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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision der N M B V, vertreten durch Mag. Armin Windhager, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/9, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 4. März 2019, VGW-151/032/2582/2019-9, betreffend Aufenthaltsbewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 27. Dezember 2018 wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) den Antrag der Revisionswerberin, einer peruanischen Staatsangehörigen, vom 9. November 2018 auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung „Studentin“ gestützt auf § 64 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab. Begründend wurde ausgeführt, die Revisionswerberin sei seit dem 1. Oktober 2016 im außerordentlichen Studium für den Besuch des Vorstudienlehrganges gemeldet, habe aber erst zwei von drei der vorgeschriebenen Ergänzungsprüfungen abgelegt und daher das ordentliche Studium noch nicht aufnehmen können.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. März 2019 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin gestützt auf § 64 Abs. 2 NAG in Verbindung mit § 8 Z 8 lit. b Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig.
3 Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerberin sei mit Gültigkeit ab 6. Februar 2017 erstmalig eine Aufenthaltsbewilligung „Studierende“ gemäß § 64 NAG erteilt worden, die in der Folge bis zum 16. November 2018 verlängert worden sei. Bereits ab dem 1. Oktober 2016 sei die Revisionswerberin an der Universität Wien für den Vorstudienlehrgang zur Ablegung dreier Ergänzungsprüfungen inskribiert gewesen. Nach einer - auf die Versäumung der Anmeldefrist zurückzuführenden - Unterbrechung ab dem 1. Dezember 2017 habe sie das Studium mit 1. März 2018 fortgesetzt. Die Revisionswerberin habe die drei Ergänzungsprüfungen am 25. Juni 2018, am 13. November 2018 und am 21. Februar 2019 abgelegt. Mit 27. Februar 2019 sei die Meldung zum Vorstudienlehrgang beendet worden und seit dem 1. März 2019 sei die Revisionswerberin als ordentliche Studierende gemeldet.
4 In seinen rechtlichen Erwägungen verwies das Verwaltungsgericht zunächst auf § 5 des Statuts für den Vorstudienlehrgang der Wiener Universitäten, dem zufolge der Besuch von Lehrveranstaltungen des Vorstudienlehrganges für maximal vier Semester zulässig sei, in begründeten Fällen - aus näher umschriebenen wichtigen Gründen - jedoch der Besuch von Lehrveranstaltungen für ein fünftes oder sechstes Semester genehmigt werden könne. Weiters verwies das Verwaltungsgericht auf die Regelung des § 64 Abs. 2 NAG, wonach die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung „Student“ in den Fällen eines außerordentlichen Studiums zur Vorbereitung auf die Ergänzungsprüfung nur zulässig sei, wenn der Drittstaatsangehörige innerhalb von zwei Jahren die Zulassung zum ordentlichen Studium nachweise.
Zwar lasse die Regelung des § 64 Abs. 2 NAG offen, ab welchem Zeitpunkt diese zweijährige Frist zu berechnen sei. Allerdings habe die Frist gerechnet ab der erstmaligen Inskription zum Vorstudienlehrgang am 1. Oktober 2018 und gerechnet ab der Gültigkeit des ersten Aufenthaltstitels am 6. Februar 2019 geendet. Zu keinem dieser Zeitpunkte habe die erst seit dem 1. März 2019 als ordentliche Studierende gemeldete Revisionswerberin den Nachweis der Zulassung zum ordentlichen Studium erbracht. Die (nachträgliche) Zulassung zum ordentlichen Studium beseitige nicht das Erfordernis, dass die Zulassung spätestens innerhalb von zwei Jahren nachgewiesen werden müsse. Dem Vorbringen der Revisionswerberin, sie habe deutlich mehr als die nach dem Universitätsgesetz geforderten Semesterwochenstunden erbracht, hielt das Verwaltungsgericht entgegen, dass die Voraussetzungen des § 64 Abs. 2 erster Satz NAG - nämlich die Erbringung eines Studienerfolgsnachweises einerseits sowie die Zulassung zum ordentlichen Studium andererseits - kumulativ vorliegen müssten. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob der erforderliche Studienerfolg erbracht worden sei.
