TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/13 W108 2179000-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.05.2020
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Entscheidungsdatum

13.05.2020

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W108 2179000-1/16E

W108 2178983-1/15E

W108 2178987-1/18E

W108 2178991-1/17E

W108 2178996-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART über die Beschwerde von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX , 3. XXXX , geb. XXXX , 4. XXXX , geb. XXXX und 5. XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Iran, vertreten durch: 5. durch 1. und 2., alle durch Diakonie Flüchtlingsdienst. gem. GmbH ARGE Rechtsberatung, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.10.2017, Zlen. 1. 1111862504-160550345/BMI-BFA_STM_RD, 2. 1125603302-161093872/BMI-BFA_STM_RD, 3. 1125602403-161093864/BMI-BFA_STM_RD, 4. 1125602501-161093885/BMI-BFA_STM_RD, 5. Zl. 1125601602-161093899/BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX , XXXX , XXXX , XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, § 34 Abs. 2 AsylG iVm § 34 Abs. 4 AsylG sowie XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Vorbringen:

1. Die beschwerdeführenden Parteien sind iranische Staatsangehörige. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind miteinander verheiratet und die Eltern der dritt- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien. Verfahrensgegenständlich sind deren Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (im Folgenden: Antrag bzw. Asylantrag und AsylG) vom 18.04.2016 (Erstbeschwerdeführer) und vom 08.08.2016 (zweit- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien), wobei die viertbeschwerdeführende Partei in diesem Zeitpunkt noch minderjährig war. Die fünftbeschwerdeführende Partei ist auch im Entscheidungszeitpunkt noch minderjährig.

Der Erstbeschwerdeführer gab bei der Erstbefragung am 18.04.2016 zu seinem Antrag auf internationalen Schutz an: Er sei von seinem Wohnort XXXX aus illegal aus dem Iran ausgereist und über die Türkei, Griechenland und weitere unbekannte Länder schlepperunterstützt und illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Er sei (mit der Zweitbeschwerdeführerin) verheiratet und habe drei Kinder (die dritt- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien), diese würden sich - wie alle seine Verwandten - im Iran aufhalten. Vor ca. einem Jahr sei er zum Christentum konvertiert, er habe Angst gehabt, im Iran zu bleiben, weil seine Konvertierung bekannt geworden sei. Deshalb sei er geflüchtet. Bei einer Rückkehr in den Iran befürchte er die Todesstrafe.

Die zweit- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien gaben bei der Erstbefragung am 08.08.2016 zu ihren Anträgen auf internationalen Schutz an:

Die Zweitbeschwerdeführerin sagte aus, sie sei mit ihren Kindern am 02. oder 03.08.2016 legal aus dem Iran ausgereist und per Flugzeug von XXXX nach Italien eingereist. Anschließend hätten sie vier Tage in Italien verbracht und seien sie dann in einem Van nach Wien gefahren worden. Die Familie sei vor ca. einem Jahr zum Christentum konvertiert, ihr Ehemann (der Erstbeschwerdeführer) sei vor ca. vier bis fünf Monaten festgenommen und einen Tag lang festgehalten worden und habe anschließend das Land verlassen. Zwei Wochen danach hätten sie zu Hause eine Messe bzw. Sitzung gehalten und sie seien dabei von den Behörden überrascht worden. Sie sei mit dem Drittbeschwerdeführer und der Viertbeschwerdeführerin mitgenommen und befragt worden, was sie zu Hause gemacht hätten. Sie hätten eine Verzichtserklärung unterschreiben müssen, dass sie keine christlichen Tätigkeiten ausgeübt hätten und zukünftig ausüben würden. Ab diesem Zeitpunkt seien sie von den Nachbarn schlecht behandelt worden, auch ihr Haus sei angeschmiert worden. Vor ca. zwei Monaten sei der Drittbeschwerdeführer ins Gefängnis gesteckt und gefoltert worden und er habe auch ein Ausreiseverbot erhalten. Sie seien nach XXXX umgezogen, ihre Mutter hätte ihr Haus verkauft und von diesem Geld hätten sie die Schleppung und auch die Bestechung, dass der Drittbeschwerdeführer den Iran verlassen könne, bezahlt. Im Falle einer Rückkehr drohe ihnen wegen der Konvertierung die Todesstrafe.

Der Drittbeschwerdeführer, damals 20 Jahre alt, bestätigte die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin hinsichtlich Organisation der Flucht und Fluchtroute und gab an: Die Familie sei vor mehr als einem Jahr zum Christentum konvertiert. Es sei alles okay gewesen, vor vier Monaten sei sein Vater (der Erstbeschwerdeführer) festgenommen worden, dieser sei einen Tag im Gefängnis gewesen und danach gleich geflüchtet. Kurz vor der Abreise seines Vaters hätten sie zu Hause eine Sitzung gehabt, jemand aus dieser Sitzung hätte sie verraten und die Geheimpolizei hätte sie alle festgenommen. Sie hätten eine Verpflichtungserklärung unterschreiben müssen, anschließend seien sie freigelassen worden. Ein bis zwei Wochen danach seien sie wieder festgenommen worden, ihm sei ein Reiseverbot auferlegt worden, er sei gefoltert und geschlagen worden. Die Nachbarn hätten bemerkt, dass sie Christen geworden seien, und hätten sie dann schlecht behandelt. Daraufhin seien sie nach XXXX gefahren und hätten im Anschluss das Land verlassen. Bei einer Rückkehr in den Iran befürchte er die Todesstrafe.

