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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Mustafa Buric, geboren am 22. Dezember 1960, vertreten durch Dr. Michael Kaintz, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 84, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Juli 1995, Zl. 4.186/818/4-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war als vormaliger Staatsangehöriger der "SFRJ" mit Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 31. Jänner 1984 als Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) anerkannt worden. Mit Bescheid vom 6. April 1993 stellte das Bundesasylamt gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 fest, daß der Beschwerdeführer keinen Anspruch mehr auf Asylgewährung habe, da hinsichtlich seiner Person der in Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannte Tatbestand eingetreten sei. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. Juli 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, der am 5. Juli 1995 neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist und am 7. Juli 1995 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrg abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 7. Juli 1995 abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 7. Juli 1995 angegeben, er sei bosnischer Staatsangehöriger und der deutschen Sprache mächtig. Am 2. Juli 1995 sei er mit einem Militärfahrzeug Richtung Mostar unterwegs gewesen. Aus der Umgebung von Mostar habe er sich nach Zagreb begeben, sei von dort bis zur kroatisch-ungarischen Grenze gefahren und in der Folge nach Budapest gereist. Nach zweitägigem Aufenthalt habe er die ungarisch-österreichische Grenze überschritten. Über Befragung gab der Beschwerdeführer weiters an, sein Heimatland verlassen zu haben, da er nicht mehr bereit gewesen sei, für die bosnischen Regierungstruppen zu kämpfen. Nach seiner Abschiebung von Österreich nach Ungarn im Oktober 1994 sei er nach Zagreb gefahren, dort von Polizisten aufgegriffen und nach Dubrovnik verbracht worden. Von bosnischen Regierungssoldaten abgeholt, hätte er anschließend "in den Krieg ziehen" und an verschiedenen Orten kämpfen müssen. Da er genug Blut gesehen habe, habe er sich zur Flucht entschlossen. Auch habe er Angst gehabt, aufgrund seiner "Weigerung" vor ein Militärgericht gestellt zu werden. Überhaupt sei ein geordnetes Leben aufgrund des herrschenden Bürgerkrieges nicht möglich gewesen. Nach weiteren Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, daß der Krieg sein einziger Fluchtgrund gewesen sei, und erklärte ausdrücklich, keinen konkreten Verfolgungen aus politischen, religiösen, rassischen oder sonstigen Gründen ausgesetzt gewesen zu sein. Er habe sich in Bosnien niemals in Haft befunden und sei auch nicht festgenommen worden. Er sei sich zwar bewußt gewesen, daß in Österreich ein Aufenthaltsverbot über ihn verhängt worden sei, da er "hier aber schöne Jahre verbracht" habe, habe er um Asyl angesucht.
In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, nunmehr zusätzliche, bei seiner Ersteinvernahme nicht protokollierte Angaben tätigen zu wollen, da er "damals" keine Information darüber gehabt hätte", was wichtig gewesen sei. Seine Angaben seien von dem einvernehmenden Beamten nicht vollständig protokolliert worden, da sie für diesen nicht von Bedeutung gewesen seien. Hinsichtlich seiner Staatszugehörigkeit brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, von der Botschaft des zwischenzeitlich entstandenen Staates Bosnien-Herzegowina zwar ein Reisedokument, jedoch keine Bescheinigung darüber erhalten zu haben, daß er Staatsbürger dieses Staates sei. Auch habe er niemals um die bosnische Staatsbürgerschaft angesucht, weshalb er weiterhin die Meinung vertrete, staatenlos zu sein. Sodann führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, in die Armee "zwangsmobilisiert" worden zu sein, jedoch keinen Krieg führen und für keine Ideale töten zu wollen.
Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid. Sie erhob die vom Bundesasylamt wiedergebenen niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers zum Inhalt des angefochtenen Bescheides und ging von der Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 AsylG 1991 aus. Die belangte Behörde gelangte zur Ansicht, daß der Beschwerdeführer zumindest jedenfalls seine Unterschrift verweigert hätte, wäre er der Meinung gewesen, daß die im Rahmen seiner Einvernahme erfolgte Protokollierung mangelhaft geblieben sei. Im übrigen habe der Beschwerdeführer selbst angegeben, der deutschen Sprache mächtig zu sein. Ebenso habe er sich selbst als bosnischer Staatsangehöriger und Bosnien als sein Heimatland bezeichnet. Die belangte Behörde begründete die Versagung von Asyl im wesentlichen damit, daß die Verpflichtung zur Militärdienstleistung keine Verfolgung im Sinne des § 1 AsylG 1991 darstelle, da die erforderliche Verfolgungsmotivation nicht gegeben sei, wenn die staatlichen Maßnahmen der Durchsetzung staatsbürgerlicher Pflichten dienten. Der Beschwerdeführer habe zur Begründung seines Antrages keine Umstände vorgebracht, die auf eine individuelle Verfolgung durch staatliche Institutionen aus einem der im § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründe hindeuteten. Die Bürgerkriegssituation im Heimatstaat indiziere für sich allein nicht die Flüchtlingseigenschaft. Wesentlich für den Flüchtlingsbegriff sei die Furcht vor einer gegen den Beschwerdeführer selbst konkret gerichteten Verfolgungshandlung, nicht die Tatsache, daß es Kämpfe zwischen der Gruppe, welcher der Beschwerdeführer angehöre, und anderen Gruppen im Heimatstaat gäbe.