Dem Gesetzeswortlaut, der auf den Zeitraum von zwei Jahren abstelle, sei auch nicht zu entnehmen, dass eine Unterbrechung des Studiums nicht in die Frist eingerechnet werde. Dass die Revisionswerberin die Frist zur Anmeldung versäumt habe, sei nicht als unabwendbares oder unvorhersehbares Ereignis im Sinn des § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG zu werten. Zum Vorbringen der Revisionswerberin, das Erfordernis des Nachweises der Zulassung zum ordentlichen Studium innerhalb von zwei Jahren sei erst am 1. September 2018 in Kraft getreten, führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin habe im Hinblick auf die Regelung des § 5 des eingangs zitierten Statuts auch davor nicht auf einen ihr aufenthaltsrechtlich zur Verfügung stehenden Zeitraum von drei Jahren vertrauen dürfen.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
Die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ab welchem Zeitpunkt die in § 64 Abs. 2 erster Satz NAG vorgesehene zweijährige Frist für den Nachweis der Zulassung zum ordentlichen Studium beginne. Der Frage komme Relevanz zu, weil nach der von der Revisionswerberin vertretenen Auffassung die Frist erst mit Beginn des Semesters zu laufen beginne, das auf die erstmalige Erteilung des Aufenthaltstitels folge, und die Revisionswerberin bei dieser Sichtweise die Voraussetzungen für die Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung erfüllt hätte. Die Rechtsfrage sei auch deshalb als grundsätzlich anzusehen, weil bei einer Vielzahl von Studierenden (insbesondere jenen, die visumfrei einreisen können) die Zulassung zum Studium und die Möglichkeit, dieses tatsächlich aufzunehmen, infolge des erst später erteilten Aufenthaltstitels oft weit auseinanderfielen.
Darüber hinaus sei zu klären, ob das Fehlen eines Aufenthaltstitels - und daher auch der Möglichkeit, legal im Bundesgebiet einen Vorstudienlehrgang zu absolvieren - als Hinderungsgrund im Sinn des § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG anzusehen sei bzw. ob ein derartiges unabwendbares oder unvorhersehbares Hindernis auch ein Absehen vom Nachweis der Zulassung zum ordentlichen Studium innerhalb von zwei Jahren ermögliche.
Die Revision ist im Hinblick darauf zulässig.
7 § 64 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 56/2018, lautete auszugsweise:
„Studierende
§ 64. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende ausgestellt werden, wenn sie
1. die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
2. ein ordentliches oder außerordentliches Studium an einer Universität, [...] absolvieren. [...]
[...]
(3) Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn dieser nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis der Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, Pädagogischen Hochschule oder anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule erbringt. [...] Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Studienerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden.
[...]“
8 Mit der Novelle BGBl. I Nr. 56/2018 (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 - FrÄG 2018) erhielt § 64 NAG auszugsweise folgenden Inhalt:
„Studenten
§ 64. (1) Drittstaatsangehörigen ist eine Aufenthaltsbewilligung als Student auszustellen, wenn sie
1. die Voraussetzungen des 1. Teiles mit Ausnahme des § 11 Abs. 2 Z 2 erfüllen und
2. ein ordentliches Studium an einer Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, öffentlichen oder privaten Pädagogischen Hochschule gemäß dem Hochschulgesetz 2005, BGBl. I Nr. 30/2006, absolvieren,
[...]
4. ein außerordentliches Studium im Rahmen eines Universitätslehrganges gemäß § 56 Universitätsgesetz 2002, eines Lehrganges zur Weiterbildung gemäß § 9 Fachhochschul-Studiengesetz, eines Universitätslehrganges gemäß § 3 Abs. 4 Privatuniversitätengesetz oder eines Hochschullehrganges gemäß § 39 Hochschulgesetz 2005 absolvieren, welches auf die in der Zulassungsentscheidung vorgeschriebene Ergänzungsprüfung vorbereitet,
[...]
(2) Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn dieser nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis der Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität oder Pädagogischen Hochschule erbringt und in den Fällen des Abs. 1 Z 4 darüber hinaus spätestens innerhalb von zwei Jahren die Zulassung zu einem Studium gemäß Abs. 1 Z 2 nachweist. [...] Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Studienerfolges oder Ausbildungsfortschrittes eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden.