Die Viertbeschwerdeführerin, damals 16 Jahre alt, schilderte die Fluchtroute übereinstimmend mit der Zweit- und dem Drittbeschwerdeführer und gab an: Die Familie sei zum Christentum konvertiert und ihr Leben sei in Gefahr gewesen. Ihr Vater (der Erstbeschwerdeführer) sei festgenommen worden und geflüchtet. Kurz danach seien auch sie festgenommen worden und sie hätten eine Verpflichtungserklärung unterschreiben müssen. Nach kurzer Zeit sei ihr Bruder (der Drittbeschwerdeführer) festgenommen worden. Der Drittbeschwerdeführer habe ihr gesagt, dass er geschlagen worden sein. Danach seien sie nach XXXX geflüchtet und hätten mit dem Schlepper das Land verlassen. Bei einer Rückkehr in den Iran befürchte sie die Todesstrafe.

2. Aus den Niederschriften über die niederschriftliche Einvernahme der beschwerdeführenden Parteien vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (der belangten Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) geht im Wesentlichen Folgendes hervor:

Der Erstbeschwerdeführer brachte mehrere Urkunden in Vorlage, darunter kirchliche Empfehlungsschreiben/Bestätigungen (der XXXX vom 08.09.2017; der XXXX vom 06.09.2017; der Baptistengemeinde XXXX vom 08.09.2017), mehrere Deutschkursbestätigungen, eine Geburtsurkunde, einen Führerschein und eine ID-Karte, und gab an: Er sei im Iran in XXXX , XXXX , geboren und aufgewachsen. Mit 25 Jahren sei er in die Stadt XXXX in der Provinz XXXX gezogen und habe bis zu seiner Flucht dort in einem Einfamilienhaus mit seiner Familie gelebt. Er habe zwölf Jahre lang die Schule besucht, diese jedoch nicht mit Matura abgeschlossen, anschließend habe er zwei Jahre eine Berufsausbildung als XXXX gemacht. Seinen Lebensunterhalt habe er sich durch eine Erwerbstätigkeit bei der Firma " XXXX " als Vorarbeiter bzw. Kontrolleur verdient, sein Sohn habe außerdem in der XXXX und in der XXXX Fußball gespielt. Wirtschaftlich sei es ihnen sehr gut gegangen. Er sei seit 22 Jahren verheiratet und habe drei Kinder, seine Ehefrau und Kinder seien bei ihm in Österreich aufhältig, seine Eltern und Geschwister würden noch in XXXX in XXXX leben. Zu seinem Vater habe er über Whatsapp etwa einmal im Monat Kontakt. Er gehöre der Volksgruppe der Luren an und sei Christ. Er sei im Iran wegen seiner Religionszugehörigkeit verfolgt worden und auch einen Tag im Gefängnis gegessen. Er glaube, dass gegen ihn ein Verfahren im Iran anhängig sei. Er sei als Moslem geboren und religiös erzogen worden, auf das Christentum aufmerksam geworden sei er durch einen Traum von Jesus Christus vor etwa drei oder vier Jahren. Im islamischen Glauben herrsche nur Gewalt und Krieg, man kenne keine Männer und Frauenrechte, es gebe viel Korruption, dies alles habe zu seiner Abwendung vom Islam geführt. Im Christentum habe man das Ziel, Gott näher zu kommen, Jesus Christus habe ihn auserwählt, dass er ein guter Christ werde. Kurz nach seinem Traum sei auch seine Frau zum Christentum konvertiert, seinen Kindern habe er erzählt, dass er konvertiert sei, diese aber nicht religiös erzogen. Seine anderen Verwandten wüssten nichts von seiner Konversion und auch nicht, warum er jetzt in Österreich sei. Seit seinem Aufenthalt im Bundesgebiet im April 2016 habe er in der Kirche Kurse über das Christentum und die Bibel besucht und ehrenamtliche Arbeiten, wie etwa Reinigungsarbeiten oder Aushilfe beim Kirchenkaffee, geleistet. Er sei in XXXX im Jahr 2016 getauft worden, er habe auch Vorbereitungskurse in der Dauer von etwa drei oder vier Monaten absolvieren müssen. Aktuell besuche er jeden Sonntagvormittag die Kirchengemeinde in XXXX und Sonntagnachmittag jene in XXXX . Es handle sich um protestantische Kirchen, er bekenne sich auch zu diesem Zweig des Christentums. Abgesehen vom sonntäglichen Kirchenbesuch habe er auch an diversen Veranstaltungen, wie etwa der Weihnachtsfeier, einer Veranstaltung zu Pfingsten und einer Veranstaltung zu einer Schuleröffnung teilgenommen. Er sei auch missionarisch tätig, seinen Freund XXXX , welcher in XXXX lebe, habe er bereits vom Christentum überzeugen können.

