TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/10 W187 1425309-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.06.2020
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Entscheidungsdatum

10.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs2
AsylG 2005 §9 Abs2 Z3
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W187 1425309-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hubert REISNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass dieser zu lauten hat:

Der Ihnen mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , XXXX zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird Ihnen gemäß § 9 Abs 2 Z 3 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt.

II. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II., III., IV., VI. und VII. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass dieser richtig zu lauten hat:

Es wird gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 9 Abs 2 AsylG 2005 unzulässig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein, wo er am 14.7.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX , XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof wurde dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

3. Gegen diesen Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof. Die Beschwerde und der dazugehörige Akt wurden dem Asylgerichtshof durch das Bundesasylamt zur Entscheidung vorgelegt.

4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , XXXX , wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG 2005 hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 14.7.2015 erteilt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesverwaltungsgericht stellte in seinem Erkenntnis vom XXXX fest, dass der Vater des Beschwerdeführers bereits verstorben sei. Mit sieben Jahren sei der Beschwerdeführer nach Pakistan und später in den Iran gezogen. In Afghanistan habe er keine Verwandte. Der Beschwerdeführer sei Analphabet und lerne derzeit in Österreich schreiben sowie die deutsche Sprache. Zur Situation im Herkunftsstaat Afghanistan hielt des Bundesverwaltungsgericht fest, die Sicherheitslage habe sich im ersten Halbjahr 2013 deutlich verschlechtert. Konflikte in Afghanistan würden nun auch Provinzen beeinflussen, die bisher als die stabilsten im Land betrachtet worden seien. Die vorhandenen Ressourcen bezüglich Unterkunft bei Familienangehörigen seien bereits strapaziert. Diese Situation stelle sich für ganz Afghanistan gleichermaßen dar. Im Fall seiner Rückkehr sei nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer in eine Gefahrensituation gelange, die seine (wirtschaftliche) Existenz und mitunter auch sein Leben oder seine Unversehrtheit bedrohen würde.

Beweiswürdigend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, eine Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr sei insofern gegeben, als er seit seinem siebten Lebensjahr in Pakistan bzw. dem Iran gelebt habe und sich in Afghanistan keine Familienangehörigen aufhalten würden. Auch sei der Beschwerdeführer in keine Schule gegangen. Es sei daher für ihn schwierig, sich in Afghanistan eine Existenz auszubauen. Insbesondere werde es für den Beschwerdeführer schwierig sein, zu Beginn eine Unterkunft zu finden, da er über keine familiären Kontakte verfüge. Vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen sei anzunehmen, dass die Wohnkapazitäten bereits angespannt seien. Aus den Länderberichten ergebe sich auch, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan insgesamt verschlechtert habe. In einer Gesamtbetrachtung des konkreten Einzelfalls sei nicht auszuschließen, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr eine ernsthafte, existentielle Gefährdung drohe.

Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung legte das Bundesverwaltungsgericht dar, dass es im Fall des Beschwerdeführers wahrscheinlich sei, dass er im Fall seiner Rückkehr in eine seine (wirtschaftliche) Existenz bedrohende Situation gelangen würde. Es sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass auch seine Unversehrtheit bzw. sogar sein Leben ernsthaft bedroht sei. Aufgrund der landesweit herrschenden prekären Sicherheitslage in Afghanistan bestehe keine innerstaatliche Fluchtalternative. Dem Beschwerdeführer sei daher gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen gewesen.

Weder der Beschwerdeführer noch die belangte Behörde erhoben gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Das Erkenntnis vom XXXX ist daher rechtskräftig.

5. Mit Schreiben vom XXXX stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs 4 AsylG.

6. Mit Bescheid vom XXXX , XXXX , erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 bis zum XXXX .

7. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer aufgrund einer bestehenden Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft XXXX an seiner Wohnadresse festgenommen. Beim Beschwerdeführer wurden Suchtmittel vorgefunden und beschlagnahmt. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer in die Justizanstalt XXXX eingeliefert.

