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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des M B, vertreten durch Dr. Jasna Zwitter-Tehovnik, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schottenring 14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. November 2019, W193 2191108-1/15E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger Afghanistans, bekennt sich zum schiitischen Islam und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er stellte am 1. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, im Iran geboren und aufgewachsen zu sein, dieses Land jedoch aufgrund seiner, dort nicht behandelbaren Atemwegsprobleme verlassen zu haben.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 27. Februar 2018 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies die dagegen erhobene Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
4 Mit Erkenntnis vom 8. Juni 2020, E 4600/2019-14, hob der vom Revisionswerber angerufene Verfassungsgerichtshof das Erkenntnis des BVwG, soweit es die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels sowie die Rückkehrentscheidung und den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise betraf, wegen Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf. Im Übrigen - sohin hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten - lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
5 In der Folge brachte der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision ein.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Werden Verfahrensmängel - wie hier die mangelnde Berücksichtigung der EASO Country Guidance zu Afghanistan vom Juni 2018 und der UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 oder von Quellen zur Lage der Volksgruppe der Hazara - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. etwa VwGH 26.2.2020, Ra 2020/20/0049, 28.4.2020, Ra 2019/14/0121, jeweils mwN). Dem kommt die Revision nicht nach.
10 Die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 9.1.2020, Ra 2019/19/0550, mwN). Dass dies vorliegend der Fall wäre, zeigt die Revision mit dem Hinweis darauf, der Revisionswerber habe mehrere (näher genannte) Gefährdungsfaktoren geltend gemacht und der bloß allgemeinen Behauptung, das BVwG habe diesbezüglich den „asylrelevanten Sachverhalt ... nicht vollständig ermittelt“, nicht auf.
11 Das BVwG hat sich mit der Situation der Hazara und der Behauptung einer drohenden Verfolgung des Revisionswerbers aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dieser Volksgruppe, aufgrund seiner religiösen Überzeugung sowie seiner „westlichen Orientierung“ auseinandergesetzt und ist nach Durchführung einer Verhandlung zusammenfassend zu dem Schluss gekommen, dass sich im gesamten Verfahren keine Anhaltspunkte für eine drohende Verfolgung aus politischen, religiösen, ethnischen Motiven oder sonstigen Gründen ergeben hätten. Die Revision beruft sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei einer Mehrzahl von Faktoren, die ein Verfolgungsrisiko erhöhten, eine globale Bewertung zu erfolgen habe, ohne einzelne Aspekte der Fluchtgeschichte ohne Rücksichtnahme auf andere Gesichtspunkte der Beurteilung zu Grunde zu legen (Hinweis auf VwGH 21.3.2006, 2005/01/0247, und 15.3.2016, Ra 2015/19/0180). In welcher Hinsicht das BVwG entgegen dieser Rechtsprechung seiner Beurteilung „einzelne Aspekte der Fluchtgeschichte ohne Rücksichtnahme auf andere Gesichtspunkte“ zugrunde gelegt hat und warum dem Revisionswerber, der angegeben hat, noch nie in Afghanistan gewesen zu sein, in seinem Heimatland keine Probleme gehabt zu haben, aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen nach Österreich gekommen zu sein und sich vom Islam abgewendet zu haben, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung Verfolgung droht, wird in der Revision nicht konkret dargelegt.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 1. September 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019200607.L00Im RIS seit
20.10.2020Zuletzt aktualisiert am
20.10.2020