TE Vwgh Beschluss 2020/9/10 Ra 2019/14/0614

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Veröffentlicht am 10.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des A B in X, vertreten durch die Rihs Rechtsanwalt GmbH in 1010 Wien, Kramergasse 9/3/13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. September 2019, G313 1247896-3/22E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Dem Revisionswerber - nach den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses ein Staatsangehöriger des Kosovo - wurde im Berufungsweg mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 26. Juli 2004 der Status des Asylberechtigten durch Erstreckung gemäß § 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997 zuerkannt. Unter einem wurde festgestellt, dass ihm damit gemäß § 12 Asylgesetz 1997 kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

2        Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. September 2011 wurde dem inzwischen mehrfach straffällig gewordenen Revisionswerber der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) wiederum aberkannt, festgestellt, dass ihm gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo ausgesprochen.

3        Die Behörde stellte fest, dass der Revisionswerber Staatsangehöriger der Republik Kosovo und Angehöriger der Volksgruppe der Goraner sei. Beweiswürdigend führte es diesbezüglich aus, dass sich die Staatsbürgerschaft des Revisionswerbers aus dem Staatsbürgergesetz der Republik Kosovo ergebe, so dass dieser - entgegen seinen eigenen Angaben - nicht als serbischer Staatsbürger zu führen sei. Die Aberkennung stützte die Behörde auf die wiederholte Straffälligkeit des Revisionswerbers, die bis dahin zu drei Verurteilungen geführt hatte, und der damit einhergehenden Gefahr für die Allgemeinheit.

4        Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Beschluss vom 20. Mai 2014 statt, hob den bekämpften Bescheid auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurück. Begründend führte es unter anderem aus, die Frage der tatsächlichen Staatsbürgerschaft des Revisionswerbers scheine nicht abschließend geklärt zu sein. Das BFA führte dieses Verfahren nicht fort.

5        Der Revisionswerber wurde in der Folge erneut wiederholt straffällig, sodass das BFA im Jänner 2018 wiederum ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten einleitete.

6        Mit Bescheid des BFA vom 6. August 2018 wurde dem Revisionswerber der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Unter einem wurde dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass eine Abschiebung in den Kosovo zulässig sei und ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

7        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BVwG - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22. November 2018 - der Beschwerde lediglich insofern Folge, als es die Dauer des Einreiseverbotes auf vier Jahre herabsetzte, im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass eine Revision nicht zulässig sei.

8        Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten stützte das BVwG primär auf das Vorliegen des Asylausschlussgrundes der rechtskräftigen Verurteilung wegen eines besonders schweren Verbrechens und der daraus resultierenden Gefahr für die Gemeinschaft (§ 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005). Die Gemeingefährlichkeit des Revisionswerbers ergebe sich aus seinen zahlreichen gefährlichen Straftaten, für die er insgesamt sieben Mal, zuletzt im September 2017 verurteilt worden war, den damit einhergehenden überwiegenden öffentlichen Interessen an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen im Bundesgebiet, und einer vom BVwG näher begründeten negativen Zukunftsprognose.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das vorherige Aberkennungsverfahren sei bescheidmäßig eingestellt worden. Die Rechtskraftwirkung stehe daher einer neuerlichen Entscheidung entgegen. Es hätte geprüft werden müssen, ob die Gründe für die bescheidförmige Einstellung des Aberkennungsverfahrens infolge des Erkenntnisses (richtig: Beschlusses) des BVwG vom 20. April 2014 der nunmehrigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten entgegenstehen würden. Der Revisionswerber sei seit 1. Jänner 2019 voll berufstätig, dies habe das BVwG nicht berücksichtigt, obwohl es verpflichtet sei, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zu aktualisieren bzw. neu zu ermitteln. Das BVwG habe aktenwidrig angenommen, dass für die Vernehmungen des Revisionswerbers Dolmetscher herangezogen hätten werden müssen und er daher nicht gut Deutsch spreche. Weiters sei im Zuge des Beschwerdeverfahrens vorgebracht worden, dass der Revisionswerber staatenlos sei. Die Frage der Staatenlosigkeit spiele insbesondere im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung in den Kosovo eine erhebliche Rolle. Zur Relevanz der Staatenlosigkeit für die Entscheidung über die Zulässigkeit der Abschiebung bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Das BVwG hätte weitere Ermittlungen zur Frage der Staatenlosigkeit anstellen und im Fall der positiven Feststellung der Staatenlosigkeit aussprechen müssen, dass eine Abschiebung, sei es in den Kosovo oder in einen anderen Staat, nicht zulässig sei.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein solcher Beschluss in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       Die in der Revision zunächst aufgeworfene Frage, ob jene Gründe, die zu einer bescheidmäßigen, rechtskräftigen Einstellung eines Aberkennungsverfahrens geführt haben, einer Aberkennung des Status des Asylstatus in einem späteren Verfahren entgegenstehen, stellt sich im vorliegenden Fall auch unabhängig vom Umstand, dass sich der relevante Sachverhalt schon wegen der weiteren strafgerichtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers geändert hatte, nicht.