Die Zweitbeschwerdeführerin legte ua. eine Heiratsurkunde samt Übersetzung, einen Führerschein und ihrer Geburtsurkunde, eine Teilnahmebestätigung an einem Deutschkurs und an Spracherwerbsmaßnahmen, ein privates Empfehlungsschreiben sowie eine Bestätigung über ihr ehrenamtliches Engagement des Dekanats XXXX vom 25.08.2017 sowie die Geburtsurkunde der Fünftbeschwerdeführerin vor und gab an: Sie sei im Iran in der Stadt XXXX in der Provinz XXXX geboren und aufgewachsen. Mit 25 oder 26 Jahren sei sie in die Stadt XXXX in der Provinz XXXX gezogen und habe bis zu ihrer Flucht dort gemeinsam mit ihrer Familie gelebt. Sie habe zwölf Jahre lang die Schule besucht, diese mit Matura abgeschlossen, anschließend fünf Jahre lang XXXX studiert und dieses Studium mit Diplom abgeschlossen. Danach habe sie als Sekretärin bei der Firma " XXXX " gearbeitet. Sie sei mit dem Erstbeschwerdeführer verheiratet und sie hätten drei gemeinsame Kinder. Im Iran würden noch ihre Mutter und zwei Schwestern leben, mit ihrer Mutter habe sie telefonischen Kontakt. Sie gehöre der Volksgruppe der Bachtiaren an und sei Christin. Wegen ihrer Religion sei sie im Iran verfolgt worden, einmal sei sie festgenommen und ein paar Stunden in einem Raum festgehalten worden, es sei im Iran auch ganz sicher ein Verfahren gegen sie anhängig. Ihre Familie, vor allem ihre Mutter, habe muslimische Feste gefeiert und gebetet, sie persönlich habe sich jedoch nicht für den Islam und die Feste interessiert und ihre Kinder auch nicht religiös erzogen. Der Drittbeschwerdeführer sei sehr interessiert für den Islam gewesen, habe seine Meinung jedoch geändert. Im Islam gebe es sehr viele Unterschiede zwischen Männern und Frauen, es herrsche nur Krieg und Gewalt im Islam und es werde auch viel gelogen. Im Iran sei sie von ihrer Freundin XXXX missioniert worden. Auch der Umstand, dass ihr Ehemann von Jesus Christus geträumt habe, sei ausschlaggebend für ihre Zuwendung zum Christentum gewesen. Der Dritt- und die Viertbeschwerdeführerin hätten die Konversion zunächst nicht akzeptiert, aber nachdem sie sich informiert und die Bibel gelesen hätten, seien sie komplett anderer Meinung gewesen. Ihre Mutter und eine Schwester würden von der Konversion wissen, die Mutter folge weiter dem Islam, habe aber keine Probleme mit ihrer Konversion. Seit ihrem Aufenthalt im Bundesgebiet seit August 2016 gehe sie regelmäßig in die Kirche, lese jeden Tag die Bibel, besuche Deutschkurse und helfe als Schneiderin ehrenamtlich in einem Textilgeschäft mit. Sie würden zwei Kirchen besuchen, die XXXX in XXXX und die Kirche in XXXX . In den Kirchen werde geredet und gesungen, beim Besuch der Kirchen würden sie motiviert und ihr Glaube werde stärker. Am 16.09.2017 werde sie von der XXXX getauft, die Taufe bedeute für sie, mit Jesus Christus zu sterben und mit ihm wiedergeboren zu werden. Vor der Taufe habe sie ca. 2 Monate am Taufunterricht teilgenommen. Sie bekenne sich zum Zweig des Protestantismus, mit anderen Zweigen des Christentums oder anderen Weltreligionen habe sie sich nicht beschäftigt. In der XXXX Kirche hätten sie das Weihnachtsfest mitgefeiert.

Der Drittbeschwerdeführer legte unter anderem seine ID-Karte, seine Geburtsurkunde, eine Deutschkursbesuchsbestätigung sowie Empfehlungsschreiben vor und machte folgende Angaben: Er sei in der Stadt XXXX geboren, aufgewachsen sei er in XXXX , dort habe er auch mit seiner Familie bis zur Flucht gelebt. Er sei ledig und habe keine Kinder. Er gehöre der Volksgruppe der Bachtiaren an und sei Christ. Er sei im Iran wegen seiner Religionszugehörigkeit verfolgt und auch festgenommen worden. Er sei sich sicher, dass gegen ihn ein Verfahren im Iran anhängig sei. Bevor er zum christlichen Glauben konvertiert sei, habe er mit seinen Freunden manchmal die Moschee besucht und gebetet. Die Unterschiede zwischen dem Islam und dem Christentum seien sehr groß, im Christentum komme die Barmherzigkeit von innen, im Islam würden die Leute beweisen wollen, dass sie gute Menschen seien, und dies nach außen tragen. In Wahrheit würden sie sich aber nur gut darstellen, im Hintergrund hätten sie schlechte Sachen gemacht. Der wichtigste Grund, warum er Christ geworden sei, sei, dass er nicht lüge, Jesus Christus habe sich gekreuzigt, damit seine Sünden vergeben werden. Auch in Bezug auf Frauen- und Männerrechte gebe es viele Unterschiede zwischen dem Christentum und dem Islam. Auf das Christentum aufmerksam geworden sei er dadurch, dass sei Vater, der Erstbeschwerdeführer, ihm von seinem Traum erzählt habe, auch seine Mutter, die Zweitbeschwerdeführerin, habe ihm über das Christentum erzählt. Am Anfang sei es für ihn nicht akzeptabel gewesen, dann habe er jedoch gesehen, dass sich seine Eltern sehr zum Positiven verändert hätten. Er habe dann angefangen, mit Gott zu sprechen und sei ihm dieser daraufhin zweimal in einem Traum erschienen. Seit er Christ sei, versuche er so gut wie möglich anderen Menschen zu helfen und ehre seine Eltern mehr. In Österreich besuche er die Kirche in XXXX und die XXXX in XXXX , am 16.9.2017 sei die Taufe, er habe auch einen Vorbereitungskurs bei der XXXX diesbezüglich besucht. Die Taufe bedeute für ihn, mit Jesus Christus zu sterben und wiedergeboren zu werden und auch die Sünden loszulassen. Er bekenne sich zum protestantischen Zweig, weil er im Iran auch Protestant gewesen sei, der Zweig sei ihm aber eigentlich nicht so wichtig. Wichtig seien für ihn die 10 Gebote und auch, dass man Leute vom Christentum überzeugen könne. In Österreich habe er einen Freund namens XXXX aus XXXX sowie zwei Afghanen überzeugt.

