TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/11 96/01/0436

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.11.1997
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Avdyl Shala in Wien, geb. am 15. Oktober 1978, vertreten durch Dr. Herbert Veit, Rechtsanwalt in Linz, Coulinstraße 20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Oktober 1995, Zl. 4.347.349/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Oktober 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der "Jugosl. Föderation", der am 24. August 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 31. August 1995 den Asylantrag gestellt hat, gegen den diesen Antrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. September 1995 abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 31. August 1995 angegeben, er stamme aus dem Kosovo, sei albanischer Nationalität und moslemischen Glaubens. Am 12. Juli 1995 sei sein Elternhaus von der serbischen Polizei durchsucht worden, weil sein Vater in seiner in diesem Haus befindlichen Druckerei albanische Schulbücher hergestellt habe. Dieses Unterrichtsmaterial sei beschlagnahmt worden. Dem Vater des Beschwerdeführers sei aufgetragen worden, sich bis 15. August 1995 zu überlegen, ob er nicht lieber Bücher in serbokroatischer Sprache drucken wolle. Der Vater habe am 20. Juli 1995 das Haus verlassen, da er Bücher in serbokroatischer Sprache nicht habe drucken wollen. Der Beschwerdeführer wisse seither nichts vom Aufenthaltsort seines Vaters. Am 15. August 1995 seien wieder Polizisten gekommen und hätten die Druckmaschinen beschlagnahmt. Sie hätten dem Beschwerdeführer für den Fall, daß sein Vater sich nicht melden würde, angedroht, den Beschwerdeführer mitzunehmen. Der Beschwerdeführer könne sich nicht erklären, aus welchem Grund die Polizisten ihn hätten festnehmen sollen. Die Polizisten hätten gesagt, daß man den Beschwerdeführer, sollte sein Vater nicht zu Hause sein, nach Bosnien schicken würde. Der Beschwerdeführer nehme an, daß man ihn in den Krieg geschickt hätte. Was genau passiert wäre, könne er nicht sagen. Es sei aber vielen etwas Schreckliches passiert und deshalb habe er Angst gehabt. In seinem Heimatort hätten viele Männer Einberufungsbefehle bekommen und seien in den Krieg geschickt worden. Der Beschwerdeführer habe mit demselben Schicksal gerechnet. Über Vorhalt, daß keine Truppen der "Jugoslawischen Föderation" im Krieg in Bosnien im Einsatz stünden, gab der Beschwerdeführer an, die Polizisten würden die Personen "nehmen", dort hinschicken und was sie dann mit ihnen täten, wüßten nur die Polizisten selbst. In diesem Jahr seien junge Männer aus seinem Heimatort nach Bosnien geschickt worden und tot zurückgekommen. Der Beschwerdeführer habe sich am 15. August 1995 zu seinem Onkel begeben und am 23. August 1995 den Kosovo verlassen.

Das Bundesasylamt wies den Antrag des Beschwerdeführers unter anderem deswegen ab, weil er nicht Flüchtling sei. Es begründete nach Zusammenfassung des Inhaltes der niederschriftlichen Einvernahme zu den Fluchtgründen und allgemeinen Ausführungen zur Situation im Kosovo, der Beschwerdeführer habe aus behaupteter Furcht, von der Polizei in den Krieg nach Bosnien geschickt zu werden, sein Heimatland verlassen. Daß man nach seinem Vater gesucht habe, weil dieser albanischsprachiges Unterrichtsmaterial gedruckt habe, sei nicht relevant, da es sich, um eine Asylgewährung zu gestatten, um Dinge handeln müsse, die den Asylwerber selbst beträfen. Zur Furcht des Beschwerdeführers, er werde im Zuge der Suche nach seinem Vater nach Bosnien in den Krieg geschickt, führte die Behörde erster Instanz folgendermaßen aus:

"Die von Ihnen genannte subjektiv empfundene Furcht, von den serbischen Polizisten nach Bosnien in den Krieg geschickt zu werden, ist aus objektiver Sicht in keinster Weise nachzuvollziehen.

Ihrer Behauptung - in Bosnien-Herzegowina auf einem Kriegsschauplatz eingesetzt zu werden - muß entgegengehalten werden, da - wie bereits in den Feststellungen ausgeführt - die Armee der Jugoslawischen Föderation nicht in einem kriegerischen Einsatz in Bosnien steht. Seit 1994 wird den bosnischen Serben die Unterstützung aus Belgrad versagt. Es ist ausgeschlossen, daß ein Bewohner der Jugoslawischen Föderation nach Bosnien einberufen wird. Darüber hinaus werden die Kosovo-Albaner im speziellen nur mehr in technischen Einheiten eingesetzt und nicht mehr an Waffen ausgebildet, so wie nur mehr zu Hilfsdiensten herangezogen. Im Falle einer Einberufung zum Militär hätten Sie somit auf keinen Fall das zu befürchten gehabt, was Sie als Fluchtgrund angegeben haben. Nach dem neuesten Stand der Dinge haben bereits zehntausende Kosovo-Albaner die Einberufung zum Militär verweigert. Die erkennende Behörde stellt nich in Abrede, daß die Polizei Sie wegen des Militärdienstes kontaktiert haben könnte. Wenn Sie deswegen eine Verfolgung zu erwarten hatten, dann lediglich aus strafrechtlichem Hintergrund, weil Sie einem Einberufungsbefehl nicht Folge leisten haben wollen, jedoch mit Sicherheit nicht aus einem im § 1 Ziff. 1 Asylgesetz 1991 aufgezählten Gründen. Auch in allen westlichen Ländern Europas muß jeder, der den Einberufungsbefehl mißachtet, mit Bestrafung rechnen. Diese Umstände haben auch nichts mit Ihrer albanischen Abstammung zu tun."

