Entscheidungsdatum
21.07.2020Norm
BBG §40Spruch
G303 2215813-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten, mit Schreiben vom 27.02.2019 ausgestellten Behindertenpass mit Bescheidcharakter, OB: XXXX , wegen dem ausgewiesenen Grad der Behinderung von 70 (siebzig) von Hundert, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 15.10.2018 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten, (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass ein. Dem Antrag waren ein Konvolut an medizinischen Beweismitteln sowie ein vom BF handschriftlich verfasstes Schreiben, wonach der BF starke Schmerzen habe und nur kurze Strecken ohne Stock gehen könne, angeschlossen.
2. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 05.11.2018 wurde der BF aufgefordert aktuelle Befunde zu dem in der Voreinschätzung angegebenen Lungenleiden und der Unterschenkelthrombose nachzureichen sowie anzugeben, welche Therapie aktuell durchgeführt werde.
3. Mit Schreiben vom 13.11.2018 teilte der BF mit, dass er die Befunde betreffend die Lungenembolie nicht finden könne und legte die Befunde zur Unterschenkelthrombose bei.
4. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurden ein fachärztliches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Fachärztin für Orthopädie, vom 04.01.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF am 02.01.2019; und ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 24.02.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF am 18.02.2019, eingeholt.
5. In einer medizinischen Gesamtbeurteilung vom 26.02.2019 wurde von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, unter Berücksichtigung des oben angeführten fachärztlichen Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Orthopädie sowie des allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens, folgendes festgestellt:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, der rechten Schulter, des rechten Kniegelenks sowie der Hände, Osteoporose.
Unterer Rahmensatzwert, erhebliche Funktionseinschränkungen der Gelenke und der Wirbelsäule
02.02.03
50
2
Z.n. Bruch des proximalen Oberschenkels rechts (Oberschenkelmarknagel 05/2018)
Vorgegebener Rahmensatzwert, mäßige Einschränkung in Drehfähigkeit und Beugung
02.05.09
30
3
Vorhofflimmern, blutverdünnende Therapie, Zustand nach Pulmonalembolie
Gering eingeschränkte cardiopulmonale Leistungsfähigkeit bei paroxysmalem Vorhofflimmern und abgelaufenem Lungeninfarkt
Die Einstufung erfolgt mit 30 %, unterer RSW
05.02.01
30
4
Zustand nach Beinvenenthrombose links
Nach Beinvenenthrombose links günstiger Langzeitverlauf ohne postthrombotisches Syndrom. Mäßige Schwellneigung, Neigung zu Wadenkrämpfen, mit konsequenter Kompression gut behandelbar
1 Stufe über dem unteren RSW
05.08.01
20
Gesamtgrad der Behinderung
70 v.H.
Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dass die Gesundheitsschädigung (GS) 1 führend sei, wie im orthopädischen Fachgutachten beschrieben. Die GS 2 steigere den Gesamtgrad der Behinderung wegen ungünstiger Wechselwirkung um eine Stufe. Die GS 3 und 4 würden nicht mehr jeweils, sondern in Kombination um eine Stufe steigern, da sich der Zustand nach Beinvenenthrombose links, aktuell unter entsprechender Behandlung leichtgradig verbessert habe.
6. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 26.02.2019 wurde dem BF das Ergebnis des medizinischen Beweisverfahrens mitgeteilt. Danach betrage der Grad der Behinderung 70%. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn von Osteosynthesematerial“ würden vorliegen. Der Behindertenpass werde unbefristet ausgestellt.
7. Mit weiterem Schreiben der belangten Behörde vom 27.02.2019 wurde dem BF der Behindertenpass im Scheckkartenformat übermittelt.
8. Gegen diesen Behindertenpass mit Bescheidcharakter vom 27.02.2019 erhob der BF mit handschriftlichem Schreiben vom 05.03.2019 unter Vorlage seines vorherigen Behindertenpasses fristgerecht die als Einspruch bezeichnete Beschwerde. Begründend führte der BF zusammengefasst aus, dass er sehr enttäuscht sei über den Grad der Behinderung von 70 % sowie dass kein „Parkplatz“ (gemeint wohl: Parkausweis) gewährt worden sei. Da der BF ein kleines Auto mit Automatik habe, sehe er nicht ein, warum er ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen solle. Im Sommer fahre zudem kein Bus oder Zug. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass die Einschätzung der linken Schulter vergessen worden sei; diese sei im Jahr 2005/2006 operiert worden. Der BF habe viele Probleme mit dem Fuß und könne den Rasen nicht selbst mähen. Außer Haus benütze der BF einen Stock und beim Heben habe er Schmerzen.
9. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde vorgelegt und langten diese am 11.03.2019 ein.
10. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichts ein fachärztliches Sachverständigengutachten eingeholt.
10.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie und Traumatologie, vom 07.12.2019, werden, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am selben Tag, folgende Gesundheitsschädigungen angeführt:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, der beiden Schultern, des rechten Kniegelenks, sowie der Hände, Osteoporose
Unterer Rahmenwert bei erheblichen Funktionseinschränkungen der Gelenke und Wirbelsäule, jedoch ist keine Schmerztherapie mit Opiaten erforderlich und die Gehleistung wird mit 1,5 Stunden angegeben
02.02.03
50
2
Zustand nach Bruch des proximalen Oberschenkels rechts mit Marknagelversorgung
Vorgegebener Rahmensatzwert bei mäßiger Einschränkung der Drehfähigkeit und Beugung
02.05.09
30
3
Vorhofflimmern, Blutverdünnungstherapie mit Sintrom, Zustand nach Pulmonalarterienembolie
Unterer Rahmenwert bei etwas eingeschränkter kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit bei paroxysmalem Vorhofflimmern und abgelaufenem Lungeninfarkt
05.02.01
30
4
Zustand nach Beinvenenthrombose links 2006
Eine Stufe über dem unteren Rahmenwert bei mäßiger Schwellneigung und Neigung zu Wadenkrämpfen
05.08.01
20
Gesamtgrad der Behinderung
70 v.H.
Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dass die Gesundheitsschädigung (GS) 1 führe, weil sie die Schwerwiegendste sei. Die GS 2 steigere um eine Stufe aufgrund der ungünstigen Wechselwirkung. Die GS 3 und 4 würden in der Kombination um eine weitere Stufe steigern.
Die Einschränkung der Schultergelenksbeweglichkeit sei im Gutachten von 2013 mit 40 % eingeschätzt worden. Diese Beschwerden seien unter der GS 1 im aktuellen Gutachten berücksichtigt worden. Vollständigkeitshalber werde nun auch die linke Schulter genannt, das habe aber keine Auswirkung auf die Einschätzungshöhe dieser Position.
Die Einschätzung aus dem zusammenfassenden Sachverständigengutachten vom 26.02.2019 entspreche den Leiden des BF und werde nicht verändert.
11. Das Ergebnis des medizinischen Beweisverfahrens wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 24.02.2020 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.
11.1. Eine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung seitens der Verfahrensparteien langte dazu beim Bundesverwaltungsgericht nicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist Inhaber eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung in Höhe von 70 von Hundert und hat einen Wohnsitz im Inland.
Er leidet an folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen:
- Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, der beiden Schultern, des rechten Kniegelenks, sowie der Hände und Osteoporose (Grad der Behinderung: 50 %)
- Zustand nach Bruch des proximalen Oberschenkels rechts mit Marknagelversorgung (Grad der Behinderung: 30 %)
- Vorhofflimmern, Blutverdünnungstherapie mit Sintrom und Zustand nach Pulmonalarterienembolie (Grad der Behinderung: 30 %)
- Zustand nach Beinvenenthrombose links im Jahr 2006 (Grad der Behinderung: 20 %)
Der Gesamtgrad der Behinderung ergibt sich aus dem führenden Leiden (Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, beider Schultern, des rechten Kniegelenks, der Hände und Osteoporose) und wird aufgrund des Zustandes nach Oberschenkelbruch rechts um eine Stufe gesteigert. Die weiteren festgestellten Leiden bewirken zusammen eine zusätzliche Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung um noch eine Stufe.
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt somit 70 (siebzig) von Hundert.
2. Beweiswürdigung:
Der unter I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen zum Besitz des Behindertenpasses und den eingetragenen Grad der Behinderung ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde sowie nunmehr aus dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellung zum Wohnsitz ergibt sich aus einem Auszug des Zentralen Melderegisters und den Angaben des BF im verfahrenseinleitenden Antrag.
