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E000 EU- Recht allgemeinNorm
AVG §13 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 28. August 2019, VGW-151/031/9290/2019-1, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: D Z in W, vertreten durch Dr. Gregor Holzknecht, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Reisnerstraße 29/7), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein chinesischer Staatsangehöriger, erhielt erstmalig am 12. Jänner 2015 einen Aufenthaltstitel „Schüler“, der zuletzt mit Gültigkeit bis zum 19. Juli 2018 verlängert wurde. Am 13. Juli 2018 stellte der Mitbeteiligte beim Landeshauptmann von Wien (Revisionswerber) einen weiteren Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Schüler“. Dem Antrag war ua. ein Passfoto beigelegt.
2 Mit Schreiben vom 18. Juli 2018 forderte der Revisionswerber den Mitbeteiligten auf, innerhalb von vier Wochen eine schriftliche Stellungnahme, wie der Lebensunterhalt in Österreich finanziert werde, und einen „Auszug aus dem Kreditschutzverband“ samt Kreditraten (falls vorhanden) vorzulegen. Diesem Auftrag kam der Mitbeteiligte mit Schreiben vom 1. August 2018 nach.
3 Mit Schreiben des Revisionswerbers vom 22. Jänner 2019 wurde der Mitbeteiligte gemäß § 13 Abs. 3 AVG unter Hinweis auf die Rechtsfolgen bei nicht zeitgerechtem Nachkommen des Verbesserungsauftrages bis 18. Februar 2019 ua. aufgefordert, ein aktuelles Lichtbild vorzulegen. Dieses Schreiben wurde dem Mitbeteiligten am 30. Jänner 2019 durch Hinterlegung zugestellt. Dieser Aufforderung, ein aktuelles Lichtbild vorzulegen, kam der Mitbeteiligte nicht nach.
4 Mit weiterem Schreiben des Revisionswerbers vom 2. April 2019 wurde der Mitbeteiligte neuerlich gemäß § 13 Abs. 3 AVG unter Hinweis auf die Rechtsfolgen bei nicht zeitgerechtem Nachkommen des Verbesserungsauftrages bis 26. April 2019 ua. aufgefordert, ein aktuelles Lichtbild vorzulegen. Dieses Schreiben wurde dem Mitbeteiligten am 6. April 2019 zugestellt. Auch dieser Aufforderung kam der Mitbeteiligte nicht nach.
5 Mit Bescheid des Revisionswerbers vom 3. Mai 2019 wurde der Antrag vom 13. Juli 2018 auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Schüler“ gemäß § 13 Abs. 3 AVG iVm § 19 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurückgewiesen. Begründend führte der Revisionswerber aus, der Mitbeteiligte sei der Aufforderung vom 2. April 2019, ein aktuelles Lichtbild bis zum 26. April 2019 nachzureichen, nicht nachgekommen.
6 In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte der Mitbeteiligte ua. vor, dass er bereits im Juli 2018 ein Passfoto vorgelegt habe.
7 Mit Erkenntnis vom 28. August 2019 gab das Verwaltungsgericht Wien der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG statt und hob den angefochtenen Bescheid auf. Weiters sprach es aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
8 Nach Darstellung des Verfahrensganges führte das Verwaltungsgericht als relevante Bestimmung der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) § 2a der Verordnung - auszugsweise - wie folgt an:
„Lichtbild
§ 2a. (1) Das Lichtbild muss farbig sein und den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige, ABl. Nr. L 157 vom 15.06.2002 S. 1 in der Fassung der Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 380/2008, ABl. Nr. L 115 vom 29.4.2008 S. 1, insbesondere den geforderten Aufnahmemodalitäten und Qualitätsmerkmalen, entsprechen.
(2) Das Lichtbild darf nicht älter als sechs Monate sein und muss den Antragsteller zweifelsfrei erkennen lassen. Es ist in der Größe von 45 Millimeter x 35 Millimeter im Hochformat abzugeben. Für das Lichtbild darf nur glattes und glänzendes Papier ohne Oberflächenstruktur verwendet werden. Das Lichtbild darf keine Beschädigung, Verunreinigungen oder unnatürliche Farben aufweisen.
(3) Das Lichtbild darf ausschließlich die Person des Antragstellers zeigen, weitere Personen oder Gegenstände im Lichtbild sind unzulässig. Der Hintergrund muss einfärbig hell sein und darf keine Muster aufweisen.
