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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Amos Johnson, geboren am 2. Februar 1974, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. September 1995, Zl. 4.346.962/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Liberias, reiste nach seinen Angaben am 16. Juli 1995 nach Österreich ein und stellte am 17. Juli 1995 einen Antrag auf Asylgewährung.
In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 18. Juli 1995 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen aus, sein Vater sei ein Gegner von Charles Taylor gewesen und von diesem gefangengenommen worden. Im Dezember 1994 sei er getötet worden. Davon habe der Beschwerdeführer nach Suche des Vaters von der AFL erfahren. Auf die Frage, welche Probleme der Beschwerdeführer persönlich gehabt habe, antwortete er, er sei im Februar 1995 nach der Tötung seines Vaters vor ein Kriegsgericht gestellt worden, und zwar im Habea-Camp, in das er mit einem Fahrzeug gebracht worden sei. Das Fahrzeug sei elf Stunden unterwegs gewesen. Das Lager sei von Soldaten von Charles Taylor bewacht worden. Auf Vorhalt antwortete der Beschwerdeführer, die ULIMO sei eine Splittergruppe von Taylor. Zum Verhältnis zwischen NPFL und ULIMO befragt, antwortete der Beschwerdeführer, er wisse dies nicht. Auf die Frage (unter Zuhilfenahme einer Karte der Bürgerkriegsparteien), wie die NPFL ein Camp im ULIMO-Gebiet unterhalten haben solle, gab der Beschwerdeführer an, verschiedene Splittergruppen würden verschiedene Teile kontrollieren, er bleibe dabei, daß er in diesem Lager gewesen sei. Nachdem er zur Erschießung aus dem Lager gebracht und ihm und den übrigen gesagt worden sei, sie sollten gehen, seien "andere" erschossen worden, dem Beschwerdeführer sei die Flucht gelungen, er sei weggelaufen. Auf die Frage nach der Kleidung, mit der er in das Lager gebracht worden sei, antwortete der Beschwerdeführer, er habe nur ein Hemd und eine Hose gehabt, nicht die Kleidung, die er nunmehr trage, diese sei ihm von einem Mann gegeben worden.
Auf Vorhalt brachte der Beschwerdeführer vor, er besitze keinen anderen Ausweis als die von ihm vorgewiesene ID-Card. Diese habe er im Jahr 1987 in Monrovia, der Hauptstadt Liberias, erhalten. Auf Vorhalt, daß es sich bei dieser ID-Card um eine Fälschung handle, weil allein die laufende Nummer des Dokumentes nicht zum Ausstelljahr passen könne, antwortete der Beschwerdeführer, er wisse nicht, daß etwas falsch sei. Auf Vorhalt, er trage eine Uhr, und auf die Frage, ob ihm diese ebenso wie die ID-Card nicht abgenommen worden sei, antwortete der Beschwerdeführer mit "Nein".
Zu seinem Fluchtweg befragt, gab der Beschwerdeführer an, er habe Liberia am 28. Juni 1995 verlassen. Nachdem er mit vorgehaltenem Gewehr aus dem Habea-Camp getrieben worden sei und letztlich entkommen habe können, sei er auf ein UN-Fahrzeug gestoßen, welches ihn nach Sierra Leone gebracht habe. Von Freetown, Sierra Leone, sei er mit einem Schiff nach Ungarn gelangt. Die UN-Leute hätten mit einem Matrosen gesprochen, der Beschwerdeführer sei in einer Kajüte versteckt außer Landes gebracht worden. Die Überfahrt habe zwei Wochen gedauert. Das Schiff habe er in Ungarn verlassen. In Ungarn habe er eine Nacht verbracht, dann habe ihm jemand ein Zugticket gekauft, mit dem er illegal nach Österreich gefahren sei. Auf Vorhalt, daß Ungarn ein Binnenstaat sei, gab der Beschwerdeführer an, man habe ihm bei Verlassen des Schiffes gesagt, er sei in Ungarn. Die österreichische Grenze habe er passieren können, weil er von der UN ein Papier erhalten habe, welches er und sein Begleiter, ein weißer UN-Beamter, dem Grenzbeamten gezeigt habe. Der Begleiter habe alles geregelt. Es habe sich um einen UN-Beamten gehandelt, der den Beschwerdeführer bereits von Sierra Leone aus begleitet habe. Er habe nichts zu bezahlen gehabt.
Mit Bescheid vom 26. Juli 1995 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 ab.
