Entscheidungsdatum
02.07.2020Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W165 2223445-1/7E
W165 2223441-1/3E
W165 2223442-1/3E
W165 2223444-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidung der österreichischen Botschaft Islamabad vom 20.08.2019, GZ: Islamabad-ÖB/KONS/4057/2018, aufgrund der Vorlageanträge von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , und 4.) XXXX , geb. XXXX , die minderjährigen Beschwerdeführer gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , diese vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Veap Elmazi, LL.M., Neustiftgasse 3/5, 1070 Wien, alle StA. Afghanistan, über die Beschwerden gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 11.06.2019, GZ: Islamabad-ÖB/KONS/4057/2018, beschlossen:
A)
Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG stattgegeben, die bekämpften Bescheide werden behoben und die Angelegenheit wird zur Erlassung neuerlicher Entscheidungen zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), Staatsangehörige Afghanistans, brachten am 31.10.2018 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (im Folgenden: ÖB Islamabad), Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 (im Folgenden AsylG), ein. Bei den minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführern (im Folgenden: BF2 bis BF4), handelt es sich um die Kinder der Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1).
Als Bezugsperson wurde der (angebliche) Ehegatte der BF1 und Vater der BF2 bis BF4 angegeben, dem mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), vom 13.08.2015, Zl. 1052684609-150220232, nach Asylantragstellung am 02.03.2015, der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt wurde. Die damit verbundene befristete Aufenthaltsberechtigung wurde bislang stets verlängert, zuletzt mit Bescheid des BFA vom 10.07.2018 und ist aktuell bis 13.08.2020 gültig.
Den Anträgen waren diverse Unterlagen in Kopie angeschlossen: Unter anderem Reisepasskopien der BF; Personalausweise der BF (Tazkiras); eine E-Card der Bezugsperson; ein Auszug aus dem ZMR betreffend die Bezugsperson; der Bescheid des BFA vom 10.07.2018 über die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung bis 13.08.2020; ein Arbeitsvertrag der Bezugsperson mit einer Autoservice GesmbH vom 12.06.2018 über eine Verwendung als Arbeiter mit einfachen Tätigkeiten, Reinigung der Betriebsanlage, Reinigung und Aufbereitung von Fahrzeugen, zu einem Monatslohn von mindestens 1.500,-- Euro brutto laut Kollektivvertrag; Lohn-/Gehaltsabrechnungen der Autoservice GesmbH für den Zeitraum Juli 2018 bis September 2018 über Nettogehälter von Euro 1.226,42, Euro 1.249,43 und Euro 1.297,53; einen Mietvertrag der Bezugsperson über eine Wohnung von 58 m2 zu einem Hauptmietzins von Euro 465,53 vom 15.03.2017.
Weiters war den Anträgen eine als „Marriage Certificate“ übertitelte Urkunde eines afghanischen Gerichtes in Originalsprache und englischer Sprache (Letztere jedenfalls ohne Ausstellungsdatum), angeschlossen, derzufolge drei namentlich genannte Zeugen in Anwesenheit zweier weiterer namentlich genannter Zeugen am 11.04.2016 in einem öffentlichen Notariat (Notary public of XXXX , district of Nangarhar province) erschienen seien und bestätigt hätten, dass sie die BF1 und die Bezugsperson sowie die weiteren beiden Zeugen gut kennen würden und die BF1 und die Bezugsperson am 13.07.1383, gleichzusetzen mit 04.10.2004, („13/07/1383 equivalent to 04.10.2004“), (ohne Ortsangabe) geheiratet hätten.
In der in der Folge beigebrachten deutschen Fassung der Heiratsurkunde ist das Hochzeitsdatum mit „13.07.1383 = 01.09.1999“ angegeben.
Mit Schreiben vom 31.10.2018 erteilte die ÖB Islamabad den BF einen Verbesserungsauftrag, mit welchem bezüglich der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG zur Vorlage einer Kopie des Krankenversicherungsschutzes (Versicherungsdatenauszug) der Bezugsperson aufgefordert wurde. Dem Verbesserungsauftrag wurde in der Folge entsprochen.
In ihrem Interview vor der ÖB Islamabad am 31.10.2018 gab die BF an, dass sie ihren Ehemann vor ca. 15 Jahren im Alter von 13 Jahren in Nangarhar geheiratet und mit diesem drei mit Vornamen und Alter genannte Kinder habe. Sie besitze keine Heiratsurkunde vom Zeitpunkt der Eheschließung. Ihre Ehe habe sie vor zwei Jahren registrieren lassen. Ihren Ehemann habe sie seit dessen Ausreise einmal vor acht bis neun Monaten in Islamabad und Peshawar (gemeinsamer Aufenthalt von einem Monat in einem Hotel), getroffen. Die Frage, ob ihr von ihrem Ehemann etwas über Österreich, sein dortiges Leben, Hobbies, etc erzählt worden sei, wurde mit „nein“ beantwortet.
Die Bezugsperson gab in ihrer Erstbefragung in ihrem Asylverfahren am 02.05.2015 an, traditionell verheiratet zu sein und nannte ihre Ehefrau und ihre drei Kinder jeweils mit deren Vornamen und Alter. In ihrer Einvernahme im Asylverfahren vor dem BFA am 17.06.2015 gab die Bezugsperson an, seit 2004 mit der namentlich genannten BF1, 24 Jahre alt, verheiratet zu sein. Eine Heiratsurkunde habe sie nie besessen und könne sie ihre Ehe nicht beweisen. Weiters nannte die Bezugsperson, wie in der Erstbefragung, ihre drei Kinder mit der BF1 mit Vornamen und deren Alter. In einer weiteren Einvernahme im Zuge ihres Asylverfahrens am 19.06.2019 gab die Bezugsperson an, dass sie die BF1 Ende 2004, Anfang 2005 geheiratet habe.
