Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers D*****, vertreten durch Mag. Andreas Berchtold, Dr. Robert Kollerics, Rechtsanwälte in Graz, gegen die Antragsgegner 1. B*****, vertreten durch Wiedenbauer Mutz Winkler & Partner Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, sowie 2. sämtliche übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ *****, wegen § 20 Abs 3 iVm § 34 Abs 3 und § 52 Abs 1 Z 6 WEG über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 19. Dezember 2019, GZ 5 R 168/19s-19, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 19. Juli 2019, GZ 255 Msch 14/17t-15, bestätigt wurde, den
Sachbeschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
„Der Antrag, der Erstantragsgegnerin aufzutragen, eine dem Gesetz entsprechende richtige Betriebskosten- und Verwaltungskostenabrechnung betreffend die Liegenschaft EZ ***** KG *****, für das Jahr 2016 vorzulegen, wird abgewiesen.
Der Antragsteller ist schuldig, der Erstantragsgegnerin binnen 14 Tagen die mit 2.800,33 EUR (darin 439,39 EUR USt und 164 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, sowie die mit 582,78 EUR (darin 69,80 EUR USt und 164 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.“
Der Antragsteller hat der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen die mit 749,91 EUR (darin 83,65 EUR USt und 246 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Antragsteller ist Miteigentümer von Anteilen einer Liegenschaft, mit denen Wohnungseigentum an einer Wohnung und an „TG (offen) top T17 (Abstellplatz für Kfz 17)“ verbunden sind. Die Erstantragsgegnerin ist die Verwalterin der Liegenschaft. Die Wohnungseigentumsanlage hat ein Garagengeschoss mit 14 Abstellplätzen für Kraftfahrzeuge in Garagen, 20 Abstellplätzen im offenen Garagengeschoss und drei Abstellplätze für Kraftfahrzeuge im Freien. Der Abstellplatz des Antragstellers befindet sich in der Tiefgarage nicht in einer Garagenbox, sondern ist offen, aber von den übrigen Tiefgaragenstellplätzen deutlich (mittels Säule und Bodenmarkierung) abgegrenzt.
Der Antragsteller hat dieses Objekt mit Vertrag vom 8. 10. 2010 (./2) von der Erstantragsgegnerin gekauft. Unter Punkt 7. erklärte er den Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom 23. 12. 2004 zu kennen und zur Kenntnis zu nehmen, dass die Wohnhausanlage, in der das Vertragsobjekt liegt, von einer gemeinnützigen Bauvereinigung errichtet wurde und somit im Fall der Vermietung die Mietzinsbildung nach Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) gemäß § 20 anwendbar ist. In Punkt 5. dieses Vertrags erklärte er als Mitglied der Miteigentumsgemeinschaft alle Rechte und Pflichten, die sich aus der Bewirtschaftung des Hauses ergeben, zu übernehmen, den Inhalt des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrags vom 23. 12. 2004 [...] zu kennen und alle darin normierten Rechte und Pflichten zu übernehmen.
Im zitierten Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag (./3) heißt es unter Punkt XIII.(2):
„Festgehalten wird, dass das bisher eingehobene Entgelt für Garagen- und KFZ-Abstellplätze für Betriebskosten, Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge (EVB) sowie eine Verwaltungsgebühr, anteilig nach der Zahl der Stellplätze, verrechnet wurde. Jene Käufer, die Wohnungseigentum an einer Garage oder an einem KFZ-Abstellplatz erworben haben, verpflichten sich, diese Beträge als Pauschalen weiterhin für diese Garage oder den KFZ-Abstellplatz einzuzahlen, wobei sich die Verwaltungsgebühr entsprechend den Bestimmungen des WGG ändert [...].“
Im Revisionsrekursverfahren ist weiters unstrittig, dass die Erstantragsgegnerin als Verwalterin für das Jahr 2016 eine – nicht aktenkundige – Betriebskosten- und Verwaltungskostenabrechnung gelegt hat. Während zuvor 4,58 EUR pro Monat als Verwaltungskosten für den Abstellplatz ausgewiesen waren, verrechnete sie ab einem – nicht näher festgestellten – Zeitpunkt im Herbst 2016 monatliche Verwaltungskosten von 11,45 EUR.