Die Viertbeschwerdeführerin legte etwa ihre Geburtsurkunde, ein Deutschkurszertifikat sowie eine Bestätigung über die Aufnahme in die Schule XXXX vor und gab an, sie sei ledig und habe keine Kinder. Sie sei in XXXX in der Provinz XXXX geboren, dort aufgewachsen und habe bis zur Flucht dort zusammen mit ihrer Familie gelebt. Sie sei Zugehörige der Volksgruppe der der Bachtiaren und Christin. Im Iran habe sie zehn Jahre lang die Schule besucht. Ihre Eltern hätten ihr am 01.07.2015 vom Christentum erzählt, dies habe dann dazu geführt, dass sie diesen Glauben angenommen habe. Vorher habe sie keinen Glauben gehabt, sie sei nicht religiös erzogen worden und sie sei weder die Moschee gegangen noch habe sie muslimische Feste gefeiert. Sie besuche die XXXX und eine Kirche in XXXX , in Bezug auf christliche Werte sei ihr wichtig, dass sie nicht lüge und keine Sünden begehe.

3. Mit den vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (jeweils Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (jeweils Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG erteilte die belangte Behörde den beschwerdeführenden Parteien keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Parteien in den Iran gemäß 46 FPG zulässig sei (jeweils Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde bestimmte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise (jeweils Spruchpunkt IV.).

Die belangte Behörde stellte neben allgemeinen herkunftsbezogenen Länderfeststellungen (wobei hinsichtlich der viert- und fünftbeschwerdeführenden Parteien auf die diesbezüglichen Feststellungen im Bescheid der Zweitbeschwerdeführerin verwiesen wurde) und der Identität der beschwerdeführenden Parteien fest, dass diese iranische Staatsangehörige seien und an keinen lebensbedrohlichen oder sonstigen schwerwiegenden psychischen oder physischen Krankheiten leiden würden. Die vorgebrachten Fluchtgründe wurden als nicht der Wahrheit entsprechend gewertet. Auch das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien, sie hätten sich bereits im Iran für das Christentum interessiert, wurde von der belangten Behörde als unglaubwürdig eingestuft. Die belangte Behörde ging auch nicht davon aus, dass die beschwerdeführenden Parteien tatsächlich überzeugte Christen sind. Bei deren Konversion handle es sich - so die belangte Behörde - jeweils um eine Scheinkonversion. Es könne nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien aufgrund ihrer religiösen Gesinnung staatlicher Verfolgung ausgesetzt gewesen wären oder eine solche bei Rückkehr drohe.

Keinem Angehörigen der Kernfamilie (Erstbeschwerdeführer und die Zweit-, Viert- und Fünftbeschwerdeführerinnen), und auch nicht dem volljährigen Drittbeschwerdeführer, sei Asyl oder subsidiärer Schutz zuerkannt worden.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass die Angaben des Erstbeschwerdeführers bezüglich seiner behaupteten Konversion zum Christentum im Iran oberflächlich und detailarm, zum Teil widersprüchlich und insgesamt nicht nachvollziehbar gewesen seien. Im Zuge der Einvernahme zu den Fluchtgründen habe der Erstbeschwerdeführer ausweichend und vage geantwortet, insgesamt sei nicht der Eindruck entstanden, dass er das Geschilderte tatsächlich erlebt habe, da er zum Teil erst auf mehrfache Nachfrage auf die gestellten Fragen eingegangen sei und sich selbst dann lediglich auf Eckpfeiler der Rahmenhandlung beschränkt habe. Die unsubstantiierten Angaben des Erstbeschwerdeführers würden ein besonders auffälliges Indiz für die Unglaubhaftigkeit seines Fluchtvorbringens darstellen. Die zweit-, dritt und viertbeschwerdeführenden Parteien hätten ihre Fluchtgründe genauso emotionslos, ausweichend und oberflächlich wie der Erstbeschwerdeführer geschildert, soweit die Angaben übereinstimmend gewesen seien, gehe die belangte Behörde von einer Absprache der beschwerdeführenden Parteien diesbezüglich aus.