Zu den seitens der ÖB Islamabad an das BFA samt Unterlagen weitergeleiteten Einreiseanträgen teilte das BFA der ÖB Islamabad mit (gleichlautenden) Schreiben vom 09.05.2019 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Der Antragsteller habe die Erfüllung folgender Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG nicht nachweisen können (einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen werde, § 60 Abs. 2 Z 1 AsylG; dass sein Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könne, § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG) und erscheine die Einreise des Antragstellers zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten. Die Angaben des Antragstellers zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG würden in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen. In der der Mitteilung angeschlossenen Stellungnahme vom selben Tag führte das BFA in Bezug auf die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG näher aus, dass der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führe, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte habe, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermögliche und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG entsprechen würden. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte würden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, etc. Dabei bleibe einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 2. Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führe zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. In Verfahren bei Erstanträgen seien soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage. Die Bezugsperson habe Einkommensnachweise einer Autoservice GesmbH vorgelegt, bei welcher diese seit 19.06.2018 als Arbeiter mit einfachen Tätigkeiten beschäftigt sei. Das ausgewiesene Durchschnittseinkommen entspreche der Höhe nach nicht den Richtsätzen nach § 293 ASVG. Der Familienangehörige habe für sich und seine Ehefrau den „Ehegattenrichtsatz“ aufzubringen. Zudem wären die Richtsätze die minderjährigen Kinder zu erfüllen. Zudem müssten diese Beträge nach Abzug der monatlichen regelmäßigen Kosten (wie Miete, Kreditraten, etc.), soweit diese den sog. „Wert der freien Station“ gemäß § 292 Abs. 3 ASVG übersteigen würden, zur Verfügung stehen. Der erforderliche Gesamtbetrag werde unter Einrechnung der Sonderzahlungen nicht erreicht.
Bei der Mietwohnung der Bezugsperson (58 m2) handle es sich um keine ortsübliche Unterkunft für ein Ehepaar mit drei Kindern.
Die Voraussetzungen des § 60 AsylG würden sohin nicht vorliegen.
Aufgrund der Aussagen der Bezugsperson zur Eheschließung sowie mangels relevanter und unbedenklicher Beweismittel sei keineswegs vom Nachweis im Sinne eines vollen Beweises des Familienverhältnisses auszugehen. Noch in ihrer Einvernahme am 19.06.2019 habe die Bezugsperson davon gesprochen, dass sie Ende des Jahres 2004, Anfang des Jahres 2005, geheiratet habe. Die vorgelegte Heiratsurkunde weise jedoch als Eheschließungsdatum den 01.09.1999 auf. Die Registrierung der Eheschließung sei zudem erst am 11.04.2016 erfolgt, womit offensichtlich sei, dass die Ehe erst nach Ausreise der Bezugsperson nach afghanischem Recht entstanden sei und daher in Österreich keinen Rechtsbestand haben könne. Die Regelung des Art. 8 EMRK schreibe auch keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre. Vielmehr komme im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht und würden die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige darstellen, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Es bestehe daher auch über das NAG die grundsätzliche Möglichkeit eines Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK. In Summe könne somit mangels tauglicher Beweise zum Bestehen des Familienverhältnisses insgesamt nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Antragstellern um Familienangehörige im Sinne des AsylG handle.
Mit Schreiben der ÖB Islamabad vom 10.05.2019 wurde den BF unter Anschluss der Mitteilung und Stellungnahme des BFA vom 09.05.2019 die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.
