TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/5 W178 2176796-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.06.2020
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Entscheidungsdatum

05.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W178 2176796-2/29E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Herrn XXXX , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich (VMÖ) gegen den Bescheid der BFA, Erstaufnahmestelle West (EASt-West) vom 07.09.2018, Zl. 1096106301-180632545, gemäß § 63 VwGG zu Recht erkannt:

A)

1. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (Bf), ein afghanischer Staatsbürger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen ins Bundesgebiet ein und stellte am 23.11.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.10.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) abgewiesen, im Spruchpunkt II. wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 AsylG 2005 abgewiesen, und im Spruchpunkt III. wurde kein Aufenthaltstitel nach §§ 57 und 55 AsylG gewährt, ebenso wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist, die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Das Fluchtvorbringen wurde als nicht asylrelevant gewertet, das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative bejaht.

3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.05.2018 wurde der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde in allen Punkten keine Folge gegeben. Es wurde keine mündliche Verhandlung durchgeführt, Revision wurde nicht zugelassen.

Zur Frage des Fluchtgrundes der Religion wurde in der Begründung in Bestätigung der Feststellungen und Beweiswürdigung des BFA angeführt, dass die Zuwendung zum Atheismus offenbar erst während des Aufenthaltes in Österreich entstanden sei, um einen weiteren Grund zu konstruieren, der einer allfälligen Rückführung entgegenstehen würde, konkrete Befürchtungen aufgrund des Sinneswandels hätte er jedoch nicht geäußert. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wie dritte Personen herausfinden sollten, was er tief im Inneren über den Islam denke. Somit komme der abstrakten Angst vor einer Verfolgung aufgrund der religiösen Einstellung - sofern diese tatsächlich bestehe - keine Asylrelevanz zu. Dem BFA sei auch zuzustimmen, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren eine Steigerung erfahren hat: Während er bei der Erstbefragung keinerlei Angaben über religiöse Zweifel am Islam gemacht hätte, sondern nur Angst vor Abschiebung nach Afghanistan geschildert hätte, hätte er am 06.10.2017 wiederum angegeben, keine Religion zu haben.

4. Gegen dieses Erkenntnis wurde keine außerordentliche Revision erhoben.

5. Am 05.07.2018 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Er besuche seit 7 Monaten eine katholische Kirche und wolle zum Christentum konvertieren. Er habe sich ein Jesus-Tattoo machen lassen. Damit habe er keine Chance, im Iran oder in Afghanistan zu leben.

6. Bei der Einvernahme am 29.08.2018 vor dem BFA hat der Beschwerdeführer zwei Dokumente betreffend seine religiöse Entwicklung (Bestätigungen von Dr XXXX ) und einen Ambulanzbericht vorgelegt. Auf Vorhalt, dass er sich trotz seines vorläufigen Aufenthaltsstatus als Asylwerber in Österreich ein Tattoo habe stechen lassen, gibt er an, dass er das wegen des Glaubens gemacht habe; er habe im Islam so viel gesehen, dass er ihn satt habe.

7. Der Folgeantrag wurde mit dem hier gegenständlichen Bescheid des BFA vom 10.09.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache hinsichtlich des Status des Asylberechtigten zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und nach § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.), mit Spruchpunkt VI wurde ausgesprochen, dass gegen den Beschwerdeführer nach § 53 FPG ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren erlassen wird, in Spruchpunkt VII wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

Zur Begründung wurde angeführt, dass das Vorbringen des Bf im Folgeantrag sich nicht vom Vorbringen im 1.Verfahren unterscheide. Dieses habe das BVwG im Erk vom 23.05.2018 schon als nicht asylbegründend eingeschätzt. Es komme eine weitere Steigerung des Vorbringens hinzu. Er habe sich trotz seines unsicheren Status als Asylwerber schon vor 10 Monaten ein Tattoo stechen lassen. Dass er schon seit ca. 5-6 Monaten eine Kirchengemeinde besuche habe er nicht einmal seiner Rechtsvertretung mitgeteilt. Es sei ihm mangels eines glaubhaften Kerns des neuen Vorbringens nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass es zu einer entscheidungsrelevanten Sachverhaltsänderung gekommen sei.

