TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/20 L529 2230309-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.04.2020
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Entscheidungsdatum

20.04.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwG-AufwErsV §1
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch

L529 2230309-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.03.2020, Zl. XXXX , die Anordnung der Schubhaft sowie die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft seit 10.04.2020 für rechtmäßig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

III. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und Z 4 VwG-AufwErsV dem Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) ist Staatsbürger der Türkei; er reiste im Jahr 1990 nach Österreich und hielt sich vorerst in XXXX , ab dem Jahr 1998 in der Stadt XXXX auf.

Mit Bescheid des BFA vom 13.07.2017 wurde über den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

2. Aufgrund der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes wurde der BF am 02.08.2017 in die Türkei abgeschoben.

3. Im Zuge einer polizeilichen Kontrolle wurde der BF am 30.10.2017 von Organen der LPD XXXX festgenommen und erfolgte am 02.11.2107 eine neuerliche Abschiebung in die Türkei.

4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.09.2018, Zl.: L523 2166539-1/6E, wurde die gegen den Bescheid des BFA vom 13.07.2017 erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

5. Am 11.01.2019 wurde der BF in XXXX bei einem Ladendiebstahl betreten und leistete der BF bei der nachfolgenden Festnahme Widerstand gegen die einschreitenden Polizeibeamten. Mit Urteil des LG XXXX vom 27.03.2019 (RK 27.03.2019) wurde der BF wegen §§ 15, 127 (1), 15, 269 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, die er bis 10.04.2020 verbüßte.

6. Am 02.11.2019, 11:30 Uhr, war der BF - offenbar während eines Freiganges - an einem Raufhandel beteiligt und wurde er diesbezüglich der Staatsanwaltschaft angezeigt. Gemäß Verständigung der Staatsanwaltschaft vom 18.03.2020 wurde gegen den BF Anklage wegen §§ 83 (1), 84 (4), 84 (5) Z 2 StGB erhoben.

7. Mit im Spruch bezeichneten Bescheid des BFA vom 26.03.2020 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft - mit Eintritt der Rechtsfolgen nach der Entlassung aus der Strafhaft - zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

8. Mit 14.04.2020, 13:42 Uhr, langte gegenständliche Beschwerde über die Schubhaft beim BVwG ein und erfolgte die Zuweisung an die Gerichtsabteilung L529.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Schubhaftbescheid, die Anordnung der Schubhaft und die weitere Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig seien. Die Begründung der Fluchtgefahr sei mangelhaft, ebenso die Begründung des Ausschlusses gelinderer Mittel. Es werde zudem auf die aktuelle Ausnahmesituation auf Grund des Coronavirus hingewiesen. Es wurde beantragt, der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF gemäß VwG-Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, aufzuerlegen.

9. Am 14.04.2020 langten Teile des Verwaltungsverfahrensaktes, am 15.04.2020 weitere solche Teile samt einer Stellungnahme des BFA ein. Seitens des BFA wurde beantragt, dem Bundesamt den Kostenersatz in der gesetzlichen Höhe zuzuerkennen.

10. Diese Stellungnahme des BFA wurde der Vertretung des BF mit Schreiben vom 15.04.2020 seitens des BVwG zu Gehör gebracht und die Möglichkeit gegeben, bis 17.04.2020, 14.00 Uhr, beim BVwG einlangend, eine Stellungnahme abzugeben, sowie die Behauptung etwaiger relevanter Umstände entsprechend zu bescheinigen.

11. Am 16.04.2020, 13:50 Uhr, langte eine Stellungnahme des BF beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Der BF ist türkischer Staatsbürger; er hielt sich etwa seit 1990/1991 in Österreich auf. Der BF befindet sich aktuell im PAZ XXXX in Schubhaft.

1.2. Mit Bescheid des BFA vom 13.07.2017 wurde über den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.09.2018, Zl.: L523 2166539-1/6E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

In Vollziehung dieses Aufenthaltsverbotes wurde der BF erstmals am 02.08.2017 in die Türkei abgeschoben, kehrte zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt entgegen dem Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet zurück und wurde am 30.10.2017 im Zuge einer polizeilichen Kontrolle von Organen der LPD XXXX festgenommen; am 02.11.2017 erfolgte eine neuerliche Abschiebung des BF in die Türkei.

Der BF kehrte aber entgegen dem bestehenden Aufenthaltsverbot erneut zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt in das Bundesgebiet zurück und wurde am 11.01.2019 in XXXX bei einem Ladendiebstahl betreten. Er leistete gegen eine daraus resultierende Festnahme Widerstand und wurde der Staatsanwaltschaft angezeigt. Mit Urteil des LG XXXX vom 27.03.2019 (RK 27.03.2019) wurde der BF wegen §§ 15, 127 (1), 15, 269 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, die er bis 10.04.2020 verbüßte.

Offenbar während eines Freiganges während dieser Haft am 02.11.2019 war der BF - an einem Raufhandel beteiligt und erfolgte eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft. Gemäß Verständigung der Staatsanwaltschaft vom 18.03.2020 wurde gegen den BF Anklage wegen §§ 83 (1), 84 (4), 84 (5) Z 2 StGB erhoben. Das Verfahren ist noch offen.

1.3. Im Strafregister der Republik Österreich scheinen hinsichtlich des Beschwerdeführers folgende Verurteilungen auf:

Mit Urteil des BG XXXX vom 01.07.1997, RK 07.08.1997, wurde der Beschwerdeführer wegen § 91/2 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tags zu je ÖS 100,00, im NEF 20 Tage EFST, verurteilt.

Mit Urteil des BG XXXX vom 31.12.1998, RK 12.02.1999, wurde der Beschwerdeführer wegen § 88/ 1 und 4 StGB zu einer Geldstrafe von 50 Tags zu je ÖS 60,00, im NEF 25 Tage EFST, verurteilt.

Mit Urteil des BG XXXX vom 29.11.1999, RK 21.12.1999, wurde der Beschwerdeführer wegen § 83/1 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tags zu je ÖS 100,00, im NEF 20 Tage EFST, verurteilt.