Mit E-Mail des Vertreters der BF vom 21.05.2019 wurde eine Stellungnahme eingebracht, in der zusammengefasst vorgebracht wurde:
Die BF1 und die Bezugsperson hätten am 04.10.2004 in Afghanistan geheiratet und ihre Ehe am 11.04.2016 nachregistrieren lassen. Die vorgelegte Heiratsurkunde weise als Heiratsdatum den 04.10.2004 auf. Da die Bezugsperson angegeben habe, Ende 2004 geheiratet zu haben, sei kein Widerspruch ersichtlich. Die Nichtregistrierung einer afghanischen Eheschließung stehe als solcher der Gültigkeit der Eheschließung nicht entgegen. Die Ehe entfalte bereits mit der traditionellen Eheschließung Rechtsgültigkeit. Bei der nachträglichen Registrierung handle es sich lediglich um einen deklaratorischen Verfahrensakt. Die minderjährigen ledigen Kinder der Bezugsperson seien Familienangehörige im Sinne des § 35 AsylG und komme diesen daher als solchen jedenfalls das Recht auf Einreise zu. Sollten Zweifel an der leiblichen Vaterschaft der Bezugsperson bestehen, hätte eine Belehrung über die Möglichkeit einer DNA-Analyse zu erfolgen, nach deren Durchführung mit positivem Ergebnis betreffend die Ehegattin der Bezugsperson eine Abwägung nach Art. 8 EMRK vorzunehmen wäre. Das Bestehen einer rechtsgültigen Ehe zwischen Bezugsperson und BF1 dürfte zweifelsfrei feststehen. Wenn die Behörde die Ortüblichkeit einer von einem Antragsteller als zur Verfügung stehend angegebenen Wohnung in Zweifel ziehe, wären entsprechende Feststellungen und Ermittlungen vorzunehmen (§ 60 Abs. 2 Z 1 AsylG). Hinsichtlich § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG sei es zutreffend, dass der gesetzliche Richtwert nicht in vollem Ausmaß erreicht werde. Jedoch sei darauf hinzuweisen, dass die Bezugsperson (bei Berücksichtigung des 13. und 14. Gehalts) immerhin über ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in Höhe von Euro 1.467,- verfüge. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die Bezugsperson einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehe und die Voraussetzung des § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG annähernd erfüllt sei. Die Bezugsperson habe nunmehr eine zusätzliche Beschäftigung aufgenommen. Die Familie habe im Zeitpunkt der Gründung des Familienlebens davon ausgehen können, dass das Familienleben nach einschlägiger Judikatur als schützenswert anzusehen sei. Es hätten daher im konkreten Fall die Nachsichtsgründe des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG zur Anwendung zu kommen. Die Trennung der Familie sei ein Resultat der Fluchtgründe der Bezugsperson. Deren Frau und die Kinder hätten nicht mitkommen können, sondern seien in Afghanistan zurückgeblieben. Die Trennung habe keineswegs freiwillig stattgefunden. Eine fluchtbedingt verursachte Trennung lasse auch nach der höchstgerichtlichen Judikatur das Familienband nicht erlöschen. Im konkreten Fall seien nicht nur die Ehegattin, sondern auch die minderjährigen Kinder von ihrem Vater getrennt. Im Lichte der Judikatur und des in der Kinderrechtskonvention festgeschriebenen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Kontakt zu beiden Elternteilen erscheine das Unterbleiben der Anwendung der Nachsichtgründe im konkreten Verfahren, insbesondere aufgrund der Vollzeiterwerbstätigkeit der Bezugsperson, als Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Sollte die Behörde beabsichtigen, den Antrag aufgrund des Nichterfüllens der Voraussetzungen des § 60 AsylG abzuweisen, so werde vor einer solchen Entscheidung eine einzelfallbezogene Abwägung nach Art. 8 EMRK vorzunehmen sein.
Der Stellungnahme vom 21.05.2019 war eine Bestätigung der Krankenkasse über die Anmeldung der Bezugsperson als Arbeiter („geringfügig“) mit 15.05.2019 angeschlossen.
Mit E-Mail vom 24.05.2019 übermittelte der Vertreter der BF einen Dienstvertrag der Bezugsperson mit einem afghanischen Supermarkt zu einem Monatslohn von Euro 400,-- brutto vom 15.05.2019.
Mit Schreiben vom 31.05.2019 teilte das BFA der ÖB Islamabad unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der BF mit bisheriger Begründung mit, dass an der seinerzeit abgegebenen negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten werde: Nichterfüllung der Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs 2 Z 1 und Z 3 AsylG, die Einreise erscheine zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens i iSd Art 8 EMRK nicht geboten. Außerdem würden die Angaben des Antragstellers zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen. Dies insbesondere, da die Heiratsurkunde der im Nachhinein registrierten Ehe einen um fünf Jahre divergenten Eheschließungszeitpunkt zu dem von der Bezugsperson in deren Einvernahme angegeben Zeitpunkt aufweise.
Mit Bescheiden der ÖB Islamabad vom 11.06.2019 wurden die Einreiseanträge gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG abgewiesen.
Gegen die Bescheide richten sich die am 08.07.2019 fristgerecht eingebrachten (gleichlautenden) Beschwerden vom 27.06.2019. Zusammenfassend wurde darin wie bisher ausgeführt und vorgebracht, dass im konkreten Fall die Nachsichtsgründe des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG zur Anwendung zu kommen hätten, um eine Grundrechtsverletzung hintanzuhalten.
Mit Schreiben an die ÖB Islamabad vom 20.08.2019 setzte das BFA die Botschaft unter Verweis auf ein hiezu bereits ergangenes Schreiben in Kenntnis, dass dem Dolmetscher bei der Übersetzung der Heiratsurkunde im Zuge der Umrechnung der Zeitangabe in den gregorianischen Kalender ein Fehler unterlaufen sei. Das korrigierte Hochzeitsdatum habe nunmehr 04.10.2004 anstelle 01.09.1999 zu lauten.
Am 20.08.2019 erließ die ÖB Islamabad Beschwerdevorentscheidungen gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG, mit denen die Beschwerden als unbegründet abgewiesen wurden. Im Regelfall werde ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommen. Nur dann, wenn ausnahmsweise eine Familienzusammenführung im Grunde von insbesondere § 46 NAG nicht hinreiche, sondern Art. 8 EMRK einen asylrechtlichen Schutzstatus nach § 34 und § 35 AsylG 2005 für den Familienangehörigen gebiete, komme die Regelung des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG zum Tragen. Dass hier ein solch besonders gelagerter Fall vorliege, sei insbesondere schon deshalb nicht zu sehen, da eine besondere Dringlichkeit nicht indiziert und auch nicht erkennbar sei, dass im vorliegenden Fall dem Art. 8 EMRK nur mit einem asylrechtlichen Schutzstatus nach §§ 34 und 35 AsylG und nicht auch mit einer Familienzusammenführung nach § 46 NAG entsprochen werden könne. Im vorliegenden Fall sei auch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine positive Ermessensentscheidung im Grunde des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG bei einer Gesamtbetrachtung zu verneinen.
