TE Vfgh Erkenntnis 1995/12/5 B274/95, B286/95

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Veröffentlicht am 05.12.1995
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Index

56 Öffentliche Wirtschaft
56/03 ÖBB

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art17
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
StGG Art5
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
HochleistungsstreckenV Gloggnitz-Mürzzuschlag mit Semmeringbasistunnel, BGBl 370/1989
TrassenV Gloggnitz-Mürzzuschlag mit Semmeringbasistunnel, BGBl 472/1991
HochleistungsstreckenG §3
HochleistungsstreckenG §5
HochleistungsstreckenG §7
EisenbahnG 1957 §32 ff

Leitsatz

Abweisung der Beschwerden gegen die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für das Projekt "Hochleistungsstreckenabschnitt Gloggnitz-Mürzzuschlag mit Semmering-Basistunnel"; keine Präjudizialität der HochleistungsstreckenV und der TrassenV; keine Verletzung des Gleichheitsrechtes, des Rechts auf ein faires Verfahren und des Eigentumsrechts; Zulässigkeit der Zusammenfassung hoheitlicher und privatwirtschaftlicher Funktionen in der Hand eines Verwaltungsorganes

Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerden werden abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführenden Parteien durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 28. November 1994 wurde dem Antrag der Eisenbahn-Hochleistungsstrecken-AG (im folgenden: HL-AG) für das Projekt "Hochleistungsstreckenabschnitt Gloggnitz-Mürzzuschlag mit Semmering-Basistunnel" gemäß §§35 und 36 des Eisenbahngesetzes 1957, BGBl. 60, (EisbG), die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung bei Einhaltung näher bezeichneter Vorschreibungen erteilt.

2. Die Beschwerdeführerinnen in der zu B274/95 protokollierten Beschwerde bringen im wesentlichen vor:

2.1. Mit dem angefochtenen Bescheid seien zwar die Einwendungen der Zweitbeschwerdeführerin gemäß §35 Abs2 und Abs3 EisbG als unbegründet abgewiesen und hinsichtlich der zivilrechtlichen Belange auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden, über die Einwendungen der Erstbeschwerdeführerin sei jedoch nicht entschieden worden. Damit sei die Tatsache untrennbar verbunden, daß die belangte Behörde hinsichtlich der Einwendungen der Erstbeschwerdeführerin jegliche Ermittlungstätigkeit unterließ. Die belangte Behörde habe damit willkürlich gehandelt und die Verfahrensvorschriften in so schwerwiegender Weise verletzt, daß der angefochtene Bescheid gleichheitswidrig sei.

2.2. Willkürlich handle eine Behörde, wenn eine Entscheidung nur aus subjektiven, in der Person des Beschwerdeführers liegenden Gründen erfolgte oder wenn sie leichtfertig entscheidet. Auch eine qualifizierte Verletzung von Verfahrensvorschriften könne zur Gleichheitswidrigkeit führen.

Diese liege im gegenständlichen Fall vor: So sei gegen §7 AVG verstoßen worden, weil die belangte Behörde über den Antrag einer Gesellschaft, der HL-AG, entschieden habe, die dem Weisungsrecht jener Behörde unterliege und deren Anteilsrechte von der belangten Behörde verwaltet würden.

Die belangte Behörde habe nicht nur durch Ausübung ihres Weisungsrechts Einfluß auf die HL-AG, sondern darüber hinaus sogar die Möglichkeit der wirtschaftlichen Beeinflussung (vgl. auch §11 Hochleistungsstreckengesetz, BGBl. 135/1989, (HLG)). Auf Grund der Verwaltung der Anteilsrechte der HL-AG durch die belangte Behörde komme es zu einer zusätzlichen Verflechtung der Aber den Antrag der HL-AG entscheidenden belangten Behörde und den am Verfahren beteiligten, der belangten Behörde nachgeordneten Dienststellen.

Daraus zeige sich, daß die belangte Behörde und die in diesem Verfahren beteiligten Amtssachverständigen der belangten Behörde, ebenso wie der Verhandlungsleiter und die mit der Entscheidungsausarbeitung befaßten Beamten jedenfalls keine unparteiische Stellung im gegenständlichen Verfahren gehabt hätten.

