Entscheidungsdatum
07.07.2020Norm
AlVG §20Spruch
I419 2228253-1/15E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Tomas Joos als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Florian Burger und Thomas Geiger MBA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des AMS Innsbruck vom 20.11.2019, GZl. 5096 200164, betreffend Bemessung des Arbeitslosengelds beschlossen:
A)
Der angefochtene Bescheid wird behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das AMS zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit dem bekämpften Bescheid sprach das AMS aus, dass dem Beschwerdeführer ab dem 21.10.2019 Arbeitslosengeld in Höhe von täglich € 31,10 gebühre.
In seiner Beschwerde brachte der Beschwerdeführer vor, dass das AMS die Höhe des Arbeitslosengeldes nicht richtig ermittelt und festgestellt habe. Die Bemessungsgrundlage sei zu niedrig. Ferner werde der minderjährige Sohn von Geburt an nicht mitberücksichtigt. Es seien Familienzuschläge auszuzahlen, zumal der Sohn zu Unrecht im Einwohnerregister einer genannten Gemeinde in Italien eingetragen sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt, wie in I. wiedergegeben. Außerdem wird festgestellt:
1.1 Der Beschwerdeführer ist Vater eines 2015 geborenen Sohnes, der in Italien wohnhaft ist.
1.2 Der Beschwerdeführer bezog bis mindestens 05.06.2020 niemals Familienbeihilfe für diesen Sohn. Einen Antrag darauf hat das FA Innsbruck am 22.01.2018 – mangels rechtzeitiger Beschwerde rechtskräftig – abgewiesen.
1.3 Im Jahr 2018 war der Beschwerdeführer 44 Tage arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt am 28.02., und erzielte an dabei ein Entgelt von € 967,50 laufend und € 445,91 an Sonderzahlungen. Die Arbeitgeberin, bei der er seit 1996 angestellt war, zahlte ihm 2019 nachträglich eine Urlaubsersatzleistung in nicht feststellbarer Höhe aus.
1.4 Von 01.03 bis 30.09.2018 bezog der Beschwerdeführer (mit Ausnahme zweier Krankentage) Weiterbildungsgeld. Als Bemessungsgrundlage zog das AMS dafür ein monatliches Bruttoentgelt von € 4.545,72 heran. Der Beschwerdeführer hatte sein 45. Lebensjahr bereits zuvor vollendet.
1.5 Er hat am 21.10.2019 Arbeitslosengeld beantragt. Das AMS hat für den bekämpften Bescheid als Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Arbeitslosengelds ein monatliches Bruttoentgelt von € 2.118,09 verwendet.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden AMS-Akt und den eingeholten Versicherungsdaten sowie den Angaben des Beschwerdeführers im Rechtsmittel und dem von ihm nachgereichten Bescheid des FA Innsbruck.
Die Höhe der Urlaubsersatzleistung ist nicht feststellbar, weil dem Versicherungsverlauf dazu nur zu entnehmen war, dass damit neun Versicherungstage verbunden waren.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Aufhebung und Zurückverweisung:
3.1. Das Arbeitslosengeld besteht gemäß § 20 Abs. 1 AlVG aus dem Grundbetrag und den Familienzuschlägen sowie einem allfälligen Ergänzungsbetrag. Gemäß § 20 Abs. 2 sind Familienzuschläge für Kinder zu gewähren, zu deren Unterhalt der Arbeitslose tatsächlich wesentlich beiträgt, wenn für diese ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht.
3.2 Da der Beschwerdeführer für den genannten Sohn keinen Anspruch auf Familienbeihilfe hat, war schon aus diesem Grund kein Familienzuschlag zu gewähren, und kann auch dahinstehen, ob und in welchem Ausmaß der Beschwerdeführer zu dessen Unterhalt beiträgt. Das AMS hat dem Beschwerdeführer daher zu Recht keinen Familienzuschlag gewährt.
3.3 Als Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung werden nach § 6 Abs. 1 AlVG unter neben Arbeitslosengeld (Z. 1) auch Notstandshilfe (Z. 2) und Weiterbildungsgeld (Z. 4) gewährt. Die Höhe des Weiterbildungsgelds ist jene des Arbeitslosengelds, mindestens aber € 14,53 (§ 26 Abs. 1 AlVG).
