TE Bvwg Beschluss 2020/6/16 W131 2162753-1

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Veröffentlicht am 16.06.2020
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Entscheidungsdatum

16.06.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §6
AsylG 2005 §9 Abs2 Z3
AVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §17

Spruch

W131 2162753-1/80Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.06.2017, Zahl XXXX :

A)

Das Verfahren wird gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem beim LG Korneuburg anhängigen Strafverfahren zu 632 HV 8/20k ausgesetzt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Am 23.09.2015 stellte der nunmehrige Beschwerdeführer (= Bf) einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

2. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 06.06.2017 vollinhaltlich negativ beschieden, dagegen richet sich die rechtzeitig erhobene Bescheidbeschwerde.

3. Mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Korneuburg vom 15.05.2020, Zahl 25 St 16/20w-1, wurde der belangten Behörde mitgeteilt, dass gegen den Beschwerdeführer Anklage wegen des Verdachtes der strafbaren Handlungen nach § 201 Abs 1 und 2 1. Fall, 127 und 15, 269 Abs 1 StGB erhoben worden sei.

4. Den Parteien wurde dieses Schreiben mit hg Schriftsatz vom 28.05.2020 vorgehalten, dies mit dem Ersuchen um Stellungnahme binnen einer Woche im Hinblick auf eine hg avisierte Aussetzung des Beschwerdeverfahrens wegen Vorliegens von Vorfragen. Diese Frist ist in der Folge seitens der Beschwerdeführervertretung fruchtlos verstrichen.

5. Die belangte Behörde brachte mit Schriftsatz vom 04.06.2020 im Wesentlichen vor, dass die Klärung der Vorfrage von keiner verfahrensrelevanten Bedeutung für die Hauptfragen sei, da die Beschwerden hinsichtlich Asyl und subsidiären Schutz jeweils negativ zu beurteilen seien.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer hat in Österreich um die Gewährung internationalen Schutzes angesucht, in dieser Angelegenheit liegt noch keine rechtskräftige Entscheidung vor.

Gegen den Beschwerdeführer wurde zur Zahl 25 ST 16/20w Anklage wegen des Verdachts der vorsätzlichen Begehung folgender strafbarer Handlungen erhoben:

* Vergewaltigung (§ 202 Abs 2 1. Fall StGB)

* Diebstahl (§ 127 StGB)

* versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt (§§ 15, 269 Abs 1 StGB)

Die Hauptverhandlung beginnt nach dz gerichtlichen Wissensstand am 6.8.2020 beim LG Korneuburg zur GZ 632HV 8/20k.

2. Beweiswürdigung:

Die Asylwerbereigenschaft ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Die Feststellung zur Anklageerhebung ergibt sich aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft Korneuburg vom 15.05.2020, Zahl 25 St 16/20w, mit welchem der belangten Behörde mitgeteilt wurde, dass gegen den Beschwerdeführer Anklage wegen des Verdachts der strafbaren Handlungen nach § 201 Abs 1 und 2 1. Fall, 127 sowie 15, 269 Abs 1 StGB erhoben worden sei.

Die HV-Zahl und der Hauptverhandlungsbeginn ergeben sich aus den Folgeermittlungen des BVwG.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Anwendbare Rechtsgrundlagen

Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl I 2005/100, lautet auszugsweise:

"3. Abschnitt

Ausschluss von der Zuerkennung und Aberkennung des Status des Asylberechtigten

Ausschluss von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten

§ 6. (1) Ein Fremder ist von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn

1. und so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;

3. aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, oder

4. er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

(2) Wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 gilt."

"4. Abschnitt

Status des subsidiär Schutzberechtigten

Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) und (3) [...]

(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

(4) bis (7) [...]

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9. (1) [...]

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

(4) [...]"

Das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl 1991/51 (WV), idgF lautet auszugsweise:

"§ 38. Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird."

Das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz VwGVG), BGBl I 2013/33, lautet auszugsweise:

"3. Abschnitt

Verfahren vor dem Verwaltungsgericht

Anzuwendendes Recht

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte."

3.2. Bei der Entscheidung der Zuerkennung von Asyl bzw von subsidiärem Schutz ist auch die Frage der Verwirklichung von Ausschlusstatbeständen rechtserheblich. Das Verbrechen des Widerstands gegen die Staatsgewalt (§ 269 StGB, anzumerken ist, dass der Straftatbestand auch zu einer Verurteilung wegen eines Vergehens führen kann) ist geeignet, einen Ausschluss des Beschwerdeführers von der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten herbeizüführen. Das Verbrechen der Vergewaltigung (im vorliegenden Fall nach § 201 Abs 2 1. Fall mit einem Strafrahmen von 5 bis 15 Jahren) ist geeignet, als besonders schweres Verbrechen einen Ausschluss des Beschwerdeführers von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten herbeizuführen.

Dass die belangte Behörde nach wie vor von der Richtigkeit ihrer Entscheidung ausgeht, ist nicht überraschend, in logischer Konsequenz ist für die belangte Behörde auch die Frage allfällig verwirklichter Ausschlussgründe nicht von Relevanz.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch nicht denkunmöglich, dass die Voraussetzungen nach §§ 3 oder 8 AsylG 2005 dem Grunde nach vorliegen könnten, weshalb insb eine Verurteilung wegen der strafbarkeitsqualifizierten Vergewaltigung jedenfalls einen Ausschlussgrund für den Status gemäß § 3 AsylG oder gemäß § 8 AsylG darstellen könnte.

Die Frage, ob der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen begangen hat, ist als Hauptfrage von den ordentlichen Gerichten zu beurteilen. Aus Gründen der Verfahrensökonomie gemäß § 39 AVG rücksichtlich des im Raum stehenden Ausschlussgrunds betreffend Asyl oder subsidiären Schutz ist es daher zweckmäßig, das Beschwerdeverfahren auszusetzen, zumal das BVwG ansonsten weitere vorfragenbezügliche (oder auch andere) weitwendige Ermittlungen selbst anstellen müsste, nachdem der Bf zB im letzten Verhandlungstermin beim BVwG ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das iSd Maßstäbe für eine Sachverständigenbeiziehung, wie zB in VwGH zu Zl 2007/04/0012 judiziert, die fortgesetzte Befassung eines psychiatrischen Sachverständigen indiziert erscheinen lässt.

Es war somit auszusetzen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylausschlussgrund Aussetzung besonders schweres Verbrechen Strafverfahren Vergewaltigung Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W131.2162753.1.00

Im RIS seit

05.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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