Der Antragsteller begehrt von der Erstantragsgegnerin eine dem Gesetz entsprechende richtige Betriebskosten- und Verwaltungskostenabrechnung für das Jahr 2016 vorzulegen. Sie habe zu unrecht die Verwaltungskosten für den Autoabstellplatz auf 11,45 EUR erhöht. Sein Abstellplatz sei kein Einstellplatz (Garage) iSd § 6 Abs 1 Z 3 lit a und b ERVO. Überdies handle es sich bei den dort genannten Verwaltungskosten um Höchstbeträge, weshalb die Antragsgegnerin nur angemessenes Entgelt verrechnen dürfe. Auch wenn die pauschale Abrechnung der Verwaltungskosten vereinbart worden sein sollte, seien diese der Höhe nach überprüfbar. Weder der Abstellplatz des Antragstellers noch die Einfahrt zur Tiefgarage seien versperrbar.
Die Erstantragsgegnerin wendete ein, der Tiefgaragenplatz des Antragstellers sei ein Einstellplatz (Garage) iSd § 6 Abs 1 Z 3 lit a ERVO, weshalb sie zur Verrechnung von Verwaltungskosten nach dieser Bestimmung berechtigt sei. Ob die Tiefgarage an sich durch Schranken oder Einfahrtstor verschließbar sei, sei irrelevant, zumal die Einfahrt zu den in der Garage liegenden Stellplätzen nur für Berechtigte zulässig sei. Die in der ERVO 1994 genannten Sätze seien Maximalwerte, die jedenfalls und immer von der Verwalterin verlangt werden dürften. Die verrechneten Verwaltungskosten fänden in den Pauschalsätzen des § 6 Abs 1 ERVO Deckung und seien angemessen. Der Antragsteller habe sich im Kaufvertrag betreffend den Abstellplatz verpflichtet, die im Wohnungseigentumsvertrag vorgesehenen Pflichten zu übernehmen und damit einer Verrechnung nach Pauschalsätzen ausdrücklich zugestimmt.
Das Erstgericht trug der Erstantragsgegnerin auf, binnen 14 Tagen eine dem Gesetz entsprechende richtige Verwaltungsabrechnung in Bezug auf die Einstellplätze (Garage) vorzulegen. Es vertrat die Auffassung, die Erstantragsgegnerin dürfe für den Abstellplatz des Antragstellers nur Verwaltungskosten gemäß § 6 Abs 1 Z 3 lit b ERVO 1994 verrechnen. Ein Einstellplatz (Garage) iSd § 6 Abs 1 Z 3 lit a ERVO 1994 liege nur bei einem Stellplatz vor, der sich in einer Garage befinde. Als Garage sei nur ein selbständiger abgeschlossener oder abschließbarer Raum anzusehen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung unter Hinweis auf seine im ersten Rechtsgang vertretene bindende Rechtsansicht. Bei einem „Einstellplatz (Garage)“ handle es sich um einen Stellplatz, der in einer Garage liege, damit sei jedoch nicht eine solche Garage gemeint, in der nur ein einzelnes Fahrzeug abgestellt werden könnte. Diesfalls hätte der Gesetzgeber den Begriff „Garagenplatz“ verwendet. Hätte nur darauf abgestellt werden sollen, ob ein Stellplatz im Freien liegt oder überdacht ist, hätte er anstelle des Begriffs „Abstellplatz“ „Abstellfläche“ verwenden können. Der Gesetzeswortlaut sei daher dahin zu verstehen, dass es sich beim Begriff „Einstellplatz (Garage)“ um einen Stellplatz handeln müsse, der sich in einer Garage befindet, wobei auch mehrere Einstellplätze in dieser Garage vorhanden sein könnten. Eine Garage müsse allerdings abschließbar sein, was hier nicht der Fall sei.
Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Rekursgericht mit 10.000 EUR übersteigend, den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es – ohne dies zu begründen – nicht zu.
In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Antragsgegnerin die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen dahin, dass der Antrag abgewiesen werde. Der Antragsteller beantragt in der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben. Die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer haben sich am Revisionsrekursverfahren – wie schon am bisherigen Verfahren – nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Rechtsauffassung der Vorinstanzen korrekturbedürftig ist. Er ist demnach auch berechtigt.
1. Im Revisionsrekurs macht die Antragsgegnerin geltend, der Stellplatz des Antragstellers sei richtigerweise als Einstellplatz (Garage) gemäß § 6 Abs 1 Z 3 lit a ERVO 1994 und nicht als Abstellplatz iSd § 6 Abs 1 Z 3 lit b ERVO 1994 zu qualifizieren. Die Begriffe seien nicht legaldefiniert, Judikatur dazu liege nicht vor. Augenscheinlicher Zweck der Festsetzung unterschiedlich hoher Pauschalsätze in der ERVO 1994 sei, dass die Bauvereinigung für die Verwaltung von Einstellplätzen (Garagen) einerseits und Abstellplätzen andererseits unterschiedlich hohe Aufwendungen habe. Für die Verwaltung eines Abstellplatzes im Freien sei der Verwaltungsaufwand wesentlich geringer. Demgegenüber erfordere jeglicher Kfz-Stellplatz in einer Garage – sei sie nun eigens verschließbar oder nicht – höheren Verwaltungsaufwand. Während daher unter dem Begriff „Abstellplatz“ ein nicht überdachter Platz im Freien zu verstehen sei, liege ein Einstellplatz dann vor, wenn er eigens durch Begrenzung umrandet und überdacht sei. Maßgeblich sei die Überdachung. Wenn das Rekursgericht auf das Verschließen der Zufahrt durch ein Tor oder durch einen Schranken abstelle, sei dies inkonsequent, weil auch Stellplätze im Freien durch einen Schranken abgeschlossen werden könnten.
Dem ist im Wesentlichen zu folgen.
2. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die Erstantragsgegnerin als gemeinnützige Bauvereinigung berechtigt ist, ihre Verwaltungskosten nach den Bestimmungen der ERVO 1994 zu verrechnen. Dies entspricht der nach den Feststellungen unter Punkt XIII. Abs 2 des Wohnungseigentumsvertrags getroffenen Vereinbarung, wonach die Verwaltungsgebühr nach den Bestimmungen des WGG ermittelt und anteilig nach der Zahl der Stellplätze verrechnet werden soll. Strittig zwischen den Parteien ist nur, ob die Erstantragsgegnerin den Pauschalbetrag nach § 6 Abs 1 Z 3 lit a ERVO 1994 heranziehen durfte, weil es sich um einen „Einstellplatz (Garage)“ im Sinn dieser Bestimmung handelte oder nur den Pauschalbetrag nach § 6 Abs 1 Z 3 lit b ERVO für einen „Abstellplatz“. Nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0083560) ist, wenn – wie hier – für den fraglichen Zeitraum eine Abrechnung gelegt wurde, die richterliche Kontrolltätigkeit auf die vom Antragsteller geltend gemachten Mängel einzuschränken, was bedeutet, dass der den Rechnungslegungsanspruch ausübende Wohnungseigentümer bei Vorliegen einer Abrechnung genau anzugeben hat, was er an ihr auszusetzen hat. Ihn trifft eine Konkretisierungspflicht (RS0083560 [T6]). Die Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs hat sich daher ausschließlich auf die vom Antragsteller geltend gemachten Mängel der Abrechnung, nämlich die Verwaltungskostenabrechnung für seinen Stellplatz, zu beschränken. Dass und in welcher Höhe für 2016 Verwaltungskosten verrechnet wurden, ist zwischen den Parteien unstrittig.
