TE OGH 2020/7/7 5Ob84/20v

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Veröffentlicht am 07.07.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers H*****, vertreten durch Mag. Kamen Sirakov, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. G***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Mag. (FH) Alexander Edelhauser, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, und 2. bis 89. die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG *****, wegen Beschlussanfechtung (§§ 52 Abs 1 Z 4 iVm 24 Abs 6 WEG), über den Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. Jänner 2020, GZ 40 R 170/19z-25, mit dem deren Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 29. März 2019, GZ 9 Msch 16/18f-16, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Erstantragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller die mit 501,88 EUR (darin enthalten 83,62 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller und die 2. bis 89. Antragsgegner sind Mit- und Wohnungseigentümer. Er beantragte, den Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 23. 3. 2018, mit dem die Erstantragsgegnerin zur Verwalterin der Liegenschaft bestellt werden sollte, aufzuheben und richtete sein Begehren unter anderem formell auch gegen diese. Mit seinem auch gegenüber der Erstantragsgegnerin ergangenen Sachbeschluss hob das Erstgericht diesen Beschluss als rechtsunwirksam auf. Dagegen rekurierte lediglich die nunmehrige Revisionsrekurswerberin.

Das Rekursgericht wies das Rechtsmittel der Erstantragsgegnerin als unzulässig zurück. Der Sachbeschluss des Erstgerichts sei auch gegenüber der – entsprechend dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz – als Erstantragsgegnerin beigezogenen Rechtsmittelwerberin ergangen, die im erstgerichtlichen Verfahren dem Sachantrag des Antragstellers auch entgegengetreten sei. Insofern sei sie zwar formell beschwert, ihre materielle Beschwer sei jedoch zu verneinen, weil ihre Rechtsstellung als am Willensbildungsprozess der Eigentümergemeinschaft unbeteiligte Dritte durch den der Anfechtung stattgebenden Sachbeschluss nicht berührt werde. Den Revisionsrekurs erklärte es über Antrag nach § 

63 Abs 1

AußStrG für zulässig, weil im Hinblick auf die Entscheidungen zu 5 Ob 301/01b und 5 Ob 186/08a eine Klärung durch den Obersten Gerichtshof erforderlich erscheine, ob in Beschlussanfechtungsverfahren nach § 52 Abs 1 Z 4 WEG, denen der Verwalter wegen eines ihn betreffenden Vorwurfs beizuziehen sei, dem Verwalter auch die Rekurslegitimation zukomme, obwohl die Beurteilung seines Verhaltens (falls überhaupt relevant) dort stets nur eine Vorfrage für die Entscheidung über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des angefochtenen Beschlusses sein könne.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1

AußStrG) nicht zulässig, was kurz zu begründen ist (§ 71 Abs 3

AußStrG).

Rechtliche Beurteilung

1.1 Weder das AußStrG noch § 52 Abs 2 WEG oder die über letztgenannte Bestimmung anwendbaren Regelungen des § 37 Abs 3 MRG enthalten eine gesetzliche Definition der Rechtsmittellegitimation. Es gilt daher der allgemeine Grundsatz, dass die Rechtsmittellegitimation dann zu bejahen ist, wenn die angefochtene Entscheidung in die geschützte Rechtssphäre der betreffenden Person eingreift (RS0006497; RS0006641).

1.2 Nach ständiger Rechtsprechung ist daher nur derjenige rechtsmittellegitimiert, der durch die bekämpfte Entscheidung (formell oder materiell) beschwert ist. Formelle Beschwer liegt vor, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrunde liegenden Antrag des Rechtsmittelwerbers zu seinem Nachteil abweicht. Die formelle Beschwer reicht aber nicht immer aus. Der Rechtsmittelwerber muss auch materiell beschwert sein, was der Fall ist, wenn die (materielle oder prozessuale) Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt wird (RS0041868; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 45 Rz 50).