Mit E-Mail vom 20.08.2019 wurden Vorlageanträge gemäß § 15 VwGVG bei der ÖB Islamabad eingebracht, wobei das Vorbringen der BF ihrem bisher erstatteten Vorbringen entspricht.
Am 27.09.2019 übermittelte der Vertreter der BF unter Hinweis auf einen dem Übersetzungsbüro bei Umrechnung des afghanischen Hochzeitsdatums in den gregorianischen Kalender unterlaufenen Fehler eine hinsichtlich des Heiratsdatums auf den 04.10.2004 korrigierte deutsche Fassung der Heiratsurkunde. („Die genannten Personen haben am 13.07.1383 = 04.10.2004 geheiratet“).
Mit beim BVwG am 16.09.2019 vorgelegter Note des Bundesministeriums für Inneres vom 13.09.2019 wurde der Vorlageantrag samt Verwaltungsakten übermittelt.
Mit E-Mail vom 09.01.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 21.01.2020, wurde eine Vollmachtsbekanntgabe durch einen Rechtsanwalt übermittelt. Unter einem wurde durch den nunmehrigen anwaltlichen Vertreter eine weitere Stellungnahme erstattet. Die Behörde habe es zusammengefasst in völlig unvertretbarer Weise unterlassen, sich umfassend mit dem schutzwürdigen Familienleben der BF auseinanderzusetzen. Wäre dies erfolgt, wäre diese zu einer anderen Entscheidung gelangt und wäre den Anträgen der BF stattgegeben worden.
Dem Schriftsatz des anwaltlichen Vertreters vom 09.01.2020 waren weitere - ihrer Höhe nach im Wesentlichen den bereits mit Antragstellung vorgelegten Gehaltsnachweisen der Bezugsperson über ihre Beschäftigung bei einer Autoservice GesmbH entsprechende - Gehaltszettel der Autoservice GmbH über den Zeitraum Jänner - Dezember 2019 und weitere Gehaltsabrechnungen betreffend deren Tätigkeit bei einem afghanischen Supermarkt angeschlossen. Weiters wurden Honorarabrechnungen über von der Bezugsperson im Herbst 2019 aufgenommene Tätigkeiten als Fahrradbote bzw bei einem Lieferdienst übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt werden zunächst der unter I. dargelegte Verfahrensgang und Sachverhalt. Die BF2 bis BF4 sind die Kinder der BF1 und die gemeinsamen Kinder der BF1 mit der Bezugsperson. Hinweise, dass es sich bei den BF2 bis BF4 nicht um die leiblichen Kinder der Bezugsperson bzw der BF1 handeln sollte, sind nicht vorhanden und wurden diesbezüglich seitens der Behörde keine Zweifel geäußert.
Der Bezugsperson wurde mit Bescheid des BFA vom 13.08.2015 Zl. 1052684609-150220232, der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt und die damit verbundene befristete Aufenthaltsbewilligung bislang stets verlängert und ist aktuell bis 13.08.2020 gültig.
Eine vor der Einreise der Bezugsperson nach Österreich erfolgte Eheschließung zwischen der BF1 und der Bezugsperson kann nicht festgestellt werden.
Die Voraussetzung des § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG ist nicht erfüllt. Die von der Bezugsperson erzielten Einkünfte erreichen nicht die maßgeblichen Richtsätze des § 293 ASVG. Der Aufenthalt der Drittstaatsangehörigen könnte zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen. Die mit Antragstellung vorgelegten Gehaltsnachweise der Bezugsperson über den Zeitraum Juli - September 2018 weisen Nettogehälter von Euro 1226,42, Euro 1249,43 und Euro 1297,53 aus. Am 24.05.2019 wurde ein Dienstvertrag vom 15.05.2019 über ein weiteres Beschäftigungsverhältnis der Bezugsperson mit einem afghanischen Supermarkt zu einem Bruttomonatslohn von Euro 400,-- vorgelegt. Eine Bestätigung einer diesbezüglichen Anmeldung der Bezugsperson bei der Krankenkasse („geringfügig“) war bereits am 21.05.2019 vorgelegt worden. Das zusätzlich erzielte Erwerbseinkommen (für sich allein genommen seiner Höhe nach als geringfügig anzusehen), ist in steuerlicher Hinsicht zusammen mit dem sonst erzielten Einkommen der Bezugsperson zu behandeln und steht somit grundsätzlich nicht „Brutto für Netto“ zu. Die BF1 ist in die Berechnung der erforderlichen Einkommenshöhe einzubeziehen. Im Falle, dass allenfalls nicht nur den minderjährigen Kindern der Bezugsperson, sondern (auch) der BF1 die Einreise zu gestatten sein sollte (vgl. hiezu unter Pkt. 3, Rechtliche Beurteilung), muss deren Lebensunterhalt ebenso finanziert werden. Es finden sich keine Hinweise, dass die BF über eigene Geldmittel verfügen würden und wurde dies auch nicht behauptet. Die nachgewiesenen Einkünfte der Bezugsperson entsprechen - wie von den BF im Verfahren vor der Behörde und im Beschwerdeschriftsatz nicht bestritten wurde - nicht der sich aus den für das Jahr 2018 maßgeblichen Richtsätzen des § 293 ASVG erforderlichen Höhe. Die Richtsätze nach § 293 ASVG für das Jahr 2018 betragen (vgl. BGBl II Nr. 339/2017): Ehegattenrichtsatz: Euro 1363,52, Richtsätze für drei minderjährige Kinder (Euro 140,32 pro Kind). Weiters sind die monatlichen Mietkosten unter Berücksichtigung des „Wertes der freien Station“ von Euro 288,87, somit gegenständlich in Höhe von Euro 176,66, zu veranschlagen. Die erforderliche Einkommenshöhe von Euro 1961,14 wird demnach nicht erreicht. Im Zuge des Beschwerdeverfahrens wurden mit Schriftsatz vom 09.01.2020, eingelangt beim BVwG am 21.01.2020, weitere Gehaltsunterlagen über im Herbst 2019, somit nach Bescheiderlassung durch die Behörde, aufgenommene Tätigkeiten der Bezugsperson als Fahrradbote bzw bei einem Lieferdienst eingereicht, die im Hinblick auf das in § 11a Abs. 2 2. Satz FPG normierte Neuerungsverbot außer Betracht zu bleiben haben. Das Nichterreichen der erforderlichen Einkommenshöhe wurde auch im zuletzt eingebrachten Schriftsatz der BF vom 09.01.2020 nicht bestritten.