8. Gegen diese Entscheidung wurde Beschwerde erhoben. Darin wird vorgebracht, dass der Bf sich zum Christentum hingewandt habe und auch ein entsprechendes Tattoo mit christlichem Symbol habe. Er besuche den Taufunterricht und sonstige religiöse Bildungsveranstaltungen. Er habe sich seit dem Erkenntnis vom 23.05.2018 verstärkt dem Christentum zugewandt. Es wurde beantragt, dem Bf internationalen Schutz zu gewähren und der Beschwerde gemäß § 17 BFA-VG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

9. Mit Beschluss des BVwG vom 26.09.2018 wurde der Beschwerde gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

10. Am 07.03.2019 fand eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG statt. Neben dem Bf wurde Herr XXXX als Zeuge vernommen.

11. Mit Eingabe vom 13.05.2019 wurde das Taufzeugnis der Pfarre St.Blasius in Salzburg vom 20.04.2019 vorgelegt.

12. Das Dokument wurde dem BFA zur Stellungnahme überlassen. Es hat mit 26.06.2019 angeführt, dass die Zuwendung zum christlichen Glauben durch den Bf schon während bzw. vor dem ersten Asylverfahrens erfolgt sei. Der Bf habe sich bereits im Herkunftsstaat ein Kreuz-Tattoo stechen lassen. Der Bf habe sich noch während des laufenden ersten Asylverfahrens ein weiteres Tattoo mit christlichem Motiv stechen lassen und sei sich der Konsequenzen im Falle einer Abweisung seines Asylantrages bewusst gewesen. Der Bf habe sich bereits zumindest 4 Monate vor Rechtskraft des ersten Asylverfahrens vom Islam abgewandt und dem christlichen Glauben zugewandt. All diese Punkte blieben trotz zahlreicher Möglichkeiten im ersten Asylverfahren dennoch vollkommen unerwähnt und wurden vom BF erst anlässlich des zweiten, ggst. Asylverfahrens vorgebracht. Mit dem nun vorgelegten Taufschein erfahre das im ersten Verfahren verschwiegene und im ggst. Asylverfahren erstmals erwähnte Vorbringen nun lediglich eine weitere Steigerung, die wohl einzig dem Ziel eines weiteren Verbleibs im Bundesgebiet diene.

13. Mit Erkenntnis des BVwG vom 19.08.2019, W178 2176796-2/21E, wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides stattgegeben und dem Mitbeteiligten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Weiteres wurde gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Mit Spruchpunkt A) 2. wurden die Spruchpunkte II. bis IV. des Bescheides aufgehoben und es wurde ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

14. In weiterer Folge brachte das BFA Amtsrevision ein.

15. Mit Erkenntnis des VwGH vom 26.02.2020, Ra 2019/20/0442-5, wurde das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes behoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

§ 63. Abs 1 VwGG: Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, sind die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

1. Feststellungen

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer, der unter Umgehung der Grenzkontrollen ins Bundesgebiet eingereist ist, heißt XXXX er ist afghanischer Staatsbürger. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an, Muttersprache Farsi. Er wurde im Iran geboren und lebte bis zu seiner Ausreise dort. Seine Familie lebt im Iran, er hat zu seinen Eltern keinen Kontakt, schon zur Schwester. Er hat 9 Jahre Schulbildung und hat als Hilfsarbeiter gearbeitet.

Er ist in Österreich zum Christentum (katholische Kirche) konvertiert. Er wurde am 20.04.2019 in der Pfarre St. Blasius getauft und gefirmt. Taufspender war Herr Dr. XXXX , Pfarrer von St.Blasius und als Taufpate stellte sich Herr Paul Martin XXXX zur Verfügung (ON 15 im Akt des BVwG). Zumindestens seit Februar 2018 hatte er Kontakt zur Pfarre, nahm am Gottesdienst teil (vgl. Beilage 2 zur NS). Am 06.08.2018 wurde er offiziell in Katechumenat aufgenommen (Beilage zur NS 4). Im Juli und August 2018 nahm er an der Sommerakademie des Bildungszentrums Juvavum" zur Vertiefung des Glaubens" teil. Das Bildungszentrum steht unter der Verantwortung der Personalprälatur der katholischen Kirche Opus Dei (vgl. oben und Aussage Zeuge in der NS).