Mit Urteil des BG XXXX vom 28.09.2001, RK 02.10.2001 wurde der Beschwerdeführer wegen § 125 StGB zu einer Geldstrafe von 70 Tags zu je ÖS 30,00, im NEF 35 Tage EFST, verurteilt.

Mit Urteil des LG XXXX vom 29.01.2004, RK 03.02.2004, wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 107/1 und 2, 105/1, 106 Abs. 1/1, 83/1, 125, 297/1 (1. Fall), 146, 147 Abs. 1/1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten bedingt, Probezeit 3 Jahre, verurteilt.

Mit Urteil des LG XXXX vom 17.03.2005, RK 17.03.2005, wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 28/2 (4. Fall) und 3 (1. Fall) SMG, 15/1 StGB, 28/2 (4. Fall) und 3 (1. Fall) und 27/1 (1.2. Fall) SMG und 83/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon Freiheitsstrafe 16 Monate, bedingt, verurteilt.

Mit Urteil des BG XXXX vom 21.08.2012, RK 25.08.2012, wurde der Beschwerdeführer wegen § 83 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bedingt verurteilt.

Mit Urteil des BG XXXX vom 15.02.2013, RK 19.02.2013, wurde der Beschwerdeführer wegen § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten bedingt verurteilt.

Mit Urteil des BG XXXX vom 10.05.2013, RK 14.05.2013, wurde der Beschwerdeführer wegen § 27 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten bedingt verurteilt.

Mit Urteil des BG XXXX vom 05.07.2013, RK 09.07.2013, wurde der Beschwerdeführer wegen § 164 (2) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 Monat bedingt verurteilt.

Mit Urteil des BG XXXX vom 28.11.2013, RK 28.02.2014, wurde der Beschwerdeführer wegen § 136 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten bedingt verurteilt.

Mit Urteil des LG XXXX vom 01.09.2014, RK 05.09.2014, wurde der Beschwerdeführer wegen § 107 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten, davon Freiheitsstrafe 18 Monate bedingt, verurteilt.

Mit Urteil des LG XXXX vom 21.06.2017, RK 21.06.2017, wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 83 (1) und 105 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, davon Freiheitsstrafe 6 Monate bedingt, verurteilt.

Mit Urteil des LG XXXX vom 27.03.2019, RK 27.03.2019, wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 15, 127 (1) und 15, 269 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

1.4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.09.2018, Zl.: L523 2166539-1/6E wurde zum Familien- und Privatleben des BF festgestellt:

"In Österreich leben drei Kinder des Beschwerdeführers, sodass jedenfalls von einem Familienleben auszugehen war und der Beschwerdeführer gibt auch an, wegen seiner Kinder in Österreich bleiben und sich um sie kümmern zu wollen (AS 26). Diese Ausführungen relativieren sich aber schon dadurch, dass sich der Beschwerdeführer - den Ausführungen seiner Exfreundin und Mutter seines dritten Kindes zufolge - bislang nur wenig bis gar nicht um seine Kinder gekümmert habe und für die jüngste Tochter auch keine Alimente zahle. Auch die letzte Verurteilung vom 21.06.2017 zeigt, dass ihm das Wohlergehen seiner jüngsten - im Jahr 2015 geborenen - Tochter nicht sonderlich am Herzen liegen kann, zumal er nicht davor zurückschreckte, auch ihr mit Gewalt zu begegnen, sodass ihm vom Gericht die Weisung erteilt werden musste, ein Kontaktrecht mit dieser Tochter einzuleiten oder auf ein solches ausdrücklich zu verzichten. Ein gemeinsamer Haushalt bestand jedenfalls seit Verhängung des Betretungsverbotes am 11.04.2016 bis zu seinem Haftantritt am 06.04.2017 nicht mehr und ist ein solcher auch nicht mehr gewünscht, zumal die als Zeugin einvernommene frühere Lebensgefährtin des Beschwerdeführers aus Angst um sich und ihre Tochter hoffe, dass der Beschwerdeführer Österreich verlassen müsse und sie sich endlich in Ruhe ein Leben aufbauen könne.

Hinsichtlich seines Privatlebens wurde dem Beschwerdeführer schon aufgrund seiner langen Aufenthaltsdauer in Österreich ein erhebliches Maß an Integration zugebilligt. So war der Beschwerdeführer beginnend ab dem Jahr 1991 wiederholt in Österreich erwerbstätig, doch waren diese Zeiten oftmals durch Zeiten, in denen Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe oder Krankengeld bezogen wurde, unterbrochen. Schon das BFA verwies zutreffend darauf, dass die Zeiten der Beziehung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe die Zeiten der legalen Beschäftigung bei weitem überschritten.

Auch der Stellungnahme des Beschwerdeführers sind mit Ausnahme seiner familiären Beziehungen und seiner langen Aufenthaltsdauer keine besonderen sozialen Bindungen zu Österreich zu entnehmen."

Der BF verbüßte mehrmalige Haftstrafen, und zwar von 23.10.2007 bis 23.01.2008, von 23.05.2014 bis 18.09.2014, von 06.04.2017 bis 31.07.2017 und zuletzt von 11.01.2019 bis zum 10.04.2020.

In Entsprechung des Bescheides des BFA vom 13.07.2017 (mit dem über den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt worden war) wurde der BF am 02.08.2017 und ein weiteres Mal am 02.11.2017 in die Türkei abgeschoben. Der BF kehrte jedoch jedes Mal - zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt - ins Bundesgebiet zurück. Die dazwischenliegenden Zeiten verbrachte der BF daher zum Teil in der Türkei und zum Teil "untergetaucht" in Österreich. Im Vergleich zum Datum 06.08.2018 ist daher - mangels Gelegenheit zu einem solchen (Aufenthalt in der Türkei; Aufenthalt "untergetaucht" in Österreich; Anhaltung in Haft) - eine noch geringere Intensität des Familienlebens wie auch des Privatlebens des BF festzustellen.