(4) Der Kopf der Person soll etwa zwei Drittel des Bildes einnehmen. Der Augenabstand muss zumindest 8 Millimeter betragen. Das Lichtbild muss die Person in einer Frontalaufnahme, mit unverdeckten Augen und neutralem Gesichtsausdruck zeigen, die Hauttöne sind möglichst natürlich wiederzugeben. Eine Darstellung der Person mit geneigtem oder gedrehtem Kopf ist unzulässig. Das Tragen von Kopfbedeckungen ist nur aus medizinischen oder religiösen Gründen zulässig.
(5) Das Gesicht muss gleichmäßig ausgeleuchtet und in allen Bereichen scharf abgebildet, kontrastreich und klar sein. Schattenbildung im Gesicht und Reflexionen sind zu vermeiden. Bei Brillenträgern müssen die Augen klar und deutlich erkennbar sein.
(6) Soweit dies der Entwicklungsstand der Person oder körperliche Gegebenheiten indizieren, sind Abweichungen von Abs. 4 zulässig.“
9 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht ua. aus, der Mitbeteiligte habe am 13. Juli 2018 rechtzeitig einen Verlängerungsantrag gestellt, dem ein Lichtbild angeschlossen gewesen sei, welches den Kriterien des § 2a NAG-DV genüge. Es liege deswegen kein mangelhaftes Anbringen im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG vor, das einen Verbesserungsantrag begründen könne.
10 Die ordentliche Revision sei unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei.
11 In der dagegen erhobenen Revision brachte der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung vor, das Verwaltungsgericht hätte § 2a Abs. 2 NAG-DV in seiner am 28. August 2019 gültigen Fassung (BGBl. II Nr. 231/2017) anzuwenden gehabt, dessen erster Satz wie folgt laute (Hervorhebung im Original):
„Das Lichtbild darf zum Entscheidungszeitpunkt nicht älter als sechs Monate sein und muss den Antragsteller zweifelsfrei erkennen lassen.“
12 Weiters führt die Revision aus, aufgrund der Anwendung des § 2a Abs. 2 NAG-DV in der im Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichtes gültigen Fassung hätte das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid vom 13. Mai 2019 bestätigen müssen, weil das vom Mitbeteiligten vorgelegte Lichtbild im Entscheidungszeitpunkt älter als sechs Monate gewesen sei.
13 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er darauf hinweist, dass das mit dem Antrag vorgelegte Lichtbild den gesetzlichen Vorgaben entsprochen habe. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Mitbeteiligte einem nach sechs Monaten erteilten Verbesserungsauftrag zur Vorlage eines aktuellen Lichtbildes nachkommen sollte, nur weil der Revisionswerber über den Antrag nicht rechtzeitig innerhalb der sechsmonatigen Entscheidungsfrist entschieden habe.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 Die Revision ist angesichts der Ausführungen zur anzuwendenden Norm des § 2a Abs. 2 NAG-DV zulässig, sie ist aber aus folgenden Erwägungen nicht begründet:
16 § 8, § 19 Abs. 1 bis 3, Abs. 7 und Abs. 8, § 63 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten auszugsweise:
„Arten und Form der Aufenthaltstitel
§ 8. (1) Aufenthaltstitel werden erteilt als:
[...]
12. „Aufenthaltsbewilligung“ für einen vorübergehenden befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet zu einem bestimmten Zweck (§§ 58 bis 69).
(2) Der Bundesminister für Inneres legt das Aussehen und den Inhalt der Aufenthaltstitel nach Abs. 1 durch Verordnung fest. Die Aufenthaltstitel haben insbesondere Name, Vorname, Geburtsdatum, Lichtbild, ausstellende Behörde und Gültigkeitsdauer zu enthalten; sie gelten als Identitätsdokumente.
[...]
Allgemeine Verfahrensbestimmungen
§ 19. (1) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder auf Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind persönlich bei der Behörde zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter persönlich einzubringen.
(2) Im Antrag ist der Grund des Aufenthalts bekannt zu geben; dieser ist genau zu bezeichnen. Nicht zulässig ist ein Antrag, aus dem sich verschiedene Aufenthaltszwecke ergeben, das gleichzeitige Stellen mehrerer Anträge und das Stellen weiterer Anträge während eines anhängigen Verfahrens nach diesem Bundesgesetz einschließlich jener bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts. Die für einen bestimmten Aufenthaltszweck erforderlichen Berechtigungen sind vor der Erteilung nachzuweisen. Besteht der Aufenthaltszweck in der Ausübung eines Gewerbes, so gilt die von der Gewerbebehörde ausgestellte Bescheinigung, dass die Voraussetzungen für die Gewerbeausübung mit Ausnahme des entsprechenden Aufenthaltstitels vorliegen, als Nachweis der erforderlichen Berechtigung. Der Fremde hat der Behörde die für die zweifelsfreie Feststellung seiner Identität und des Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel vorzulegen.