14       Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich keine derartige bescheidmäßige (und damit rechtskraftfähige) Einstellung eines Aberkennungsverfahrens. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof beim BFA eingeholten Auskunft sei davon auszugehen, dass das erste Verfahren - der ständigen Behördenpraxis entsprechend - formlos eingestellt worden sei. Dementsprechend gibt der Revisionswerber auch in der Revision weder ein Datum oder eine Geschäftszahl des behaupteten Bescheides an, noch legt er jene Gründe dar, die der damaligen Einstellung zu Grunde gelegen sein sollen und deren Feststellung im gegenständlichen Verfahren er vermisst.

15       Da der Verwaltungsgerichtshof für die Lösung bloß abstrakter Rechtsfragen nicht berufen ist (vgl. etwa VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0453, mwN), kann mit der aufgeworfenen Rechtsfrage die Zulässigkeit der Revision nicht begründet werden.

16       Die Revision bringt weiters vor, das BVwG sei verpflichtet gewesen, aufgrund des zeitlichen Abstandes zwischen der mündlichen Verhandlung und der Erlassung des Erkenntnisses eine weitere mündliche Verhandlung durchzuführen. Der Revisionswerber sei nämlich seit 1. Jänner 2019 voll berufstätig, diesbezüglich habe das BVwG gegen seine amtswegige Ermittlungspflicht verstoßen. Weiters habe es aktenwidrig angenommen, den Einvernahmen des Revisionswerbers habe jeweils ein Dolmetscher beigezogen werden müssen, woraus es unzutreffend schließe, dass er nicht gut Deutsch spreche.

17       Damit macht die Revision in beiden Fällen Verfahrensfehler geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 26.11.2019, Ra 2019/14/0276, mwN).

18       Abgesehen davon, dass sich aus der im Rahmen der Revision vorgelegten Bestätigung die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses erst mit 1. Oktober 2019 ergibt, fehlt es der Zulassungsbegründung der Revision auch an der erforderlichen Darlegung der Entscheidungsrelevanz der Beschäftigung bzw. der Deutschkenntnisse des Revisionswerbers.

19       Eine Relevanzdarstellung fehlt auch, soweit die Revision dem BVwG unterlassene Ermittlungen zur behaupteten Staatenlosigkeit des Revisionswerbers vorwirft, legt sie doch nicht dar, zu welchen Ergebnissen und damit Feststellungen über die Staatsangehörigkeit des Revisionswerbers diese ergänzenden - nicht näher spezifizierten - Ermittlungen geführt hätten. Im Hinblick darauf ist auch auf die weiteren - eine Staatenlosigkeit des Revisionswerbers voraussetzenden - Revisionsausführungen, wonach der Revisionswerber in keinen Staat abgeschoben werden dürfe und es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Relevanz der Staatenlosigkeit für die Entscheidung über die Zulässigkeit der Abschiebung fehle, nicht weiter einzugehen.

20       In der Revision werden somit im Ergebnis keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 10. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140614.L00

Im RIS seit

02.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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