TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/11 96/01/0372

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Veröffentlicht am 11.11.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §20 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Otasowie Omoregie, geboren am 2. Februar 1969, vertreten durch Dr. Silvia Franek, Rechtsanwalt in Baden, Am Fischertor 5/1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. März 1996, Zl. 4.337.664/8-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, der am 2. April 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am selben Tag den Asylantrag gestellt hat, hat bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 19. Mai 1992 zu seinen Fluchtgründen folgendes angegeben:

Sein Vater sei Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei ("SDP") in Benin City, Oredo, gewesen. Er selbst sei seit 1989 Mitglied dieser Partei, habe jedoch keine offizielle Funktion innegehabt, sondern sei seinem Vater bei der Führung der Partei behilflich gewesen. Da sein Vater eine sehr wichtige Persönlichkeit in der Partei gewesen sei, sei nach den Wahlen vom Februar 1992 vom Führer der Oppositionspartei "National Republic of Convention (NRC)" beschlossen worden, seinen Vater und ihn zu töten. Diese Information habe sein Vater von einem Freund erhalten, der zu beiden Parteien Kontakt habe. Eine andere führende Persönlichkeit der "SDP" sei bereits getötet worden. Seitens der Polizei habe er keine Hilfe zu erwarten gehabt, weil der Führer der "NRC" Multimillionär und die Polizei korrupt sei, sodaß niemand etwas gegen diese Partei unternehme. Nachdem der Beschwerdeführer die Information über seine geplante Ermordung erhalten habe, habe er sich zu seinem Onkel nach Lagos begeben, wo er sich bis zu seiner Ausreise aus Nigeria versteckt gehalten habe.

In seiner Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 21. Mai 1992, mit welchem der Asylantrag abgewiesen worden war, wiederholte der Beschwerdeführer im wesentlichen seine niederschriftlichen Angaben. Der diese Berufung abweisende Bescheid der belangten Behörde vom 25. Mai 1994 wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 2. März 1995, Zl. 94/19/1294, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94, aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vor, daß die "SDP" bei den am 4. Juli 1992 in Nigeria stattgefundenen Wahlen zum Repräsentantenhaus und Senat die Mehrheit errungen habe. Der Beschwerdeführer ergänzte daraufhin am 7. Juli 1995 seine Berufung und führte aus, daß die "SDP" um die Früchte dieses Wahlsieges betrogen worden sei. Der Gewinner der Präsidentenwahl befinde sich nach wie vor rechtswidrig in Haft. Die Parteiaktivitäten fänden nach wie vor in der Illegalität statt. Die Regierung werde bis heute von einer Militärjunta gestellt.

Mit Bescheid vom 22. März 1996 hat die belangte Behörde die Berufung neuerlich abgewiesen.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der belangten Behörde ist zuzustimmen, daß die bloße Zugehörigkeit zu einer politischen Partei grundsätzlich für sich allein noch nicht die Flüchtlingseigenschaft nach sich zieht. Der Beschwerdeführer hat jedoch seine behauptete Verfolgung nicht auf die bloße Mitgliedschaft zur "SDP" gestützt, sondern vorgebracht, daß er seinen Vater, der Führer dieser Partei sei, bei dessen Tätigkeit unterstützt habe, somit in der Parteiführung tätig gewesen sei. Die belangte Behörde hat dieses Vorbringen nicht als glaubwürdig erachtet und dazu ausgeführt, daß "das aktive Eintreten für eine Organisation nur dann glaubhaft ist, wenn der Asylsuchende hinreichende Kenntnisse über ihre Zielsetzung, örtliche Struktur und Arbeitsweisen nachweist und seinen Beitritt, seine Motive und Tätigkeiten für diese Organisation im einzelnen in zeitlich und örtlich nachvollziehbarem Zusammenhang darlegt und diese Angaben durch seine persönliche Glaubwürdigkeit untermauert". Diese Beweiswürdigung hält der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen dessen Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht stand. Abgesehen davon, daß es durchaus plausibel ist, wenn der Sohn des Führers einer Partei auch für diese Partei tätig ist, wurde der Beschwerdeführer nach dem Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens gar nicht nach den Zielsetzungen und der Arbeitsweise der Partei befragt.

Der Ansicht der belangten Behörde, daß die vorgebrachte Bedrohung des Vaters des Beschwerdeführers durch die "NRC" als nicht gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung für das vorliegende Verfahren irrelevant sei, ist zu entgegnen, daß der Beschwerdeführer vorgebracht hat, die "NRC" trachte nicht nur seinem Vater, sondern auch ihm selbst nach dem Leben. Die von der belangten Behörde "darüber hinaus" vorgenommene Beweiswürdigung, daß das Vorbringen über die Verfolgung des Vaters "schon an sich" nicht glaubwürdig sei, ist mangels nachvollziehbarer Begründung nicht schlüssig. Hiezu sei noch ergänzt, daß die Unglaubwürdigkeit dieses Vorbringens auch nicht darauf gestützt werden kann, daß der Beschwerdeführer nicht behauptet hat, die Drohung gegenüber seinem - in der Heimat verbliebenen - Vater sei inzwischen wahrgemacht worden, weil der Beschwerdeführer auch danach nicht gefragt wurde.

Weiters führt die belangte Behörde aus, daß es sich bei der von der "NRC" ausgehenden Bedrohung um "Übergriffe von Einzelpersonen" handle, welche nicht dem Staat zuzurechnen seien. Eine von staatlichen Stellen nicht hintangehaltene und daher dem Staat zuzurechnende Verfolgung liege nicht vor, weil der Beschwerdeführer gar nicht um staatlichen Schutz und Hilfe angesucht habe und daher keine staatliche Weigerung, dem Beschwerdeführer Unterstützung zu gewähren, vorliege. Die Behauptung des Beschwerdeführers, die Polizei sei korrupt, sei so allgemein und abstrakt gehalten, daß sie sich einer Überprüfung an der Wirklichkeit entziehe.

Diesbezüglich hat der Beschwerdeführer dargelegt, daß es sich bei dem Führer der "NRC" um einen "Multimillionär" handle und dies die Ursache dafür sei, daß die korrupte Polizei nichts gegen diesen unternehme. Er hat damit deutlich ausgeführt, daß seiner Meinung nach die Polizei vom Führer der "NRC" bestochen sei und aus diesem Grund nichts gegen von Mitgliedern der "NRC" begangene Verbrechen unternehme. Da der Beschwerdeführer auch dazu nicht näher befragt wurde, hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde, wonach diese Darstellung zu abstrakt und daher unglaubwürdig sei, einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auch in diesem Punkt nicht stand.

In diesem Zusammenhang sei ausgeführt, daß das Vorbringen in der Berufungsergänzung, wonach die "SDP" auch nach ihrem Wahlsieg unterdrückt werde, deshalb nicht gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 unbeachtlich ist, weil es sich bei der dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde vorgehaltenen Wahl vom 4. Juli 1992 um einen seit der Entscheidung erster Instanz geänderten Sachverhalt handelt (§ 20 Abs. 2 dritter Fall leg. cit.). Insofern die belangte Partei aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers, er habe sich vor seiner Ausreise bei seinem Onkel in Lagos aufgehalten, zur Ansicht gelangte, dem Beschwerdeführer stehe eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung, ist ihr zu entgegnen, daß sich der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen bei seinem Onkel versteckt gehalten hat und daher nicht davon ausgegangen werden kann, daß er dort vor Verfolgung sicher gewesen sei.

Da die belangte Behörde bei Unterbleiben der aufgezeigten Verletzungen von Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996010372.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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