3.1 § 14 Abs 1 Z 6 WGG (in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I 2015/157) berechtigt die gemeinnützige Bauvereinigung einen im Sinn der Grundsätze des § 23 WGG gerechtfertigten Betrag zur Deckung der Verwaltungskosten einzuheben. Die Festsetzung der Höhe dieses Betrags wurde der aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 23 WGG erlassenen ERVO 1994 überlassen (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 14 WGG Rz 17). Nach § 6 Abs 1 Z 3 ERVO 1994 in der hier anzuwendenden Fassung darf zur Deckung der Kosten der ordentlichen Verwaltung statt einer Verrechnung gemäß § 5 ERVO ein Pauschalbetrag (§ 13 Abs 3 WGG) verlangt werden. Dieser darf einen Höchstbetrag nicht übersteigen der sich ergibt:
1. Aus dem Produkt der Anzahl der verwalteten Wohnungen und einem Betrag in Höhe von
lit a) jährlich 212,40 EUR ab 1. April 2013 bei Überlassung in Miete oder sonstige Nutzung
lit b) jährlich 262,80 EUR ab 1. April 2013, zuzüglich Umsatzsteuer, bei Übertragung in das Eigentum, Miteigentum oder Einräumung des Wohnungseigentums,
2. aus der Summe der nach Art, Größe und Beschaffenheit jährlich zu ermittelnden angemessenen Beträge für die Verwaltung von Geschäftsräumen, je Geschäftsraum aber mindestens ein Betrag in Höhe der jeweiligen Sätze gemäß Z 1 und
3. aus dem Produkt der Anzahl der Ein- oder Abstellplätze und einem jährlichen Betrag in Höhe
lit a) bei Einstellplätzen (Garagen) höchstens der Hälfte,
lit b) bei Abstellplätzen höchstens eines Fünftels der jeweiligen Sätze gemäß Z 1.
§ 6 Abs 2 und Abs 2a ERVO 1994 sehen eine Wertsicherung dieser Beträge vor. Diese Differenzierung der höchstens zu verrechnenden Pauschalbeträge erfordert daher die Auslegung der dort verwendeten Begriffe „Einstellplatz (Garage)“ und „Abstellplatz“.
3.2 Höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu existiert nicht. Im Zusammenhang mit der Wohnungseigentumstauglichkeit eines Abstellplatzes nach dem WEG 2002 ist die Frage der Überdachung nicht relevant. Zu 5 Ob 144/17p war die Frage der Einbeziehung von Kfz-Stellplätzen in die Nutzfläche zu behandeln, nicht aber die Definition in § 6 ERVO 1994. Der erkennende Senat sprach zu 5 Ob 72/18a im Zusammenhang mit Ausnahmen vom Kostendeckungsprinzip nach § 13 Abs 5 WGG davon, dass für „Einstellplätze in Garagen und Abstellplätze“ anstelle des ab 1979 gemäß § 14 Abs 8 WGG (idF vor dem 3. WÄG) zulässigen ortsüblichen Entgelts ein im Wesentlichen § 16 Abs 1 MRG entsprechender, nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand des Mietgegenstands zu bemessender Mietzins vereinbart werden dürfe, ohne die Begriffe näher zu diskutieren.
3.3 Die Lehre befasst sich mit diesen Begriffen nicht (vgl Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 WGG § 14 Rz 17; Prader/Pittl § 15c WGG Rz 9; § 16 WGG Rz 8). Arthold (Die Garage im WGG – vom Gesetzgeber vergessen? – immolex 2013, 73) geht in seinem Problemaufriss nicht auf diese Unterscheidung ein. Sommer (Das genossenschaftliche Gleichbehandlungsgebot im Lichte WGG – spezifischer Vorgaben – wobl 2011, 1) behandelt im Zusammenhang mit der Frage, ob ein gesetzlicher Anspruch auf (gleichzeitige) Übertragung einer Garage oder eines Abstellplatzes für ein Kfz nach dem WGG besteht, die Unterscheidung zwischen Ein- und Abstellplätzen nicht. Der Rechnungshof nahm in seinem Bericht vom 24. 6. 2009 zur Entgeltrichtlinienverordnung und wirtschaftlichen Situation der gemeinnützigen Bauvereinigungen und der Kosten der Verwaltung (10.1.) eine Unterscheidung zwischen Einstellplätzen in einer Garage und Abstellplätzen im Freien vor (S 89 des Berichts).
