TE Vwgh Beschluss 2020/9/8 Ra 2020/03/0112

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Veröffentlicht am 08.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verfassungsgerichtshof
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art144 Abs3
VerfGG 1953 §87 Abs3
VwGG §26 Abs4
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der R-Oprovinz in I, vertreten durch Dr. Christian Margreiter, Rechtsanwalt in 6060 Hall/Tirol, Pfarrplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 30. Dezember 2019, Zl. LVwG-2018/23/0005-41, betreffend Feststellung einer Eigenjagd (mitbeteiligte Parteien: 1. Jagdgenossenschaft Mieders, vertreten durch Dr. Ewald Jenewein, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Brixner Straße 2; 2. Gemeindegutsagrargemeinschaft M-M, zH Substanzverwalter der Gemeinde M, K W in M; 3. Gemeindegutsagrargemeinschaft M-M, zH Substanzverwalter der Gemeinde M, A R in M; 4. Gemeindegutsagrargemeinschaft M, zH Substanzverwalter R S in M; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Zur Vorgeschichte wird auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Oktober 2018, Ro 2018/03/0030, sowie vom 20.11.2019, Ro 2019/03/0018, verwiesen.

2        Mit dem zuletzt genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof zur Voraussetzung für die Feststellung eines Eigenjagdgebietes nach § 5 Abs. 5 lit. d TJG 2004, wonach Dritte dadurch nicht in ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen unverhältnismäßig beeinträchtigt werden dürfen, auf die Gesetzesmaterialien verwiesen, die als Beispiel für einen Fall, in dem Dritte durch eine Eigenjagdfeststellung in diesem Sinn in ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen unverhältnismäßig beeinträchtigt würden, ausdrücklich auch jenen Fall nennen, dass aufgrund der Feststellung des neuen Eigenjagdgebietes übrig bleibende Flächen an das neu festgestellte Jagdgebiet oder an andere Jagdgebiete anzugliedern wären. Der Verwaltungsgerichtshof hielt fest, dass dabei nicht darauf abgestellt wird, ob die fraglichen Flächen bereits vor Feststellung der neuen Eigenjagd im Wesentlichen nur über andere Jagdgebiete erreicht werden, sondern ob bisher nicht an fremde Jagdgebiete angegliederte Flächen nun „übrig bleiben“ würden, die nach Feststellung der neuen Eigenjagd an andere Jagdgebiete anzugliedern wären. Träfe dies zu, wäre die Voraussetzung nach § 5 Abs. 5 lit. d TJG 2004 nicht erfüllt und der Antrag auf Feststellung des Eigenjagdgebiets wäre schon deshalb abzuweisen.

3        Im fortgesetzten Verfahren hat das Verwaltungsgericht die Sachverhaltsfeststellung getroffen, dass durch das neu festzustellende Jagdrevier ein Teil des bestehenden Jagdreviers der Genossenschaftsjagd M (Revierteil E) abgetrennt würde. In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, dass dies einen absoluten Versagungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 5 lit. d TJG 2004 darstelle und bereits aus diesem Grund die (von der revisionswerbenden Partei) beantragte Feststellung als Eigenjagdgebiet zu versagen sei. Das Verwaltungsgericht hat daher den Antrag der revisionswerbenden Partei auf Feststellung eines Eigenjagdgebietes aus näher bezeichneten Grundstücken abgewiesen und ausgesprochen, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig ist.

4        Gegen dieses Erkenntnis erhob die revisionswerbende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 9. Juni 2020, E 585/2020, die Behandlung der - nicht auf das Vorliegen sämtlicher Prozessvoraussetzungen geprüften - Beschwerde ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.

5        In der nun erhobenen außerordentlichen Revision beantragt die revisionswerbende Partei die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu die Abänderung in dem Sinne, dass dem Antrag auf Feststellung eines Eigenjagdgebietes aus näher bezeichneten Grundstücken stattgegeben werde.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Zunächst ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss über die Ablehnung und Abtretung der an ihn erhobenen Beschwerde ausdrücklich festgehalten hat, dass die Beschwerde nicht auf das Vorliegen aller Prozessvoraussetzungen geprüft wurde. Eine Unzulässigkeit der vom Verfassungsgerichtshof „abgetretenen“ Beschwerde - insbesondere wegen Versäumung der Beschwerdefrist - führt aber jedenfalls auch zur Unzulässigkeit der in der Folge ausgeführten Revision, weil die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in diesen Fällen (endgültig) unanfechtbar geworden ist (vgl. etwa VwGH 30.11.2015, Ra 2015/08/0111). Die Revision könnte daher nur dann zulässig sein, wenn auch die Prozessvoraussetzungen für die an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde vorlagen, was in einem Fall wie dem hier vorliegenden, in dem der Verfassungsgerichtshof ausdrücklich darauf hinweist, dass der Ablehnungsbeschluss ohne Prüfung aller Prozessvoraussetzungen ergangen ist, gegebenenfalls vom Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen wäre.

