TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/20 W170 2229390-1

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Veröffentlicht am 20.04.2020
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Entscheidungsdatum

20.04.2020

Norm

BDG 1979 §43
BDG 1979 §44
BDG 1979 §91
BDG 1979 §92
B-VG Art133 Abs4
HDG 2014 §1
HDG 2014 §2
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3
VwGVG §28 Abs5
WG 2001 §11
WG 2001 §46

Spruch

W170 2229390-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid (Disziplinarerkenntnis) des Leiters der Fliegerwerft 2 vom 20.01.2020, Zl. P908175/107-FlWft2/2020, zu Recht:

A) Das Disziplinarerkenntnis wird gemäß § 28 Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsverfahrens-gesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in Verbindung mit §§ 1 f Heeresdisziplinargesetz 2014, BGBl. I Nr. 2/2014 in der Fassung BGBl. I Nr. 16/2020, 46 Wehrgesetz 2001, BGBl. I Nr. 146/2001 in der Fassung BGBl. I Nr. 102/2019, wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung eines Disziplinarerkenntnisses ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) ist ziviler Beamter beim Bundesministerium für Landesverteidigung, er ist in der Verwendungsgruppe A3 eingestuft und wird in der Fliegerwerft 2 verwendet. Darüber hinaus gehört der Beschwerdeführer dem Milizstand an und bekleidet dort den Dienstgrad eines Oberwachtmeisters.

1.2. Dem Beschwerdeführer wurde vorgeworfen, er habe sich am 02.09.2019 eigenmächtig von einem Lehrgang abgemeldet, für den er von seiner Dienststelle angemeldet worden war. Dieser Lehrgang an der Heereslogistikschule hätte dazu gedient, dass der Beschwerdeführer die Qualifikation eines Werkmeisters erreiche, die er für seine Funktion als Zivilbediensteter des Bundesheeres in Zukunft benötige. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht im Präsenzstand.

1.3. Gegen den Beschwerdeführer wurde durch den Leiter der Fliegerwerft 2 am 29.10.2019 eine Disziplinarverfügung, Zl. P908175/104-FlWft2/2019, erlassen, gegen die jener am 04.11.2019 Einspruch erhob. Der Einspruch richtete sich gegen den Schuld- und Strafausspruch in der Disziplinarverfügung.

1.4. Daraufhin wurde vom Leiter der Fliegerwerft 2 am 10.02.2020 ein mit 20.01.2020 datiertes Disziplinarerkenntnis, Zl. P908175/107-FlWft2/2020, erlassen, gegen das der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 13.02.2020, am 14.02.2020 bei der Behörde eingelangt, Beschwerde erhob.

Der Spruch des Disziplinarerkenntnisses des Leiters der Fliegerwerft 2 vom 20.01.2020, Zl. P908175/107-FlWft2/2020, lautet: "Ihrem Einspruch gegen die Disziplinarverfügung vom 29.10.2019, GZ P908175/104-FlWft2/2019, eingebracht in offener Frist am 08.11.2019 mit GZ P908175/106-FlWft2/2019 wird nicht stattgegeben. Es wird über Sie nach § 92 BDG die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von ? 500,-- verhängt."

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus der unbedenklichen Aktenlage.

2.2. Die Angaben des Beschwerdeführers zu den oben festgestellten Eigenschaften seiner Person decken sich mit den Angaben der Behörde im Schreiben vom 14.04.2020.

2.3. Dass sich der Einspruch gegen die Strafverfügung sowohl gegen die Schuld als auch die Strafe richtet, ergibt sich aus dessen Formulierung: "Ich ... erhebe innerhalb offener Frist EINSPRUCH gegen die mit ... am 29.10.2019 erlassene Disziplinarverfügung und begründe dies wie folgt:" sowie "Ich beantrage das Verfahren gem. § 118 BDG wegen geringen Verschuldens einzustellen."

2.4. Die Feststellungen zum gemachten Vorwurf und zum Verfahrensgang ergeben sich aus der Aktenlage, hinsichtlich des Zustelldatums des Disziplinarerkenntnisses ist auf die Beschwerde zu verweisen, der die Behörde diesbezüglich - etwa in der Aktenvorlage - nicht entgegengetreten wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 1 Abs. 1 Heeresdisziplinargesetz 2014, BGBl. I Nr. 2/2014 in der Fassung BGBl. I Nr. 16/2020 (in Folge: HDG) ist dieses, soweit im HDG nicht anderes bestimmt ist, anzuwenden auf (1.) Soldaten, (2.) Wehrpflichtige des Miliz- und Reservestandes, die einen höheren Dienstgrad als Rekrut führen, und (3.) Berufssoldaten des Ruhestandes.

