TE Bvwg Beschluss 2020/7/15 W207 2165594-1

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Veröffentlicht am 15.07.2020
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Entscheidungsdatum

15.07.2020

Norm

BEinstG §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W207 2165594-1/43E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die fachkundigen Laienrichter Mag. Karl Andreas REIFF, Mag. Harald STELZER, Mag. Christa MARISCHKA sowie Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde der begünstigten behinderten Dienstnehmerin XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christian STRASSER als Erwachsenenvertreter, gegen den Bescheid des beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, errichteten Behindertenausschusses vom 09.06.2017, Zahl KÜ XXXX , betreffend Antrag der Dienstgeberin XXXX (vormals XXXX ; im gegenständlichen Verfahren mitbeteiligte Partei), vertreten durch JAEGER LOIDL WELZL SCHUSTER SCHENK Rechtsanwälte OG, auf Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung der begünstigten behinderten Dienstnehmerin gemäß § 8 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG), beschlossen:

A) Das Verfahren wird gem. § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) eingestellt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, errichteten Behindertenausschusses vom 09.06.2017, Zahl KÜ XXXX , wurde dem Antrag der Dienstgeberin XXXX (vormals XXXX ; in der Folge als Dienstgeberin oder als Mitbeteiligte bezeichnet) auf Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung der begünstigten behinderten Dienstnehmerin XXXX (in der Folge als Beschwerdeführerin bezeichnet) stattgegeben und die Zustimmung zur beantragten Kündigung erteilt.

Gegen diesen Bescheid des Behindertenausschusses erhob die Beschwerdeführerin im Wege ihrer Rechtsvertretung (ihres Sachwalters, nunmehr Erwachsenenvertreter) mit Anwaltsschriftsatz vom 19.07.2017 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Das Bundesverwaltungsgericht führte – nachdem bereits insgesamt vier vorangegangene Verhandlungstermine wieder abberaumt werden mussten - zum Termin 17.06.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Im Rahmen des Verhandlungstermins am 17.06.2020 schlossen die Beschwerdeführerin und die mitbeteiligte Dienstgeberin im Wege ihrer Rechtsvertreter folgenden - vorbehaltlich der Zustimmung des Pflegschaftsgerichtes sowie vorbehaltlich der Zustimmung der Geschäftsführung der Mitbeteiligten – bedingten, in der Niederschrift dieser Verhandlung festgehaltenen Vergleich:

„Die BF XXXX , geboren XXXX , einerseits und das Land XXXX als Dienstgeber andererseits, vereinbaren die einvernehmliche Beendigung des Dienstverhältnisses per 30.04.2021 (letzter Arbeitstag). Die Parteien vereinbaren weiters, dass bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses der Resturlaub und sonstiges Zeitguthaben verbraucht werden. Für die restliche Zeit wird die Dienstnehmerin dienstfrei gestellt. Die Parteien vereinbaren Stillschweigen über den Ausgang des Verfahrens zu wahren. Diese Vereinbarung wird rechtskräftig, wenn sie nicht von einer von beiden Seiten bis 03.07.2020 einlangend beim jeweiligen Gegenvertreter widerrufen wird. Mit diesem Vergleich sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche – ausgenommen gesetzliche Beendigungsansprüche - verglichen und bereinigt (Generalklausel). Die Abfertigungsansprüche bleiben von diesem Vergleich unberührt.“

Mit Anwaltsschriftsatz vom 07.07.2020 teilte der Erwachsenenvertreter der Beschwerdeführerin mit, dass der am 17.06.2020 abgeschlossene bedingte Vergleich mittlerweile pflegschaftsgerichtlich genehmigt worden sei. Die Beschwerdeführerin erkläre daher durch ihren Erwachsenenvertreter, den genannten Vergleich nicht zu widerrufen. Die Beschwerde vom 19.07.2017 werde somit zurückgezogen.

In der Folge teilte auch die Dienstgeberin im Wege ihrer Rechtsvertretung mit Anwaltsschriftsatz ebenfalls vom 07.07.2020 mit, dass die in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 17.06.2020 getroffene Regelung rechtskräftig geworden sei; das Dienstverhältnis sei einvernehmlich beendet worden. Daher ziehe das Land Oberösterreich den (verfahrenseinleitenden) Antrag auf Zustimmung zur Kündigung wegen erfolgter einvernehmlicher Beendigung ausdrücklich zurück.