1.5. Der BF leidet an keiner schwerwiegenden Erkrankung.

Der BF befindet sich seit dem 15.04.2020, 16:00 Uhr, im Hungerstreik. Eine entsprechend intensive medizinische Betreuung ist damit evident.

1.6. Der BF war die zurückliegenden 15 Monate in Strafhaft. Er verfügt über kein Einkommen.

Der BF war zuletzt von 12.01.2019 bis 10.04.2020 und zuvor von 06.04.2017 bis 04.08.2017 in der Justizanstalt XXXX gemeldet. Frühere Haftzeiten waren von 23.10.2007 bis 23.01.2008 und von 23.05.2014 bis 18.09.2014.

Der letzte Eintrag im zentralen Melderegister bezüglich Hauptwohnsitz - ausgenommen in Haftanstalten - datiert mit 04.03.2015 bis 11.04.2016.

1.7. Der BF wurde mit Schreiben vom 16.01.2019 und 20.03.2020 zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert. Zudem forderte ihn das BF wiederholt auf, seinen Reisepass vorzulegen.

Im Akt finden sich eine Stellungnahme des BF vom 23.01.2019 (als Antwort auf die Aufforderung zur Stellungnahme vom 16.01.2019). Darin führte der BF aus, dass er einen Wohnsitz bei seinem Sohn XXXX in XXXX habe. Er habe 3 Kinder in Österreich, für die er da sein möchte. Er sei seit 1991 in Österreich habe immer gearbeitet und eine Wohnung gehabt. In der Türkei habe er keine Familie.

Mit Stellungnahme vom 25.02.2019 führte der BF aus, dass er in letzter Zeit in vier verschiedenen Wohnungen in XXXX gelebt habe. Zur Eruierung, wo sich sein Reisepass befinde, ersuche er noch um Zeit, um den Reisepass organisieren zu können.

Mit Stellungnahme vom 18.07.2019 gab der BF an, er könne leider nicht genau sagen, wo sich sein Reisepass derzeit befinde. Er habe vor seiner Verhaftung an drei verschiedenen Adressen gewohnt. Eine davon sei: XXXX XXXX . Die beiden anderen Adressen kenne er nicht auswendig, er finde aber den Weg, wenn er draußen sei. Er versuche um Verlängerung der Frist zur Vorlage des Reisepasses bis 31.08.2019. Er hoffe, dass er in dieser Zeit einen Haftausgang bekomme und er seinen Reisepass an den verschiedenen Adressen suchen könne.

Mit Stellungnahme vom 23.03.2020 gab der BF an, dass er an keiner schwerwiegenden Krankheit leide. Sein Wohnsitz sei " XXXX ; Unterkunftgeber sei XXXX . Nach Familienangehörigen befragt, gab er an, er habe hier eine Exfrau und 3 Kinder, XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , Adresse XXXX . Die Frage, ob Interesse an einer freiwilligen Rückkehr in seinen Herkunftsstaat bestehe, wurde vom BF verneint (AS 191).

Polizeiliche Erhebungen bei der ehemaligen Lebensgefährtin XXXX ergaben, dass der Reisepass des BF bei dessen letzter Lebensgefährtin, XXXX XXXX , XXXX sein konnte. Die Erhebungen dort verliefen aber ebenso negativ.

Am 07.08.2019 erfolgte die Mitteilung, dass der BF seinen Reisepass wiedergefunden habe - dieser befinde sich bei seinen Effekten in der Justizanstalt.

Ab dem 11.04.2016 scheint hinsichtlich des BF keine aufrechte Meldung - außer solche in Haftanstalten - auf. Der BF hat keinen ordentlichen Wohnsitz.

1.8. In der Schubhaftbeschwerde wurde vom BFG ausgeführt, dass der BF am 10.04.2020 nach Verbüßung seiner Freiheitsstrafe aus der Justizanstalt entlassen worden sei. Die Abschiebung nach Istanbul hätte am 12.04.2020 stattfinden sollen, der Flug sei jedoch aufgrund der aktuellen Covid-19 Pandemie storniert worden. Der BF verfüge über ein ausgeprägtes Familien- und Privatleben in Österreich, zumal seine Ex-Frau und Kinder, zu denen er einen sehr engen Kontakt pflege, in Österreich leben. Der BF befinde sich seit dem 10.04.2020 in Schubhaft. Die Schubhaft sei weder notwendig noch verhältnismäßig und somit rechtswidrig. Es sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar, ob in naher Zukunft eine Abschiebung in die Türkei möglich sein werde. Seit 28.03. seien alle internationalen Verbindungen in und aus der Türkei eingestellt.

Die belangte Behörde gehe davon aus, dass der BF in Österreich über kein schützenswertes Familienleben verfüge, aber in der Türkei Verwandtschaft hätte. Dies sei unrichtig, da die Ex-Frau und Kinder des BF im Bundesgebiet wohnen und er zu ihnen ein sehr enges Verhältnis pflege. Die belangte Behörde lege dem angefochtenen Bescheid somit teilweise unrichtige sowie aktenwidrige Feststellungen zugrunde.

Die Schubhaft diene nicht zur Aufdeckung oder Verhinderung von Straftaten und dürfe auch nicht als Sanktion gegen straffällig gewordene Fremde eingesetzt werden. Das Vorliegen von Fluchtgefahr im Falle des BF werde ausdrücklich bestritten. Der BF könnte bei Herrn XXXX XXXX Unterkunft nehmen und würde sich dort allfällig für die Behörde bereithalten. Der BF sei bereit, mit den Behörden zu kooperieren.

Die Durchführbarkeit der geplanten Abschiebung sei aufgrund ausfallender Flugverbindungen momentan nicht gewährleistet. Auch dieser Umstand - der dem BF naturgemäß nicht angelastet werden könne - führe zur Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft.

Es könne folglich nicht sichergestellt werden, dass eine Abschiebung zeitnah überhaupt faktisch erfolgen könne. Konsequenterweise erweise sich die Schubhaft als unverhältnismäßig und rechtswidrig.