[...]“
9 In den Erläuterungen zu dieser Neufassung, RV 189 BlgNR 24. GP 9, ist ua. Folgendes festgehalten:
„[...] Da § 75 Universitätsgesetz 2002 die Einrichtung eines Universitätslehrganges zur Vorbereitung auf eine Ergänzungsprüfung vorsieht, ist die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als Student im Fall der Ablegung von Ergänzungsprüfungen nur für die Absolvierung eines eigens dafür eingerichteten Universitätslehrganges oder analog dazu eines Lehrganges zur Weiterbildung, eines Universitätslehrganges an Privatuniversitäten oder eines Hochschullehrganges möglich.
[...]
Der vorgeschlagene Abs. 2 entspricht grundsätzlich dem geltenden Abs. 3. Ergänzend soll jedoch vorgesehen werden, dass im Falle der Absolvierung eines auf das eigentliche Studium vorbereitenden Lehrgangs (Vorstudienlehrgang) eine Aufenthaltsbewilligung als Student gemäß Abs. 1 Z 4 grundsätzlich nur einmal verlängert werden kann. Spätestens innerhalb von zwei Jahren hat der Student nämlich für die Bewilligung seines Antrags auf neuerliche Erteilung der Aufenthaltsbewilligung „Student“ nachzuweisen, dass er in ein Studium gemäß Abs. 1 Z 2 gewechselt ist. Dies entspricht der grundsätzlich vorgesehenen Dauer der Vorstudienlehrgänge von vier Semestern und steht in Einklang mit der Richtlinie, wonach die Mitgliedstaaten Dauer und sonstige Bedingungen von Vorbereitungskursen für die unter diese Richtlinie fallenden Studenten nach Maßgabe ihres nationalen Rechts festlegen können.“
10 § 8 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV), BGBl. II Nr. 451/2005 in der Fassung BGBl. II Nr. 229/2018, lautet auszugsweise:
„Weitere Urkunden und Nachweise für Aufenthaltsbewilligungen
§ 8. Zusätzlich zu den in § 7 genannten Urkunden und Nachweisen sind dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung folgende weitere Urkunden und Nachweise anzuschließen:
[...]
8. für eine Aufenthaltsbewilligung „Student“:
[...]
b) im Fall eines Verlängerungsantrages ein schriftlicher Nachweis der Universität, der Fachhochschule, der akkreditierten Privatuniversität oder der öffentlichen oder privaten Pädagogischen Hochschule über den Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr, insbesondere ein Studienerfolgsnachweis gemäß § 74 Abs. 6 des Universitätsgesetzes 2002 (UG), BGBl. I Nr. 120 idF BGBl. I Nr. 56/2018 sowie ein aktuelles Studienblatt und eine Studienbestätigung gemäß § 62 Abs. 4 UG; im Fall des § 64 Abs. 1 Z 4 NAG zusätzlich ein Nachweis über die Zulassung zu einem Studium gemäß § 64 Abs. 1 Z 2 NAG innerhalb von zwei Jahren;
[...]“
11 Die Abweisung des gegenständlichen Verlängerungsantrages der Revisionswerberin wurde darauf gestützt, dass die in § 64 Abs. 2 erster Satz NAG für den Fall eines außerordentlichen Studiums nach § 64 Abs. 1 Z 4 NAG vorgesehene besondere Erteilungsvoraussetzung des Nachweises der Zulassung zu einem ordentlichen Studium (nach § 64 Abs. 1 Z 2 NAG) „spätestens innerhalb von zwei Jahren“ nicht erfüllt war. Strittig ist, zu welchem Zeitpunkt diese zweijährige Frist zu laufen beginnt.
12 Das Verwaltungsgericht geht diesbezüglich von zwei denkmöglichen Alternativen für den Beginn der zweijährigen Frist aus, zum einen von einer Berechnung ab der Zulassung zum Vorstudienlehrgang mit 1. Oktober 2016 bzw. zum anderen von einer Berechnung ab der Gültigkeit des ersten erteilten Aufenthaltstitels mit 6. Februar 2017. Welcher Zeitpunkt maßgeblich sei, lässt das Verwaltungsgericht offen, weil der Nachweis der Zulassung zum ordentlichen Studium innerhalb von zwei Jahren bei keiner der beiden Varianten erbracht worden sei.