8. Am XXXX langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Mitteilung des Landesgerichtes XXXX über die Verhängung der Untersuchungshaft über den Beschwerdeführer am XXXX ein.

9. Am XXXX langte der Abschlussbericht des Landeskriminalamts XXXX vom XXXX bei der belangten Behörde ein. Den übermittelten Unterlagen ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer beschuldigt wird, von zumindest November XXXX bis XXXX im gewollten und gemeinsamen Zusammenwirken im Rahmen einer kriminellen Vereinigung illegale Suchtmittel in Form von Marihuana in einer die Grenzmenge um ein Vielfaches übersteigenden Menge in XXXX erworben, den Suchtmitteltransport von XXXX nach XXXX bzw XXXX in Auftrag gegeben, das Marihuana in den Wohnungen bzw. im Abstellraum deponiert und an teilweise bekannte Personen gewinnbringend weiterverkauft zu haben. Es bestehe der Verdacht auf Erfüllung des Tatbestandes des § 28a Abs 4 SMG.

10. Mit Schreiben vom XXXX , bei der belangten Behörde eingelangt am XXXX , benachrichtigte die Staatsanwaltschaft XXXX das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl von der Führung eines Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer, teilte mit, dass gegen den Beschwerdeführer wegen § 28a Abs 1 SMG ein Ermittlungsverfahren eingeleitet sowie eine Anklageschrift beim Landesgericht eingebracht worden sei, und übermittelte die Anklageschrift in der Anlage.

11. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer zur Zahl XXXX wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, §§ 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 12 zweiter Fall StGB, § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG nach § 28a Abs 4 SMG unter Anwendung von § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

12. Gegen dieses Urteil erhob der Beschwerdeführer Berufung an das Oberlandesgericht XXXX wegen des Ausspruches über die Strafe.

13. Mit Urteil des Oberlandesgerichts XXXX vom XXXX zur Zahl XXXX wurde der Berufung des Beschwerdeführers Folge gegeben und die über ihn verhängte Freiheitsstrafe auf viereinhalb Jahre herabgesetzt. Begründend führte des Oberlandesgericht XXXX hinsichtlich der Strafzumessung aus, das Erstgericht habe das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die zweifache Qualifikation des Verbrechenstatbestandes, die wiederholte Begehung des Vergehenstatbestandes und die Begehung desselben über einen langen Zeitraum als erschwerend gewertet. Als mildernd seien die Unbescholtenheit und ein geringfügiges Geständnis sowie eine verminderte Zurechnungsfähigkeit im Zusammenhang mit der Suchtgiftgewöhnung berücksichtigt worden. Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen sei die verhängte Freiheitsstrafe dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Taten entsprechend und eine dem Verschulden des Angeklagten angemessene Sanktion. Die Berufung des Beschwerdeführers wegen des Ausspruches über die Strafe sei jedoch berechtigt. Das Erstgericht habe beim Beschwerdeführer die Sicherstellung von Suchtmitteln nicht als Milderungsgrund berücksichtigt. Erschwerend sei beim Beschwerdeführer noch die mehrfache Begehungsweise der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG jeweils durch Erwerb und Besitz zu werten. Die Erschwerungsgründe seien zudem dahingehend zu korrigieren, dass das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit mehreren Vergeben als erschwerend ins Gewicht falle, während die "wiederholte Begehung des Vergehenstatbestandes" zu entfallen habe. Ausgehend von den ergänzten und korrigierten Strafzumessungsgründen und unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze für die Bemessung der Strafe nach § 32 StGB erweise sich die über den Beschwerdeführer bei einem Strafrahmen von einem bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verhängte Sanktion als zu streng. Die über den Beschwerdeführer verhängte Freiheitsstrafe sei daher schuld- und tatangemessen auf viereinhalb Jahre herabzusetzen gewesen.

Im Übrigen wurde das Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu XXXX bestätigt. Dieses Urteil ist seit XXXX rechtskräftig und vollstreckbar.