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus den Akten der ÖB Islamabad, den einliegenden Unterlagen, den amtswegig angeforderten Erstbefragungs- und Einvernahmeprotokollen der Bezugsperson in deren Asylverfahren und den Angaben der BF. Die Feststellung, dass seitens der Bezugsperson keine dem Erfordernis des § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG entsprechenden Einkünfte (keine finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft durch den Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen) erzielt werden, folgt aus den vorgelegten Unterlagen und dem Vorbringen der BF. Die Nichterfüllung der maßgeblichen Richtsätze des § 293 ASVG wurde auch seitens der BF nicht bestritten. Die im Zuge des Beschwerdeverfahrens mit Schriftsatz vom 09.09.2020, eingelangt beim BVwG am 21.01.2020, weiters eingereichten Gehaltsunterlagen einschließlich der Gehaltszettel über im Herbst 2019, somit nach Bescheiderlassung durch die Behörde, aufgenommene Tätigkeiten der Bezugsperson als Fahrradbote bzw bei einem Lieferdienst haben im Hinblick auf das in § 11a Abs. 2 2. Satz FPG normierte Neuerungsverbot unbeachtlich sind und außer Betracht zu bleiben. Das Nichterreichen der erforderlichen Einkommenshöhe wurde auch im zuletzt eingebrachten Schriftsatz der BF vom 09.01.2020 nicht in Abrede gestellt (siehe hiezu auch bereits oben unter Punkt 1. Feststellungen).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgebung der Beschwerden:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen
§ 60. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn
1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder
2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.
(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn
1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,
2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,
3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und
4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.
(3) …
Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:
Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragsteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragsteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG2005
§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.
Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 6 und 16) des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) idgF lauten:
Vorbehaltsklausel (ordre public)
§ 6. Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden.
Form der Eheschließung:
§ 16. (1) Die Form einer Eheschließung im Inland ist nach den inländischen Formvorschriften zu beurteilen.
(2) Die Form einer Eheschließung im Ausland ist nach dem Personalstatus jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung.
Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 17 und 21) des Ehegesetzes idgF lauten wie folgt:
§ 17 Form der Eheschließung
(1) Die Ehe wird dadurch geschlossen, dass die Verlobten vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen.
(2) Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben werden.
§ 21 Mangel der Form
(1) Eine Ehe ist nichtig, wenn die Eheschließung nicht in der durch
§ 17 vorgeschriebenen Form stattgefunden hat.
(2) Die Ehe ist jedoch als von Anfang an gültig anzusehen, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu dessen Tode, jedoch mindestens drei Jahre, als Ehegatten miteinander gelebt haben, es sei denn, dass bei Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes des einen Ehegatten die Nichtigkeitsklage erhoben ist.
§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet:
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Die Regelung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im Falle, dass die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken und besteht ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa jüngst VwGH 24.04.2020, Ro 2019/20/0004-5).
Solche, zur Behebung berechtigende gravierende Ermittlungslücken im Sinne des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG liegen im gegenständlichen Fall vor.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des BFA über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung, und kommt dieser diesbezüglich keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034; VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).
Ungeachtet dieser für die Vertretungsbehörden bestehenden Bindungswirkung an die Prognoseentscheidung des BFA steht es dem Bundesverwaltungsgericht allerdings nunmehr - innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems - offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).
Die ÖB Islamabad hat in Bindung an die negative Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA die Einreiseanträge aller BF mit der Begründung abgelehnt, dass die Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 und Z 3 AsylG nicht nachgewiesen worden seien, die Einreise der Antragsteller zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten erscheine und die Angaben der Antragsteller zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen würden. Die Familienangehörigeneigenschaft aller BF im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG wurde mit der Begründung des Nichtbestehens einer gültigen Ehe der BF1 mit der Bezugsperson vor deren Ausreise aus dem Herkunftsstaat begründet. Die Ausnahmebestimmung des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG würde ausnahmsweise nur dann zur Anwendung kommen, wenn der Regelfall eines Aufenthaltstitels nach dem NAG nicht hinreichend sei, sondern Art. 8 EMRK die Zuerkennung eines asylrechtlichen Schutzstatus für den Familienangehörigen nach den §§ 34 und 35 AsylG gebiete.
