Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Naim Marmullakaj in Salzburg, geboren am 3. Jänner 1963, vertreten durch Dr. Friedrich Gehmacher, Rechtsanwalt in Salzburg, Alter Markt 7/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. Juni 1995, Zl. 4.338.758/7-III/13/95, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation", der am 30. April 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 11. Juni 1992, mit dem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, mit Berufung bekämpft.
Nach der mit hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1994, Zl. 94/01/0481, wegen der rechtsirrigen Anwendung des Asylgesetzes 1991 ausgesprochenen Behebung ihres über diese Berufung ergangenen Bescheides vom 27. April 1994 wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 1. Juni 1995 die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG neuerlich ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hat bei seiner Ersteinvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 6. Mai 1992 angegeben, er sei seit 1987 Mitglied des Demokratischen Verbandes im Kosovo. Am 16. und am 25. April 1992 sei er von der Bundesarmee gesucht worden, habe sich aber rechtzeitig verstecken können. Er wolle nicht in einer ihm feindlichen Armee gegen seine Landsleute kämpfen. Die Serben hätten die Albaner und alle Minderheiten in Jugoslawien immer unterdrückt und wollten ein großserbisches Reich errichten; sie wollten die "neuen Herren in Jugoslawien" werden und wer sich ihnen in den Weg stelle, werde "elliminiert". Der Beschwerdeführer sei für die Demokratie, lehne die Diktatur der Serben ab und habe sich daher zur Flucht entschlossen. Er habe keinen Einberufungsbefehl erhalten, doch hole die Bundesarmee die Leute einfach ab und schicke sie an die Front. Er könne, solange die Serben an der Macht seien, nicht in seine Heimat zurück und würde wahrscheinlich sofort an die Front geschickt.
In seiner Berufung bzw. Berufungsergänzung bekräftigte der Beschwerdeführer seine Ausführungen vor der Behörde erster Instanz und machte geltend, entgegen der im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Auffassung erfolge nicht nur eine einmalige Einberufung, sondern würden Zustellversuche mehrmals vorgenommen, dies auch noch, wenn die betreffenden Personen versteckt oder schon außer Landes seien. Er habe sich, als er von der Miliz gesucht worden sei, bei seinem Onkel in einem 50 km entfernten Ort aufgehalten und sei in der Folge nicht mehr nach Hause gefahren, sodaß er den Einberufungsbefehl nicht habe sehen können.
Mit Eingabe vom 8. Mai 1995 stellte der Beschwerdeführer unter Vorlage der Übersetzung eines gegen ihn seitens des Gemeindegerichtes Pristina ergangenen Urteiles bei der belangten Behörde einen Antrag, ihm als politisch Verfolgten eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen und Asyl zu gewähren. Zur Begründung führte er aus, er sei mit diesem Urteil in Abwesenheit von einem serbischen Schöffengericht zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt worden. Er habe die ihm zur Last gelegte Tat - Gründung einer feindlichen Organisation mit dem Ziel der Ausübung einer feindlichen Tätigkeit - nicht begangen und laufe im Fall seiner Rückkehr daher Gefahr, unschuldig ins Gefängnis gesteckt zu werden.
Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers damit begründet, daß die Einberufung zum Militärdienst bzw. die Verweigerung, diesen abzuleisten, aber auch die Furcht vor einer aus diesen Gründen drohenden Strafe nicht als asylbegründende Tatsachen angesehen werden könnten. Im Zusammenhang damit stellte die belangte Behörde die Praxis der jugoslawischen Militärbehörden bei der Einberufung dar und verwies darauf, daß weder bei der Einberufung noch bei der Strafverfolgung an ethnischen Kriterien anknüpfende Unterscheidungen getroffen würden. Im Hinblick darauf, daß sich die Truppen der "ehemaligen SFRJ" beginnend mit Ende April 1992 aus Bosnien-Herzegowina zurückgezogen hätten, stimme die Befürchtung des Beschwerdeführers, im Fall seines Aufgreifens an der Front eingesetzt zu werden, nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten überein. Dem Beschwerdeführer sei am 27. Dezember 1993 seitens des Generalkonsulates seines Heimatlandes die Gültigkeit seines - der belangten Behörde nicht bekanntgegebenen - Reisepasses auf fünf Jahre verlängert worden. Eine derartige Verlängerung werde nur nach Rückfrage bei den Heimatbehörden, ob gegen den Antragsteller etwas vorliege, gewährt. Auf Grund dieser Verlängerung und des Umstandes, daß der Beschwerdeführer während des Asylverfahrens mit staatlichen Institutionen seines Heimatlandes in Kontakt getreten sei, erweise sich die Annahme, daß der Beschwerdeführer weder Verfolgung erlitten habe noch solche befürchten müsse, als gerechtfertigt. Auf den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung sei mangels Vorliegens gesetzlicher Voraussetzungen nicht einzugehen gewesen.
Wohl wurde die Übersetzung des Urteils des Gemeindegerichtes Pristina vom Beschwerdeführer im Zusammenhang mit einem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung der belangten Behörde vorgelegt, doch ist in diesem Antrag auch das Ersuchen um Asylgewährung enthalten. Daraus folgt, daß der Beschwerdeführer mit der Vorlage dieser Urkunde auch den Zweck verfolgte, diese in sein im damaligen Zeitpunkt bei der belangten Behörde (wieder) anhängiges Berufungsverfahren über seinen Asylantrag einzubringen. Die belangte Behörde wäre daher entgegen ihrer - diese Urkunde offenbar lediglich mit dem Antrag auf Aufenthaltsbewiligung in Zusammenhang bringenden - Auffassung verpflichtet gewesen, dieses Urteil beweiswürdigend in ihre Erwägungen einzubeziehen, hat doch der Beschwerdeführer bei seiner Ersteinvernahme angeführt, er gehöre dem Demokratischen Verband im Kosovo an, sodaß insbesondere im Zusammenhang mit dieser Behauptung dieses Urteil nicht von vornherein als unerhebliche Beweismittel angesehen werden kann. Im Hinblick auf das bisherige auf seine Militärdienstleistung Bezug nehmende Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren wird im fortgesetzten Verfahren auch auf die im hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A, festgelegten Grundsätze Bedacht zu nehmen sein.
Da der Sachverhalt sohin in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und somit auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996010218.X00Im RIS seit
20.11.2000