Die dagegen erhobene Berufung lautet:

"Die Bezirkshauptmannschaft Baden als Vertreter des SHALA Avdyl vertritt die Meinung, daß die Asylbehörde bei der Bescheiderstellung zuwenig auf die vom Asylwerber bei der Einvernahme vorgebrachten Angaben eingegangen ist und die Situation im Heimatland nicht richtig beurteilt hat. Eine Rückkehr des Asylwerbers in seine Heimat erscheint zum jetzigen Zeitpunkt, aber auch in der nahen und fernen Zukunft unter den dort herrschenden Verhältnissen für seine Sicherheit nicht ratsam.

Die genauere Überprüfung der Angaben des Asylwerbers hätten dem gegenständlichen Verfahren andere Entscheidungskriterien eröffnet."

Mit dem Bescheid vom 16. Oktober 1995 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. Sie erhob die vom Bundesasylamt wiedergebenen niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Sie ging von der Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 AsylG 1991 aus und legte der Abweisung der Berufung und damit der Versagung von Asyl die im erstinstanzlichen Bescheid zusammengefaßten Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die maßgebenden Erwägungen der Beweiswürdigung und die Beurteilung der Rechtsfrage durch das Bundesasylamt vollinhaltlich zugrunde und erhob diese Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid zum Inhalt des angefochtenen Bescheides.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Insoferne die Beschwerde die Rechtmäßigkeit des von der belangten Behörde gewählten Vorganges rügt, auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides zu verweisen, insbesondere weil nicht erkennbar sei, was die belangte Behörde nun tatsächlich übernommen habe, ist ihm zu entgegnen, daß aus der von der belangten Behörde gewählten Diktion nachvollziehbar zu erkennen ist, daß sie sowohl die unter anderem auf den eigenen niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers beruhenden Sachverhaltsfeststellungen als auch die daraus resultierende rechtliche Beurteilung dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegt hat, wozu sie, ohne die im erstinstanzlichen Bescheid zusammengefaßten Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die maßgebenden Erwägungen der Beweiswürdigung und die Beurteilung der Rechtsfrage durch das Bundesasylamt wiederholen zu müssen, berechtigt war (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045).

Der Beschwerdeführer hat seine Furcht ausschließlich auf den ihm drohenden Militärdienst samt Verschickung nach Bosnien gegründet. Der von der belangten Behörde übernommenen Annahme der Behörde erster Instanz, daß keine serbischen Truppen in Bosnien im Einsatz stünden, tritt der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht entgegen. Hingegen bringt er nunmehr erstmalig vor, daß die jugoslawischen Behörden bevorzugt Angehörige von Minderheiten zum Militärdienst einzögen. Im Falle einer Weigerung würden diese stärker verfolgt. Die Einberufung von ethnischen Albanern diene demnach in erster Linie nicht der Verteidigungsbereitschaft sondern der ethnischen Säuberung, die albanischstämmige Bevölkerung solle dadurch zum Verlassen des Landes gezwungen werden. Ein solches Vorbringen hat der Beschwerdeführer weder anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 31. August 1995 noch in seiner Berufung erstattet. Daher unterliegt sein numehriges Vorbringen dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.

Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, daß die Einberufung zur Militärdienstleistung im allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstelle, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes stellt in der Regel keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingeigenschaft dar, da die Militärdienstpflicht alle in einem entsprechenden Alter befindlichen männlichen Staatsbürger in gleicher Weise trifft. Eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in den betroffenen Heimatstaaten Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben. Die Furcht wegen Einberufung zum Militärdienst könnte nur dann von asylrechtlicher Relevanz sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen die Behandlung während der Militärdienstleistung nachteiliger bzw. eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377 = Slg. Nr. 14.089/A). Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren als fluchtauslösenden Grund lediglich angegeben, er habe Furcht vor dem seiner Einberufung folgenden Einsatz in Bosnien gehabt. Auf die vom Bundesasylamt herangezogene und von der belangten Behörde übernommene Begründung, die Armee der "Jugosl. Föderation" versage den bosnischen Serben seit dem Jahre 1994 jegliche militärische Unterstützung, weshalb es ausgeschlossen sei, daß ein Bewohner der "Jugosl. Föderation" nach Bosnien einberufen werde, geht der Beschwerdeführer weder in der Berufung noch auch in der Beschwerde ein. Da jene Armee, zu der der Beschwerdeführer einberufen worden ist, nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde in kriegerische Auseinandersetzungen in Bosnien nicht verwickelt ist, erscheint auch dem Verwaltungsgerichtshof die Furcht des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar.

Droht dem Beschwerdeführer aus objektiver Sicht die von ihm befürchtete Maßnahme (Einberufung zwecks Einsatz in Bosnien) gar nicht, so ist auch die Ursache für die subjektive Furcht des Beschwerdeführers unwesentlich (hier auch, daß der Beschwerdeführer den Behörden den Aufenthaltsort seines Vaters melde). Auch eine allfällig dem Vater des Beschwerdeführers drohende Verfolgung führt im konkreten Zusammenhang nicht zu einer asylrechtlich relevanten, dem Beschwerdeführer selbst drohenden Verfolgung.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides (Sicherheit des Beschwerdeführers vor Verfolgung in Ungarn) sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996010436.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten