TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/11 96/01/1234

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Veröffentlicht am 11.11.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Imasuen Igbinogun in Wien, geboren am 18. September 1968, vertreten durch Dr. Silvia Franek, Rechtsanwalt in Baden, Am Fischertor 5/1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. November 1996, Zl. 4.339.040/8-III/13/96, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Oktober 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Nigeria, der am 10. Mai 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 11. Mai 1992 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 31. Juli 1992, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen.

Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0025, den genannten Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, da die belangte Behörde unrichtigerweise von der Anwendbarkeit des Asylgesetzes 1991 ausgegangen war und sich mit dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt hatte.

Mit dem angefochtenen (Ersatz-)Bescheid vom 11. November 1996 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers neuerlich ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Sachverhaltsdarstellung und des Ganges des Verwaltungsverfahrens auf das oben zitierte Erkenntnis vom 22. Februar 1996.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung nunmehr - richtig - das Asylgesetz (1968) zugrunde und bezog auch das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers in ihre Überlegungen ein. Sie begründete den angefochtenen Bescheid im wesentlichen damit, daß die Verfolgung entweder von staatlichen Stellen des Heimatlandes des Asylwerbers ausgehen oder der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt sein müsse, die von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungen hintanzuhalten. In diesem Zusammenhang könnten nur solche Maßnahmen des Staates bzw. der ihm zurechenbaren Organe als Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention angesehen werden, die aus einem der dort genannten Gründe erfolgten und ein bestimmtes Ausmaß an Intensität und Qualität überschritten. Die vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignisse könnten diesen Ansprüchen nicht gerecht werden. Denn die SDP sei weder im Jahre 1991 die Regierungspartei gewesen noch sei sie heute an der Macht. Deshalb seien die behaupteten Übergriffe von SDP-Mitgliedern insofern asylrechtlich irrelevant, als sie nicht staatlichen Stellen zurechenbar seien, sondern Privatpersonen, nämlich Angehörigen einer politischen Gruppierung. Der Beschwerdeführer habe sich sehr wohl unter den Schutz des Heimatstaates stellen können, dies jedoch nicht wollen, da er, laut den Angaben in der Niederschrift, für den staatlichen Schutz eine Geldleistung hätte erbringen müssen. Wenn er nun in seiner Berufung behaupte, daß die Obrigkeit nicht in der Lage gewesen sei, bedrohte Staatsbürger zu schützen, und die Polizei sowie die Regierung dermaßen korrupt seien, daß selbst im Falle einer Verurteilung niemals mit einem fairen Gerichtsverfahren zu rechnen sei, so sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer offensichtlich sein als glaubhaft einzustufendes Vorbringen im Rahmen seiner Erstniederschrift dahingehend abändern wolle, um eine positive Erledigung seines Asylantrages zu erwirken. Falls die Regierung nicht in der Lage wäre, bedrohte Staatsbürger zu schützen, so sei es gänzlich unverständlich, daß der Beschwerdeführer in erster Instanz vorgebracht habe, zur Polizei gegangen zu sein, um Schutz zu suchen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei nicht zu entnehmen, daß die Polizei eine etwaige Hilfestellung verweigert habe. Dem Berufungsvorbringen müsse somit die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden.

Insoweit sich der Beschwerdeführer gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung wendet, ist ihm entgegenzuhalten, daß die Beweiswürdigung an sich ein Denkprozeß ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges als solchen handelt bzw. darum, ob der Sachverhalt, der in diesem Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 548 ff, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Die Beschwerdeausführungen lassen aber Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung nicht aufkommen. Denn der Beschwerdeführer tritt der Feststellung, daß die SDP, von welcher die behaupteten Verfolgungen des Beschwerdeführers ausgingen, weder im Jahr 1991 Regierungspartei gewesen noch heute an der Macht sei, nicht entgegen. Auch der Hinweis des Beschwerdeführers in der Beschwerde auf die "extreme Gewaltbereitschaft" der SDP gegenüber "sämtlichen Zivilisten, Mitgliedern anderer Parteien sowie ausgetretenen Mitgliedern" vermag nicht darzulegen, daß die Übergriffe - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - staatlichen Stellen zurechenbar seien.

Eine Verfolgung ist dem Heimatstaat zwar nicht nur dann zuzurechnen, wenn sie von seinen Organen direkt gesetzt wird, sondern auch dann, wenn der Heimatstaat nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, die von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Jedoch übersieht der Beschwerdeführer, daß er anläßlich seiner erstinstanzlichen Einvernahme - von der er in der Berufung betonte, daß er hiebei die reine Wahrheit angegeben habe - eine grundsätzliche Bereitschaft der Polizei - wenngleich auch gegen Bezahlung einer Geldleistung -, den Beschwerdeführer zu beschützen oder eine Anzeige entgegenzunehmen, angegeben hat. Der Beschwerdeführer hat seinen Angaben zufolge die Schutzmöglichkeit bloß deshalb nicht in Anspruch genommen, weil er die Geldleistung nicht erbringen wollte. Es ist der belangten Behörde zuzustimmen, daß es gänzlich unverständlich wäre, daß der Beschwerdeführer zur Polizei gegangen wäre, um Schutz zu suchen, wenn die in der Berufung gemachten Angaben, daß die Obrigkeit nicht in der Lage sei, bedrohte Staatsbürger zu schützen, und die Polizei sowie die Regierung dermaßen korrupt seien, daß selbst im Falle einer Verurteilung niemals mit einem fairen Gerichtsverfahren zu rechnen sei, der Wahrheit entsprächen. Die Folgerung der belangten Behörde, das Berufungsvorbringen solle lediglich der Abänderung seiner Angaben in der Erstniederschrift dahingehend dienen, um eine positive Erledigung des Asylantrages zu erwirken, weshalb ihm die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden müsse, ist daher - der Beschwerdeführer geht im übrigen in der Beschwerde auf diesen Begründungspunkt des angefochtenen Bescheides gar nicht ein - nicht als unschlüssig zu erkennen.

Schon aus diesem Grund durfte die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen, daß dem Beschwerdeführer keine asylrechtlich relevante Verfolgung droht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996011234.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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