Vor dem Hintergrund der bestehenden Wohnmöglichkeit, selbst bei Bestehen von Fluchtgefahr (deren Vorliegen deutlich in Abrede gestellt werde), wäre im gegenständlichen Fall die Anordnung eines gelinderen Mittels in Form einer periodischen Meldeverpflichtung oder in Form der angeordneten Unterkunftnahme naheliegend.

1.9. Im Beschwerdevorlageschreiben führte die belangte Behörde aus, dass entgegen den Ausführungen in der Schubhaftbeschwerde vom Bundesamt sehr wohl umfassende Ermittlungen zum gegenständlichen Schubhaftverfahren durchgeführt worden seien. So sei bereits kurz nach der Einlieferung des BF in die Justizanstalt das gegenständliche Verfahren eingeleitet worden und umfassende Erhebungen zum Wohnsitz bzw. des Aufbewahrungsortes des Reisepasses des BF in Auftrag gegeben worden. Dem BF sei im gesamten Verfahren mehrmals die Möglichkeit gegeben worden, schriftlich Stellung zu nehmen. Dieser Möglichkeit sei der BF auch nachgekommen und sei dabei vom Sozialdienst der Justizanstalt XXXX unterstützt worden.

Zumal der BF mehrfach schriftlich Stellung genommen habe, dabei auch vom Sozialdienst unterstützt worden sei und nicht zwingend eine Einvernahme vorgesehen sei, sei aus Sicht der Behörde keine mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen. Zudem habe der BF zu keinem Zeitpunkt angegeben, bei der Behörde persönlich vorsprechen zu wollen.

Entgegen der Behauptung in der Schubhaftbeschwerde habe die Behörde auch das Familienleben sorgfältig geprüft. Der BF habe in der Stellungnahme angegeben, dass seine Ex-Frau sowie seine drei Kinder in Österreich leben. Eine besonders enge Verbindung habe der BF in seinen Stellungnahmen jedoch nicht vorgebracht. Darüber hinaus sei aus der Aktenlage auch kein schützenswertes Familienleben ersichtlich. Seine Ex-Lebensgefährtin Fr. XXXX habe u.a. in der Zeugeneinvernahme im Aufenthaltsbeendigungsverfahren im Jahr 2017 angegeben, dass der BF ihr sowie ihrer Tochter gegenüber gewalttätig geworden sei. Des Weiteren habe sie auch angegeben, dass der BF auch gegenüber seiner Ex-Ehefrau ebenfalls gewalttätig geworden sei. Darüber hinaus habe er sich bis dato nicht um seine Kinder gekümmert und keine Alimente bezahlt. Dies gehe aus dem Erkenntnis des BVwG vom 06.09.2018 hervor. Dass der BF in der Türkei über Verwandte verfüge, sei ebenfalls im Aufenthaltsbeendigungsverfahren festgestellt worden.

Richtig sei, dass der BF in der Stellungnahme angeführt habe, bei Herrn XXXX unterkommen zu können. Wie im Bescheid bereits gewürdigt, erscheine es der Behörde nicht zweckmäßig, die Unterkunftnahme bei Herrn XXXX anzuordnen, da dieser den BF bereits in der Vergangenheit illegal beherbergt habe, Herr XXXX bereits amtsbekannt sei und in der Vergangenheit mit dem BF Straftaten begangen habe und es sich bei Herrn XXXX aus Sicht der Behörde um keine vertrauenswürdige Person handle.

Der BF habe in seinen Stellungnahmen mehrfach angegeben, seit der illegalen Einreise an mehreren Adressen gewohnt zu haben. Mit Ausnahme der Adresse des Herrn XXXX habe der BF die weiteren Adressen nicht nennen können oder wollen. Der BF habe sich seit der illegalen Einreise auch an keiner Adresse angemeldet. Aufgrund dessen sei davon auszugehen, dass der BF nach Anordnung eines gelinderen Mittels untertauchen und an einer der Behörde unbekannten Adresse Unterkunft nehmen werde, um sich so dem Verfahren zur Abschiebung zu entziehen. Daher liege aus Sicht der Behörde eine erhöhte Fluchtgefahr vor.

Zumal durch die Bundesregierung bereits erste Lockerungen im Zuge der COVID-19 Pandemie verfügt worden seien und ein Reisedokument vorliege, sei aus derzeitiger Sicht jedenfalls davon auszugehen, dass eine Abschiebung innerhalb der gesetzlichen Anhaltedauer durchgeführt werde.

1.10. Mit Stellungnahme vom 16.04.2020 führte der BF aus, dass entgegen den Ausführungen der belangten Behörde die "ersten Lockerungen" der Bundesregierung keinerlei Hinweise bieten würden, dass es in absehbarer Zeit wieder regelmäßigen Flugverkehr in die Türkei geben könnte, beträfen diese "Lockerungen" doch hauptsächliche Öffnungen des Handels.

Die tatsächliche zeitnahe Durchführung der Abschiebung erscheine aussichtslos. Insbesondere müsse bei der Abschiebung selbst erneut eine Refoulement Prüfung vorgenommen werden, diese könne in Anbetracht der notorischen humanitären Lage in Anbetracht der Covid-19 Pandemie in der Türkei nur zugunsten des BF ausfallen. So komme zur tatsächlichen Undurchführbarkeit noch die rechtliche Unzulässigkeit der Abschiebung.

Der Hinweis auf die Höchstdauer der Anhaltung gehe ebenfalls ins Leere. Die maximale Anhaltedauer sei nur für Fälle relevant, in denen die abzuschiebende Person ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkomme bzw. eine Abschiebung aktiv zu verhindern suche. Im gegenständlichen Fall verfüge die belangte Behörde über ein gültiges Reisedokument, die Mitwirkung des BF sei überhaupt nicht erforderlich. Die aufgrund der Pandemie faktische Unmöglichkeit der Abschiebung könne dem BF nicht angelastet werden.