Der Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. wurde aufgrund des vom erkennenden Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie und Traumatologie, vom 07.12.2019, objektiviert.
Dieses Sachverständigengutachten ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Die festgestellten Gesundheitsschädigungen und ihre korrekte und nachvollziehbare Einschätzung bezüglich des Grades der Behinderung entsprechend den Vorgaben in der Anlage zur Einschätzungsverordnung ergeben sich daraus.
Die vom BF in der Beschwerde angeführte linke Schulter wurde von Dr. XXXX in ihrer Einschätzung unter der Funktionseinschränkung „Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, der beiden Schultern, des rechten Kniegelenks sowie der Hände, Osteoporose“ berücksichtigt.
Bezüglich der in der Beschwerde vorgebrachten Gehprobleme wurde im erhobenen Untersuchungsbefund von Dr. XXXX unter Gesamtmobilität/Gangbild festgehalten, dass der BF in der Ordination keine Gehhilfen benötigte, das Gangbild des BF aufrecht, gerade und normalschrittig ist.
Insgesamt war aus dem Beschwerdevorbringen unter Berücksichtigung der vorgelegten medizinischen Befunde und der durchgeführten medizinischen Begutachtung kein Anhaltspunkt zu entnehmen, dass weitere - von der Sachverständigen nicht berücksichtigte - behinderungsrelevante Gesundheitsschädigungen beim BF vorliegen.
Der Inhalt des Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX vom 07.12.2019 wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Der BF und die belangte Behörde erstatteten keine Stellungnahme dazu. Es blieb damit gänzlich unbestritten.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen somit keinerlei Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des medizinischen Gutachtens und wird dieses daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz BGBl. Nr. 283/1990 idgF) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF) geregelt (§ 1 VwGVG).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idgF) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung von Dr. XXXX basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung des BF. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens wurde im Rahmen des gewährten schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.
Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.
Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht entgegen.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist;
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen;
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten;
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 22/1970 idgF, angehören.
Nach § 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG 1998), BGBl. I Nr. 400/1998 in der geltenden Fassung, sind die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:
- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. I Nr. 183/1947).
- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 leg. cit. genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 in der geltenden Fassung) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen;
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 leg. cit. vorliegt.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen. Da gemäß § 45 Abs. 2 BBG dem ausgestellten Behindertenpass Bescheidcharakter zukommt, war gegenständlich dieser zu überprüfen.
Die Beschwerde richtet sich insbesondere gegen die Höhe des Grades der Behinderung, welche im ausgestellten Behindertenpass mit 70 von Hundert eingetragen wurde.
Dazu ist festzuhalten, dass in der vorliegenden Rechtssache gemäß § 41 Abs. 1 BBG unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen nach Beschwerdeerhebung der Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung nochmals eingeschätzt wurde. Danach wurde ein Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 70 von Hundert objektiviert und festgestellt, da auch die Gesamteinschätzung unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis vorzunehmen ist (vgl. VwGH 18.10.2000, Zl. 99/09/0097).
Das Sachverständigengutachten von Dr. XXXX wurde im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des erkennenden Gerichtes zu Grunde gelegt. Das zitierte Gutachten erfüllt sämtliche der in der Einschätzungsverordnung normierten Voraussetzungen.
Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Umstände hervorgekommen, die eine Rechtswidrigkeit im Zusammenhang mit dem ausgestellten Behindertenpass anzeigen.
Die vorliegende Beschwerde war somit spruchgemäß abzuweisen.
Zum Beschwerdevorbringen des BF, wonach kein Parkplatz (gemeint wohl: Parkausweis) gewährt wurde, ist darauf hinzuweisen, dass der BF nach der vorliegenden Aktenlage weder einen entsprechenden Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO gestellt hat, noch liegt darüber ein Bescheid der belangten Behörde vor.
Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des erkennenden Gerichtes ist die "Sache" des bekämpften Bescheides (VwGH 09.09.2015, Ra 2015/04/0012; 26.03.2015, Ra 2014/07/0077). "Sache" des bekämpften Bescheides war die Höhe des Grades der Behinderung. Daher war im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO vorliegen.
3.3. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung Neufestsetzung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G303.2215813.1.00Im RIS seit
05.10.2020Zuletzt aktualisiert am
05.10.2020