Zum angelasteten Vorfallszeitpunkt war der Beschwerdeführer Wehrpflichtiger des Milizstandes, er befand sich nicht im Präsenzstand.

Gemäß § 2 Abs. 2 HDG sind Wehrpflichtige des Miliz- und Reservestandes disziplinär zur Verantwortung zu ziehen wegen (1.) Verletzung der Pflichten, die ihnen im Präsenzstand auferlegt waren, oder (2.) gröblicher Verletzung der ihnen im Miliz- oder Reservestand auferlegten Pflichten oder (3.) Erschleichung eines Dienstgrades oder (4.) einer im Miliz- oder Reservestand begangenen Handlung oder Unterlassung, die es nicht zulässt, sie ohne Nachteil für den Dienst und damit für das Ansehen des Bundesheeres in ihrem Dienstgrad zu belassen.

Der Beschwerdeführer war zum angelasteten Vorfallszeitpunkt weder im Präsenzstand noch hat er sich einen Dienstgrad erschlichen. Es ist auch nicht zu erkennen, dass der Beschwerdeführer die ihm im Milizstand auferlegten Pflichten, etwa die in § 11 Wehrgesetz 2001, BGBl. I Nr. 146/2001 in der Fassung BGBl. I Nr. 102/2019 (in Folge: WehrG), auferlegten Meldepflichten, gröblich verletzt hat oder eine Handlung oder Unterlassung begangen hat, die es nicht zulässt, diesen ohne Nachteil für den Dienst und damit für das Ansehen des Bundesheeres in seinem Dienstgrad zu belassen, zumal eine Degradierung im Disziplinarerkenntnis nicht ausgesprochen wurde. Vielmehr wird dem Beschwerdeführer eine Handlung, nämlich die eigenmächtige Abmeldung von einem Lehrgang vorgeworfen, die ausschließlich im Zusammenhang mit seiner zivilen Beamtenstellung steht. Eine unmittelbare Anwendbarkeit des HDG - diese wäre Voraussetzung für die Führung eines Kommandantenverfahrens, das die einzige in Betracht kommende Möglichkeit darstellt, in der ein Disziplinarerkenntnis nicht von der Disziplinarkommission sondern vom Disziplinarvorgesetzten erlassen wird (siehe § 60 HDG) - im Sinne der §§ 1 f HDG liegt daher nicht vor.

3.2. Die Behörde beruft sich hinsichtlich der Zuständigkeit für die Führung des Verfahrens auf § 46 WehrG.

§ 46 WehrG lautet:

"Geltung bestimmter Vorschriften

§ 46. (1) Für Soldaten, die dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehören, gelten die wehrrechtlichen Vorschriften nur insoweit, als in den dienstrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist.

(2) Hinsichtlich der Ahndung von Pflichtverletzungen der ihnen unterstellten Beamten, die nicht Soldaten sind, haben

1. Personen, die mit der Funktion eines Disziplinarvorgesetzten nach dem Heeresdisziplinargesetz 2014 betraut sind, die Stellung der Dienstbehörde nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, und

2. Personen, die mit der Funktion eines Einheitskommandanten nach dem Heeresdisziplinargesetz 2014 betraut sind, das Recht der Dienstbehörde zur Erlassung von Disziplinarverfügungen.

Das Recht der Dienstbehörde zur Erlassung von Disziplinarverfügungen steht den Organen nach Z 1 nur insoweit zu, als das Organ nach Z 2 an dieser Erlassung verhindert ist. Im Übrigen bleiben die Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 über das Disziplinarrecht unberührt."

Gemäß § 46 Abs. 1 WehrG kommen dem Disziplinarvorgesetzten hinsichtlich der Ahndung von Pflichtverletzungen der ihnen unterstellten Beamten daher nur die Aufgaben der Dienstbehörde nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz, BGBl. Nr. 333/1979 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020 (in Folge: BDG), zu. Gemäß § 97 Z 1 BDG ist die Dienstbehörde zur vorläufigen Suspendierung und zur Erlassung von Disziplinarverfügungen hinsichtlich der Beamtinnen und Beamten ihres Zuständigkeitsbereiches zuständig, gemäß §§ 109 f BDG ist die Dienstbehörde weiters für die Übermittlung der Disziplinaranzeige des Dienstvorgesetzten zuständig, wenn sie nicht mittels Disziplinarverfügung vorzugehen beabsichtigt.

Gemäß § 46 Z 2 WehrG kommt dem Einheitskommandanten, im Falle von dessen Verhinderung der Dienstbehörde, das Recht zur Erlassung einer Disziplinarverfügung hinsichtlich der Ahndung von Pflichtverletzungen der diesem unterstellten Beamten zu.