Schließlich sei nochmals ausdrücklich, insbesondere im Hinblick auf die Pandemie, auf fehlende Fluchtgefahr verwiesen. Der BF sei stark sozial und familiär in Österreich verankert, der Reisepass des BF befinde sich bei der belangten Behörde. In Österreich würden strenge Ausgangsbeschränkungen herrschen, die von der Polizei kontrolliert würden. Es bestehe für den BF keine Möglichkeit unterzutauchen und es fehle jeglicher Anreiz dazu. Aufgrund der strengen Einreisekontrollen in den österreichischen Nachbarstaaten und des eingeschränkten öffentlichen Verkehrs bestehe auch keine Möglichkeit, das Land zu verlassen.

1.11. Coronavirus COVID-19

Am 11.3.2020 verkündete der türkische Gesundheitsminister Fahrettin Koca die Nachricht des ersten bestätigten Corona-Falles in der Türkei (FNS 3.2020; vgl. TG 11.3.2020). Die Fallzahlen waren im Vergleich zu anderen Ländern zunächst äußerst gering, Daten, wie jene der Universität Oxford zeigten jedoch eine beunruhigende Entwicklung der Infektionsrate in der Türkei: Das Land ist nach den ersten 100 bestätigten Fällen in der Geschwindigkeit des Anstiegs führend (Al Monitor 24.3.2020).

Die Türkei hat am 24.3.2020 zusätzliche Beschränkungen eingeführt, um die Menschen zu Hause zu halten und den Ausbruch des Corona-Virus einzudämmen. Das Innenministerium kündigte neue Regeln für Lebensmittelgeschäfte und öffentliche Verkehrsmittel an, die die Betriebszeiten der Supermärkte auf 9.00 bis 21.00 Uhr und die Kunden auf eine Person pro 7 Quadratmeter Grundfläche beschränken. Öffentliche Transportmittel dürfen nur mehr zur Hälfte belegt sein (Ahval 25.3.2020). Diese Schritte folgen auf eine Reihe früherer Beschränkungen, die das sog. social distancing fördern sollen, darunter die Schließung von Schulen, ein Verbot von Gemeinschaftsgebeten in Moscheen, die Absage von kulturellen Veranstaltungen und die Schließung von Zehntausenden von Geschäften. Im Unterschied zu anderen Staaten hat sich die Türkei geweigert, eine vollständige Abriegelung anzuordnen, und sich dafür für Teilmaßnahmen entschieden, wie z.B. das Verbot für Senioren und andere gefährdete Personen ihr Zuhause zu verlassen (Al Monitor 24.3.2020).

Turkish Airlines stellt seit dem 27. März die Flüge zu allen internationalen Zielen ein, mit Ausnahme von vier Strecken (Ahval 27.3.2020). Am 19.3.2020 hat die Türkei alle Landgrenzen mit den Nachbarstaaten für den Personenverkehr geschlossen. Laut einer Anordnung des Innenministeriums seien "vorübergehend" für die Einreise wie für die Ausreise auch die Grenzübergänge mit Griechenland und Bulgarien geschlossen worden.

Begründet wird die Maßnahme mit dem Corona-Virus, was laut Kommentatoren der Türkei einen gesichtswahrenden Ausweg aus der jüngsten Migrationskrise gibt, die sie am 29. Februar mit der Erklärung ausgelöst hatte, dass die Grenzen nach Europa offen seien (FAZ 19.3.2020).

Die türkische Regierung hat auch versucht die öffentliche Debatte über das Virus zu kontrollieren. Dies ging so weit, dass Dutzende Personen wegen kritischer, laut Regierung "grundloser und provokativer" Beiträge in den sozialen Medien verhaftet wurden (Al Monitor 24.3.2020).

Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 4) im Zusammenhang mit der zunehmenden Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19) und damit einhergehenden massiven Einschränkungen im Reiseverkehr (BMEIA, Aktuelle Hinweise, Stand 03.04.2020).

Seit 28. März 2020 sind alle internationalen Passagierflüge aus der Türkei und in die Türkei eingestellt. Ausgenommen sind Repatriierungsflüge, Flüge für den medizinischen Notfall und Notlandungen.

Das Verbot für Einreisen aus Staaten, die von der COVID-19-Pandemie betroffen sind, wurde mit 14. März 2020 auf Reisende aus Österreich erstreckt und gilt vorläufig bis 17. April 2020.

Türkischen Staatsangehörigen, einschließlich Doppelstaatsbürgern, die sich in den letzten 14 Tagen in Österreich aufgehalten haben, ist die Einreise erlaubt. Sie müssen sich jedoch Quarantänemaßnahmen unterziehen.

Die Grenzübergänge zum Iran, zum Irak und zu Aserbaidschan sowie zu Griechenland und Bulgarien (Personenverkehr) sind geschlossen. Für die Grenze zu Georgien gelten partielle Schließungen.

Am 28.03. traten weitreichende Beschränkungen des öffentlichen Überlandverkehrs in Kraft.

Für Personen über 65 und chronisch Kranke besteht bis auf weiteres eine Ausgangssperre.

Das öffentliche Leben wurde stark eingeschränkt. Schulen und Universitäten sind vorläufig geschlossen. Es gibt derzeit keine öffentlichen Veranstaltungen.

Reisenden wird empfohlen, größere Menschenansammlungen zu vermeiden, den Anweisungen der lokalen Sicherheitsbehörden Folge zu leisten und die hygienischen Vorsichtsmaßnahmen strikt einzuhalten. Nähere Informationen zum Coronavirus finden Sie auf der Homepage des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie der Weltgesundheitsorganisation.

Personenkontrollen werden häufig vorgenommen. Es besteht Ausweispflicht; gültige Ausweispapiere sind daher stets mitzuführen.

(BMEIA, Aktuelle Hinweise, Stand 03.04.2020)

Für die gesamte Türkei gilt die Sicherheitsstufe 6 (Reisewarnung). Vor Reisen in die Türkei wird aufgrund der raschen Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19) gewarnt.