14. Mit Schreiben vom XXXX ersuchte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Justizanstalt XXXX um Vorführung des Beschwerdeführers am XXXX zum Zweck der Einvernahme.

15. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer in der Justizanstalt XXXX von der belangten Behörde betreffend die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens des subsidiären Schutzes niederschriftlich im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu einvernommen. Die belangte Behörde erklärte dem Beschwerdeführer zu Beginn der Befragung, dass am XXXX gegen ihn ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten eingeleitet worden sei, und wies ihn auf die Bestimmung des § 9 AsylG - insbesondere auf § 9 Abs 2 Z 2 und 3 AsylG - hin. Dieser Bestimmung entsprechend werde die Behörde verpflichtet sein, dem Beschwerdeführer die noch bestehende befristete Aufenthaltsberechtigung zu entziehen. Zudem würden im Fall des Beschwerdeführers aber auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht oder nicht mehr vorliegen.

Im Rahmen seiner Einvernahme gab der Beschwerdeführer zu seinem Gesundheitszustand an, keine physischen oder psychischen Probleme zu haben und gesund zu sein. Zu seinen Lebensumständen im Herkunftsstaat befragt, führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst aus, er stamme aus der Provinz Parwan, gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an, sei ledig und habe keine Kinder. Mit ca. acht bis neun Jahren habe er Afghanistan mit seiner Familie verlassen und sei nach Pakistan übersiedelt. Im Alter von 13 oder 14 Jahren habe er Pakistan verlassen und sei in den Iran gereist. Von dort sei er weiter in die Türkei und schließlich nach Griechenland gereist, wo er sich ungefähr sieben Jahre aufgehalten habe. In Afghanistan und Pakistan sei er von seiner Familie versorgt worden, insbesondere sein Onkel mütterlicherseits habe ihn unterstützt. In Griechenland habe der Beschwerdeführer auf Kreta ungefähr vier Jahre in einer Metzgerei gearbeitet. Zu seinen Familienverhältnissen gab er an, sein Vater sei bereits verstorben. Seine Mutter, seine Schwester, sein Bruder und sein Onkel mütterlicherseits würden in Pakistan leben. Der Onkel mütterlicherseits betreibe dort ein Bekleidungsgeschäft. In Afghanistan würden entfernte Verwandte des Beschwerdeführers leben, er habe jedoch bereits seit Jahren keinen Kontakt und wisse nicht, wo diese leben. Derzeit habe der Beschwerdeführer keinen Kontakt zu seiner Familie, der letzte Kontakt liege ungefähr drei Jahre zurück. Über einen Freund habe der Beschwerdeführer eine Telefonnummer des Bruders erhalten und erfahren, dass sein Bruder zwischenzeitlich wieder in Afghanistan sei. Diese Telefonnummer habe jedoch nicht funktioniert. Zu seinen Sprachkenntnissen führte der Beschwerdeführer aus, dass er neben Paschtu auch Dari und Urdu spreche. Zudem habe er in Griechenland Griechisch gelernt und lerne derzeit Deutsch. Weiter gab er an, dass er mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten seines Heimatlandes vertraut sei. Befragt zu seinem Leben in Österreich schilderte der Beschwerdeführer, dass er sich seit seiner Einreise in Österreich aufhalte. Er sei nur einmal auf Urlaub im Iran gewesen. Er sei in Österreich weder verheiratet, noch lebe er in einer ständigen Lebensgemeinschaft. Er habe auch keine sonstigen Verwandten in Österreich. Früher habe er als Asylwerber für die Gemeinde gearbeitet. Nach Abschluss seines Verfahrens habe er eine Wohnung in XXXX gemietet. Ungefähr acht Monate habe er in einer Tankstelle gearbeitet, ansonsten habe er von der Sozialhilfe gelebt. Im XXXX habe er begonnen, bei einer Pizzeria zu arbeiten. Dort sei er nur zwei Tage gewesen, ehe er verhaftet worden sei. Derzeit sei er im Gefängnis und sitze seine Strafe ab. Außer ein paar Freunden habe er niemanden in Österreich. Ungefähr zwei bis drei Monate habe er einen Deutschkurs besucht, aber keinen Kurs abgeschlossen. Zu seiner Verurteilung gab er an, dass er mit den falschen Freunden unterwegs gewesen sei. In Zukunft wolle er dies nicht mehr machen und sich von diesen Leuten fernhalten. Jedem Menschen könne ein Fehler passieren, deswegen sei er im Gefängnis.

16. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX , zugestellt am XXXX , wurde dem Beschwerdeführer der ihm mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und ihm die mit Erkenntnis vom XXXX , erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs 4 AsylG entzogen (Spruchpunk II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, das Aberkennungsverfahren sei wegen der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels eingeleitet worden. Dem Beschwerdeführer sei mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden, da er aufgrund seiner damaligen Lage im Falle einer Rückkehr in eine (wirtschaftlich) die Existenz bedrohende Situation gelangt wäre und ihm aufgrund der damaligen angenommenen landesweit herrschenden prekären Sicherheitslage in Afghanistan keine innerstaatliche Fluchtalternative zugemutet werden habe können. Die seinerzeit für die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblichen Gründe seien zwischenzeitig nicht mehr gegeben. Dem Beschwerdeführer sei nunmehr eine Rückkehr in sein Heimatland grundsätzlich zuzumuten. Zwar sei eine allgemeine Gefährdungslage in Bezug auf die Herkunftsprovinz Parwan feststellbar; diese erstrecke sich jedoch nicht auf das gesamte Staatsgebiet. Der Beschwerdeführer leide an keinen lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen seines Gesundheitszustandes. Auch seine Arbeitsfähigkeit sei nicht beeinträchtigt. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Gefährdungslage sei nicht glaubhaft, er könne seinen Lebensunterhalt etwa in Kabul bestreiten. Als körperlich und geistig gesunden, arbeitsfähigen jungen Mann sei es dem Beschwerdeführer zweifellos möglich und zumutbar, für seinen Lebensunterhalt unter Nutzung der ortsüblichen Gegebenheiten selbst Sorge zu tragen, zumal der Beschwerdeführer eine mehrjährige Berufserfahrung in einer Metzgerei in Griechenland und Arbeitserfahrungen in Österreich aufweise. Zudem habe der Beschwerdeführer in seiner niederschriftlichen Einvernahme vom XXXX angegeben, in Afghanistan nahe Verwandte zu haben. Selbst wenn er derzeit keinen Kontakt zu diesen Verwandten pflege, sei es ihm zumutbar, im Fall seiner Rückkehr mit diesen Kontakt aufzunehmen. Auch habe der Beschwerdeführer angegeben, dass sein Bruder nunmehr in Afghanistan lebe. Weiter lebe ein Onkel mütterlicherseits in Pakistan, der sowohl den Beschwerdeführer als auch seine Familie unterstützt habe. Die Sicherheitslage in Kabul sei vergleichsweise ruhig und stabil. Hinsichtlich einer allfälligen Unzumutbarkeit einer Rückkehr nach Afghanistan werde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan geboren und dort aufgewachsen sei. Er habe seine Sozialisierung in einer afghanischen Enklave erfahren, weshalb keine Entwurzelung vorliege. Sollte der Beschwerdeführer keine dauerhafte Grundlage finden, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, stehe ihm der informelle Wirtschaftssektor offen. Zudem bestehe die Möglichkeit, sich an eine der zahlreichen NGOs zu wenden oder Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan und seiner Ansiedlung in Kabul liefe der Beschwerdeführer daher nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Auch seien ausreichende medizinische Behandlungsmöglichkeiten vorhanden. Es bestehe im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK oder der Zusatzprotokolle Nr 6 und 13 zur Konvention. Auch sei keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes zu befürchten. Durch die zwischenzeitigen Arbeitserfahrungen des Beschwerdeführers und aufgrund der Tatsache, dass es ihm möglich sei, sich alleine durchzuschlagen, sei der damalige Hinderungsgrund weggefallen und dem Beschwerdeführer nunmehr eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul zumutbar. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten sei dem Beschwerdeführer daher gemäß § 9 Abs 1 AsylG 2005 abzuerkennen gewesen.

