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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, in der Revisionssache des A B, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Rechtsanwalt in 8054 Seiersberg-Pirka, Haushamer Straße 2/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 2019, W195 2212367-1/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein bengalischer Staatsangehöriger, stellte am 3. Jänner 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, aus politischen Motiven bedroht worden zu sein und verfolgt zu werden. Gegen ihn sei aus diesen Motiven eine falsche Anzeige erstattet worden.
2 Mit Bescheid vom 30. November 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 18. Juni 2020, E 1104/2020-7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 In der Folge brachte der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision ein.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision zusammengefasst vor, das BVwG habe eine unvertretbare Beweiswürdigung vorgenommen, da im Verfahren nicht herausgearbeitet worden sei, warum der im Original vorgelegten Anzeige kein Glauben geschenkt werde. Das Gericht sei nur pauschal davon ausgegangen, dass es sich bei der Anzeige um eine Fälschung handle. Mit der vorgenommenen Beweiswürdigung ohne entsprechende Ermittlungen habe das BVwG dem Revisionswerber die Möglichkeit genommen, den politischen Zusammenhang der von ihm angeblich begangenen Delikte darzulegen. Eine konkrete Auseinandersetzung mit den vorgelegten Dokumenten sei nicht erfolgt. Vielmehr habe das Gericht allgemein darauf verwiesen, dass Dokumente ausgehend von den Länderberichten problemlos gegen Zahlung erhältlich seien. Die Aufgabe der Staatendokumentation sei es aber, den realen Hintergrund der Situation im Herkunftsstaat, anhand dessen nach der Rechtsprechung die Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen zu messen sei, einzelfallunabhängig bereitzustellen. Es liege in diesem Sinne eine Verletzung von Verfahrensvorschriften insoweit vor, als eine antizipierende Beweiswürdigung (über die Echtheit der vorgelegten Anzeige) vorgenommen worden sei.
10 Mit diesem Vorbringen moniert die Revision Begründungsmängel hinsichtlich des erstatteten Fluchtvorbringens und wendet sich gegen die Beweiswürdigung. Ihr ist zunächst entgegenzuhalten, dass sich das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck verschaffen konnte, in einer auf den Einzelfall Bedacht nehmenden Beweiswürdigung mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zu den Gründen seiner Flucht auseinandergesetzt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 7.7.2020, Ra 2020/14/0236, mwN).
11 Dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers sprach das BVwG unter mehreren Gesichtspunkten die Glaubwürdigkeit ab und zeigte im Einzelnen auf, welche Aspekte nach Ansicht des Gerichtes gegen eine tatsächliche Verfolgung sprechen würden. Abgesehen davon, dass der Revisionswerber im Verfahren zu unterschiedlichsten Aspekten widersprüchliche Angaben gemacht habe, sei etwa auch die von ihm behauptete politische Tätigkeit in führender Position im Ortsverband einer Jugendparteiorganisation schon wegen fehlender Kenntnisse zur politischen Ausrichtung, dem Aufbau, der Organisation und der Parteifarbe nicht glaubhaft. Mit der vom Revisionswerber vorgelegten Anzeige befasste sich das BVwG entgegen dem Revisionsvorbringen auch inhaltlich, insofern liegt auch keine antizipierende Beweiswürdigung vor: Das BVwG führte dazu nämlich aus, dass die angelasteten Taten in keinem Zusammenhang mit einer politischen oder religiösen Gesinnung stünden. Ein Einschreiten der Behörden wäre nicht als Verfolgung zu sehen, sondern als Ermittlung zur Aufklärung von allgemein strafbaren Delikten. Es sei auf Basis der Länderberichte auch nicht von einer generellen Schutzunfähigkeit des Staates oder einer flächendeckenden Inhaftierung oder Benachteiligung von Sympathisanten der Opposition lediglich aufgrund ihrer politischen Gesinnung auszugehen.
12 Überdies führte das BVwG ins Treffen, dass dem Revisionswerber selbst bei Wahrunterstellung des Fluchtvorbringens eine innerstaatliche Fluchtalternative offen stehe, wogegen sich die Revision nicht wendet.
13 Es gelingt dem Revisionswerber mit seinem Vorbringen nicht, darzulegen, dass die Beweiswürdigung in unvertretbarer Weise vorgenommen worden wäre und sich die Erwägungen des BVwG zur Frage, ob dem Revisionswerber in seinem Heimatstaat Verfolgung droht, in ihrer Gesamtheit als unschlüssig darstellen würden. Auch eine tragende Grundsätze des Verfahrensrechts berührende Verkennung der Begründungspflicht (vgl. dazu VwGH 19.5.2020, Ra 2019/14/0328; 28.02.2019, Ra 2018/12/0023) ist nicht ersichtlich.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 3. September 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140386.L00Im RIS seit
02.11.2020Zuletzt aktualisiert am
02.11.2020