(BMEIA, Aktuelle Hinweise, Stand 18.04.2020)

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Verfahrensgang, zum Aufenthaltsverbot, den Abschiebungen, Wiedereinreisen und Haftzeiten ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt. Die strafrechtlichen Verurteilungen ergeben sich aus dem Strafregister, der Umstand der Anklageerhebung wegen §§ 83(1), 84 (4), 84 (5) Z 2 StGB aus der Verständigung der Staatsanwaltschaft vom 18.03.2020.

Die Feststellungen zur Gesundheit ergeben sich aus den Angaben des BF, sowie der Mitteilung über den Hungerstreik.

Dass Hungerstreikende in österreichischen polizeilichen Anhaltezentren engmaschig medizinisch betreut werden, ist notorisch.

Die Feststellungen zum Familienleben des BF ergeben sich einerseits aus der diesbezüglichen rechtskräftigen Entscheidung des BVwG vom 06.09.2018, andererseits, dass im Vergleich zum Datum 06.08.2018 eine noch geringere Intensität des Familien- und Privatlebens des BF festzustellen ist, ist einem Mangel an Gelegenheit zu einem solchen (Aufenthalt in der Türkei; Aufenthalt "untergetaucht" in Österreich; Anhaltung in Haft) geschuldet.

Wenn der BF ausführt, er sei stark sozial und familiär in Österreich verankert (vgl. Stellungnahme vom 16.04.2020), so findet das in den vorliegenden Akten keine Deckung und entfernt sich der BF insoweit vom Sachverhalt. Der BF war ab dem 02.08.2017 entweder in der Türkei aufhältig, soweit er illegal nach Österreich zurückgekehrt war, hier illegal und "untergetaucht" aufhältig und die letzten 15 Monate überhaupt in Haft.

In den angeführten Stellungnahmen machte der BF zu seinem Wohnsitz widersprüchliche Angaben. Einmal gab er an, sein Wohnsitz sei bei seinem Sohn, XXXX , an anderer Stelle, dieser sei bei XXXX , wieder andere Angaben waren, dass er an vier verschiedenen Wohnungen in XXXX gewohnt habe (AS 125), bzw., dass er an drei verschiedene Adressen, eine davon sei XXXX XXXX , XXXX , gewohnt habe (AS 145). Die letzte Lebensgefährtin XXXX , bzw. deren Wohnadressen XXXX XXXX , XXXX , erwähnte der BF nicht.

Die Angaben des BF zu seinem Wohnsitz sind insoweit inkonsistent und widersprüchlich, folglich nicht glaubwürdig.

Der Angabe, sich an drei bzw. vier verschiedenen Wohnsitzen aufgehalten zu haben, ist schon ein gewisses Maß an "Sichverborgenhalten" immanent, erst recht, wenn es sich um einen illegal ins Land zurückgekehrten Fremden handelt.

Der BF lebte nach illegaler Wiedereinreise vor der Inhaftierung "untergetaucht" in Österreich und wurde erst anlässlich von Straftaten sein illegaler Aufenthalt offenkundig.

Mit 15.04.2020, 16:00 Uhr, trat der BF in den Hungerstreik. Daraus ist ableitbar, dass der BF sich durch daraus in Zukunft resultierende Haftunfähigkeit aus der Schubhaft freipressen will, um in der Folge seine Abschiebung zu vereiteln.

Aus all dem ergibt sich schlüssig, dass - wie das BFA ausführte - der BF nicht vertrauenswürdig ist. Es fehlt auch die soziale Verankerung des BF in Österreich. Dem BFA ist daher zuzustimmen, dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich der BF bei Entlassung aus der Schubhaft dem Verfahren entziehen wird. Ein gelinderes Mittel zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen und Sicherung der Abschiebung ist angesichts der obigen Ausführungen und der daraus erkennbaren Persönlichkeitsstruktur des BF keinesfalls geeignet.

Die entgegenstehenden Ausführungen der Beschwerde - es bestehe keine Fluchtgefahr - erweisen sich demnach als unbelegte Behauptungen.

Die Feststellungen zur Situation im Hinblick auf die COVID-19 Pandemie ergeben sich aus den angeführten Quellen. In der Stellungnahme vom 16.04.2020 bezeichnet der BF die Lage in der Türkei in Anbetracht der COVID-19 Pandemie als notorisch.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I.

3.1. Gesetzliche Grundlagen:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes idgF lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 22a BFA-VG idgF lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

3.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig" (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527).

3.3. Die "Fluchtgefahr" ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG gesetzlich definiert. Über den Beschwerdeführer wurde zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung eine Schubhaft verhängt.

3.4. Die belangte Behörde führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, dass im Fall des BF folgende Kriterien [des § 76 Abs. 3 FPG] zutreffen: Die Punkte 2, 3, 9.

Bei der Schubhaftverhängung seien folgende Umstände zu berücksichtigen gewesen:

"Keine soziale und berufliche Integration.

Kein Wohnsitz in Österreich.

Kein schützenswertes Privatleben in Österreich.

Massive Straffälligkeit in Österreich.

Fehlender Wille auszureisen.

Erneute Einreise trotz bestehenden Aufenthaltsverbot (2-fach).

Erhebliche Fluchtgefahr."

Dass der BF zurückliegend in Österreich massiv straffällig war (siehe die Verurteilungen wegen einer Vielzahl an Straftaten, darunter auch zahlreiche Verbrechen) und er zweimal illegal nach Abschiebungen in die Türkei zurückkehrte, steht fest und wurde in Beschwerde und den Stellungnahmen des BF auch nicht bestritten. Dass er ausreiseunwillig ist, ergibt sich aus seinen Angaben.