Zum Einreiseverbot hielt die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer sei zuletzt vom Oberlandesgericht XXXX mit Urteil vom XXXX zu XXXX zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt worden. Aufgrund der Chronologie seiner Straftaten stelle der Beschwerdeführer für die belangte Behörde eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar. Weiter lasse die Schwere des Fehlverhaltens deutlich erkennen, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, die Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu beachten und sich den Gesetzen in Österreich anzupassen. Laut vorliegendem Urteil des Oberlandesgerichts XXXX habe der Beschwerdeführer über einen längeren Zeitraum im bewussten und gewollten zusammenwirken und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung das Verbrechen des Suchtgifthandels begangen. Eine positive Zukunftsprognose könne nicht gestellt werden. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers, seiner Lebensumstände sowie seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte habe im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes in der Dauer von zehn Jahren gerechtfertigt und notwendig sei.

Für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

17. Mit Schreiben vom XXXX erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung fristgerecht vollumfängliche Beschwerde gegen den spruchgegenständlichen Bescheid wegen mangelhaftem Ermittlungsverfahren und in Folge dessen mangelhafter Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

18. Die Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch die belangte Behörde zur Entscheidung vorgelegt.

19. Am XXXX übermittelte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht ein Schreiben der Justizanstalt XXXX , wonach die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers am XXXX durch das Landesgericht XXXX zur Zahl XXXX bewilligt worden sei.

20. Mit Schreiben vom XXXX übermittelte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht durch seine Rechtsvertretung seine neuen Melde- und Personendaten.

21. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde mit Schreiben vom XXXX das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019 zur Stellungnahme. In einem wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, allfällige Integrationsunterlagen vorzulegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl und den Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts betreffend den Beschwerdeführer, insbesondere durch Einsicht in die vorgelegten Dokumente und Integrationsunterlagen, sowie durch Einsichtnahme in die ins Verfahren eingeführten Länderberichte.

1. Feststellungen

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, ist im Entscheidungszeitpunkt volljährig und Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan. Er gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Paschtu, er spricht aber auch Dari, Urdu und ein wenig Griechisch. Der Beschwerdeführer kann diese Sprachen weder lesen noch schreiben. Weiter beherrscht er bereits gut Deutsch. Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer wurde in einem Dorf im Distrikt XXXX in der Provinz Parwan geboren und lebte dort im familieneigenen Haus mit seinen Eltern, seinem Bruder und einer Schwester. Er lebte an keinem anderen Ort in Afghanistan. Der Vater sorgte für den Unterhalt der Familie und arbeitete in der familieneigenen Landwirtschaft. Nach dem Tod des Vaters verließ der Beschwerdeführer im Alter von sieben bis neun Jahren seinen Herkunftsstaat und zog gemeinsam mit seiner Familie nach Pakistan, wo er im afghanischen Familienverband aufwuchs. Die Familie lebte dort in einem Flüchtlingscamp und wurde von einem Onkel mütterlicherseits unterstützt. Im Alter von ungefähr zwölf bis 14 Jahren reiste der Beschwerdeführer ohne seine Familie in den Iran, wo er ca. neun Monate lebte, ehe er in die Türkei weiterreiste. In der Türkei hielt sich der Beschwerdeführer ungefähr 17 Monate auf. Anschließend machte er sich auf den Weg nach Griechenland, wo er ca. sieben Jahre lebte, ehe er seine Reise nach Österreich fortsetzte.

Der Beschwerdeführer besuchte keine Schule. In Pakistan arbeitete der Beschwerdeführer eine Zeit lang als Teppichknüpfer. Während seines Aufenthaltes im Iran und in der Türkei erhielt er von einem Schlepper Unterkunft und Verpflegung. In Griechenland arbeitete der Beschwerdeführer ungefähr vier Jahre lang in einer Metzgerei.

Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Seine Mutter, sein Bruder, seine Schwester und sein Onkel mütterlicherseits leben nach wie vor in Pakistan, wo der Onkel mütterlicherseits ein Bekleidungsgeschäft betreibt. Dass die Kernfamilie oder der Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers in der Lage wären, den Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan von Pakistan aus finanziell zu unterstützen, konnte nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer stand zuletzt im Jahr XXXX mit seiner Familie in Kontakt, ehe dieser abbrach. Seither hat der Beschwerdeführer keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. In Afghanistan leben entfernte Verwandte, zu denen der Beschwerdeführer jedoch keinen Kontakt hat. Es ist nicht bekannt, wo sich diese Verwandten aufhalten. Der Beschwerdeführer verfügt über kein soziales Netzwerk in Afghanistan.

1.2 Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich

Der Beschwerdeführer gelangte im XXXX in das österreichische Bundesgebiet und stellte am XXXX gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Seither hält er sich - abgesehen von einer Reise in den Iran im Zeitraum XXXX - durchgehend im Bundesgebiet auf.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum XXXX erteilt. Tragende Gründe für die Gewährung des subsidiären Schutzes waren die seinerzeitige prekäre Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, das Fehlen eines Unterstützungsnetzwerks in seinem Herkunftsstaat, die mangelnde Schulbildung des Beschwerdeführers, sowie dass der Beschwerdeführer Afghanistan bereits im Kindheitsalter verließ und den Großteil seines Lebens außerhalb von Afghanistan verbrachte.

Diese Aufenthaltsberechtigung wurde mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX , mit Gültigkeit bis zum XXXX verlängert.

Der inzwischen bereits seit beinahe neun Jahren in Österreich aufhältige Beschwerdeführer hat seit seiner Einreise an Deutschkursen teilgenommen, jedoch keine Prüfung zu seinen Deutschkenntnissen abgelegt. Im Zeitraum XXXX arbeitete der Beschwerdeführer bei der XXXX als Arbeiter. Von XXXX war der Beschwerdeführer kurzzeitig bei XXXX , Inhaber einer Pizzeria, geringfügig beschäftigt. In den Zwischenzeiten bezog der Beschwerdeführer Sozialleistungen. Derzeit bezieht der Beschwerdeführer zwar keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung, er ist aber auch nicht erwerbstätig. Der Beschwerdeführer hat soziale Kontakte in Österreich - auch zu österreichischen Staatsbürgern - geknüpft. Er ist kein Mitglied in einem Verein.

In Österreich leben keine Verwandten oder sonstige wichtige Bezugspersonen des Beschwerdeführers. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich bescholten und wurde mit Urteil Landesgerichts XXXX vom XXXX zur Zahl XXXX wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, §§ 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 12 zweiter Fall StGB, § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG nach § 28a Abs 4 SMG unter Anwendung von § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil erhob der Beschwerdeführer Berufung an das Oberlandesgericht XXXX wegen des Ausspruches über die Strafe (Strafhöhe). Das Oberlandesgericht XXXX gab der Berufung des Beschwerdeführers mit Urteil vom XXXX zur Zahl XXXX statt und setzte die über ihn verhängte Freiheitsstrafe auf viereinhalb Jahre herab. Diese Urteile sind seit XXXX rechtskräftig und vollstreckbar.