Im übrigen nahm die belangte Behörde aufgrund der Durchreise des Beschwerdeführers durch Kroatien und Ungarn vor Einreise in das Bundesgebiet Verfolgungssicherheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 an, weshalb auch aus diesem Grunde eine Asylgewährung ausgeschlossen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Soweit der Beschwerdeführer zunächst behauptet, es sei im Ermittlungsverfahren nicht geklärt worden, welche Staatsangehörigkeit er besitze, ist festzuhalten, daß für die belangte Behörde insofern keine derartige Ermittlungspflicht bestand, als der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nachweislich selbst angegeben hat, bosnischer Staatsangehöriger zu sein, und Bosnien als sein "Heimatland" bezeichnet hat. Die belangte Behörde durfte den Beschwerdeführer daher zu Recht als bosnischen Staatsangehörigen behandeln.
Zum Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde sei der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 AsylG 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschn. A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 AsylG 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen von weiteren Gründen im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, liegt der behauptete Mangel nicht vor. Die belangte Behörde war, da auch sonst für die Entscheidung wesentliche Mängel des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen sind, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 AsylG 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.
Denn insoferne der Beschwerdeführer eine unrichtige und mangelhafte Protokollierung geltend macht, hat er in der Berufung, aber auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Wesentlichkeit dieses behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan, da es ihm nicht gelungen ist, ein für die Flüchtlingseigenschaft sprechendes Vorbringen zu erstatten. Selbst dann, wenn es zuträfe, daß der Beschwerdeführer staatenlos wäre, bildeten die Gründe, weswegen er aus dem Militärdienst desertierte, in sinngemäßer Anwendung der im folgenden für den Heimatstaat ausgeführten Rechtslage, welche im Fall der Staatenlosigkeit des Beschwerdeführers auch auf das Land seines (letzten) gewöhnlichen Aufenthaltes zutrifft, keine wohlbegründete Furcht im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991.
Wenn der Beschwerdeführer ausführt, "die zwangsweise Kriegsverpflichtung seiner Person müsse als Grund für die Anerkennung als Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes gewertet werden", so ist diesem Vorbringen entgegenzuhalten, daß die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, die Einberufung zu einer Militärdienstleistung stelle im allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht. Die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes stellt in der Regel keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dar. Eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in den betroffenen Heimatstaaten Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben. Die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst könnte nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus sachlichen Gründen die Behandlung während der Militärdienstleistung nachteiliger bzw. eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377 = Slg. Nr. 14.089/A). Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren als fluchtauslösenden Grund lediglich das in seinem Heimatland vorherrschende Kriegsgeschehen angegeben. Anders als in dem Fall, der dem angeführten Erkenntnis eines verstärkten Senates zugrundelag, hat der Beschwerdeführer keine Ausführungen getätigt, die darauf hindeuten würden, daß seine Heranziehung zur Ableistung des Militärdienstes bzw. die Art des Einsatzes, zu dem er beordert worden wäre, als Verfolgung im Sinne obiger Judikatur anzusehen sei. Im gegenständlichen Verfahren schildert der Beschwerdeführer bloß seine gegen den Krieg gerichtete Einstellung und die ihm aufgrund seiner Flucht in seinem Heimatstaat nunmehr drohenden Folgen. Es werden damit jedoch von ihm keine Umstände dargetan, welche in obigem Sinne einen erkennbaren Zusammenhang mit einem der in § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründe aufweisen.
Ausgehend von dieser Sach- und Rechtslage konnte eine Auseinandersetzung damit, ob die belangte Behörde zu Recht vom Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 Gebrauch gemacht hat, und mit den darauf bezugnehmenden Ausführungen in der Beschwerde unterbleiben.
Die sich als unbegründet erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/199.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996010030.X00Im RIS seit
20.11.2000