Er hat weiters am Lehrgang "Nachholen des Pflichtschulabschlusses" des Vereines VIELE teilgenommen (1150 Stunden), vgl. Beilagen 3 und 6. Seit Oktober 2018 nimmt er regelmäßig am katholischen Glaubensunterricht "HOME" der Pfarre St.Blasius teil, vgl. Beilage 5.

Die Familie ist über seine Konversion informiert; die Eltern lehnen es ab, die Schwester nicht.

Die afghanische Community in Salzburg bzw. Österreich ist über seine Konversion informiert. Es ist davon auszugehen, dass diese Tatsache auch in Afghanistan bekannt werden würde, wenn sich der Bf mit der Hazara-Gemeinschaft zur Unterstützung in Verbindung setzen würde.Der Bf hat am Hals ein Tattoo, laut Aussagen des Bf steht dort "only god can judge me".

1.2. Zur Lage in Afghanistan

1.2.1 Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zu Afghanistan vom 30.08.2018 (S. 66ff)

Die Verfassung sieht vor, dass Anhänger anderer Religionen als dem Islam "innerhalb der durch die Gesetze vorgegebenen Grenzen frei sind in der Ausübung und Erfüllung ihrer religiösen Rechte". Allerdings wird in der Verfassung auch festgestellt, dass der Islam die offizielle Religion des Staates ist und "kein Gesetz gegen die Lehren und Bestimmungen der heiligen Religion des Islam in Afghanistan verstoßen darf". Darüber hinaus sollen die Gerichte gemäß der Verfassung in Situationen, in denen weder die Verfassung noch andere Gesetze Vorgaben enthalten, der Hanafi-Rechtsprechung folgen, einer sunnitisch-islamischen Rechtslehre, die unter zwei Dritteln der muslimischen Welt verbreitet ist.368 Afghanische Juristen und Regierungsvertreter wurden dafür kritisiert, dass sie dem islamischen Recht Vorrang vor Afghanistans Verpflichtungen aus internationalen Menschenrechtsabkommen in Situationen einräumen, in denen ein Widerspruch der Menschenrechtsabkommen in Situationen einräumen, in denen ein Widerspruch der verschiedenen Rechtsvorschriften vorliegt, insbesondere in Bezug auf die Rechte von afghanischen Staatsbürgern, die keine sunnitischen Muslime sind, und in Bezug auf die Rechte der Frauen.

Konversion vom Islam

Eine Konversion vom Islam wird als Apostasie, also als Glaubensabfall betrachtet und gemäß den Auslegungen des islamischen Rechts durch die Gerichte mit dem Tode bestraft. Zwar wird Apostasie im afghanischen Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich als Straftat definiert, sie fällt jedoch nach allgemeiner afghanischer Rechtsauffassung unter die nicht weiter definierten "ungeheuerlichen Straftaten", die laut Strafgesetzbuch nach der islamischen Hanafi-Rechtslehre bestraft werden und in den Zuständigkeitsbereich der Generalstaatsanwaltschaft fallen. Damit wird Apostasie als Straftat behandelt, obwohl nach der afghanischen Verfassung keine Handlung als Straftat eingestuft werden darf, sofern sie nicht als solche gesetzlich definiert ist. Geistig zurechnungsfähige männliche Bürger über 18 Jahren und weibliche Bürger über 16 Jahren, die vom Islam konvertieren und ihre Konversion nicht innerhalb von drei Tagen widerrufen, riskieren die Annullierung ihrer Ehe und eine Enteignung ihres gesamten Grund- und sonstigen Eigentums. Außerdem können sie von ihren Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen werden und ihre Arbeit verlieren. Personen, die vom Islam zu einer anderen Religion übertreten, müssen Berichten zufolge um ihre persönliche Sicherheit fürchten.