Der Beschwerdeführer und zwei Mittäter haben im Zeitraum von ca Mitte XXXX bis zu ihrer Festnahme am XXXX bzw. XXXX in XXXX und anderen Orten überwiegend im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 StGB) und als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung (§ 278 StBG) bestehend aus ihnen selbst sowie weiteren Mitgliedern in wechselnder Beteiligung Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Gesamtmenge anderen im Zuge einer Vielzahl überwiegend gewinnbringender Verkaufshandlungen überlassen bzw. zur Überlassung beigetragen. Konkret haben der Beschwerdeführer und seine beiden Mittäter im Zeitraum von ca XXXX bis Ende XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken zumindest 4.199,4 g Cannabiskraut mit nachgenannten Reinsubstanzgehalten (426,4 g reines Delta-9-THC entsprechend der 21,2-fachen Grenzmenge) an einen abgesondert verfolgen Abnehmer und an weitere, größtenteils namentlich nicht bekannte, Abnehmer im Zuge einer Vielzahl gewinnbringender Verkaufshandlungen überlassen bzw. zur Überlassung beigetragen, indem einer der beiden Mittäter jeweils das Suchtgift als unmittelbarer Täter weitergab, sowie der Beschwerdeführer und der zweite Mittäter als Beitragstäter, indem sie das Suchtgift von einem Lieferanten entgegenahmen und an ihrem Wohnort bunkerten, sowie dem ersten Mittäter teilweise für den Weiterkauf übergaben. Zudem haben der Beschwerdeführer und seine Mittäter im Zeitraum von ca XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken weitere zumindest 5.000 g Cannabiskraut mit einem nicht näher bekannten Reinsubstanzgehalt von zumindest 10 % Delta-9-THC (500 g reines Delta-9-THC entsprechend der 25-fachen Grenzmenge) an weitere bislang nicht näher bekannte Abnehmer im Zuge einer Vielzahl gewinnbringender Verkaufshandlungen überlassen bzw. zur Überlassung beigetragen. Weiter hat der Beschwerdeführer vorschriftswidrig Suchtgift erworben und besessen: Konkret haben der Beschwerdeführer und seine beiden Mittäter am XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken 94 g Cannabiskraut zum überwiegend gewinnbringenden Verkauf besessen. Im Zeitraum von ca XXXX bis Ende XXXX hat der Beschwerdeführer wiederholt jeweils geringe Mengen Cannabiskraut zum ausschließlich persönlichen Gebrauch besessen.

Hierfür wurde der Beschwerdeführer nach § 28a Abs 4 SMG unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt. Bei der Strafzumessung wurden das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit mehreren Vergehen, die zweifache Qualifikation des Verbrechenstatbestandes, die Begehung über einen langen Zeitraum und die mehrfache Begehungsweise der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG jeweils durch Erwerb und Besitz als erschwerend gewertet. Als mildernd wurden die (bisherige) Unbescholtenheit, ein geringfügiges Geständnis, eine verminderte Zurechnungsfähigkeit im Zusammenhang mit der Suchtgiftgewöhnung und die Sicherstellung von Suchtmitteln berücksichtigt.

Der Beschwerdeführer befand sich von XXXX in Haft. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer nach Bewilligung durch das Landesgericht für Strafsachen XXXX vom XXXX zu XXXX unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt aus der Freiheitsstrafe entlassen. Zudem wurde Bewährungshilfe angeordnet.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

1.3 Zur Änderung der Umstände seit der Gewährung von subsidiärem Schutz

Seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , mit welchem dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ist es weder zu einer nachhaltigen maßgeblichen Änderung seiner subjektiven bzw persönlichen Situation noch zu einer Verbesserung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan gekommen. Die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes mit Erkenntnis vom XXXX , geführt haben, haben sich seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten insgesamt nicht wesentlich und nachhaltig verändert bzw verbessert.

1.4 Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers

Es werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen:

1.4.1 Staatendokumentation (Stand 13.11.2019, außer wenn anders angegeben):

1.4.1.1 Politische Lage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).

In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).

Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).

Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).

Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 - mit Ausnahme der Provinz Ghazni - Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14. November 2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).

Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.3.2019).

Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Politische Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004, USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).

Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).

Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).

Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.1.2019).

Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.6.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.1.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.6.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.8.2019) - bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 8.9.2019) - mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als "Marionette" des Westens betrachten - auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.8.2019; vgl. NZZ 12.8.2019; DZ 8.9.2019).

Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, MS 28.1.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigten Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.5.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehreren Warlords, statt (Qantara 12.2.2019; vgl. TN 31.4.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.5.2019).

1.4.1.2 Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierungen und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).

Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).

Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit 29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).

Global Incident Map (GIM) verzeichnete in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 3.540 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahr 2018 waren es 4.433.

Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).

Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019).

Zivile Opfer

Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) - dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).

Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl - Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) - 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vgl. SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).

High-Profile Angriffe (HPAs)

Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018). Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen (USDOD 6.2019). Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 73) (USDOD 12.2018), zwischen 1.12.2018 und15.5.2019 waren es 6 HPAs (Vorjahreswert: 17) (USDOD 6.2019).

Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten

Die Zahl der Angriffe auf Gläubige, religiöse Exponenten und Kultstätten war 2018 auf einem ähnlich hohen Niveau wie 2017: bei 22 Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte, meist des ISKP, wurden 453 zivile Opfer registriert (156 Tote, 297 Verletzte), ein Großteil verursacht durch Selbstmordanschläge (136 Tote, 266 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Für das Jahr 2018 wurden insgesamt 19 Vorfälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten dokumentiert, bei denen es insgesamt zu 747 zivilen Opfern kam (223 Tote, 524 Verletzte). Dies ist eine Zunahme von 34% verglichen mit dem Jahr 2017. Während die Mehrheit konfessionell motivierter Angriffe gegen Schiiten im Jahr 2017 auf Kultstätten verübt wurden, gab es im Jahr 2018 nur zwei derartige Angriffe. Die meisten Anschläge auf Schiiten fanden im Jahr 2018 in anderen zivilen Lebensräumen statt, einschließlich in mehrheitlich von Schiiten oder Hazara bewohnten Gegenden. Gezielte Attentate und Selbstmordangriffe auf religiöse Führer und Gläubige führten, zu 35 zivilen Opfern (15 Tote, 20 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Angriffe im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen im Oktober 2018

Die afghanische Regierung bemühte sich Wahllokale zu sichern, was mehr als 4 Millionen afghanischen Bürgern ermöglichte zu wählen (UNAMA 11.2018). Und auch die Vorkehrungen der ANDSF zur Sicherung der Wahllokale ermöglichten eine Wahl, die weniger gewalttätig war als jede andere Wahl der letzten zehn Jahre (USDOS 12.2018). Die Taliban hatten im Vorfeld öffentlich verkündet, die für Oktober 2018 geplanten Parlamentswahlen stören zu wollen. Ähnlich wie bei der Präsidentschaftswahl 2014 warnten sie Bürger davor, sich für die Wahl zu registrieren, verhängten "Geldbußen" und/oder beschlagnahmten Tazkiras und bedrohten Personen, die an der Durchführung der Wahl beteiligt waren (UNAMA 11.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Von Beginn der Wählerregistrierung (14.4.2018) bis Ende des Jahres 2018, wurden 1.007 Opfer (226 Tote, 781 Verletzte) sowie 310 Entführungen aufgrund der Wahl verzeichnet (UNAMA 24.2.2019). Am Wahltag (20.10.2018) verifizierte UNAMA 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) durch Wahl bedingte Gewalt. Die höchste Anzahl an zivilen Opfern an einem Wahltag seit Beginn der Aufzeichnungen durch UNAMA im Jahr 2009 (UNAMA 11.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 6.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 6.2019):

Taliban

Die USA sprechen seit rund einem Jahr mit hochrangigen Vertretern der Taliban über eine politische Lösung des langjährigen Afghanistan-Konflikts. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. Beide Seiten hatten sich jüngst optimistisch gezeigt, bald zu einer Einigung zu kommen (FAZ 21.8.2019). Während dieser Verhandlungen haben die Taliban Forderungen eines Waffenstillstandes abgewiesen und täglich Operationen ausgeführt, die hauptsächlich die afghanischen Sicherheitskräfte zum Ziel haben. (TG 30.7.2019). Zwischen 1.12.2018 und 31.4.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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