Hingegen steht die Zuständigkeit zur Erlassung von Disziplinarerkenntnissen und zur Entscheidung über Suspendierungen hinsichtlich aller Beamtinnen und Beamten des Bundes, auf die das HDG nicht anzuwenden ist, gemäß § 97 Abs. 2 BDG der Disziplinarkommission (in Zukunft der Bundesdisziplinarbehörde) zu.

Daher war die belangte Behörde als Disziplinarvorgesetzter nicht für die Erlassung des gegenständlichen Disziplinarerkenntnisses zuständig und ist dieses schon aus diesem Grunde aufzuheben.

3.3. Darüber hinaus hat die belangte Behörde, ohne den Schuldspruch aus der Disziplinarverfügung zu wiederholen, dem Einspruch gegen diese nicht stattgegeben. Dieses "nicht stattgeben" ist im Lichte der Begründung, die abermals dartun, warum eine Dienstpflichtverletzung vorliegt, als Abweisung zu verstehen, zumal zwar nicht der Schuldspruch aber der Strafausspruch wiederholt wird.

Gemäß § 131 BDG kann die Dienstbehörde ohne weiteres Verfahren schriftlich eine Disziplinarverfügung erlassen, wenn (1.) die Beamtin oder der Beamte vor der oder dem Dienstvorgesetzten, der Leiterin oder dem Leiter der Dienststelle oder vor der Dienstbehörde eine Dienstpflichtverletzung gestanden hat, (2.) eine Dienstpflichtverletzung aufgrund eindeutiger Aktenlage als erwiesen anzunehmen ist oder (3.) die Beamtin oder der Beamte wegen des der Dienstpflichtverletzung zugrundeliegenden Sachverhaltes rechtskräftig durch ein Strafgericht oder durch ein Verwaltungsgericht bestraft wurde, und dies unter Bedachtnahme auf die für die Strafbemessung maßgebenden Gründe zur Ahndung der Dienstpflichtverletzung ausreichend erscheint. Die Disziplinarverfügung ist auch der Disziplinaranwältin oder dem Disziplinaranwalt zuzustellen. In der Disziplinarverfügung darf nur der Verweis ausgesprochen oder eine Geldbuße bis zur Höhe eines Monatsbezuges, auf den die Beamtin oder der Beamte im Zeitpunkt der Erlassung der Disziplinarverfügung Anspruch hat, verhängt werden. Gemäß § 132 BDG können der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt gegen die Disziplinarverfügung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch erheben. Der rechtzeitige Einspruch setzt die Disziplinarverfügung außer Kraft; die Bundesdisziplinarbehörde hat zu entscheiden, ob ein Verfahren einzuleiten ist.

Die Disziplinarverfügung ist - wie die Strafverfügung im Verwaltungsstrafverfahren - dem Mandatsbescheid nachgebildet (zur Strafverfügung: VwGH 03.05.2017, Ro 2016/03/0027). Daher ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Mandatsbescheid sinngemäß auf die Disziplinarverfügung zu übertragen. Insbesondere darf die Behörde daher nach Ergreifung eines Einspruches (beim Mandatsbescheid: einer Vorstellung) nicht mehr inhaltlich über den Einspruch (beim Mandatsbescheid: die Vorstellung) entscheiden, weil die Disziplinarverfügung (der Mandatsbescheid) durch den Einspruch (beim Mandatsbescheid: die Vorstellung) außer Kraft tritt und sich der Einspruch (beim Mandatsbescheid: die Vorstellung) somit zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde - der denklogisch immer nach dem Außerkrafttreten der Disziplinarverfügung (des Mandatsbescheids) liegt - gegen ein rechtliches Nullum (der lediglich hinsichtlich der Verjährung noch Bedeutung zukommen kann) richtet (zum Mandatsbescheid: VwGH 16.12.2014, Ro 2014/16/0076), dir Einspruch (beim Mandatsbescheid: die Vorstellung) ist allenfalls zurückzuweisen und ein ordentliches Verfahren einzuleiten.

Dadurch dass die belangte Behörde materiell über ein Rechtsmittel gegen einen - zu ihrem Entscheidungszeitpunkt - nicht mehr bestehenden Bescheid entschieden hat, hat sie - unabhängig von den unter 3.2. dargestellten Überlegungen - eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zukommt und ist das Disziplinarerkenntnis auch alleine aus diesem Grunde aufzuheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Auf Grund der klaren Rechtslage ist die Revision nicht zulässig.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Disziplinarerkenntnis Disziplinarverfahren Disziplinarverfügung ersatzlose Behebung Kommandantenverfahren Miliz unzuständige Behörde Unzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2229390.1.00

Im RIS seit

05.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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