2.1 Zur Parteistellung und Rechtsmittellegitimation des Verwalters in einem Verfahren nach § 52 Abs 2 Z 4 WEG hat der Fachsenat erst jüngst unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien zur WRN 2006 (RV 1183 BlgNR 22. GP 30) in der Entscheidung zu 5 Ob 182/19d ausführlich Stellung genommen. Gegenstand dieses Verfahrens war die Anfechtung eines Beschlusses (unter anderem) wegen formeller Mängel, die auf einem behaupteten Fehlverhalten des Verwalters beruht haben sollen. Sowohl die Parteistellung des Verwalters als auch seine Rechtsmittellegitimation wurden bejaht; da der Verwalter ausdrücklich die Abweisung des Beschlussanfechtungsantrags begehrte und die behaupteten formellen Mängel bestritten hatte, waren auch die formelle und materielle Beschwer gegeben. Eine vergleichbare und damit in der Rechtsprechung geklärte Konstellation legt das Rekursgericht seinem Zulassungsausspruch zugrunde, wenn es unterstellt, der Verwalter sei einem Beschlussanfechtungsverfahren wegen eines ihn betreffenden Vorwurfs beizuziehen, und lediglich dessen Rekurslegitimation in Frage stellt, weil sein Verhalten für die Entscheidung über die Beschlussanfechtung nur Vorfrage sein könne.

2.2 Der Zweck der Beteiligung des Verwalters am Beschlussanfechtungsverfahren ist, ihm möglichst früh Gelegenheit zur Verteidigung zu geben, weil er als vielleicht sogar schuldhafter Verursacher auch die Konsequenz seines Handelns mitzutragen hat (Painsi, Die Parteistellung des Verwalters im wohnungseigentumsrechtlichen Außerstreitverfahren, in FS Würth [2014] 203 [217] mwN). Diesem Gedanken entsprechen auch die von der Revisionsrekurswerberin zitierten und unter dem Rechtssatz (RS0116455) erfassten Entscheidungen zu 5 Ob 301/01b und 5 Ob 186/08a, die ebenfalls auf den Vorwurf einer Verletzung von Verwalterpflichten im Zusammenhang mit der Beschlussfassung (dessen Gegenstand) der Eigentümergemeinschaft abstellen.

3.1 Sowohl die Revisionsrekurswerberin als auch das Rekursgericht in seiner Zulassungsbegründung übergehen aber, dass Gegenstand des hier zu beurteilenden Beschlusses die Bestellung der Rechtsmittelwerberin zur Verwalterin war. Mit der Beschlussfassung sollte die auf die Auswahl der Person des Verwalters gerichtete interne Willensbildung der Eigentümergemeinschaft (dazu 5 Ob 133/17w; E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 19 WEG Rz 15; Schauer in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht2 § 19 WEG Rz 4) als Voraussetzung für eine wirksame Verwalterbestellung erst erfolgen. Auf Mängel bei der Beschlussfassung, die auf ein behauptetes Fehlverhalten (eines bereits bestellten) Verwalters zurückzuführen sind, kann sich die Revisionsrekurswerberin zur Begründung einer Rechtsmittellegitimation daher nicht berufen.

3.2 Der Sachbeschluss des Erstgerichts erging auch gegenüber der Revisionsrekurswerberin, die im Verfahren dem Begehren des Antragstellers inhaltlich entgegen getreten ist, sodass es keinen Bedenken begegnet, wenn das Rekursgericht zwar deren formelle Beschwer bejaht hat, die materielle Beschwer aber verneinte, weil ihre Rechtsstellung durch die Entscheidung über die Rechtsunwirksamkeit des Beschlusses vom 23. 3. 2018 nicht berührt war. Da kein subjektives Recht auf Bestellung zum Verwalter besteht, ist ein Eingriff in eine rechtlich geschützte Stellung ausgeschlossen. Da ein Verhalten eines (wirksam bestellten) Verwalters gar nicht Gegenstand der Beschlussfassung war, bildet die von der Revisionsrekurswerberin angesprochene (mögliche) Haftung, weil sie mit der gerichtlich bestellten einstweiligen Verwalterin der Liegenschaft (§ 23 WEG) vereinbart habe, die Verwaltung zu übernehmen, allenfalls eine Reflexwirkung, die ihr weder eine Parteistellung gemäß § 52 Abs 2 Z 1 letzter Satz WEG noch eine Rechtsmittellegitimation verschaffen kann. Dass das Rekursgericht ihr Rechtsmittel von Amts wegen als unzulässig zurückwies, entspricht daher der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RS0041770).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Der Antragsteller hat auf die

Unzulässigkeit des Revisionsrekurses

hingewiesen, sodass es der

Billigkeit entspricht, ihm die tarifgemäß verzeichneten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zuzusprechen. Es gebührt jedoch kein Streitgenossenzuschlag, weil die Voraussetzungen des § 15 RATG im Revisionsrekursverfahren nicht erfüllt sind.

Textnummer

E129113

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00084.20V.0707.000

Im RIS seit

01.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.01.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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