Im Hinblick auf diese enge personelle Verflechtung zwischen weisungsgebundenen Organen der belangten Behörde bzw. der belangten Behörde selbst und der von denselben Personen besetzten Verwaltung der HL-AG komme es "zu einem Effekt, der ein faires Verfahren zweifelhaft erscheinen läßt und der HLAG im gegenständlichen Verfahren einen, insbesondere hinsichtlich der Gutachten, Stellungnahmen, Äußerungen, Planung, beabsichtigten Auflagen und Einwendungen, wesentlichen Informationsvorsprung gegenüber den Beschwerdeführerinnen brachte".

2.3. Die Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr betreffend die Bestimmung des Trassenverlaufes der Hochleistungsstrecke Gloggnitz-Mürzzuschlag (Semmeringbasistunnel), BGBl. 472/1991, (im folgenden: TrassenV), bilde mit dem HLG unter anderem die rechtliche Grundlage für den angefochtenen Bescheid. Die Liegenschaft der Beschwerdeführerinnen liege in einem betroffenen Grundstücksteil. Mit der TrassenV seien die Beschwerdeführerinnen durch das entstandene Neu-, Zu- und Umbauverbot in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden.

Eine Enteignung bzw. Eigentumsbeschränkung müsse "durch einfaches Gesetz (in Form einer Legalenteignung oder durch Verwaltungsakt) vorgesehen werden". Diese gesetzliche Regelung habe die Voraussetzung der Enteignung bzw. Eigentumsbeschränkung, die Entschädigungsansprüche, die behördliche Zuständigkeit und im Rahmen der Bedarfskompetenz auch das Enteignungsverfahren zu regeln. Das HLG und die sich darauf stützende TrassenV sehe keine diesen Erfordernissen entsprechende gesetzliche Regelung vor.

Neben dem für eine Enteignung und Eigentumsbeschränkung geltenden Gesetzmäßigkeitsprinzip sei insbesondere auch das einer solchen Maßnahme innewohnende Entschädigungsprinzip nicht erfüllt (s. §5 HLG). Das Recht auf Entschädigung wohne dem Recht auf Eigentum inne. Da im HLG keine Entschädigung für einen, zumindest eigentumsbeschränkenden Eingriff vorgesehen ist, sei dieses Gesetz verfassungswidrig.

2.4. Im vorliegenden Fall werde durch das Verbot von Zu-, Um- und Neubauten durch die TrassenV und durch den angefochtenen Bescheid "in zivilrechtliche Ansprüche (civil rights) eingegriffen". Das Recht auf seinem Grund zu bauen sei "jedenfalls zivilrechtlicher Natur (EGMR 25.10.1989 Nr. 18/1987/141/185 im Fall Jakobsson gegen Schweden)". Zur Entscheidung in dieser Angelegenheit wäre daher gemäß Art6 Abs1 EMRK ein Tribunal zuständig gewesen. Durch die nachprüfende Kontrolle der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts werde Art6 Abs1 EMRK nicht entsprochen.

2.5. Ferner bringen die Beschwerdeführerinnen der zu B274/94 protokollierten Beschwerde Bedenken hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Bundesregierung vom 4. Juli 1989 über die Erklärung von Eisenbahnen zu Hochleistungsstrecken, BGBl. 370/1989, (im folgenden: HochleistungsstreckenV), sowie der TrassenV vor. Sie gehen dabei ohne nähere Begründung davon aus, daß beide Verordnungen "Grundlage für den angefochtenen Bescheid" waren.

3. In der zu B286/95 protokollierten Beschwerde bringen die Beschwerdeführer im wesentlichen vor:

3.1. Der angefochtene Bescheid "hält gleich Eingangs der Begründung (Seite 81; 'Allgemeine Darlegungen') fest", daß sich die gegenständliche Bewilligung auf die HochleistungsstreckenV und weiters auf die TrassenV stütze. Beide Verordnungen seien "Grundlage des angefochtenen Bescheides, da neben der Erklärung zur Hochleistungsstrecke auch die Erlassung einer Trassenverordnung unabdingbare Voraussetzung für die eisenbahnrechtliche Genehmigung einer Hochleistungsstrecke darstellt". Dies ergebe sich "aus dem klaren Konzept des Hochleistungsstreckengesetzes, das beispielsweise das Eisenbahnunternehmen verpflichtet, im Projektsentwurf auf die Umweltverträglichkeit des Bauvorhabens Bedacht zu nehmen" (§4 Abs3 HLG). Dieser Projektsentwurf sei "- wie im gegenständlichen Verfahren ja auch geschehen - Grundlage der öffentlichen Anhörung, die wiederum Voraussetzung für die Bestimmung des Trassenverlaufes ist" (§§3 ff. HLG).

