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72 Wissenschaft, HochschulenNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Wortfolge "im selben Verhältnis wie im Kollegialorgan" in §15 Abs9 UOG mit E v 29.11.95, G1249/95 ua. Bei diesem Ergebnis braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob die belangte Behörde die zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständige Behörde war.Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines bevollmächtigten Vertreters die mit 15.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Der Beschwerdeführer suchte beim Fakultätskollegium der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz um die Verleihung der Lehrbefugnis (venia docendi) für das Fach "Rechtsgeschichte Österreichs und Grundzüge der europäischen Rechtsentwicklung unter Berücksichtigung der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte" an. Die vom Fakultätskollegium eingesetzte Habilitationskommission sprach im zweiten Abschnitt des Habilitationsverfahrens mit Bescheid vom 10. Juni 1991 aus, daß der Beschwerdeführer zu den weiteren Abschnitten des Habilitationsverfahrens nicht zugelassen wird.
b) Aus Anlaß der Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid setzte der Akademische Senat der Universität Graz eine besondere Habilitationskommission ein. Diese Kommission wies mit Bescheid vom 7. Dezember 1992 die Berufung ab und sprach der Sache nach aus, daß der Beschwerdeführer zu den weiteren Abschnitten des Habilitationsverfahrens nicht zugelassen wird.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (insbesondere infolge der Zusammensetzung der besonderen Habilitationskommission) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
3. Die besondere Habilitationskommission legte die Verwaltungsakten vor und trat in einer Gegenschrift einigen der Beschwerdeausführungen entgegen.
4. Das Bundeskanzleramt - Verfassungsdienst erstattete auf Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes eine Äußerung, in der es die vom Beschwerdeführer bezweifelte Verfassungsmäßigkeit einiger Bestimmungen des Universitäts-Organisationsgesetzes - UOG verteidigt.
II. 1.a) Bei der Beratung über die Beschwerde (und über eine weitere, zu B316/94 protokollierte Beschwerde) sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "im selben Verhältnis wie im Kollegialorgan" in §15 Abs9 des Universitäts-Organisationsgesetzes - UOG, BGBl. 258/1975, idF des Bundesgesetzes BGBl. 443/1978, sowie des §26 Abs5 UOG, idF des Bundesgesetzes BGBl. 623/1991, und des §65 Abs2 UOG, idF des Bundesgesetzes BGBl. 258/1975, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher aus Anlaß dieser (und der weiteren) Beschwerde von Amts wegen gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen eingeleitet (Beschluß vom 9. März 1995, B170/93, und Beschluß vom 9. März 1995, B316/94).
b) Der Verwaltungsgerichtshof hat aus Anlaß einer bei ihm (zu Zl. 94/12/0244) anhängigen Beschwerde gegen einen Bescheid einer besonderen Habilitationskommmission beim Verfassungsgerichtshof den (zu G1289/95 protokollierten) Antrag gestellt, die Wortfolge "im selben Verhältnis wie im Kollegialorgan" in §15 Abs9 UOG und einige weitere Bestimmungen dieses Gesetzes als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Mit Erkenntnis vom 29. November 1995, G1249/95, G1289/95, hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "im selben Verhältnis wie im Kollegialorgan" in §15 Abs9 UOG als verfassungswidrig aufgehoben, im übrigen aber, da in den Verfahren hervorgekommen war, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht präjudiziell sind, das von Amts wegen eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren eingestellt bzw. den Antrag des Verwaltungsgerichtshofes als unzulässig zurückgewiesen.
Die belangte Behörde hat ein verfassungswidriges Gesetz angewendet: Es ist nach der Lage des Falles nicht ausgeschlossen, daß diese Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
Bei diesem Ergebnis braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob die belangte Behörde die zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständige Behörde war (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.6.1987, 86/12/0199 und vom 20.8.1987, 85/12/0022).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. Von dem zugesprochenen Kostenbetrag entfallen 2.500 S auf die Umsatzsteuer.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:B170.1993Dokumentnummer
JFT_10048795_93B00170_00