4. Gegen diese Bescheide erhoben die beschwerdeführenden Parteien fristgerecht Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG an das Bundesverwaltungsgericht und führten (nach Wiederholung des Sachverhalts und des Vorbringens im Zuge der Einvernahme bei der belangten Behörde und Vorlage unter anderem der Taufbescheinigungen der XXXX der zweit- bis viertbeschwerdeführenden Parteien) aus: Die belangte Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Im Bescheid der Fünftbeschwerdeführerin seien keinerlei Länderfeststellungen getroffen, sondern lediglich auf den zeitgleich erlassenen Bescheid der gesetzlichen Vertretung hingewiesen worden. Die herangezogenen Länderberichte seien veraltet und nur unvollständig ausgewertet worden, der belangten Behörde sei eine selektive Vorgehensweise vorzuwerfen. Selbst die veralteten Berichte würden aber ein schwarzes Bild für Christen malen. Das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien stehe im Einklang mit den aktuellen Länderberichten zum Iran, ihnen drohe im Falle einer Rückkehr asylrelevante Verfolgung und eine Verletzung in ihren Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK. Die belangte Behörde habe zudem eine mangelhafte Beweiswürdigung vorgenommen, sie verkenne, dass es im Asylverfahren um die Beurteilung einer aktuellen Verfolgungsgefahr im Falle der Rückkehr ins Herkunftsland gehe und nicht nur darum, wie sich die Situation der beschwerdeführenden Parteien dargestellt habe, als diese ihr Heimatverlassen verlassen haben. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde dahingehend, dass die beschwerdeführenden Parteien eine Religionszugehörigkeit zum Christentum nicht hätten glaubhaft machen können, sei keinesfalls nachvollziehbar. Die beschwerdeführenden Parteien seien getauft worden und würden sich zum christlichen Glauben bekennen, sie seien aktive Mitglieder ihrer Kirchengemeinde und würden jeden Sonntag am Gottesdienst teilnehmen. Der Erstbeschwerdeführer versuche sogar, andere Menschen zur Konversion zum Christentum zu bringen. Sowohl der Erst- als auch der Drittbeschwerdeführer hätten ein spirituelles Schlüsselerlebnis gehabt, sie seien seit diesem Erlebnis bekennende Christen und würden dies auch weiterhin sein wollen. Dies wäre aber im Iran unmöglich. Die beschwerdeführenden Parteien würden sich als Christen fühlen. Bei den beschwerdeführenden Parteien sei bereits im Fluchtzeitpunkt von der ernsthaften und von einer nachhaltigen, inneren Überzeugung getragenen Hinwendung zum Christentum auszugehen. Es lägen keine Scheinkonversionen vor, da die beschwerdeführenden Parteien nach wie vor mit tiefster Überzeugung das Christentum ausleben würden. Sie würden sich auch zum Christentum bekennen, dies gehe vor allem aus dem Tattoo und der Social-Media Profile des Drittbeschwerdeführers hervor.

5. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerden samt den bezughabenden Akten der Verwaltungsverfahren zur Entscheidung vor.

6. Mit E-Mail der belangten Behörde vom 09.03.2018 wurde eine Bestätigung des Landes XXXX über den Austritt der beschwerdeführenden Parteien aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft am 26.02.2018 nachgereicht.

Mit Eingabe vom 01.03.2019 legte der Drittbeschwerdeführer seinen Ausweis für Studierende an der XXXX , ein Studienblatt für außerordentlich Studierende sowie diverse Empfehlungsschreiben, unter anderem jeweils ein weiteres Empfehlungsschreiben der XXXX und der XXXX vom Februar 2019, Bestätigungen der ehrenamtlichen Tätigkeit des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin ebenfalls vom Februar 2019, sowie eine Bestätigung über die von der Zweitbeschwerdeführerin mit gutem Erfolg bestandene Prüfung "ÖSD Zertifikat A1" vor.

Weiters wurden am 03.04.2019 durch die Rechtsvertretung der beschwerdeführenden Parteien per E-Mail die Teilnahmebestätigungen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin am Werte- und Orientierungskurs des ÖIF vom 01.12.2017, Mitgliedschaftsbestätigungen der erst- bis viertbeschwerdeführenden Parteien in der XXXX sowie die Taufbestätigung des Erstbeschwerdeführers von der Baptistengemeinde XXXX vorgelegt.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache der beschwerdeführenden Parteien eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher sich die beschwerdeführenden Parteien persönlich beteiligten.

In der Verhandlung wurden Länderberichte zur Situation im Iran erläutert, denen die beschwerdeführenden Parteien nicht entgegentraten.

Weiters wurden die von den beschwerdeführenden Parteien vorgelegten Urkunden betreffend ihre Integration sowie ihr Engagement in der Kirche und Vertiefung ihres Glaubens erörtert. So wurden etwa mehrere Empfehlungsschreiben, eine Bestätigung über die ehrenamtliche Mitarbeit der Zweitbeschwerdeführerin im Verein "eingefädelt" vom Mai 2019 sowie des Drittbeschwerdeführers und der Viertbeschwerdeführerin in der Stadtgemeinde XXXX jeweils vom 03.05.2019, mehrere Facebook-Screenshots vom Account des Drittbeschwerdeführers, auf denen öffentliche Posts das Christentum betreffend zu sehen sind, eine Urania Kursbesuchsbestätigung hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers vom Mai 2019 und Lichtbilder der beschwerdeführenden Parteien aus der XXXX , ua. von der Taufe der beschwerdeführenden Parteien sowie von der ökumenischen Bibelwanderung auf den XXXX bei XXXX , in Vorlage gebracht.

Bei der Einvernahme in der Beschwerdeverhandlung gaben die beschwerdeführenden Parteien zu ihrem Glauben und zu ihrem Glaubensleben etwa an, dass jeder Christ missionieren müsse, dies stehe in der Bibel. Der Erstbeschwerdeführer sagte aus, er habe in XXXX bereits mehrere Personen missioniert, der Drittbeschwerdeführer führte aus, er habe auf der Universität mit vielen Leuten gesprochen und als erstes einen Freund namens XXXX missioniert, welcher jetzt in XXXX lebe und auch die XXXX besuche.