(3) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise für den jeweiligen Aufenthaltszweck (Abs. 2) dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten.
[...]
(7) Aufenthaltstitel und Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts dürfen Fremden, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel und Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter persönlich ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Fremde nachweislich über die Vorschriften im Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels (§ 24) zu belehren. Fremden, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, und den gesetzlichen Vertretern von unmündigen minderjährigen Fremden, kann abweichend von Satz 1 und 2 der Aufenthaltstitel oder die Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts auch zu eigenen Handen zugestellt (§ 21 Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982) werden, sofern sie im Inland rechtmäßig aufhältig sind, über eine Zustelladresse im Inland verfügen und § 21 Abs. 1 dem nicht entgegensteht.
(8) Die Behörde kann auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach Abs. 1 bis 3 und 7 zulassen:
1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17) zur Wahrung des Kindeswohls;
2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3) oder
3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Fremde zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
[...]
Schüler
§ 63. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine Aufenthaltsbewilligung für Schüler ausgestellt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
1. ordentliche Schüler einer öffentlichen Schule sind;
2. ordentliche Schüler einer Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht sind;
3. Schüler einer Statutschule mit Öffentlichkeitsrecht nach § 14 Abs. 2 lit. b des Privatschulgesetzes, BGBl. Nr. 244/1962, sind;
4. Schüler einer zertifizierten nichtschulischen Bildungseinrichtung sind (§ 70);
5. außerordentliche Schüler einer Schule nach Z 1, 2 oder 6 sind, soweit es sich um die erstmalige Ausstellung einer Aufenthaltsbewilligung handelt, oder
6. Schüler einer Privatschule sind, für die im vorangegangenen Schuljahr das Öffentlichkeitsrecht verliehen und nicht gemäß § 16 Abs. 1 des Privatschulgesetzes entzogen worden ist sowie für das laufende Schuljahr um die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes angesucht wurde.
Eine Haftungserklärung ist zulässig.
(2) Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit richtet sich nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz. Diese Erwerbstätigkeit darf das Erfordernis der Schulausbildung als ausschließlicher Aufenthaltszweck jedenfalls nicht beeinträchtigen.
(3) Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen dem Besuch einer Schule im Sinne des Abs. 1, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis über den Schulerfolg und in den Fällen des Abs. 1 Z 5 darüber hinaus über die Aufnahme als ordentlicher Schüler erbringt. Wurde die Aufnahme als außerordentlicher Schüler gemäß § 4 Abs. 3 zweiter Satz des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 472/1986, von der Schulbehörde um weitere zwölf Monate verlängert, kann in den Fällen des Abs. 1 Z 5 trotz fehlendem Nachweis über die Aufnahme als ordentlicher Schüler die Aufenthaltsbewilligung einmalig verlängert werden. Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Schulerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden.“
17 Die relevanten Bestimmungen der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV), BGBl. II Nr. 451/2005 in der Fassung BGBl. II Nr. 81/2019, lauten auszugsweise:
„1. Abschnitt
Zu § 8 Abs. 2 NAG
Form und Inhalt der Aufenthaltstitel
§ 1. Aufenthaltstitel (§ 8 Abs. 1 NAG) werden als Karte entsprechend der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige, ABl. Nr. L 157 vom 15.06.2002 S. 1 in der Fassung der Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 380/2008, ABl. Nr. L 115 vom 29.4.2008 S. 1, erteilt und sind nach dem Muster der Anlage A auszustellen.
[...]
Lichtbild
§ 2a. (1) Das Lichtbild muss farbig sein und den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige, ABl. Nr. L 157 vom 15.06.2002 S. 1 in der Fassung der Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 380/2008, ABl. Nr. L 115 vom 29.4.2008 S. 1, insbesondere den geforderten Aufnahmemodalitäten und Qualitätsmerkmalen, entsprechen.
(2) Das Lichtbild darf zum Entscheidungszeitpunkt nicht älter als sechs Monate sein und muss den Antragsteller zweifelsfrei erkennen lassen. Es ist in der Größe von 45 Millimeter x 35 Millimeter im Hochformat abzugeben. Für das Lichtbild darf nur glattes und glänzendes Papier ohne Oberflächenstruktur verwendet werden. Das Lichtbild darf keine Beschädigung, Verunreinigungen oder unnatürliche Farben aufweisen.
