Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Mason Alohan, geboren am 7. März 1960, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Juni 1995, Zl. 4.332.711/13-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, der am 25. August 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 27. August 1991 einen Asylantrag gestellt hat, hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark am 20. Jänner 1992 zu seinen Fluchtgründen folgendes ausgeführt:
Er sei seit seiner Jugendzeit praktizierender Christ, gehöre dem Chor der Kirche des "katholischen Services" an und betätige sich auch sonst unentgeltlich für die Kirche. Seit dieser Zeit habe er nie Probleme mit den Behörden oder der Polizei gehabt. Er sei nie "gegen die Bestimmungen der Genfer Konvention verfolgt oder in Haft genommen" worden. Am 26. Mai 1991 sei er mit dem Kirchenchor von Lagos nach Bauchi Town in den Norden von Nigeria gefahren, in welchem Landesteil hauptsächlich Moslems wohnten. Dort hätte der Chor bei einer Messe gesungen. Während der Messe seien einige Moslems gekommen und gewalttätig auf die Christen losgegangen. Obwohl die Christen von der Polizei beschützt worden seien, seien sie von mehreren Moslems, wovon einige bewaffnet gewesen seien, "verjagt" worden. Er und einige Leute seien "unter einem Vorwand" zur Polizei geholt und einvernommen worden. Bei der Polizei hätten sich die Christen mit den Moslems versöhnen sollen. Da sich die Christen gegen eine Versöhnung geweigert hätten, sei der Beschwerdeführer für 24 Stunden in Haft genommen worden. Es sei ihm der Vorwurf gemacht worden, die Bevölkerung aufzuhetzen. Während der 24-stündigen Haft sei er nicht geschlagen worden. Einige Zeit danach sei er allerdings zu einem islamischen Gericht vorgeladen worden. Dieser Vorladung habe er nicht Folge geleistet. In der Folge habe er Flugblätter über die Vorfälle in Bauchi Town verteilt, worauf es zu Krawallen gekommen sei. Dabei sei sein Geschäft angezündet worden. Da er nun mittellos dagestanden sei, habe er sich entschlossen, Nigeria zu verlassen. Er werde "glaublich" wegen dieser Krawalle gesucht. Während der Verteilung der Flugblätter sei er auch kurzfristig in Haft genommen worden. Es sei ihm aufgetragen worden, sich täglich bei der Polizei zu melden. Da er dies nicht wollen habe, habe er Nigeria verlassen.
Der Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. Februar 1993, mit welchem in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 20. Mai 1992 der Asylantrag abgewiesen worden war, wurde mit hg. Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 95/19/0314, infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Mit Bescheid vom 28. Juni 1995 hat die belangte Behörde die - am 22. Mai 1995 ergänzte - Berufung neuerlich abgewiesen.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerde rügt, daß die belangte Behörde ihrer Entscheidung nur das Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens zugrunde gelegt hat, und vertritt die Ansicht, daß die belangte Behörde aufgrund der Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens verpflichtet gewesen sei, eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen. Die Aussagen des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung seien vom Dolmetscher, der nicht beeidet worden sei, nicht richtig übersetzt worden.
Hiezu ist zunächst auszuführen, daß nicht die Ablegung des Eides eine Person zum Dolmetscher macht, sondern die ihr vorausgehende Bestellung (vgl. das zur Beeidigung eines nicht amtlichen Sachverständigen ergangene hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Juni 1987, Zlen. 93/05/0146, 0147; Slg. Nr. 12492/A).
Der Beschwerdeführer, der in der Beschwerde nicht ausführt, inwiefern der Dolmetscher seine Aussage unrichtig übersetzt habe, hat dazu in einem Annex zu seiner Berufung vorgebracht, daß ihm die Niederschrift entgegen dem Inhalt des Protokolls nicht vorgelesen worden sei. Er habe die Namen der "Konferenzteilnehmer" (offenbar gemeint: Teilnehmer des von der Polizei initiierten Versöhnungsversuches zwischen Christen und Moslems) genannt und sogar aufgeschrieben, was im Protokoll keinen Niederschlag gefunden habe. Entgegen dem Inhalt des Protokolls habe die Vernehmung nicht bis 12.30 Uhr gedauert, sondern bereits vor 12.00 Uhr geendet. In seiner Berufungsergänzung wies er zusätzlich darauf hin, daß auch seine Körpergröße in der Niederschrift unrichtig enthalten sei und unter Punkt 7. des für das Protokoll verwendeten Formulars vermerkt sei, daß er in seiner Heimat nicht gesucht werde. Diese Aussage wäre im Falle der Rückübersetzung nicht unwidersprochen geblieben.