Wenn der BF angibt, er sei sozial und familiär stark in Österreich verankert, so ist dem entgegenzuhalten, dass schon dem Erkenntnis des BVwG vom 06.09.2018 zu entnehmen ist, dass die Interessen des BF insoweit geringer zu bewerten waren als die öffentlichen Interessen an der Verhinderung einer erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Der BF war ab dem 02.08.2017 entweder in der Türkei aufhältig, soweit er illegal nach Österreich zurückgekehrt war, hier illegal und "untergetaucht" aufhältig und die letzten 15 Monate in Haft. Eine allfällige soziale und familiäre Verankerung konnte seit diesem Zeitpunkt (02.08.2017) allenfalls abgenommen haben. Der BF war die letzten 15 Monate in Haft und ist das verhängte Aufenthaltsverbot nach wie vor aufrecht. Er könnte daher - selbst wenn er wollte - keiner legalen Erwerbsstätigkeit nachgehen. Zudem wäre ein allfälliges Familienleben - sollte es im Zustand der Illegalität entstanden sei - nicht schutzwürdig. Gleiches gilt für ein solches Privatleben. Aus der Zeit in Haft kann er ein solches ohnehin nicht ableiten, das wäre geradezu absurd.

Der BF ist - abgesehen von den Aufenthalten in Haft - in Österreich seit 11.04.2016 nicht mehr gemeldet. Befragt nach Wohnsitzen, gab er einmal an, sein Wohnsitz sei bei seinem Sohn, XXXX , an anderer Stelle, dieser sei bei XXXX , wieder andere Angaben waren, dass er an vier verschiedenen Adressen in XXXX gewohnt habe (AS 125), bzw., dass er an drei verschiedenen Adressen, eine davon sei XXXX XXXX , XXXX gewohnt habe (AS 145). Die letzte Lebensgefährtin XXXX , bzw. deren Wohnadressen XXXX XXXX , XXXX , erwähnte der BF nicht. Die Angaben des BF zu seinem Wohnsitz sind insoweit inkonsistent und widersprüchlich, folglich nicht glaubwürdig.

Die Angabe, sich an drei bzw. vier verschiedenen Wohnsitzen aufgehalten zu haben, lässt schon auf ein "Sichverborgenhalten" schließen, erst recht, wenn es sich um einen illegal ins Land zurückgekehrten Fremden handelt. Der BF lebte nach illegaler Wiedereinreise vor der Inhaftierung "untergetaucht" in Österreich. Er wurde erst nach Verübung von Straftaten am 11.01.2019 aufgegriffen und so seine wiederholte illegale Einreise und illegaler Aufenthalt festgestellt.

Wenn der BF in der Schubhaftbeschwerde ausführt, das Vorliegen von Fluchtgefahr werde ausdrücklich bestritten, so ist dem zu entgegnen, dass sich aus den bisherigen Ausführungen - insbesondere der massiven Straffälligkeit (Verurteilungen wegen einer Vielzahl an Straftaten, darunter auch zahlreiche Verbrechen - der BF ist damit eine hochgradig rechtsuntreue Person), der wiederholten illegalen Rückkehr nach Abschiebungen in die Türkei, des illegalen Aufenthaltes an mehreren unbekannten Adressen, der raschen Rückfälligkeit in strafbare Handlungen, des begründeten Verdachtes, sogar bei einem Freigang während der letztmaligen Haft eine schwere Körperverletzung begangen zu haben, der ausdrücklichen Weigerung, nicht in die Türkei zurückkehren zu wollen, der Tatsache des Hungerstreikes, um sich aus der Schubhaft freizupressen - eine äußerst hohe Wahrscheinlichkeit abzuleiten ist, dass sich der BF bei Entlassung aus der Schubhaft dem Verfahren entziehen wird. Die beim BF bestehende Fluchtgefahr ist folglich enorm.

Wenn der BF angibt, der Hinweis auf die Höchstdauer der Anhaltung gehe ins Leere, die maximale Anhaltedauer sei nur für Fälle relevant, in denen die abzuschiebende Person ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkomme bzw. eine Abschiebung aktiv zu verhindern versuche (vgl. OZ 13), so ist dem einerseits zu entgegnen, das im vorliegenden Fall der BF zum Zeitpunkt gegenständlicher Entscheidung gerade einmal 10 Tage in Schubhaft zugebracht hat und auf den BF gerade der zweite Fall zutrifft, nämlich, dass er eine Abschiebung aktiv zu verhindern sucht. Im Vergleich zur Entscheidung des BFA ist nunmehr auch dieser Umstand noch hinzugekommen, sodass auch die Ziffer 1 des § 76 Abs. 3 FPG einschlägig ist.

Auf Grund der dargelegten Umstände besteht im Fall des Beschwerdeführers Fluchtgefahr. Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers, wie auch seiner bisherigen Einlassungen davon ausging, er werde sich für die Überstellung in die Türkei auf freiem Fuß nicht zur Verfügung halten. Das BFA geht richtigerweise von einem besonderen Interesse des Staates an der Sicherstellung der Abschiebung aus. Im Fall des Beschwerdeführers ist daher zu befürchten, dass er untertauchen und der Überstellung nicht zur Verfügung stehen werde. Auf Grund des Vorverhaltens des Beschwerdeführers liegt vor dem Hintergrund des sozialen Umfeldes des Beschwerdeführers Fluchtgefahr vor, die die Anhaltung in Schubhaft rechtfertigt.

3. Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es zudem einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, 2006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, 2007/21/0512, und 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird.

Die Beschwerde führt aus, dass die Verhängung eines gelinderen Mittels zur Erreichung des Sicherungszweckes ausreichend gewesen wäre und hätte der Beschwerdeführer einer solchen Anordnung Folge geleistet. Zwar erfolgte eine konkrete Darlegung, durch welches gelindere Mittel der Aufenthalt des Beschwerdeführers bei Entlassung aus der Schubhaft faktisch gesichert werden könne (entweder eine periodische Meldeverpflichtung oder die - Anordnung der Unterkunftnahme bei XXXX , XXXX XXXX , XXXX ), so kamen beide Varianten angesichts der vorstehenden Ausführungen und der daraus resultierenden völligen Vertrauensunwürdigkeit nicht in Frage. Zudem war in der Zeit des illegalen Aufenthaltes des BF die angeführte Adresse unter jenen, wo er unangemeldet (also illegal und unter Missachtung des Meldegesetzes) aufhältig war, dieser Unterkunftgeber daher ebenfalls vertrauensunwürdig.

Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass es nicht entscheidend auf die Reihenfolge der Anführung der einzelnen Begründungselemente ankommt, weil die Fragen der Notwendigkeit von Schubhaft und des Genügens von gelinderen Mitteln in einem wechselseitigen Verhältnis stehen und ihre Beantwortung letztlich immer das Ergebnis der einzelfallbezogenen Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen ist. Es muss sich nur aus der Begründung des Schubhaftbescheides nachvollziehbar ergeben, dass nach Herstellung einer Relation zwischen der Größe des Sicherungsbedarfs und den entgegenstehenden privaten Interessen die Verhängung von Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

Dass gegen den Beschwerdeführer bislang kein gelinderes Mittel angeordnet wurde, führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, da § 76 Abs. 1 FPG als Voraussetzung für die Verhängung von Schubhaft nicht vorsieht, dass zuvor ein gelinderes Mittel verhängt wurde; vielmehr stellt das Verletzen des gelinderen Mittels gemäß § 76 Abs. 3 Z 7 FPG nur einen möglichen Grund für das Vorliegen von Fluchtgefahr dar.

Die Annahme der belangten Behörde, dass mit der Verhängung des gelinderen Mittels das Auslangen nicht gefunden werden könne, trifft zu: Das Argument in der Beschwerde, der Beschwerdeführer wolle sich der Anordnung eines gelinderen Mittels fügen, entbehrt jeglicher Grundlage, zumal der Beschwerdeführer ausdrücklich ausführte, dass er freiwillig nicht in die Türkei zurückkehren wolle und er bereits zweimal in Missachtung des Aufenthaltsverbotes aus der Türkei ins Bundegebiet zurückkehrte.

Auf Grund der im Falle des Beschwerdeführers vorliegenden Fluchtgefahr konnte daher nicht mit der Verhängung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden.

3.5. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist - wenn sich das erst später herausstellt - umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

In der Beschwerde wurden diesbezüglich Zweifel angemeldet und wurde auf die aktuelle Ausnahmesituation auf Grund des Coronavirus hingewiesen. Die "ersten Lockerungen" der Bundesregierung würden keinerlei Hinweise bieten, dass es in absehbarer Zeit wieder regelmäßigen Flugverkehr in die Türkei geben könnte, beträfen diese "Lockerungen" doch hauptsächlich Öffnungen des Handels. Die tatsächliche zeitnahe Durchführung der Abschiebung erscheine aussichtslos. Insbesondere müsse bei der Abschiebung selbst erneut eine Refoulement Prüfung vorgenommen werden, diese könne in Anbetracht der notorischen humanitären Lage in Anbetracht der Covid-19 Pandemie in der Türkei nur zugunsten des BF ausfallen. So komme zur tatsächlichen Undurchführbarkeit noch die rechtliche Unzulässigkeit der Abschiebung.

Den Quellen ist aber zu entnehmen, dass von der Einstellung des Flugverkehrs Repatriierungsflüge, Flüge für den medizinischen Notfall und Notlandungen ausgenommen sind. Türkischen Staatsangehörigen, einschließlich Doppelstaatsbürgern, die sich in den letzten 14 Tagen in Österreich aufgehalten haben, ist die Einreise erlaubt. Sie müssen sich jedoch Quarantänemaßnahmen unterziehen. Demnach wären Charterabschiebungen möglich.

Nach dem "Herunterfahren" der Staaten - das so gut wie alle Staaten Europas (nur mit geringfügig abweichenden Beginnzeiten) betrifft - kommt es nun wieder zur Umkehr, erste Lockerungsmaßnahmen wurden nach dem Osterwochenende (in Österreich) bereits gesetzt und kommt es schrittweise zur Aufhebung von Einschränkungen. D. h., es ist zu erwarten, dass Linienflüge in die Türkei in absehbarer Zeit möglich sein werden. In der Türkei verzichtete man einerseits auf allzu große Einschränkungen der Wirtschaft, stattdessen wurden rigorose Ausgangsbeschränkungen für über 65 Jahre alte Menschen in Kraft gesetzt. Der BF als 47-jähriger Mann gehört nicht zu diesem Personenkreis und leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen, wie er selbst angab, d.h. er gehört auch nicht zu einer Risikogruppe. Eine Unzulässigkeit einer Abschiebung des BF in die Türkei ist daher in Anbetracht der COVID-19 Pandemie - vorausgesetzt es werden die entsprechenden Hygienemaßnahmen eingehalten - nicht erkennbar. Quarantänemaßnahmen, die der BF bei einer Einreise in die Türkei über sich ergehen lassen muss, sind zumutbar.

Aus derzeitiger Sicht ist eine tatsächliche Durchführung der Abschiebung innerhalb eines Zeitraumes von wenigen Wochen keinesfalls aussichtslos, sondern insoweit durchaus realistisch. Vor diesem Hintergrund bestehen keine Bedenken, dass mit der Abschiebung innerhalb der nächsten Wochen nicht auch tatsächlich zu rechnen ist. Es ist davon auszugehen, dass die höchstzulässige Schubhaftdauer nicht annähernd erreicht wird.

3.6. Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Dem wurde in der Beschwerde auch nicht substantiiert entgegengetreten. Wie in der Beweiswürdigung bereits ausführlich dargelegt, gibt es keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer an psychischen Beschwerden leiden würde.

3.7. Auf Grund des Vorverhaltens des Beschwerdeführers und vor dem Hintergrund des Bestehens einer Fluchtgefahr, die mit der Verhängung gelinderer Mittel nicht das Auslangen finden ließ, der Haftfähigkeit des Beschwerdeführers sowie der Tatsache, dass mit der Durchführung der Überstellung tatsächlich zu rechnen ist, war die Erlassung des Schubhaftbescheides verhältnismäßig und rechtmäßig.

3.8. Hinsichtlich der in Beschwerde geführten Anhaltung ist auszuführen, dass sei

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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