[...]
Form der Urkunden und Nachweise für Aufenthaltstitel
§ 6. (1) Die nach den §§ 7 bis 9 sowie nach § 56 NAG bei der Antragstellung erforderlichen Urkunden und Nachweise sind der Behörde oder Berufsvertretungsbehörde jeweils im Original und in Kopie vorzulegen.
(2) Die Behörde oder Berufsvertretungsbehörde prüft die vorgelegten, dem Antrag anzuschließenden Kopien auf ihre vollständige Übereinstimmung mit dem Original und bestätigt dies mit einem Vermerk auf der Kopie.
[...]
Urkunden und Nachweise für alle Aufenthaltstitel
§ 7. (1) Dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 1) sind - unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den §§ 8 und 9 - folgende Urkunden und Nachweise anzuschließen:
[...]
3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 2a;
[...]“
18 Der Mitbeteiligte muss für den beantragten Aufenthaltstitel „Schüler“ gemäß § 63 NAG die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.
19 Gemäß der auf § 19 Abs. 3 NAG gestützten Verordnungsermächtigung hat der Bundesminister für Inneres in § 7 Abs. 1 Z 3 NAG-DV geregelt, dass dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach §§ 8 und 9 NAG-DV ein „Lichtbild des Antragstellers gemäß § 2a“ anzuschließen ist.
20 Nach § 7 Abs. 1 Z 3 NAG-DV sind dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels ein Lichtbild des Antragstellers gemäß § 2a NAG-DV vorzulegen.
21 Gemäß § 2a Abs. 2 erster Satz NAG-DV, geändert mit Novelle BGBl. II Nr. 231/2017, darf das Lichtbild zum Entscheidungszeitpunkt nicht älter als sechs Monate sein und muss den Antragsteller zweifelsfrei erkennen lassen. § 2a Abs. 2 NAG-DV, BGBl. II Nr. 231/2017, ist gemäß 13 Abs. 9 NAG-DV mit 1. Oktober 2017 in Kraft getreten. § 2a Abs. 2 NAG-DV in der Fassung BGBl. II Nr. 231/2017 war daher sowohl im Verfahren vor dem Revisionswerber als auch dem Verwaltungsgericht anzuwenden.
22 Die Revision zeigt demnach zutreffend auf, dass das Verwaltungsgericht die mit 1. Oktober 2017 in Kraft getretene Änderung des § 2a Abs. 2 NAG-DV, wonach das Lichtbild zum Entscheidungszeitpunkt nicht älter als sechs Monate sein dürfe, nicht berücksichtigt hat.
23 Der Mitbeteiligte bestreitet nicht, dass er dem Auftrag des Revisionswerbers vom 2. April 2019, ein aktuelles Lichtbild vorzulegen, nicht nachgekommen ist, sodass sein Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Schüler“ gemäß § 13 Abs. 3 AVG iVm § 19 Abs. 3 NAG vom Revisionswerber zurückgewiesen wurde.
24 Im Fall der Zurückweisung eines Antrags ist Sache des Beschwerdeverfahrens die Frage, ob die Zurückweisung zu Recht erfolgt ist (vgl. etwa VwGH 29.4.2010, 2008/21/0302; 17.10.2016, Ra 2016/22/0059, 0060, mwN).
25 Nach § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht (vgl. VwGH 17.6.2019, Ra 2018/22/0197, mwN).
26 Von Mängeln eines Anbringens im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG sind sonstige Unzulänglichkeiten zu unterscheiden, welche nicht die Vollständigkeit des Anbringens betreffen, sondern sonst im Lichte der anzuwendenden Vorschriften seine Erfolgsaussichten beeinträchtigen. Ob es sich bei einer im Gesetz umschriebenen Voraussetzung aber um einen „Mangel“ im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG oder aber um das (zur Antragsabweisung führende) Fehlen einer Erfolgsvoraussetzung handelt, ist durch die Auslegung der jeweiligen Bestimmung des Materiengesetzes zu ermitteln (VwGH 15.6.2010, 2010/22/0055 bis 0059).
27 Fraglich ist, ob das Erfordernis gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 iVm § 2a Abs. 2 NAG-DV, wonach das Lichtbild zum Entscheidungszeitpunkt nicht älter als sechs Monate sein dürfe, einen Mangel im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG darstellt, der - im Fall der Nichtbehebung - zur Zurückweisung des Antrages führt.