Der oben wiedergegebene, im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 17.06.2020 geschlossene bedingte Vergleich ist damit rechtsverbindlich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 19b Abs. 1 iVm Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz – BeinstG, BGBl. I Nr. 22/1970, idF BGBl. II Nr. 59/2014, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des § 8 leg.cit. (Kündigungsverfahren) durch einen Senat, in welchem zwei Vertreterinnen oder Vertreter der Arbeitgeber, eine Vertreterin oder ein Vertreter der Arbeitnehmer und eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterinnen oder Laienrichter mitzuwirken haben.

Im Beschwerdefall liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu Spruchteil A) Einstellung des Verfahrens:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Bundesverwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG sind die Erkenntnisse zu begründen, für Beschlüsse ergibt sich aus § 31 Abs. 3 VwGVG eine sinngemäße Anwendung.

Im gegenständlichen Fall erfolgte sowohl die Zurückziehung der Beschwerde durch die Beschwerdeführerin als auch die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages durch die Mitbeteiligte. Fraglich ist wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen, welcher Erklärung nun Vorrang zukommt.

Die Zurückziehung der Beschwerde ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (§ 7 Abs. 2 VwGVG, § 17 VwGVG iVm. § 13 Abs. 7 AVG). Mit der Zurückziehung der Beschwerde ist der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes die Grundlage entzogen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Anmerkung 5 zu § 28 VwGVG, mit Verweis auf Hengstschläger/Leeb AVG III § 66 Rz 56f), weshalb das Beschwerdeverfahren mit Beschluss einzustellen ist.

Die (konkludente) Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags bewirkt den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit (nachträglich) dessen Rechtswidrigkeit (vgl. u.a. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0127, VwGH E 23.01.2014, 2013/07/0235). Das Verwaltungsgericht ist somit angehalten, den bekämpften Bescheid (ersatzlos) zu beheben.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23.01.2014, Zl. 2013/07/0235, ausgeführt hat, hat die Behörde, wenn die Zurückziehung eines Antrags vor Erlassung des Bescheides erster Instanz erfolgt, das Verfahren formlos einzustellen. Befindet sich das Verfahren hingegen infolge einer Berufung gegen den den Antrag erledigenden Erstbescheid bereits auf der Ebene der Berufungsbehörde, so bewirkt die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Erstbescheides und damit (nachträglich) dessen Rechtswidrigkeit. Ein solcher rechtswidrig gewordener Bescheid wird aber nicht durch die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages quasi unter einem beseitigt, er muss vielmehr durch die Berufungsbehörde aufgehoben werden. Um allerdings den rechtswidrig gewordenen Erstbescheid als Berufungsbehörde aufheben zu können, bedarf es einer unverändert offenen Berufung, die der Berufungsbehörde die Zuständigkeit zu einem solchen Vorgehen verschafft. Die Zuständigkeit (den - infolge Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags rechtswidrig gewordenen - Bescheid aufzuheben) hat der Bf der Berufungsbehörde durch die Zurückziehung der Berufung entzogen. Erfolgte die Zurückziehung der Berufung vor der Erlassung eines aufhebenden Berufungsbescheides - selbst wenn die Zurückziehung der Berufung erst später wirksam gewesen sein sollte als die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages, so fehlt der Berufungsbehörde die Zuständigkeit zur Erlassung dieses Bescheides. Der Erstbescheid erwächst daher durch die wirksame Berufungsrückziehung in formelle Rechtskraft.

Diese Erwägungen sind auch auf die Rechtslage nach Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit und damit auf das Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten zu übertragen.

Mit der mit Anwaltsschriftsatz vom 07.07.2020 erfolgten Zurückziehung der Beschwerde ist, wie bereits erwähnt, der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes die Grundlage entzogen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Anmerkung 5 zu § 28 VwGVG, mit Verweis auf Hengstschläger/Leeb AVG III § 66 Rz 56f), weshalb das Beschwerdeverfahren mit Beschluss einzustellen ist.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Die vorliegende, in der Begründung des gegenständlichen Beschlusses zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der Entscheidung auf die oben zitierte Rechtsprechung stützen.

Schlagworte

Antragszurückziehung Verfahrenseinstellung Zeitpunkt Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W207.2165594.1.00

Im RIS seit

05.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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