Bekehrungsversuche, um Personen zum Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion zu bewegen, sind Berichten zufolge laut der Hanafi Rechtslehre ebenfalls rechtswidrig und es stehen darauf dieselben Strafen wie für Apostasie. Berichten zufolge herrscht in der öffentlichen Meinung eine feindliche Einstellung gegenüber missionarisch tätigen Personen und Einrichtungen. Rechtsanwälte, die Angeklagte vertreten, denen Apostasie zur Last gelegt wird, können, so wird berichtet, selbst der Apostasie bezichtigt und mit dem Tod bedroht werden. In der Regel haben Beschuldigte laut Berichten indes keinen Zugang zu einem Verteidiger oder zu anderen Verfahrensgarantien.

[...]

Andere Handlungen, die gegen die Scharia verstoßen

Neben den Bestimmungen des Strafgesetzbuches von 2017, die die Beleidigung oder Verzerrung der religiösen Überzeugungen des Islams unter Strafe stellen, stützen sich afghanische Gerichte auch in Bezug auf Blasphemie auf islamisches Recht. Gemäß der Auslegung des islamischen Rechts durch die Gerichte stellt Blasphemie ein Kapitalverbrechen dar. Geistig zurechnungsfähige Männer über 18 Jahren und Frauen über

16 Jahren, die der Blasphemie bezichtigt werden, kann daher die Todesstrafe drohen. Wie auch bei Apostasie haben die Beschuldigten drei Tage Zeit, um ihre Handlungen zu widerrufen, wobei es laut Berichten unter Scharia-Recht kein eindeutiges Verfahren für den Widerruf gibt.

Darüber hinaus besteht für Personen, denen Verstöße gegen die Scharia wie Apostasie, Blasphemie, einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen oder Ehebruch (zina) vorgeworfen werden, nicht nur die Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung, sondern auch der gesellschaftlichen Ächtung und Gewalt durch Familienangehörige, andere Mitglieder ihrer Gemeinschaft, die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte (AGEs).

1.2.2 Auszug aus dem Länderinformationsblatt: vgl. Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt mit letzte Kurzinformation eingefügt am 4.6.2019, Seite 160 ff (kurz LIB, S 317ff.)

Religionsfreiheit

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtsprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtsprechung unter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei NichtMuslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).

Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).

Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).

1.3. Zur Frage der Entscheidung nach § 68 AVG (res iudicata):

Über den ersten Antrag auf internationalen Schutz war mit rechtskräftigem Erk des BVwG vom 23.05.2018 keine Folge gegeben worden.

Der Bf hat sich im Wesentlichen nach der rechtskräftigen Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz mit ernsthafter innerer Überzeugung und mit nach außen hin in Erscheinung tretenden Verhaltensänderungen dem christlichen Glauben (katholische Kirche/ Personalprälatur Opus Dei) zugewandt. Er wurde - nach der Erstentscheidung des BVwG - von dieser Glaubensgemeinschaft aufgenommen und er wurde einer religiösen Erziehung unterzogen. Dies gipfelte in der Spende des Sakraments der Taufe zu Ostern 2019, vgl. Taufzeugnis.

Er hatte sich bereits vor der Entscheidung des BVwG vom 23.05.2018 für diese Kirche interessiert. Dieses Vorbringen wurde als nicht glaubhaft qualifiziert und daher der Entscheidung nicht zugrunde gelegt.

Der Bf hat ab Februar 2018 an einem wöchentlichen Religionsunterricht teilgenommen und hat die Hl. Messe besucht. Diese Fakten sind im Sachverhalt der rechtskräftigen Entscheidung des BVwG nicht angeführt.