28 Gemäß dem (durch BGBl. II Nr. 231/2017 geänderten) Wortlaut des aufgrund der Ermächtigung des § 8 Abs. 2 NAG erlassenen § 2a Abs. 2 NAG-DV ist für die Beurteilung der Aktualität des Lichtbildes nicht der Zeitpunkt der Antragstellung, sondern der Entscheidungszeitpunkt relevant. Die Vorschrift zielt offenbar darauf ab, dass mit Erteilung des Aufenthaltstitels, die gemäß § 1 NAG-DV mit Ausfolgung (tatsächliche Übergabe und Entgegennahme) des Aufenthaltstitels als Karte bewirkt wird (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0125, mwN), ein aktuelles Lichtbild des Antragstellers für die Ausfolgung der Karte vorliegt. Die Karte muss den Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 entsprechen, die ua. in Art. 9 die Anbringung eines Lichtbildes vorsieht.
§ 2a NAG-DV findet sich im 1. Abschnitt der Verordnung, der die Überschrift „Zu § 8 Abs. 2 NAG“ enthält. Er stellt somit eine Regelung des Inhalts und der Gestaltung der Aufenthaltstitel dar.
29 Die einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels anzuschließenden „Urkunden und Nachweise“ sind in § 7 NAG-DV geregelt, nach dessen Abs. 1 Z 3 auch „ein Lichtbild des Antragstellers gemäß § 2a“ vorzulegen ist. Diese aus Anlass der Novellierung des § 2a durch BGBl. II Nr. 81/2019 nicht geänderte Bestimmung kann bei verständiger Auslegung nur so verstanden werden, dass die in § 2a enthaltenen Anforderungen hinsichtlich Format und technischer Spezifikationen erfüllt sein müssen, zumal die Beurteilung, ob das vorgelegte Foto im Entscheidungszeitpunkt nicht älter als sechs Monate sein wird, im Zeitpunkt der Antragstellung unmöglich ist.
30 Im vorliegenden Fall ist der Antragsteller seiner Verpflichtung gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 NAG-DV, dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels ein - zum Zeitpunkt der Antragstellung aktuelles - Lichtbild anzuschließen, nachgekommen. Nach Ablauf von sechs Monaten nach Antragstellung war das vorgelegte Lichtbild aufgrund der Dauer des behördlichen Verfahrens nicht mehr aktuell im Sinn des § 2a Abs. 2 NAG-DV. Dieser bloße Zeitablauf kann jedoch nicht bewirken, dass ein ursprünglich richtig eingebrachter Antrag als nunmehr (ursprünglich) fehlerhaft eingebracht gilt. Das Erfordernis, wonach gemäß § 2a Abs. 2 NAG-DV ein zum Entscheidungszeitpunkt aktuelles Lichtbild vorliegen muss, ist nach dem Vorgesagten keine Formvorschrift, die bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung erfüllt sein muss und bei der die rechtzeitige Behebung eines allfälligen Mangels dazu führt, dass der Antrag als ursprünglich richtig eingebracht gilt, sondern eine gesondert vorgesehene Mitwirkungs- bzw. Nachweispflicht im Ermittlungsverfahren, die die Ausstellung des begehrten Aufenthaltstitel entsprechend den inhaltlichen Anforderungen von Gesetz und Verordnung ermöglichen soll. In einer Konstellation wie der vorliegenden, in der der Mitbeteiligte seiner Verpflichtung zur Vorlage eines Lichtbildes gemäß § 2a Abs. 2 NAG-DV zunächst nachgekommen ist, das Lichtbild jedoch aufgrund der Dauer des Verfahrens den Kriterien des § 2a Abs. 2 NAG-DV zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr genügt, geht es um die Beurteilung einer Erfolgs- bzw. Erteilungsvoraussetzung, deren Fehlen allenfalls zur Abweisung des Antrages führt.
31 Die Ansicht des Verwaltungsgerichtes, wonach der Revisionswerber nicht zur Zurückweisung des gegenständlichen Antrages gemäß § 13 Abs. 3 AVG berechtigt war, erweist sich daher als im Ergebnis zutreffend.
32 Die Revision war somit als unbegründet abzuweisen.
33 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 9. September 2020
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Formgebrechen nicht behebbare NICHTBEHEBBARE materielle Mängel Formgebrechen nicht behebbare NICHTBEHEBBARE materielle Mängel Gewerberecht Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2 Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Verbesserungsauftrag BejahungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019220212.L00Im RIS seit
20.10.2020Zuletzt aktualisiert am
20.10.2020