13 Nach Ansicht der Revisionswerberin kommt für den Beginn des Laufs der zweijährigen Frist demgegenüber noch ein weiterer Zeitpunkt in Betracht, nämlich der Beginn des Semesters, das auf die erstmalige Erteilung der Aufenthaltsbewilligung „Student“ folge. Aus dem Hinweis in den Erläuterungen zum FrÄG 2018, wonach der zweijährige Zeitraum der grundsätzlich vorgesehenen Dauer der Vorstudienlehrgänge von vier Semestern entspreche, lasse sich - nach Auffassung der Revisionswerberin - der Zweck der Regelung ableiten, dass den Studierenden die vorgesehene Dauer eines Vorstudienlehrganges zur Verfügung stehen solle. Ausgehend davon könne nicht auf den Zeitpunkt der Zulassung zum Vorstudienlehrgang abgestellt werden, weil sich der Studierende bis zur Erteilung des Aufenthaltstitels nicht legal im Bundesgebiet aufhalten und folglich nicht dort studieren könne. Der Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels könne wiederum mitten im Semester liegen, weshalb es bei dieser Variante allein vom Vorgehen der Behörde abhängen würde, ob der Studierende tatsächlich vier Semester zur Verfügung habe. Somit sei - so die Revisionswerberin - nur durch die zuletzt genannte Variante (zwei Jahre ab Beginn des Semesters, das auf die erstmalige Erteilung der Aufenthaltsbewilligung „Student“ folge) gewährleistet, dass der Studierende die vorgesehenen vier Semester für den Vorstudienlehrgang tatsächlich zur Verfügung habe.
14 Weder § 64 Abs. 2 erster Satz NAG noch § 8 Z 8 lit. b NAG-DV enthält eine ausdrückliche Regelung dazu, wann die dort jeweils bezogene Frist von zwei Jahren zu laufen beginnt. Den eingangs zitierten Erläuterungen lässt sich zunächst entnehmen, dass im Fall der Absolvierung eines auf das eigentliche Studium vorbereitenden Lehrganges (eines Vorstudienlehrganges) eine Aufenthaltsbewilligung als Student gemäß § 64 Abs. 1 Z 4 NAG „grundsätzlich nur einmal verlängert“ werden kann. Dies würde darauf hindeuten, dass die zweijährige Frist mit der Erteilung des ersten Aufenthaltstitels zu laufen beginnt, weil (jedenfalls in der Regel) mit dem Ende der Gültigkeit der einmalig verlängerten Aufenthaltsbewilligung zwei Jahre verstrichen sind (in diese Richtung auch Peyrl, § 64 Rz. 13, in Abermann ua., NAG2 [2019]). Allerdings wird diese Aussage zum einen durch die Einfügung des Wortes „grundsätzlich“ relativiert. Zum anderen heißt es in weiterer Folge, dass dies - nämlich den geforderten Nachweis der Zulassung zum ordentlichen Studium „spätestens innerhalb von zwei Jahren“ zu erbringen - der grundsätzlich vorgesehenen Dauer der Vorstudienlehrgänge von vier Semestern entspreche.
15 Wenn die Zeitspanne von zwei Jahren mit einem Verweis auf die (für einen Vorstudienlehrgang grundsätzlich vorgesehene) Dauer von vier Semestern erläutert und somit mit dieser gleichgesetzt wird, dann hat dies nicht nur zur Folge, dass ein außerordentlicher Studierender innerhalb dieser Zeitspanne den Nachweis der Zulassung zum ordentlichen Studium erbringen muss, sondern es ist gleichermaßen davon auszugehen, dass dem außerordentlichen Studierenden diese auch für ihn vorgesehene Zeitspanne - von vier Semestern - für die Erbringung der neu geschaffenen Erteilungsvoraussetzung zur Verfügung steht. Insofern unterscheidet sich die Regelung betreffend den Nachweis der Zulassung zum ordentlichen Studium innerhalb von zwei Jahren von der Regelung betreffend den im Verlängerungsverfahren allgemein zu erbringenden Studienerfolgsnachweis, hinsichtlich dessen in § 8 Z 8 lit. b NAG-DV generell auf das vorangegangene Studienjahr abgestellt wird, ohne dass erkennbar darauf Bezug genommen wird, in welchem Zeitraum der Drittstaatsangehörige tatsächlich zum Studium zugelassen war (vgl. diesbezüglich etwa VwGH 23.1.2020, Ra 2019/22/0211).