3.4 Die ERVO 1994 ist eine Verordnung, deren Auslegung nach den §§ 6, 7 ABGB zu erfolgen hat (vgl RS0008777). Auszugehen ist zunächst vom Wortsinn im Zusammenhang der auszulegenden Worte und Sätze mit anderen Worten und Sätzen der Gesamtregelung sowie ihrer systematischen Stellung. Bei verbleibender zweifelhafter Ausdrucksweise ist der Sinn einer Bestimmung unter Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung zu erfassen (RS0008777 [T2]). Auf eine – allfällige und verborgen gebliebene – Absicht des Verordnungsgebers ist nicht abzustellen (RS0008803).
3.5 Der Wortsinn des Begriffs „Einstellplatz“ (um die Definition des Begriffs „Garage“ geht es im Gegensatz zur Auffassung des Antragstellers nicht) ist eindeutig: Duden online definiert ihn als „einen (mit Schutzdach versehenen) Platz im Freien oder in einer Großgarage zum Ab- oder Einstellen eines Kraftfahrzeugs“. Auch nach der allgemeinen Bedeutung des Worts „Einstellen“ ist klar, dass ein Einstellplatz zumindest ein Dach erfordert. In diesem Sinn hat auch das Rekursgericht argumentiert, dass durchaus mehrere Einstellplätze in einer Garage vorhanden sein können. Demgegenüber bezeichnet der Begriff des „Abstellplatzes“ allgemein einen Platz zum Abstellen (etwa auch eines Kraftfahrzeugs). Fraglich ist, ob der Klammerausdruck „Garage“ unmittelbar nach dem Begriff „Einstellplatz“ hier zu einer anderen Definition des Einstellplatzes führt, der Verordnungsgeber damit also ausdrücken wollte, dass nur in einer – nach der Argumentation des Rekursgerichts – verschließbaren Garage gelegene Einstellplätze gemeint sein sollten.
3.6 Dies trifft nach Auffassung des erkennenden Senats nicht zu. Der Verordnungsgeber hat den Begriff „Einstellplätze“ durch den Klammerausdruck „Garage“ nur näher beschrieben und ergänzt, aber nicht etwa eine Formulierung wie „Einstellplätze in Garagen“ gewählt. Damit sollte nach der Systematik dieser Verordnung zum Ausdruck gebracht werden, dass auch selbständige Garagen (und nicht nur Einstellplätze im Sinn obiger Definition) als Objekte iSd § 6 Abs 1 Z 3 lit a ERVO 1994 anzusehen sein sollen; für die Berechnung von Verwaltungskosten für (Einzel-)Garagen gäbe es nämlich sonst in § 6 ERVO 1994 gar keine Regelung. Auch teleologisch ist es nachvollziehbar, für die Berechnung der Höhe der Verwaltungskosten darauf abzustellen, ob es sich um zur Gänze im Freien befindliche Abstellplätze oder um solche handelt, die überdacht sind oder sich in einem Gebäude befinden. Abgesehen von Schneeräumungskosten liegt es auf der Hand, dass die Verwaltung von Einstellplätzen, die überdacht sind oder sich sogar in einem Gebäude wie einer Tiefgarage befinden, im Allgemeinen aufwändiger ist. Auf die vom Rekursgericht als maßgeblich angesehene Frage, ob die Tiefgarage verschließbar ist, ist demgegenüber schon deshalb nicht abzustellen, weil auch im Freien gelegene und daher zweifelsfrei als Abstellplätze iSd § 6 Abs 1 Z 3 lit b ERVO 1994 zu qualifizierende Stellplätze durch eine Schrankenanlage verschlossen werden könnten. Wollte man aber nur auf dieses Kriterium abstellen, käme es zu dem Wertungswiderspruch, verschließbare Abstellplätze im Freien anders behandeln zu müssen als solche in einer Tiefgarage. Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die Judikatur zum Begriff des „Raums“ gestützt, der als dreidimensional abgegrenztes Gebilde definiert wird (RS0069446).