9        Ob diese Prozessvoraussetzungen vorlagen, kann aber im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, da sich die Beschwerde schon mangels Darlegung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung als unzulässig erweist:

10       Die revisionswerbende Partei bringt in ihrem Zulässigkeitsvorbringen im Wesentlichen vor, dass das Verwaltungsgericht dem angefochtenen Erkenntnis einen „rein formalistischen Ansatz“ (nämlich, dass durch die Feststellung der beantragten Eigenjagd eine Enklave entstehen würde) zugrunde gelegt habe; das Verwaltungsgericht habe damit den ursprünglichen „jagdfachlichen Ansatz“ korrigiert, der seiner im vorangegangenen Rechtsgang erfolgten Entscheidung zugrunde gelegt worden sei. Die revisionswerbende Partei räumt allerdings selbst ein, dass die dem angefochtenen Erkenntnis nun zugrunde gelegte Rechtsansicht jener entspricht, die der Verwaltungsgerichtshof seinem Erkenntnis vom 20.11.2019, Ro 2019/03/0018, zugrunde gelegt hat. Das Verwaltungsgericht ist damit seiner Verpflichtung nach § 63 VwGG nachgekommen, den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Dass die revisionswerbende Partei diese Rechtsanschauung nicht teilt, vermag schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu begründen, weil auch der Verwaltungsgerichtshof selbst gemäß § 63 Abs. 1 VwGG an seine Erkenntnisse gebunden ist (vgl. etwa VwGH 19.02.2020, Ro 2019/12/0002). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof die hier maßgebliche Rechtsanschauung auch in einem weiteren Erkenntnis (VwGH 18.1.2020, Ra 2019/03/0121) bestätigt hat.

11       Soweit die revisionswerbende Partei in der Zulässigkeitsbegründung der Revision in diesem Zusammenhang auch eine Beeinträchtigung in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums behauptet, ist sie darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig ist, über die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte zu entscheiden. Wenn die revisionswerbende Partei weiters die Auffassung vertritt, aus dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofes über die Abtretung der Beschwerde gehe hervor, dass der Verfassungsgerichtshof von einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des (einfachen) Gesetzes ausgehe, „die grundrechtsverletzenden Charakter“ habe, verkennt sie in ganz grundlegender Weise den Inhalt dieses Beschlusses, der nach Art. 144 Abs. 3 B-VG nur zu treffen ist, wenn die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat - was im Falle einer vom Verfassungsgerichtshof erkannten „grundrechtsverletzenden“ Anwendung des Gesetzes nicht der Fall wäre - oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist.

12       Die revisionswerbende Partei führt zur Zulässigkeit der Revision weiters aus, dass das Verwaltungsgericht keine weiteren ergänzenden Feststellungen getroffen habe, die ihm der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.11.2019, Ro 2019/03/0018, aufgetragen habe, dass es das Verwaltungsgericht unterlassen habe, im fortgesetzten Verfahren eine weitere mündliche Verhandlung durchzuführen, und dass schließlich die Feststellung über die im Fall der Feststellung der beantragten Eigenjagd erfolgende Abtrennung eines Revierteils der bestehenden Genossenschaftsjagd ohne Beweiswürdigung getroffen worden sei.

13       Dazu ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem oben zitierten Erkenntnis zwar mehrere entscheidungsrelevante Umstände dargelegt hat, zu denen das Verwaltungsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat bzw. zu denen die Feststellungen nicht mängelfrei zustande gekommen sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber auch - wie bereits oben (Rn. 2) dargelegt - festgehalten, dass der Antrag schon deshalb abzuweisen wäre, wenn bei Feststellung der beantragten Eigenjagd bisher nicht an fremde Jagdgebiete angegliederte Flächen „übrig bleiben“ würden, die an fremde Jagdgebiete anzugliedern wären. Das Verwaltungsgericht hat nun eine dahingehende Feststellung getroffen, sodass es auf die weiteren Feststellungen - die nur erforderlich wären, wenn die Eigenjagdfeststellung nicht zur Abtrennung des Revierteiles führen würde - nicht mehr ankommt.

14       Zur Frage der im dritten Rechtsgang unterbliebenen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist zunächst festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht in den beiden vorangegangenen Rechtsgängen Verhandlungen durchgeführt hat. Ungeachtet dessen kann das Verwaltungsgericht auch im weiteren Rechtsgang nur von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Voraussetzungen des § 24 VwGVG vorliegen. Die hier relevante Feststellung konnte aufgrund der dem Verwaltungsgericht vorliegenden Ergebnisse des bisherigen Verfahrens, insbesondere der in den Akten enthaltenen Pläne, deren Inhalt auch im vorangegangenen Verfahren nicht strittig war, getroffen werden; der getroffenen Feststellung tritt auch die Revision weder in der Zulässigkeitsbegründung noch im sonstigen Revisionsvorbringen entgegen. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass die Voraussetzungen des § 24 VwGVG für das Absehen von der Verhandlung im hier zu beurteilenden Fall nicht vorgelegen wären; Gegenteiliges wird auch in der Revision nicht dargelegt.

15       Schließlich ist zur Frage der unterbliebenen Ausführungen zur Beweiswürdigung ebenfalls darauf hinzuweisen, dass die Revision der getroffenen Feststellung weder in der Zulässigkeitsbegründung noch im sonstigen Revisionsvorbringen entgegentritt, sodass eine Relevanz dieses Verfahrensmangels nicht erkennbar ist.

16       In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren unter Absehen von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung (§ 39 Abs. 2 Z 1 zweiter Fall VwGG) zurückzuweisen.

Wien, am 8. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020030112.L00

Im RIS seit

12.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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