13b Abs. 1 GehG 1956 sowie unter Berücksichtigung des § 113 Abs. 13 GehG 1956, der die gegenständliche Verjährungsfrist vom 18.06.2009 bis zum 30.08.2010, somit um 1 Jahr, 2 Monate und 12 Tage hemmte, würde dem Beschwerdeführer daher - so sich aus der oben dargestellten Berechnung eine Verbesserung seiner Einstufung ergibt - eine Nachzahlung seiner sich aus der Verbesserung seiner Einstufung ergebenden Bezüge vom 01.07.2009 bis zu seinem Austritt aus dem Dienstverhältnis gebühren.

Der belangten Behörde wird daher gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG aufgetragen, binnen acht Wochen den beantragten Bescheid zu erlassen. Im Hinblick auf die noch durchzuführenden Ermittlungen wurde die in § 28 Abs. 7 VwGVG vorgesehene Frist in vollem Umfang gewährt. Die Frist ist gemäß § 6 Abs. 2 iVm § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes bis zum Ablauf des 30.04.2020 unterbrochen und beginnt am 01.05.2020 neu zu laufen, wenn nicht in einer Verordnung des Bundeskanzlers gemäß § 5 leg. cit. etwas anderes angeordnet wird.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt. Insbesondere fehlt es an einer Rechtsprechung zu der mit der 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I 58/2019, erfolgten gesetzlichen Neugestaltung in Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG.

Schlagworte

Abfertigung Austritt Ermächtigung Postbeamter Revision zulässig Säumnis Säumnisbeschwerde überwiegendes Verschulden Verzicht Vorrückungsstichtag Vorrückungsstichtag - Neufestsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W221.2225479.2.00

Im RIS seit

05.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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