Die Behörde hat sohin die Familienangehörigeneigenschaft der BF1 - wie auch die Familienangehörigeneigenschaft der anderen BF - mangels Vorliegens einer rechtsgültigen Ehe der BF1 mit der Bezugsperson im Herkunftsstaat verneint. Die Ehe sei erst im Nachhinein nach Ausreise der Bezugsperson am 11.04.2016 registriert worden und stünden die Angaben der Bezugsperson, (Eheschließung 2004 bzw Ende 2004 - Anfang 2005), im Widerspruch mit dem in der Heiratsurkunde (Anmerkung: In ihrer deutschen Fassung) ausgewiesenen Heiratsdatum (01.09.1999).
Hierzu ist anzumerken, dass die Angaben der Bezugsperson in deren Asylverfahren sowohl in der Erstbefragung sowie in deren Einvernahmen vor dem BFA (Eheschließung 2004 bzw. Ende 2004 - Anfang 2005) und zu ihrer mit Namen und Alter genannten Ehegattin mit den diesbezüglichen Angaben der BF1 in ihrem Interview vor der Botschaft im Einklang stehen. Widersprüchliche Angaben zur Angehörigeneigenschaft sind bezüglich der angeblichen Ehegattin, wie auch hinsichtlich der von BF1 und Bezugsperson nach Zahl, Namen und Geburtsdatum genannten gemeinsamen Kinder, nicht zu orten. Was das in der deutschen Übersetzung der Heiratsurkunde angeführte Heiratsdatum (01.09.1999) betrifft, so hat das BFA in seiner Stellungnahme an die Botschaft vom 20.08.2019 selbst darauf hingewiesen, dass dieses Datum auf einen Umrechnungsfehler des Dolmetschers in den gregorianischen Kalender zurückzuführen sei und dieses daher statt mit 04.10.2004 mit 01.09.1999 übersetzt worden sei. Diese Darstellung ist auch plausibel, zumal das Heiratsdatum nach afghanischem Kalender in der englischen und deutschen Fassung der Heiratsurkunde gleichlauten. In der deutschen Fassung lautet es „13.07.1383 = 01.09.1999“, ebenso lautet es in der englischen Fassung der Heiratsurkunde: „…got married on 13/07/1383 equivalent to 04.10.2004“.
Dessen ungeachtet ist der Auffassung der Behörde im Ergebnis beizupflichten, dass es gegenständlich an einer rechtsgültigen, bereits vor Einreise der Bezugsperson im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG bestandenen Ehe der BF1 mit der Bezugsperson, mangelt.
Gemäß § 16 Abs. 2 IPR-G ist die Form einer Eheschließung im Ausland nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung.
Im vorliegenden Fall ist somit die Gültigkeit der behaupteten Ehe nach afghanischem Recht zu beurteilen.
Die maßgeblichen Bestimmungen des afghanischen Zivilgesetzbuches (Madani Qanun) vom 05.01.1977, Amtsblatt der Republik Afghanistan Band 19 (1977) Nr. 353, lauten in der unverändert in Geltung stehenden Stammfassung folgendermaßen:
Der Eheschließungsvertrag wird nach der Registrierung der in Art. 46 dieses Gesetzes vorgesehenen zuständigen Personenstandsbehörde mitgeteilt. Wenn die Registrierung des Eheschließungsvertrages in dieser Weise nicht möglich ist, findet sie in der für die Registrierung öffentlicher Urkunden vorgesehenen Weise statt.
Nach Art. 61 Abs. 2 afghanisches Zivilgesetzbuch ist demnach für die Gültigkeit des Eheschließungsvertrages dessen Registrierung vorgeschrieben, und zwar zumindest "in der für die Registrierung öffentlicher Urkunden vorgesehenen Weise". Ohne den Nachweis durch eine öffentliche Urkunde ist die Ehe nach staatlichem afghanischem Recht ungültig (vgl. Bergman/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Loseblattsammlung, Afghanistan, 1990, S. 16). Nur bei registrierten Ehen handelt es sich um nach staatlichem Recht gültige Ehen.
Eine traditionelle Eheschließung - selbst diese wurde gegenständlich nicht nachgewiesen - vor entsprechender staatlicher Registrierung vermag keine Rechtswirkungen zu entfalten. Die Rechtsfolgen der Eheschließung werden erst durch Eintragung in das Zivilregister durchsetzbar, sodass nur der staatlichen Registrierung der Ehe Bedeutung beigemessen werden kann.
Gegenständlich fehlt es jedoch bereits an der auch nach afghanischem Recht für die Rechtsgültigkeit einer Eheschließung erforderlichen staatlichen Registrierung der Ehe. Die vorgelegte Heiratsurkunde eines afghanischen Gerichtes enthält nämlich lediglich die Aussage, dass drei namentlich genannten Zeugen am 11.04.2016 in einem öffentlichen Notariat erschienen wären und in Anwesenheit zweier weiterer namentlich genannter Zeugen erklärt hätten, dass die BF1 und die Bezugsperson am 13.07.1383 (= 04.10.2004) - ohne Angabe einer Örtlichkeit der Eheschließung - geheiratet hätten.
Eine rechtsgültige Ehe der BF1 mit der Bezugsperson, die bereits vor deren Einreise bestanden hätte, liegt somit nicht vor.
Im Hinblick darauf können Ausführungen zu einer darüber hinaus grundsätzlich als ordre-public-widrig (§ 6 IPRG) einzustufenden Kinderehe, die als solche in Österreich keinen Bestand haben könnte - die BF1 war zum Zeitpunkt der behaupteten Eheschließung nach eigener Angabe 13 Jahre alt - unterbleiben.