Ab August 2018 hat er sich einer mehrere Monate dauernden laufenden Taufvorbereitung (vgl. Nachweise der Anwesenheit des Bf in Anwesenheitslisten, vgl. Beilagen zum Antrag) in der Pfarre St.Blasius und auch religiöser Glaubensfortbildung im Verein Juvavum unterzogen; er war in das Pfarrgemeindeleben in St.Blasius einbezogen. Das Bildungszentrum Juvavum ist eine Einrichtung der Personalprälatur der katholischen Kirche "Opus Dei", die eine intensive Hinwendung zur Glaubensgemeinschaft erwarten, vgl. https://opusdei.org/de.

2. Beweiswürdigung

2.1. Der oben angeführte Sachverhalt ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG, insbesondere aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung samt Beilagen 1-6, vgl. oben.

Das BVwG erachtet das Vorbringen des BF zur Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat, das sich aus seinen Angaben in der Erstbefragung und in der Einvernahme vor dem BFA, aus den Ausführungen in der Beschwerde, den vorgelegten Beweismitteln, insbesondere den Angaben des Bf in den mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG ergibt, für glaubhaft. Im gegenständlichen Fall ist aufgrund der Ermittlungsergebnisse des BVwG, insbesondere durch die Aussagen des Bf, aufgrund der Aussagen des Zeugen XXXX und der Dokumente die wesentliche Aussage, dass der Bf Christ geworden ist, glaubhaft:

Dem Zeugen XXXX , der den Bf seit einem längeren Zeitraum begleitet hat, ist eine hohe Glaubwürdigkeit zuzubilligen; das beruht auch darauf, dass der Zeuge in der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2019 gegenüber dem Gericht plausibel erklärte, dass ihm die Gefahr, dass ein Asylwerber sich der Kirche zuwende, um einen Nachfluchtgrund zu erfüllen, sehr wohl bewusst sei, dass dieser Aspekt daher geprüft werde und er beim Bf diese Möglichkeit nach seinem Ermessen ausschließe. Er hat dies auch gegenüber den kirchlichen Instanzen bezeugt und den Bf für die Taufe als reif erachtet.

Dass der Bf ins Geistliche Zentrum St.Blasius aufgenommen wurde (vgl. Bestätigung vom 06.08.2018, Beilage 4 zur Niederschrift vom 07.03.2019- kurz NS) und zur Teilnahme an Veranstaltungen des Bildungszentrums Juvavum zugelassen (vgl. Beilage 1 zur NS), ist davon auszugehen, dass seine Hinwendung zum Glauben geprüft wurde; die mit einem wesentlichen Kern, der glaubhaft ist, schon zum Zeitpunkt der Einbringung des Folgeantrages bestand. Zusammengefasst und mit Bezugnahme auf die Begründung des Ersterkenntnisses des BVwG (vgl. vorne unter I.3) ist darauf zu verweisen, dass der Bf - als neue Tatsache - seine Konversion mittlerweile nach außen hin bezeugt und die Ernsthaftigkeit durch die entsprechenden Instanzen der Kirche bestätigt. Das Vorbringen im Folgeantrag weist einen glaubhaften Kern auf.

Zur Stellungnahme des BFA ist anzuführen, dass eine Tätowierung für sich keinen eindeutigen Rückschluss auf eine innere Hinwendung zu einem Glauben bedeutet, dessen Symbol sie darstellt. In diesem Sinne gesteht das BVwG den Tattoos des Bf wenig Beweiskraft zu.

Wann das bzw. die Tattoos angebracht wurden, kann dahingestellt bleiben.

Zusätzlich sei auf die Modalitäten eines Eintritts in die katholischen Kirche unter https://www.katholisch.at/aktuelles/124945/weiterhin-hohe-zahl-an-katholischen-erwachsenentaufen hingewiesen:

"Die Taufvorbereitung für erwachsene Katechumenen dauert in der katholischen Kirche mindestens ein ganzes Jahr und ist sehr umfangreich: Zentrale Inhalte sind dabei die Bibel, die Sakramente und das Glaubensbekenntnis. Üblich ist auch, soweit möglich, die aktive Teilhabe am Pfarrleben. Nach rund einjähriger Vorbereitungszeit steht dann oft am Beginn der Fastenzeit die Taufzulassung durch den Ortsbischof. In der Karwoche wird schließlich in den Domkirchen das Chrisam- und Katechumenenöl geweiht und in die Pfarren gebracht, wo dann in der Osternacht die Taufe selbst stattfindet. Erwachsene erhalten dabei in der Regel alle drei Initiationssakramente - Taufe, Firmung und Erstkommunion - in einer Feier."