3.7 Zusammengefasst folgt:
Ein Stellplatz für ein Kraftfahrzeug in einer nicht durch ein Tor oder einen Schranken verschlossenen Tiefgarage einer Wohnungseigentumsanlage ist als „Einstellplatz (Garage)“ iSd § 6 Abs 1 Z 3 lit a ERVO 1994 anzusehen, weshalb die GBV zur Verrechnung des dort als Höchstbetrag vorgesehenen Pauschalbetrags berechtigt ist.
4.1 Da der Antragsteller hilfsweise auch die Angemessenheit des in § 6 Abs 1 Z 3 lit a ERVO 1994 genannten Höchstbetrags an Verwaltungskosten bestritten hat, ist im Folgenden noch dazu Stellung zu nehmen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass der Antragsteller mit der Erstantragsgegnerin anlässlich des Erwerbs seines Einstellplatzes ausdrücklich vereinbarte, die sich aus dem ursprünglichen Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom 23. 12. 2004, den der Antragsteller kenne, ergebenden Rechte und Pflichten zu übernehmen. Dies konnte aus dem unstrittigen Inhalt des vorgelegten Kaufvertrags Beilage ./2 ergänzt werden. Dass aber insbesondere die Verwaltungsgebühr (auch) für Garage oder Kfz-Abstellplatz als Pauschale entsprechend den Bestimmungen des WGG und den darauffolgenden Änderungen verrechnet werden soll, war Gegenstand des Punkts XIII. des Wohnungseigentumsvertrags.
4.2 Nach der Lehre (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 WGG § 14 Rz 17) und Rechtsprechung (5 Ob 209/12i) zum WGG ist bei einer iSd § 14 Abs 1 Z 6 WGG in Verbindung mit der ERVO 1994 vorgesehenen pauschalierten Verrechnung eine Angemessenheitsprüfung nach § 5 ERVO 1994 von vornherein ausgeschlossen. Die Pauschalierung der Verwaltungskosten schließt auch die Verrechnung zusätzlicher Kosten, die gewöhnlich mit der Begründung und/oder der Beendigung eines Mietverhältnisses verbunden sind, als dem laufenden Verwaltungsaufwand zuzurechnen aus (5 Ob 95/95). In der Entscheidung 5 Ob 209/12i ging der Fachsenat davon aus, dass § 6 Abs 1 Z 3 ERVO 1994 die pauschalierte Verrechnung der Verwaltungskosten ermöglicht und nur jenen Pauschalbetrag festlegt, den die GBV – insgesamt – zur Deckung der Kosten der ordentlichen Verwaltung einer Baulichkeit höchstens verlangen darf. Nach dem evidenten Konzept des § 6 Abs 1 ERVO 1994 kommt es dabei nur auf die Anzahl der insgesamt verwalteten Objekte an. Der Senat ging davon aus, dass durch § 6 Abs 3 ERVO 1994 sichergestellt ist, dass die dort genannten fixen Sätze unter Zugrundelegung durchschnittlicher Betriebsverhältnisse gemeinnütziger Bauvereinigungen zu ermitteln sind. Der dort vertretenen Auffassung des Antragstellers, selbst bei pauschalierter Verrechnung der Verwaltungskosten nach § 6 ERVO 1994 (wie sie auch hier erfolgte) habe eine Angemessenheitsprüfung stattzufinden, teilte der Fachsenat nicht. Wenn im Anwendungsbereich des § 6 Abs 1 Z 1 und Z 3 ERVO 1994 mit dem Nutzungsberechtigten vereinbarte und die dort jeweils genannten Beträge nicht übersteigende Ansätze zugrunde gelegt werden, dann ist damit der Nachweis der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit erbracht, sodass eine Angemessenheitsprüfung insoweit nicht mehr stattfindet. Auch anlässlich der Vorschreibung eines Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags durch die gemeinnützige Bauvereinigung iSd § 14d WGG vertritt der erkennende Senat die Auffassung (5 Ob 237/17i), dass sich eine Rechtswidrigkeit der Vorschreibung eines solchen Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags nur aus der Überschreitung der gesetzlich zulässigen Obergrenze ergeben kann und eine Angemessenheitsprüfung eines innerhalb der Obergrenzen vorgeschriebenen derartigen Beitrags nicht vorgesehen ist.