Die Familienangehörigeneigenschaft der BF1 zur Bezugsperson iSd Legaldefinition des § 35 Abs. 5 AsylG ist somit nicht erfüllt.
Die Verneinung der Familienangehörigeneigenschaft auch der minderjährigen Kinder der Bezugsperson durch die Behörde wurde ebenso allein damit begründet, dass die Ehe zwischen der BF1 und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe. Die Behörde leitet die fehlende Familienangehörigeneigenschaft auch der BF2 bis BF4 in Bezug auf die Bezugsperson somit von der fehlenden Familienangehörigeneigenschaft der BF1 in Bezug auf die Bezugsperson (fehlende Ehegatteneigenschaft) ab.
Der Umstand, ob eine gültige Ehe im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG vorliegt, ist jedoch lediglich für die Qualifikation von Ehepartnern als Familienangehörige, nicht jedoch für die Rechtstellung von ledigen minderjährigen Kindern anerkannter Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigter maßgebend (vgl. etwa VwGH 28.01.2020, Ra 2018/20/0464, unter Verweis auf VwGH 25.10.2018, Ra 2017/20/0513 und 0514, unter Hinweis auf VfGH 27.11.2017, E 1001-1005/2017, zur vergleichbaren Rechtslage vor BGBl I. Nr. 145/2017).
Gemäß § 35 Abs. 5 AsylG ist Familienangehöriger, wer zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist.
Bei den BF2 bis BF4 handelt es sich demnach um Familienangehörige iSd § 35 Abs. 5 AsylG, denen grundsätzlich ein Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 2 AsylG zu eröffnen wäre.
Da gegenständlich, wie ausgeführt und auch von den BF nicht in Abrede gestellt wurde, die Voraussetzung des § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG infolge Nichterzielung der erforderlichen Einkünfte durch die Bezugsperson allerdings nicht erfüllt ist, wäre in weiterer Folge die Anwendung des Ausnahmetatbestandes des § 35 Abs. 4 Z 3 2. Halbsatz AsylG zu prüfen gewesen (… „es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten“).
Eine solche, fallbezogen vorzunehmende gesamtheitliche Abwägung der im Sinne des Art. 8 EMRK maßgeblichen Interessen unter Orientierung an den in § 9 Abs. 2 BFA-VG normierten Kriterien ist jedoch unterblieben. Die Behörde begnügt sich mit dem Satz, dass die Einreise des Antragstellers zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten erscheine. Damit wird zwar - ungeachtet der zuvor erfolgten Verneinung der Familienangehörigeneigenschaft - auf die in § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG im Falle der Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG gebotene Interessensabwägung Bezug genommen, ohne jedoch eine in einem solchen Fall auferlegte Prüfung iSd Art. 8 EMRK erkennbar vorzunehmen. So sind dem Akteninhalt keine Erwägungen zu entnehmen, von denen sich die Behörde bei ihrer Einschätzung der Nichterforderlichkeit der Einreise der Antragsteller zur Aufrechterhaltung eines Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK leiten habe lassen. Wenn in der Beschwerdevorentscheidung davon die Rede ist, dass im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht komme und die Regelung des § 35 Abs. 4 Z 3 letzter Halbsatz AsylG nur in einem besonders gelagerten Fall und damit gegenständlich insbesondere schon deshalb nicht zur Anwendung komme, da eine besondere Dringlichkeit nicht indiziert sei, so vermag auch dies nicht zur Aufhellung beizutragen. Inwiefern die Behörde laut Beschwerdevorentscheidung eine Gesamtbetrachtung iSd § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG und damit eine Prüfung nach Art. 8 EMRK vorgenommen haben will, vermag sich dem Bundesverwaltungsgericht nicht zu erschließen. Die Beurteilung der Behörde entzieht somit einer nachprüfenden Kontrolle durch das erkennende Gericht.
Im Zusammenhang mit der vorzunehmenden Interessensabwägung ist zunächst festzuhalten, dass ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR mit dem Zeitpunkt der Geburt entsteht (Vgl. EGMR 21.6.1988, Berrehab, 10730/84; 26.5.1994, Keegan, 16969/90). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (vgl. EGMR 19.2.1996, Gül, 23218/94). Das Auflösen einer Hausgemeinschaft von Eltern und Kindern alleine führt jedenfalls nicht zur Beendigung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK, solange nicht jegliche Bindung gelöst ist (vgl. EGMR 24.4.1996, Boughanemi, 22070/93; siehe dazu auch VfGH 3.10.2019, E 3456/2019; 24.11.2014, E 35/214).
Eine fluchtbedingte Trennung allein vermag das familiäre Band nicht zu lösen.