In der mündlichen Verhandlung wurde XXXX als Zeuge (im Folgenden Zeuge W.) einvernommen. Er gab an, Lehrer an einer Privatschule in XXXX zu sein und einen biblisch-christlichen Kurs für Flüchtlinge zu leiten. Er habe zunächst den Drittbeschwerdeführer über eine Kollegin kennengelernt, der Drittbeschwerdeführer fungiere im Kurs nicht nur als Teilnehmer, sondern auch als Übersetzer. Auch die Viertbeschwerdeführerin sei Teilnehmerin dieses Kurses. Die anderen beschwerdeführenden Parteien habe er bei einem Besuch in der XXXX XXXX kennengelernt. Er sei sich gewiss, dass die beschwerdeführenden Parteien christlich überzeugt seien, er selbst sei ein Missionarskind, sein Vater sei sehr aktiv mit verfolgten Christen in der Zeit des Kommunismus gewesen, er kenne daher den Unterschied zwischen einem Namenschristen und jemandem, der es sehr ernst meine. Zudem hätten die beschwerdeführenden Parteien ihren gesamten Besitz wegen ihres Glaubens aufgegeben und sei der Drittbeschwerdeführer auch einige Zeit im Gefängnis wegen seines Glaubens gesessen. Der christliche Glaubenskurs, XXXX, welchen der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin regelmäßig besuchen würden, sei zudem sehr intensiv, allein dies zeige schon eine recht große Verpflichtung.

Weiters wurde der Pastor der Freikirche XXXX , XXXX (im Folgenden Zeuge S.) als Zeuge einvernommen. Er gab an, die beschwerdeführenden Parteien 2016/2017 in der Gemeinde kennengelernt zu haben, als diese zum Gottesdienst erschienen seien. Der Erstbeschwerdeführer sei bereits getauft gewesen, die anderen beschwerdeführenden Parteien noch nicht, diese seien von ihm im September 2017 getauft worden. Es habe einen Vorbereitungskurs gegeben, er habe die Taufvorbereitung mit den beschwerdeführenden Parteien gemacht, die Bibel sei den beschwerdeführenden Parteien schon bekannt gewesen. In seiner Kirche würden keine Taufen durchgeführt, wenn der Taufwerber nicht innerlich überzeugt sei. Die beschwerdeführenden Parteien würden regelmäßig in die Kirche gehen, sich in die Kirchengemeinde einbringen, sie seien leidenschaftlich engagiert und würden auch immer aushelfen. Weiters seien sie im Bistrobereich und im Ordnerdienst tätig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Hinsichtlich der Lage im Iran:

Religionsfreiheit

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha'i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen. Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist.

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Muslime, die keine Schiiten sind, dürfen weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übertreten, können hohe Gefängnisstrafen erhalten, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichen. Es gibt weiterhin Razzien in Hauskirchen.

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache sind in Iran verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden.

Laut der in den USA ansässigen NGO "United for Iran" waren 2017 mindestens 102 Mitglieder von religiösen Minderheiten aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten inhaftiert, 174 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 23 wegen "Beleidigung des Islam" und 21 wegen "Korruption auf Erden".

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Situation für Konvertiten

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen "mohareb". Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen. Anklagen lauten meist auf "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar]. Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt.

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen. Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen "Missionsarbeit" verurteilt. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind.

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Apostasie ist derzeit nicht nach kodifiziertem Recht, aber nach der Scharia strafbar. Letztere ist entsprechend Art. 4 der Verfassung Grundlage des iranischen Rechts. Richter in Iran sind nach Art. 167 der Verfassung gehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf kodifiziertes Recht zurückzugreifen. Sind solche Gesetze nicht vorhanden, so müssen sie ihren Urteilsspruch auf Grundlage der authentischen islamischen Quellen oder der gültigen Rechtsurteile fällen.

Apostasie ist nach herrschender Meinung ein sog. Hadd-Delikt (Hadd-Strafen sind Strafen, die in der Scharia festgelegt sind). Folgende Prophetenworte werden im islamischen Recht dahingehend ausgelegt, dass Apostasie zu bestrafen ist: "...tötet den, der seine Religion wechselt" und "Das Blut eines Muslims (zu vergießen) ist nicht erlaubt, außer in einem dieser drei (Fälle): der verheiratete Ehebrecher, Leben um Leben und der seinen Glauben Verlassende und von der Gemeinschaft sich Trennende.

Die Scharia bietet dem Richter demzufolge bereits heute eine Rechtsgrundlage, um Apostaten in Iran zum Tode zu verurteilen. Die Apostasie ist der normalen Strafgerichtsbarkeit zugewiesen, Eingangsinstanz sind die allgemeinen Strafgerichte der Provinzen. Ein Todesurteil aufgrund des Vorwurfs der Apostasie erging zuletzt im November 2002 gegen den regimekritischen Hochschulprofessor Aghajari, seine Strafe wurde aber - unter verändertem Strafvorwurf - im Frühjahr 2005 in eine Haftstrafe umgewandelt. Fälle einer Vollstreckung der Todesstrafe wegen Apostasie wurden in den letzten Jahren nicht mehr bekannt. Der ehemalige Chef der iranischen Judikative, Ayatollah Sharoudi, hatte die Staatsanwaltschaften und die Gerichte angewiesen, niemanden wegen Religionswechsel zur Todesstrafe zu verurteilen. Eine derartige Verurteilung ist daher derzeit unwahrscheinlich. Die Direktive des ehemaligen Chefs der Justiz könnte jedoch kurzfristig zurückgenommen werden.