16 Ausgehend davon ist der Revisionswerberin insoweit beizupflichten, als nicht - jedenfalls nicht allein - auf den Zeitpunkt der Erteilung der ersten Aufenthaltsbewilligung „Studierende“ abgestellt werden kann, weil ein derart festgelegter Beginn des Fristenlaufs in der Regel - nämlich immer dann, wenn die Titelerteilung während eines laufenden Semesters erfolgt - für sich genommen nicht sicherstellen würde, dass dem außerordentlichen Studierenden entsprechend der in den Erläuterungen zum Ausdruck gebrachten Zielsetzung vier Semester zur Verfügung stehen.
17 Das bedeutet aber umgekehrt nicht, dass die zweijährige Frist immer erst mit Beginn desjenigen Semesters zu laufen beginnt, das auf die erstmalige Erteilung der Aufenthaltsbewilligung „Studierende“ folgt.
18 Aus dem Umstand, dass für einen Vorstudienlehrgang grundsätzlich vier Semester vorgesehen sind, die dem außerordentlichen Studierenden für die Absolvierung jedenfalls (auf die Sonderregelung des § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG muss im vorliegenden Zusammenhang nicht näher eingegangen werden) zur Verfügung stehen, ergibt sich zwar nicht, dass der betreffende Studierende während dieser Zeit zwingend über eine Aufenthaltsbewilligung für den Zweck des Studiums verfügen muss. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Beginn der für die Absolvierung des Vorstudienlehrganges eingeräumten Frist nicht vor dem Beginn des rechtmäßigen Aufenthaltes des betreffenden Studierenden liegt. Wenn im NAG für die Erfüllung einer Erteilungsvoraussetzung, die einen Inlandsaufenthalt voraussetzt, eine bestimmte Zeitspanne eingeräumt wird, dann muss schon aus systematischen Erwägungen ein rechtmäßiger Aufenthalt in dieser Zeitspanne möglich sein. Die gegenteilige Sichtweise würde nämlich dazu führen, dass einem sich rechtskonform verhaltenden Drittstaatsangehörigen, der in Ermangelung eines Aufenthaltsrechts nicht in das Bundesgebiet einreist oder aus diesem ausreist, insofern ein Nachteil erwächst, als ihm für die Absolvierung des Vorstudienlehrganges nicht vier Semester zur Verfügung stehen, wenn der Zulassungstermin vor dem Beginn des rechtmäßigen Aufenthalts liegt. Im Ergebnis ist die zweijährige Frist des § 64 Abs. 2 erster Satz NAG somit ab dem Beginn des Semesters zu berechnen, in dem der betreffende Drittstaatsangehörige erstmals als außerordentlicher Studierender zugelassen und auch zum Aufenthalt in Österreich berechtigt war.
19 Umgelegt auf den vorliegenden Fall wäre daher zu prüfen gewesen, ob die Revisionswerberin in der Zeit zwischen dem Beginn des Semesters, in dem sie erstmals als außerordentliche Studierende zugelassen war, (dem 1. Oktober 2016) bis zur Erteilung der ersten Aufenthaltsbewilligung „Studierende“ (mit 6. Februar 2017 - ab diesem Zeitpunkt war die Revisionswerberin jedenfalls aufenthaltsberechtigt) zum Aufenthalt in Österreich berechtigt war. Ist dies zu bejahen, dann wäre das Wintersemester 2016/2017 in die Zeitspanne der zwei Jahre einzurechnen bzw. der Beginn der zweijährigen Frist mit 1. Oktober 2016 anzusetzen. In der Revision wird dies - wenn auch ohne nähere Ausführungen - unter Verweis auf den lediglich möglichen Konsum des verbleibenden Rests der visumfreien Zeit verneint. Dem angefochtenen Erkenntnis lassen sich dazu keine Feststellungen entnehmen, weil das Verwaltungsgericht erkennbar davon ausgegangen ist, dass es darauf für die vorzunehmende Beurteilung nicht ankommt.
20 Es liegt somit ein sekundärer Verfahrensmangel vor, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben war.
21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 9. September 2020
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019220127.L00Im RIS seit
20.10.2020Zuletzt aktualisiert am
20.10.2020