Betreffend die Anwartschaft ist in § 14 AlVG angeordnet, dass es als weitere Inanspruchnahme im Sinn des Abs. 2 gilt, wenn nach einem Bezug von Weiterbildungsgeld oder Bildungsteilzeitgeld Arbeitslosengeld in Anspruch genommen wird.
3.4 Für Arbeitslose, die das 45. Lebensjahr vollendet haben, sieht § 21 Abs. 8 AlVG vor, dass ein für die Bemessung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes herangezogenes monatliches Bruttoentgelt auch bei weiteren Ansprüchen auf Arbeitslosengeld so lange für die Festsetzung des Grundbetrages heranzuziehen ist, bis ein höheres vorliegt.
3.5 Der VwGH hat ausgesprochen, dass dieser Bemessungsgrundlagenschutz nach dem AlVG sich zwar nicht auf Bemessungsgrundlagen bezieht, die den Überbrückungshilfen zu Grunde liegen, wohl aber Weiterbildungsgeld und Bildungsteilzeitgeld im Hinblick auf eine weitere Inanspruchnahme dem Arbeitslosengeld gleichgestellt sind. (09.02.2018, Ra 2017/08/0136 Rz 11)
Demgemäß hat das AMS im Fall des Beschwerdeführers eine frühere günstigere Bemessungsgrundlage zu verwenden, da diese durch § 21 Abs. 8 AlVG geschützt ist.
3.6 Aus den Feststellungen ergibt sich bereits, dass die 2018 verwendete Bemessungsgrundlage günstiger für den Beschwerdeführer ist als jene, die das AMS für den Ausspruch im bekämpften Bescheid unterstellt hat. Damit ist die verwendete wie beschwerdehalber zutreffend vorgebracht wird zu gering. Aus diesem Grund ist die Höhe des Arbeitslosengelds jedenfalls neu zu ermitteln, das dem Beschwerdeführer zuzusprechen war.
Dabei wird auf Basis der Feststellungen das Bruttoentgelt von € 4.545,72 der Ausgangsbetrag für die nach § 21 Abs. 1 ff AlVG vorzunehmenden Berechnungen sein, es sei denn, dass sich nach Ermittlung des Betrags der Urlaubsersatzleistung ergäbe, dass nach deren Einbeziehung als Entgelt im Sinn des § 49 ASVG (Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis, vgl. VwGH 14.01.2013, 2011/08/0163 mwN) ein höheres Bruttoentgelt für 2018 vorgelegen hätte als € 4.545,72.
3.7 Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG (Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z. 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z. 2).
Nach § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Beschwerdevorlage unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist dabei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
3.8 Im vorliegenden Fall hat es die belangte Behörde unterlassen, die bestehende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Bemessungsgrundlagenschutz in ihre Entscheidung miteinzubeziehen und in der Folge ein für die Ermittlung des Anspruchs des Beschwerdeführers nicht vorgesehenes Einkommen herangezogen, was zur unrichtigen Berechnung führte.
Da nun für das Dienstverhältnis die monatliche Bemessungsgrundlage neu zu ermitteln und basierend darauf entweder damit oder – wenn sie € 4.545,72 (erwartungsgemäß) nicht übersteigt – dieser bereits 2018 verwendeten Grundlage der Grundbetrag nach § 21 Abs. 3 AlVG neu zu berechnen ist, und erst daraus die Höhe des dem Beschwerdeführer zustehende Arbeitslosengeldes errechnet werden kann, war die Angelegenheit an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Es liegt im Interesse der Raschheit und Kostenersparnis, dass die belangte Behörde (erst die Höhe der Urlaubsersatzleistung bei der Sozialversicherung abfragt und sodann) diese Berechnungen anstellt, zumal das AMS über die Berechnungslogistik des Bundesrechenzentrums verfügt. Eine solche IT-Unterstützung steht dem Gericht nicht zur Verfügung, und der im Internet angebotene „Arbeitslosengeld-Rechner“ des AMS ermöglicht nur Berechnungen für aktuelle Sachverhalte.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zum Bemessungsgrundlagenschutz. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:
Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.
Schlagworte
Arbeitslosengeld Bemessungsgrundlage Ermittlungspflicht Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I419.2228253.1.00Im RIS seit
05.10.2020Zuletzt aktualisiert am
05.10.2020