Indes ist zu beachten, dass es trotzdem zur Anklage und Einleitung von gerichtlichen Strafverfahren wegen Konversion kommen kann. Eine Anschuldigung wegen Apostasie kann schwerste Sanktionen nach sich ziehen. Oftmals lautet die Anklage auf "Gefährdung der nationalen Sicherheit", "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen" wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Willkürliche Verhaftungen durch iranische Behörden

Trotz Fehlens einer strafrechtlichen Grundlage kommt es immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen von Konvertierten. Die ehemalige UN-Sonderberichterstatterin für die Lage der Menschenrechte in Iran, Asma Jahangir, hat in ihrem Bericht an den UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) vom März 2017 betont, dass seitens der iranischen Behörden und vom Klerus gezielt mit strengen Maßnahmen und willkürlichen Verhaftungen gegen christliche Konvertiten mit vormals muslimischen Hintergrund vorgegangen wird. Auch Christians in Parliament APPG und APPG for International Freedom of Religion or Belief weisen auf willkürliche Verhaftungen von christlichen Personen hin. Danach ist es in den letzten zehn Jahren beispielsweise üblich geworden, dass während der Weihnachtszeit in verschiedenen Städten Irans christliche Konvertiten von den Sicherheitskräften festgenommen werden. In einem Interview mit UK Home Office im Juli 2017 wies die Organisation Article 18 darauf hin, dass bei den Verhaftungen von Konvertierten die gesetzlichen Vorschriften nur selten eingehalten werden. In den meisten Fällen würden Betroffene weder vorgeladen, noch werde ihnen bei ihrer Verhaftung ein Haftbefehl vorgelegt. Auch würden sie nicht über die Anklagepunkte informiert.

Konvertierte werden bei Razzien in Hauskirchen, Privathäusern oder an beliebigen anderen Orten festgenommen. Gemäß Zeugenaussagen an Christians in Parliament APPG und APPG for International Freedom of Religion or Belief sind Razzien und Festnahmen in Privathäusern von christlichen Personen in Iran weit verbreitet. Personen, die ihren Glauben in Hauskirchen praktizieren, sind von Razzien betroffen. Voraussetzung sind Informationen aus dem Umfeld der Hauskirchen. BosNewsLife zufolge haben Sicherheitskräfte allein im Monat August 2016 in mindestens vier Hauskirchen Razzien durchgeführt. Die Behörden beabsichtigen mit solchen Aktionen ein Klima der Angst zu schaffen. Gemäß Aussagen von Elam Ministries werden bei Razzien in Hauskirchen alle Anwesenden festgenommen: Sowohl diejenigen, die neu und inaktiv sind, als auch die Kirchenführenden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen. Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen, und drängt sie dazu, das Land zu verlassen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Anzahl verhafteter Konvertierter

Christen im Exil haben gemäß dem US Department of State von zahlreichen Festnahmen, insbesondere von evangelikalen und vom Islam konvertierten Christen berichtet. Laut der USCIRF und der in Budapest ansässigen Nachrichtenagentur BosNewsLife haben iranische Sicherheitskräfte zwischen Mai und August 2016 ungefähr 80 Christen verhaftet. Die Mehrheit der Inhaftierten wurde laut USCIRF verhört und nach wenigen Tagen freigelassen, aber ein Teil der Verhafteten wurde über Monate ohne Anklage festgehalten. Mehrere Betroffene seien weiterhin in Haft. Menschenrechtsgruppen gehen allerdings davon aus, dass es eine Dunkelziffer gibt und die Zahl der Christen, welche von den Behörden aufgegriffen werden, viel höher liegen könnte. Im Dezember 2016 waren rund 90 christliche Personen wegen ihren religiösen Tätigkeiten oder ihrem Glauben inhaftiert oder saßen in Untersuchungshaft (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Familienangehörige Konvertierter

Auch Familienangehörige von konvertierten Personen sind Ziel staatlicher Schikane und Drohungen. Verschiede Quellen geben an, dass Familienmitglieder von christlichen Konvertierten Opfer von Schikanen durch staatliche Akteure werden können. Elam Ministries berichtet von einem 12-jährigen Jungen, der über seinen Glauben befragt und geschlagen wurde und zusammen mit seinen konvertierten Eltern verhaftet wurde. Gemäß Angaben der internationalen Organisation in der Türkei an das DIS riskieren Familienmitglieder von Konvertierten den Verlust der Arbeitsstelle oder eine Verweigerung des Hochschuleintritts. Als weiteres Beispiel werden Eltern fortgeschrittenen Alters erwähnt, die wegen der Konversion ihres Kindes durch staatliche Behörden schikaniert werden. Wenn der Ernährer der Familie verhaftet wird, bringe dies außerdem finanzielle Folgen mit sich mit, zumal große Summen Geld als Kaution für die temporäre Freilassung aufgetrieben werden müsste. Diese Beträge werden so hoch festgesetzt, um der Familie möglichst hohen finanziellen Schaden zuzufügen. Berichte weisen auf Verwandte von einem ins Ausland geflohenen und von Verhaftung bedrohten christlichen Pastors hin, die fast täglich bedroht wurden und in eine andere Stadt ziehen mussten, weil der iranische Geheimdienst MOIS die lokale Gemeinde informierte, dass sie Apostaten seien (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 07.07.2018: Iran: Gefährdung von Konvertiten).