Diese umfangreiche Vorbereitung hat der Bf nach den mit diesen Ausführungen übereinstimmenden Aussagen des Zeugen XXXX durchlaufen.

Auch weiß die Familie der Beschwerdeführer über die Konversion ebenso Bescheid wie die afghanischen Kreise der Asylwerber und anderer Landsleute des Bf in Salzburg. Sowohl die Familie (außer der Schwester) als auch die Landsleute lehnen die Konversion vehement ab. Es ist daher davon auszugehen, dass seine Konversion- auch ohne sein Zutun- bei einer Rückkehr in die Hazara-community in einer Stadt in Afghanistan bekannt werden würde.

Dass der Glaubensabfall nur zum Schein erfolgt wäre, ist vor dem Hintergrund der Erhebungsergebnisse hinreichend auszuschließen. Entgegen der Auffassung des BFA sieht das BVwG in diesem Rechtsgang die Konversion nicht einzig wegen des Asylgrundes vollzogen an.

Das den getroffenen Feststellungen zugrundeliegende Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA wurde gemäß den vom Staatendokumentationsbeirat beschlossenen Standards und der Methodologie der Staatendokumentation erstellt.

Die ins Verfahren eingeführten und dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegten länderkundliche Informationen (LIB, EASO-Bericht, UNHCR-Richtlinien, etc.), durchliefen einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat, sodass das Gericht seine Feststellungen und Erwägungen auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, den Bericht Leitfaden von EASO und die aktuellen UNHCR-Richtlinien stützt.

2.2. Das BVwG hat zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/14/0213; 24.5.2018, Ra 2018/19/0234; jeweils mwN). Dies ist im Ergebnis zu verneinen:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde, dem Akt des BFA und den ergänzenden Unterlagen, insbesondere die Beilagen 1-6 zur Niederschrift vom 07.03.2019 (NS) sowie dem Taufzeugnis vom 20.04.2019.

Dabei entspricht es im Hinblick auf Folgeanträge auf internationalen Schutz der ständigen Rechtsprechung des VwGH, dass die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufzuweisen hat, dem Asylrelevanz zukommt (vgl. z.B. Erk-VwGH 5.4.2018, Ra 2018/19/0066, mwN).

Die Beurteilung, ob die behauptete Sachverhaltsänderung einen "glaubhaften Kern" aufweist, erfolgt stets im Rahmen der Beweiswürdigung (vgl. z.B. VwGH 18.12.2018, Ra 2018/18/0516).

2.3. Es ist nunmehr zu prüfen, ob es um eine relevante Sachverhaltsänderung gegenüber dem rechtskräftigen Erkenntnis im ersten Verfahren vor dem BVwG handelt:

Wenn die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme vorbringt, es seien im Folgeantrag keine neuen Gründe geltend gemacht worden, die erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens entstanden wären, ist dem entgegen zu halten, dass im Folgeverfahren neue Gründe vorgebracht wurden, die im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren nur angedeutet wurden.

Auch die Verfolgungsbehauptung ist ein neues Vorbringen; es handelt sich nicht um den Ausbau des bereits im ersten Verfahren Vorgebrachten, sondern um eine qualitativ neue Dimension: während im ersten Verfahren nur Zweifel am islamischen Glauben angedeutet wurden, hat sich nach der rechtskräftigen Entscheidung eine neue Seite der Persönlichkeit des Bf gebildet, d.h. die eines praktizierenden Christen.