Dem Bundesverwaltungsgericht stehen gegenständlich die zur Vornahme einer an den individuellen Umständen zu orientierenden Interessensabwägung gemäß § 35 Abs. 4 Z 3 2. Halbsatz AsylG erforderlichen Informationen nicht zur Verfügung. Das Vorbringen der BF in der Stellungnahme vom 21.05.2019, wie auch in der Beschwerde, erschöpft sich in der bloßen, durch keine weiteren Angaben ergänzten Feststellung, dass die Trennung der Familie ein Resultat der Fluchtgründe der Bezugsperson sei, deren Frau und Kinder nicht mitkommen hätten können, sondern in Afghanistan zurückgeblieben seien. Die Trennung sei nicht freiwillig erfolgt. Ausführungen bezüglich eines im Herkunftsstaat mit der Bezugsperson gepflogenen gemeinsamen Familienlebens, wie zu konkreten Lebensumständen und Intensität des Familienlebens etc, sind nicht vorhanden. Rückschlüsse, inwiefern eine Einreise zur Aufrechterhaltung des Familienlebens geboten sein könnte, können auf Basis der vorhandenen Aktenlage nicht gezogen werden. Von der Angabe einer einmaligen Zusammenkunft der BF1 mit der Bezugsperson in Pakistan im Botschaftsinterview abgesehen, die auch erst nach rund dreijähriger Abwesenheit der Bezugsperson erfolgt sein soll, finden sich keine Anhaltspunkte, ob und wie in den Jahren der Abwesenheit der Bezugsperson regelmäßiger familiärer Kontakt aufrechterhalten wurde. Diesbezüglich fällt auch auf, dass die BF1 im Interview vor der Botschaft, somit nach bereits fast vierjährigem Österreichaufenthalt der Bezugsperson, zu keinerlei Auskunftserteilung bezüglich des Lebens ihres Ehemannes in Österreich in der Lage war. So hat die BF1 die Frage im Interview, ob ihr von ihrem Ehemann etwas über Österreich, sein Leben, Hobbies etc. erzählt worden sei, mit „nein“ beantwortet. Insofern sind auch entsprechende Erhebungen geboten, ob, wie und in welcher Regelmäßigkeit ein familiärer Kontakt seit Verlassen des Herkunftsstaates durch die Bezugsperson stattgefunden hat.
Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt festgehalten, dass bei der Beurteilung, ob ein Eingriff nach Art. 8 EMRK zulässig sei, zu beachten sei, ob eine Fortsetzung des Familienlebens außerhalb Österreichs möglich wäre und ob auf Grund einer aus Asylgründen bedingten Trennung der Familie der Eingriff in das Familienleben als unzulässig zu werten wäre (VwGH 11.11.2013; 2013/22/0224; 13.11.2012, 2011/22/0081).
Die BF1 hat in ihrem Interview vor der ÖB Islamabad erwähnt, dass sie mit ihrem vorgeblichen Ehegatten in Pakistan zusammengetroffen sei und dort einen Monat mit diesem in einem Hotel zugebracht habe. Die Bezugsperson hat in Österreich nicht den Status eines Asylberechtigten, sondern den Status eines subsidiär Schutzberechtigten inne. Auch zur Beurteilung der Frage, ob die Fortsetzung eines Familienlebens außerhalb Österreichs, allenfalls im Herkunftsstaat oder einem anderen Staat möglich sein könnte, bedarf es entsprechender Ermittlungen.
Hinsichtlich der Beschaffung der zur Durchführung der Interessensabwägung erforderlichen Informationen erweisen sich eine Befragung der BF1 unter allfälliger Gegenüberstellung mit den Angaben der Bezugsperson als erforderlich.
Dem Bundesverwaltungsgericht ist es daher nicht möglich, die an den konkreten Umständen des Einzelfalles festzumachende Interessensabwägung im Sinne des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG selbst vorzunehmen.
Die Behörde vermeint schließlich, dass die Regelung des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG nur im besonderen Ausnahmefall zur Anwendung komme und im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erteilen sei. Wie der VwGH in seiner Rechtsprechung schon wiederholt klargestellt hat, wollte der Gesetzgeber die Erteilung von Aufenthaltstiteln in jenen Konstellationen, die § 34 Abs. 2 AsylG unterliegen, jedoch nicht über das NAG, sondern über das AsylG 2005 regeln. Diesfalls sind daher die in § 35 AsylG genannten Voraussetzungen für die Erteilung von Einreisetiteln zu prüfen, sodass eine Titelerteilung nach dem NAG nicht in Betracht kommt und ein Antragsteller nicht auf das NAG zu verweisen ist (vgl. etwa VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0242 unter Verweis auf VwGH 25.06.2019, Ra 2018/19/0568; sowie jüngst VwGH 26.02.2020, Ra 2019/18/0299).
Sollte die von der Behörde im fortgesetzten Verfahren vorzunehmende Interessensabwägung nach § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG zu dem Ergebnis führen, dass den Einreiseanträgen der Kinder der Bezugsperson gemäß § 35 Abs.1 AsylG stattzugeben wäre, hätte die Behörde in weiterer Folge zu prüfen, ob es Art. 8 EMRK gebieten würde, auch der BF1 als Mutter der minderjährigen Kinder der Bezugsperson, ungeachtet dessen, dass dieser grundsätzlich kein Familienverfahren nach § 34 AsylG offen stünde, die sofortige Einreise zur Wahrung ihres Familienlebens mit ihren Kindern zu gestatten und das beantragte Visum zu erteilen (vgl. VfGH 27.11.2017, E 1001-1005/2017-13 und bereits VfGH 06.06.2014, B 369/2013-13; 23.11.2015, E 1510/2015 sowie dem folgend VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002, Rn. 33 sowie VwGH 28.01.2020, Ra 2018/20/0464).
Abschließend weist das Bundesverwaltungsgericht auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11 a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden kann.
Gemäß § 11 a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Einreisetitel Ermittlungspflicht Interessenabwägung Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Minderjährige Privat- und FamilienlebenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W165.2223441.1.00Im RIS seit
05.10.2020Zuletzt aktualisiert am
05.10.2020