Soziale Folgen einer Konversion

Neben den strafrechtlichen Folgen einer Konversion besteht die Möglichkeit, dass bei Bekanntwerden des Glaubenswechsels der Arbeitsplatz in Gefahr gerät. Insbesondere bei staatlichen Unternehmen, in denen Angehörige des "Herasat" (Aufsichtsgruppe des iranischen Geheimdienstministeriums) regelmäßig vertreten sind und auch in Privatunternehmen ab einer bestimmten Größe, die die Anwesenheit des "Herasat" dulden müssen. Dabei ist es auch möglich, dass Familienangehörige des Konvertiten ebenfalls eine Kündigung erhalten.

Unabhängig von der gesellschaftlichen Umgebung besteht für Konvertiten die Gefahr, dass sie sich, wenn sie sich innerhalb der eigenen Familie erkennbar zum Christentum bekennen, erheblichen Widerständen bis hin zur aktiven Denunziation bei den Sicherheitskräften seitens eines Angehörigen der Familie aussetzen. Darüber hinaus riskieren sie auch den Ausschluss aus der Familie. Dies trifft insbesondere auf Konvertiten zu, deren Familienangehörige innerhalb des Regierungsapparates arbeiten, da diese in der Furcht leben, die Arbeit zu verlieren. Auch das Recht auf die Kindererziehung wird in solchen Fällen möglicherweise von der Familie in Frage gestellt, da die Erziehung eines muslimischen Kindes für Andersgläubige ausgeschlossen ist.

Grundsätzlich kann aber auch davon ausgegangen werden, dass diese Konflikte ausbleiben, wenn die Familie einem eher säkularen Umfeld entspringt, wie es in der iranischen Gesellschaft oftmals oder zunehmend der Fall ist. Daher kann auch davon ausgegangen werden, dass außerhalb des beruflichen Umfelds ein mangelhafter Moschee-Besuch oder die Verweigerung der Teilnahme an muslimischen Ritualen nicht zwingend den Verdacht einer Konversion aufkommen lässt. Dennoch ist es nicht verwunderlich, dass viele Konvertiten den Glaubenswechsel gegenüber ihren Familien verschweigen, um mögliche Konflikte zu umgehen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Rückkehr von Konvertiten

Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet.

Allgemein wird eine Unterscheidung zwischen dem Konvertiten, der bereits vor einer Ausreise in den Fokus der Sicherheitskräfte geraten ist und demjenigen, der nach der Ausreise einen Glaubenswechsel tätigte, vorgenommen.

Konvertiten, die aus einer Gefährdungs- oder Konfliktsituation heraus die Ausreise betrieben haben, werden als gefährdet betrachtet, da möglicherweise seitens der Behörden eine Akte über sie angelegt wurde und dies bei der Einreise über das Informationssystem angezeigt wird. Auch Konvertiten, die im Ausland in der Öffentlichkeit für ihr christliches neues Leben bekannt wurden, laufen Gefahr, dass die iranischen Sicherheitskräfte eine solche Ermittlungsakte angelegt haben. Dabei genügt es nicht, über die sozialen Medien den Glaubenswechsel zu verbreiten; vielmehr wird angenommen, dass bei entsprechender Aufmerksamkeit für die iranischen Dienste entscheidend ist, ob der Glaubenswechsel nachvollziehbar ist oder lediglich eine "copy/paste"-Entscheidung getroffen wurde, um eine Annäherung zum westlichen Leben zu erreichen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Menschenrechtslage/Sanktionen

Der Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer. Die Menschenrechtsbilanz der Regierung bleibt schlecht und verschlechterte sich in mehreren Schlüsselbereichen. Zu den Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen. Weiters unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen LGBTI-Personen beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften. Die Regierung unternahm wenige Schritte um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet.

Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden. Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des "Defenders of Human Rights Center", deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Rechtsschutz / Justizwesen

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik. in welcher versucht wird. demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt. dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 12.2018). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den sogenannten Chef der Judikative. Dieser ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben. unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich. dass Exekutivorgane. v.a. der Sicherheitsapparat. trotz des formalen Verbots. in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten. dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association";IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt. Die Liste der Verteidiger in politischen Verfahren ist auf 20 Anwälte beschränkt worden, die z. T dem Regime nahe stehen. Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen. Obwohl das Beschwerderecht rechtlich garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen.

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen. Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet. Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft.

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden.

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt.

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

- Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

- Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

- Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

- Spionage für fremde Mächte;

- Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

- Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen.

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten.

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt. Nach Art. 278 iStGB können in bestimmten Fällen des Diebstahls Amputationen von Gliedmaßen

- auch für Ersttäter - vom Gericht angeordnet werden. Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen ("Qisas"), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes ("Diya") kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten.

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon sieben Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat.

Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten, ihre Familien werden nicht oder sehr spät informiert. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist.

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen.

Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse.

Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019; Auswärtiges Amt: Bericht über die Lage in der Islamischen Republik Iran vom 12.01.2019).

1.2. Hinsichtlich der beschwerdeführenden Parteien:

1.2.1. Die beschwerdeführenden Parteien sind iranische Staatsangehörige, sie stellten ihre Anträge auf internationalen Schutz am 18.04.2016 (Erstbeschwerdeführer) und am 08.08.2016 (zweit- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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