Bei der Prüfung, ob sich ein dem rechtskräftig entschiedenen Bescheid zugrunde gelegter Sachverhalt maßgeblich geändert hat, ist vom Vorbescheid auszugehen, ohne dabei dessen sachliche Richtigkeit (nochmals) zu ergründen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 25 mwN). Es ist grundsätzlich von dem in der rechtkräftigen Entscheidung des BVwG festgestellten Sachverhalt auszugehen.

Nach diesem hat der Bf (nur) angegeben, keine Religion zu haben; dies wurde auch im Erk insofern gewertet als keine Verfolgungsgründe wegen seiner Religion festgestellt wurden. In der Beweiswürdigung wird das Vorbringen, dass er keine Religion habe und nicht an den Islam glaube als nicht asylrelevante Bedrohung gesehen, zumal nicht nachvollziehbar sei, wie Dritte herausfinden sollten, wie er über den Islam denke.

Während somit im rechtskräftigen Erkenntnis von nach innen bestehenden Zweifel am Islam ausgegangen wurde, war zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits in der Zwischenzeit eine sich stark nach außen zeigende Glaubenshinwendung des Bf zum katholischen Glauben festzustellen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

"Sache" des Spruchpunktes I dieses Erkenntnisses ist - in Bezug auf den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides - die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgte.

Entgegen der Auffassung des BFA hat sich gegenüber dem Sachverhalt, auf dem die Erstentscheidung beruht, somit eine qualitative Änderung der Zuwendung des Bf zum christlichen Glauben ergeben, die entscheidungswesentlich ist. Abgesehen von den Tattoos, denen als äußerliches Zeichen keine entscheidende Bedeutung, zukommt, hat sich somit eine wesentliche Änderung ergeben.

Dass der Bf zeitlich vor der Erlassung mit der Pfarre St.Blasius Kontakt aufnahm, ändert nichts daran, dass die Neuerung nach dem rechtskräftigen Erkenntnis eingetreten ist, zumal der lose Kontakt und das Interesse an dem christlichen Glauben nicht mit einer innerlich wie äußerlich vollzogenen Konversion zu einer Glaubensgemeinschaft, die überprüft wurde (vgl. Regeln für die Erwachsenentaufe, unter II 2.2) und die in der Regel intensiv gelebt wird, (vgl. homepage Opus Dei) gleichzuhalten ist.

Im gegenständlichen Fall lag der für die Beurteilung des Status des Asylberechtigten wesentliche Sachverhalt vor der rechtskräftigen negativen Entscheidung des BVwG in der ausgeprägten Form nicht vor bzw. war nicht in das Erkenntnis aufgenommen worden.

Der glaubwürdige Kern des Vorbringens ist daher geeignet, eine neue Entscheidungspflicht in der Sache zu begründen.

Der Folgeantrag ist zulässig, weil sich eine wesentliche Änderung in der Sachlage ergeben hat, sodass die Rechtskraft des Erk vom 23.05.2018 einer neuerlichen Entscheidung nicht im Wege steht. Der geänderte Sachverhalt ist geeignet, eine neuerliche Entscheidungspflicht zu begründen.

3.2. Ein Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem Asylgesetz 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U 1533/10; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).

3.3. Aus den Feststellungen geht im vorliegenden Fall eine maßgebliche Sachverhaltsänderung hervor. Im Rahmen des neuerlichen Antrags auf internationalen Schutz wurde ein seit rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens geänderter Sachverhalt dargetan, dem Relevanz im Rahmen der Beurteilung der Frage der Zuerkennung von internationalem Schutz zukommt.

3.4. Eine Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache kommt sohin nicht in Betracht, weshalb der angefochtene Bescheid bezüglich Spruchpunkt I aufzuheben ist.

3.5. Da die übrigen angefochtenen Spruchpunkte des Bescheids vom 05.12.2019 auf der gänzlichen Zurückweisung des Folgeantrags aufbauen, sind diese ebenso zu beheben.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Einreiseverbot aufgehoben entschiedene Sache Folgeantrag glaubhafter Kern Konversion Religion Rückkehrentscheidung behoben wesentliche Sachverhaltsänderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W178.2176796.2.00

Im RIS seit

05.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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