Wie der angefochtene Bescheid weiters darlege, hätten gerade Äußerungen im Anhörungsverfahren zur Verordnung der gegenständlichen Trasse geführt. Die belangte Behörde habe damit zur Bescheidbegründung nicht nur allfällige Ergebnisse des Anhörungsverfahrens herangezogen, sondern damit auch klargestellt, daß die Bestimmung des Trassenverlaufes (§3 HLG) dem gegenständlichen Verfahren zugrundezulegen sei. Andernfalls könnten gesetzliche Anforderungen an den Trassenverlauf keine Verbindlichkeit erlangen.

3.2. Im folgenden führen die Beschwerdeführer der zu B286/95 protokollierten Beschwerde ihre Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der HochleistungsstreckenV und der TrassenV eingehend aus.

4. Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr beantragt die Abweisung der Beschwerden und führt wie folgt aus:

4.1. Hinsichtlich der vorgebrachten Verletzung des verfassungsgesetzlichen Gleichheitsrechtes, weil über die Einwendungen der Erstbeschwerdeführerin der zu B274/95 protokollierten Beschwerde nicht abgesprochen wurde, geht der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr davon aus, daß der Erstbeschwerdeführerin der Bescheid ebenfalls als Partei zugestellt worden ist, weil sie dem ganzen Verfahren als Partei zugezogen war.

4.2. Zur behaupteten Präjudizialität der HochleistungsstreckenV und der TrassenV:

4.2.1. Die Beschwerdeführer übersähen hinsichtlich der HochleistungsstreckenV, daß diese Verordnung der Bundesregierung, so weit es sich dabei um geplante Eisenbahnen handelt, die rechtliche Realisierung eines verkehrspolitischen Programmes darstelle, welches die Grundlage für die durch Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr zu realisierende Übertragung der Planung und des Baues von Hochleistungsstrecken oder von Teilen derselben an die HL-AG sowie die Grundlage für eine allenfalls zu erlassende Trassenverordnung iSd. §3 Abs1 HLG bilde.

Gegenstand einer Verordnung nach §1 HLG sei die Festlegung jener Eisenbahnstrecken, die wegen ihrer besonderen internationalen oder nationalen Verkehrsbedeutung durch den Ausbau bestehender Trassen oder den Neubau von Abschnitten Hochleistungsstrecken werden sollen. Dies sei ein Regierungsakt, mit dem insbesondere verkehrs- und raumordnungspolitische Relationen bestimmt werden. Eine Festlegung von Trassen erfolge mit diesem Schritt nicht.

Eine Verordnung nach §1 HLG begründe somit keine Rechte und Pflichten für den Personenkreis, dem die Beschwerdeführer angehören; durch die Erklärung einer Eisenbahn zur Hochleistungsstrecke erfolge kein Eingriff in die Rechte und Pflichten von Einzelpersonen.

Da eine Verordnung nach §1 HLG keine konkreten Maßnahmen festlege, wie etwa den Trassenverlauf oder die Lage von Hoch- und Kunstbauten, könne sie auch nicht präjudiziell für eigentumsbeschränkende Maßnahmen oder Enteignungsmaßnahmen gegen Personen sein, die in späterer Folge von der Errichtung einer Hochleistungsstrecke betroffen sein könnten. Die Erlassung einer Verordnung nach §1 HLG stelle eine grundlegende, verbindliche Aussage über eine notwendige Verkehrsverbindung dar, jedoch stehe weder die einmal zu realisierende Trassenvariante geschweige denn der Kreis der davon betroffenen Personen fest.

§2 HLG ordne ausdrücklich an, daß auch für Hochleistungsstrecken die Bestimmungen des EisbG zur Anwendung zu bringen sind. Es würden sohin für Hochleistungsstrecken keine besonderen Bestimmungen hinsichtlich der Genehmigung des Baues oder des Betriebes von Eisenbahnen erlassen.