Zum zuletzt genannten Vorbringen ist auszuführen, daß die belangte Behörde für die Vernehmung des Beschwerdeführers ein Formular verwendet hat, dessen Punkt 7. wie folgt lautet:
"Ich bin (nicht) vorbestraft. Vorstrafen (s.P. 16). Ich werde von meinem Heimatland (nicht) gesucht und habe auch (keine strafbaren) Handlungen vor meiner Abreise (Flucht) nach Österreich in meinem Heimatland begangen."
Die belangte Behörde hat in diesem Punkt des Formulars - anders als bei den anderen Punkten - keinerlei Streichungen oder Einfügungen vorgenommen. Sie hat somit in diesem Punkt das Formular überhaupt nicht ausgefüllt, sondern die diesbezüglichen Aussagen des Beschwerdeführers bei der Darstellung der Fluchtgründe mitberücksichtigt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers wurde somit im Protokoll nicht festgehalten, daß er in seiner Heimat nicht gesucht werde.
Im übrigen hat der Beschwerdeführer eine unrichtige Übersetzung nur in Punkten geltend gemacht, welche für die Frage seiner Flüchtlingseigenschaft nicht wesentlich sind. Er zeigt daher insofern jedenfalls keinen wesentlichen Verfahrensmangel des erstinstanzlichen Verfahrens auf. Da auch aus der Aktenlage keine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren ersichtlich ist, hat die belangte Behörde ihre Entscheidung zu Recht gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nur auf das Ergebnis der erstinstanzlichen Ermittlungen gestützt.
Die vom Beschwerdeführer geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 werden vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers handelt es sich beim Begriff der "Mangelhaftigkeit" des Ermittlungsverfahrens sehr wohl um einen "klärbaren Terminus", weil es hiezu eine umfangreiche Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts gibt. Es besteht daher auch kein Anlaß für die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages an den Verfassungsgerichtshof.
Ausgehend von den oben wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren ist der belangten Behörde beizupflichten, daß der Beschwerdeführer nicht dargetan hat, in seiner Heimat in asylrelevanter Weise verfolgt zu werden. Die polizeiliche Suche nach dem Beschwerdeführer wegen der "Krawalle", die aufgrund der Verteilung von Flugzetteln durch den Beschwerdeführer entstanden sind, kann schon deshalb nicht zur Asylgewährung führen, weil der Beschwerdeführer nicht dargetan hat, daß er im Falle des Aufgreifens mit relevanten Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen hätte. Der von ihm vorgebrachte Auftrag, sich jeden Tag bei der Polizei zu melden, stellt - unabhängig davon, aus welchen Gründen dieser Auftrag erteilt wurde - jedenfalls keine Maßnahme dar, der die für die Asylgewährung erforderliche Intensität zukommt. Auch der Vorfall vom 26. Mai 1991 in Bauchi Town und die anschließende Verhaftung ist nicht geeignet, eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus einem der in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründe darzutun, wurde die Polizei doch zum Schutz der Christen eingesetzt und der Beschwerdeführer offenbar nur im Zusammenhang mit den Unruhen in Haft genommen. Überdies hat die Haft - ebenso wie die weitere Haft des Beschwerdeführers wegen des Verteilens von Flugzetteln - nur kurze Zeit gedauert und wurde der Beschwerdeführer während der Haft nicht unmenschlich behandelt.
Da der Beschwerdeführer somit keine asylrelevante Verfolgung dargetan hat, ist es unerheblich, ob die belangte Behörde zu Recht eine innerstaatliche Fluchtalternative im Süden von Nigeria angenommen hat und ihr in diesem Zusammenhang Verfahrensmängel unterlaufen sind.
Zum Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes lediglich eine Konkretisierung der aus § 37 AVG iVm § 39 Abs. 1 AVG hervorgehenden amtswegigen Ermittlungspflicht darstellt und keine Verpflichtung der Behörde begründet, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermittlen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 11. Juni 1997, Zl. 96/01/0011).
Die sich als unbegründet erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG i.d.F. BGBl. Nr. 88/1997 abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
BeeidigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996010131.X00Im RIS seit
25.01.2001