In der Begründung führte das Bundesasylamt nach Wiedergabe des Vorbringens des Beschwerdeführers und der maßgeblichen Rechtsgrundlagen aus, als Beweismittel diene ihm die völlig unglaubwürdige Vernehmung der Person des Beschwerdeführers. Dessen Aussage sei derart oberflächlich, unlogisch und in sich widersprüchlich gewesen, daß ihr kein Glauben geschenkt werden könne. Der Beschwerdeführer berufe sich auf eine angebliche Internierung in einem Camp namens Habea, das seiner Aussage zufolge an der Grenze zu Sierra Leone liegen und von der NPFL betrieben werde solle. Bereits diese Aussage lasse klar erkennen, daß der Beschwerdeführer die Unwahrheit sage; die Grenze zu Sierra Leone liege nämlich in der gesamten Länge ungefähr 100 km tief im ULIMO-kontrollierten Gebiet. Bei ULIMO und NPFL handle es sich aber um Bürgerkriegsgegner, wobei die ULIMO sogar die wichtigste Gegenbewegung zur NPFL sei. Wie nun aber die NPFL ein Gefangenenlager tief im Feindesland betreiben hätte können, bleibe der erkennenden Behörde verborgen. Der Beschwerdeführer selbst habe dazu jedenfalls keine glaubwürdige Erklärung abzugeben vermocht. Seine Aussage lasse auch klar erkennen, daß er über die politische Situation Liberias nicht informiert sei. Er bezeichne die ULIMO als Splittergruppe der NPFL, tatsächlich handle es sich aber um Gegner. Bezeichnend sei auch, daß er auf die Frage, in welchem Verhältnis diese Parteien zueinander stünden, keine Antwort zu geben vermocht habe. Gegen das vom Beschwerdeführer behauptete Entkommen spreche vor allem, daß er über seine ID-Card und seine augenscheinlich nicht ganz billige Uhr verfüge. Es könne wohl kaum angenommen werden, daß man mit Wertsachen und Personalausweis ausgestattet vor ein Exekutionskommando gestellt würde. Gegen den Wahrheitsgehalt der Aussage des Beschwerdeführers spreche auch, daß Ungarn mit einem Seeschiff nicht erreichbar sei, der Beschwerdeführer aber, wäre er tatsächlich von einem Mitarbeiter der UN begleitet gewesen, durch diesen wohl zwangsläufig Kenntnis über seinen Fluchtweg erhalten hätte. Es sei daher davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer sowohl zum Fluchtgrund als auch zum Fluchtweg bewußt unwahre Angaben gemacht habe. Demnach habe ihm kein Asyl gewährt werden können.
In seiner Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erklärte der Beschwerdeführer, daß er seine bisher gemachten Angaben aufrechterhalte.
Mit Bescheid vom 7. September 1995 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, die vom Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Vernehmung getätigten Aussagen seien im Bescheid des Bundesasylamtes richtig und vollständig wiedergegeben worden, sodaß der diesbezügliche Teil des bekämpften Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides erhoben werde. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere auch die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers, habe nicht ergeben, daß er Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1991 sei. Von einer Ergänzung bzw. Wiederholung des Ermittlungsverfahrens nehme die Berufungsbehörde Abstand, weil keine der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vorliege. Das Bundesasylamt habe in der Begründung seines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefaßt. Die Berufungsbehörde schließe sich den Ausführungen der Erstbehörde im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich an und erhebe diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, daß sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf beschränke, hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung und ihrer Feststellungen auf den erstinstanzlichen Bescheid zu verweisen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war die Vorgangsweise der Berufungsbehörde jedoch zulässig, weshalb der behauptete Verfahrensmangel nicht vorliegt (vgl. u. a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045).
Soweit der Beschwerdeführer rügt, das Verfahren der Behörde erster Instanz sei mangelhaft gewesen und die mangelhafte Begründung des erstinstanzlichen Bescheides habe ihn daran gehindert, "die entsprechenden Ereignisse und den Umstand, woraus er seine persönliche Verfolgung ableiten will", entsprechend zu begründen, ist darauf hinzuweisen, daß ein relevanter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens bereits in der Berufung hätte aufgezeigt werden müssen. Da sich der Beschwerdeführer darauf beschränkt hat vorzubringen, die Angaben aus dem erstinstanzlichen Verfahren würden aufrechterhalten, hatte die belangte Behörde keinen Anlaß, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens durchzuführen. Eine solche Verpflichtung ergab sich für die belangte Behörde auch nicht, wie der Beschwerdeführer meint, aus § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991. Soweit er der belangten Behörde nämlich vorwirft, sie wäre der ihr auferlegten Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang dieser Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 zwar bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, die zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen; erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991, der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde darstellt, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, begründet jedoch keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Die Behörde hat gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nur dann in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen, wenn es deutliche Hinweise im Vorbringen des Asylwerbers auf einen Sachverhalt gibt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 in Frage kommt. Aus § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803). Da im Beschwerdefall über die von der belangten Behörde behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren und auch sonst ein für die Entscheidung wesentlicher Mangel des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen und vom Beschwerdeführer insoweit in seiner Berufung auch nicht geltend gemacht wurde, war die belangte Behörde nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.
Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang mit der Begründung, daß der Begriff der "Mangelhaftigkeit" einen "nicht klärbaren Terminus" darstelle, geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 werden vom Verwaltungsgerichtshof schon im Hinblick darauf nicht geteilt, daß es zur Frage der Mangelhaftigkeit eines Ermittlungsverfahrens eine reichhaltige Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts gibt.
Soweit der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde aufzeigt, zu welchen Ergebnissen die belangte Behörde bei weiteren Feststellungen hinsichtlich der "tatsächlichen Situation" in Liberia hätte gelangen können, war dem Verwaltungsgerichtshof aufgrund des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschenden Neuerungsverbotes ein Eingehen darauf verwehrt.
Der Beschwerdeführer rügt abschließend unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit, daß die belangte Behörde eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorgenommen habe und ihn als Flüchtling anerkennen hätte müssen. Dieses Vorbringen ist jedoch ebenfalls nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat von der Erstbehörde sowohl die Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes als auch die entsprechende Beweiswürdigung übernommen. Sie hat damit auch die Folgerung der Erstbehörde übernommen, daß der Beschwerdeführer sowohl zum Fluchtgrund als auch zum Fluchtweg ein unglaubwürdiges Vorbringen erstattet habe. Kommt die belangte Behörde aber aufgrund der als unglaubwürdig angesehenen Angaben des Beschwerdeführers zum Ergebnis, daß seine Angaben über tatsächlich erfolgte oder ihm künftig drohende Verfolgungshandlungen unzutreffend sind, kann der daraus gezogene Schluß, daß er nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 sei, ihm daher gemäß § 3 leg. cit. kein Asyl zu gewähren sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995010509.X00Im RIS seit
20.11.2000