4.3 Diese Grundsätze sind auch auf den hier zu beurteilenden Fall anzuwenden. Die Bestimmungen des WGG sind zwar nicht unmittelbar anwendbar, für die Pauschalierung der Verwaltungskosten haben die Parteien des Wohnungseigentumsvertrags und des Kaufvertrags betreffend den konkreten Abstellplatz deren Anwendung aber ausdrücklich vereinbart. Mit der pauschalen Verrechnung dieser Verwaltungsgebühren nach dem WGG (und damit der ERVO 1994), hat sich der Antragsteller einverstanden erklärt und die Eigentümergemeinschaft hat die Antragsgegnerin auf dieser Basis mit der Verwaltung beauftragt. Aus dem Umstand, dass die Erstantragsgegnerin nach dem Erwerb des Einstellplatzes durch den Antragsteller im Oktober 2010 zunächst nur den Pauschalbetrag nach § 6 Abs 1 Z 3 lit b ERVO 1994 vorgeschrieben hatte, konnten weder die Eigentümergemeinschaft noch einzelne Wohnungseigentümer ohne jeglichen vernünftigen Zweifel (vgl § 863 ABGB) ableiten, sie werde auch in Hinkunft auf die Verrechnung des ihr an sich zustehenden Pauschalbetrags verzichten. An die Annahme eines Verzichts (etwa auch auf eine vereinbarte Aufwertung aufgrund einer Wertsicherungsvereinbarung) sind nach ständiger Judikatur strenge Anforderungen zu stellen, dafür müssten klare Indizien für einen Verzichtswillen des Berechtigten vorliegen (vgl RS0014188), was hier nicht der Fall ist. Die Verrechnung des Verwaltungskostenbetrags für den Einstellplatz des Antragstellers nach § 6 Abs 1 Z 3 lit b ERVO 1994 ab Herbst 2016 ist daher nicht zu beanstanden. Eine Angemessenheitsprüfung des dort genannten Pauschalbetrags hat nicht stattzufinden.
5. Damit war in Stattgebung des Rechtsmittels der Antragsgegnerin der Antrag abzuweisen.
6. Gemäß § 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 2 Z 17 MRG hat der Antragsteller nach Billigkeit der obsiegenden Erstantragsgegnerin die Kosten der Verfahren sämtlicher Instanzen zu ersetzen. Gemäß § 10 Z 3 lit b lit aa RATG beträgt die Bemessungsgrundlage nur 4000 EUR. Für Rechtsmittelschriftsätze beträgt der Erhöhungsbetrag nach § 23a RATG nur 2,10 EUR. Die Pauschalgebühr für den Rekurs beträgt gemäß § 53 WEG iVm TP 12 lit c Z 6 GGG und TP 12a lit a und b GGG nur 164 bzw 246 EUR.
Textnummer
E129114European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00036.20K.0629.000Im RIS seit
01.10.2020Zuletzt aktualisiert am
05.10.2020