Dem EisbG sei jedoch generell eine Verordnung als Grundlage für das Verfahren fremd. Für Eisenbahnen, die keine Hochleistungsstrecken sind, gebe es keine Verordnung. Da durch das HLG diesbezüglich für das Genehmigungsverfahren keine Sonderbestimmungen geschaffen worden seien, sei sohin die HochleistungsstreckenV nicht als unabdingbare Voraussetzung für die eisenbahnrechtliche Genehmigung anzusehen. Der Baugenehmigungsbescheid gründe sich vielmehr unmittelbar auf die Bestimmungen des EisbG (§§32 ff leg.cit.) selbst. Die HochleistungsstreckenV gehe zwar als wesentlicher die Bundesraumordnung (Verkehrsweg Eisenbahn) vorbereitender Rechtsakt "allfälligen eigentumsbeschränkenden Eingriffen (gemeint sind: Enteignungsbescheide)" voraus, sie sei aber nicht präjudiziell, "das heißt sie ist für die nachfolgenden Bescheide (ebr. Baubescheide, allenfalls Enteignungsbescheide) nicht notwendig".

4.2.2. Das gelte im wesentlichen auch für die TrassenV:

Die TrassenV definiere gemäß dem HLG nur einen Geländestreifen. Dies auch nur zum Zweck, daß im Geländestreifen keine weiteren Baumaßnahmen durch Dritte im Sinne einer Verteuerung des zukünftigen Eisenbahnprojektes stattfinden, wobei Einigungen bzw. Ausnahmen möglich sind (§5 Abs1 HLG). Hiebei unterscheide sich eine Trassenverordnung nach dem HLG wesentlich von einer Trassenverordnung nach §4 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. 286, (BStG 1971). Das BStG 1971 gehe bei der Trassenverordnung von einer eindeutigen Fixierung der Straßenachse aus.

Nach §5 Abs5 HLG habe der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr eine Trassenverordnung außer Kraft zu setzen, wenn oder insoweit sie zur Sicherstellung des Trassenverlaufes nicht mehr notwendig ist. Daraus ergebe sich, daß unabhängig von Ausnahmeanträgen jedenfalls die Trassenverordnung nur kurzen Rechtsbestand haben kann, sodaß die Belastung für den Grundeigentümer nicht länger dauern kann als etwa eine Bausperre nach den Bestimmungen der jeweiligen Bauordnung. Durch eine solche Außerkraftsetzung bleibe jedoch ein der Trassenverordnung nachfolgender Baubescheid weiter bestehen.

4.3. Zur behaupteten "Verletzung des verfassungsgesetzlichen Gleichheitsgebotes wegen Befangenheit":

Die Tätigkeit der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes durch den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr sei von den hoheitlichen Agenden des bescheidmäßig zu erledigenden Verwaltungsverfahrens getrennt und werde nicht - wie in der Beschwerde behauptet - von denselben Personen ausgeübt. Das verfassungsgesetzliche Gleichheitsgebot und §7 AVG würden sohin nicht verletzt. Letztere Bestimmung beziehe sich auch nur auf (einzelne) Verwaltungsorgane in einem konkreten Verfahren und nicht auf die Gesamtheit einer Behörde schlechthin. §7 und §11 HLG seien sohin nicht verfassungswidrig.

4.4. Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlichen Eigentumsschutzes:

Von einer Eigentumsbeschränkung bzw. Enteignung könne nicht gesprochen werden, weil §5 Abs1 HLG eine Einigung mit der HL-AG bzw. eine Zulassung von Ausnahmen durch die Eisenbahnbehörde vorsehe, wonach Neu-, Zu- und Umbauten im verordneten Trassenstreifen ermöglicht werden. Darüberhinaus sei nach herrschender Rechtsauffassung eine Entschädigungsleistung "keine verfassungsrechtsnotwendige Voraussetzung" für gesetzmäßige Eigentumsbeschränkungen.

4.5. Zur behaupteten "Verletzung des verfassungsgesetzlichen Rechtes auf ein gerichtliches Verfahren":

Weder durch die TrassenV noch durch den angefochtenen Baugenehmigungsbescheid werde in zivilrechtliche Ansprüche eingegriffen. §5 Abs1 HLG ermögliche ausnahmsweise Neu-, Zu- und Umbauten im verordneten Trassenstreifen und §35 Abs2 EisbG lasse private Rechte unberührt, indem letztere Bestimmung zivilrechtliche Ansprüche auf den Zivilrechtsweg verweise.

5. Die Bundesregierung erstattete ebenfalls eine Äußerung und führt aus:

Die Trassenfestlegung für eine Hochleistungsstrecke erfolge in einem zweistufigen Verfahren. Eine Verordnung nach §1 HLG sei der erste Schritt und damit Voraussetzung für andere Rechtsakte auf der Grundlage des HLG.

Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr könne aufbauend auf eine derartige Verordnung der Bundesregierung bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen eine Verordnung gemäß §3 HLG erlassen. Für den Bau der Hochleistungsstrecke sei dann eine bescheidmäßige Genehmigung nach den Bestimmungen des EisbG zu erwirken.

Die Beschwerdeführer seien im vorliegenden Fall nicht Normadressaten der Z5 der HochleistungsstreckenV. Eine derartige Verordnung würde allenfalls das Eisenbahnunternehmen in seinem Rechtsbereich berühren.

Der angefochtene eisenbahnrechtliche Baugenehmigungsbescheid gründe sich unmittelbar auf die §§32 ff. des EisbG selbst. Die HochleistungsstreckenV gehe zwar als wesentlicher, die Bundesraumordnung (Verkehrsweg Eisenbahn) vorbereitender Rechtsakt allfälligen eigentumsbeschränkenden Eingriffen voraus, sie bilde jedoch keine Voraussetzung für den angefochtenen Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr.

Da die Verordnung der Bundesregierung somit keine Grundlage für das eisenbahnrechtliche Genehmigungsverfahren bilde, sei sie auch nicht in den vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren iSd. Art139 Abs1 B-VG anzuwenden.

6. Die mitbeteiligte Partei beantragt in ihrer Äußerung, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen, und führt zusätzlich aus:

6.1. Die belangte Behörde habe hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin der zu B274/95 protokollierten Beschwerde einen Schreibfehler begangen. Anstelle der Formulierung im Spruch des Bescheides: "Die E/F von B A - vertreten durch A S - und C S betreffend ..." sei die Formulierung "Die E/F von B A - vertreten durch A und C S - betreffend ..." verwendet worden.

Wie aber von der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin ausgeführt werde, sei der angefochtene Bescheid jeweils beiden direkt zugestellt worden. Es sei völlig klar, daß sich die Ermittlungstätigkeit sowie die Entscheidung auf beide (Hälfte-) Grundeigentümer beziehe. Selbst dann, wenn kein Berichtigungsbescheid nach §62 Abs4 AVG ergehe, sei der Bescheid so zu werten, wie er nach objektiven Kriterien verstanden werden könne.

6.2. Von einer unmittelbaren Betroffenheit der Beschwerdeführer durch die Bestimmung der Z5 der HochleistungsstreckenV sowie der TrassenV könne keine Rede sein, da diese in deren Rechtsstellung nicht eingreife.

Aus dem chronologischen Ablauf der Erlassung der Hochleistungsstreckenverordnungen könne keinesfalls eine Gesetzwidrigkeit erblickt werden. Das HLG lasse ausdrücklich die abschnittsweise Erlassung ("Streckenteile §1 (1) HLG") zu. Es müsse der Bundesregierung unbenommen bleiben, in einem verkehrspolitischen Konzept bestimmte Streckenteile vorrangig zu Hochleistungsstrecken zu erklären.

Dies hindere die Behörde aber nicht, im Zuge des Verwaltungsverfahrens für die Erlassung der behördlichen Genehmigungen auf das Ergebnis des Trassenverordnungsverfahrens, der dort verwendeten Unterlagen und der dargetanenen Äußerungen im Zuge des Anhörungsverfahrens nach Maßgabe der Bestimmungen des AVG zurückzugreifen und diese für den Bescheid heranzuziehen. Dies umso mehr, als von der mitbeteiligten Partei im Zuge ihrer Antragstellung ausdrücklich auch auf die vorhin beschriebenen Umstände im Sinne einer Bedachtnahme auf die abgegebenen Äußerungen im Anhörungsverfahren Bezug genommen wurde.

Gleiches gelte sinngemäß für die TrassenV. Hiebei unterscheide sich die Trassenverordnung nach dem HLG wesentlich von der Trassenverordnung nach §4 BStG. Das BStG gehe bei der Trassenverordnung von einer eindeutigen Fixierung der Straßenachse aus. Dem gegenüber werde beim HLG durch die Trassenverordnung nur ein Geländestreifen definiert. Dies auch nur zum Zweck, daß im Geländestreifen keine weiteren Baumaßnahmen durch Dritte im Sinne einer Verteuerung des zukünftigen Eisenbahnprojektes stattfinde.

Die Verordnung nach §3 HLG sei mit der Plangebietsverordnung nach §14 BStG 1971 vergleichbar und nicht mit der Trassenverordnung nach §4 BStG 1971.

6.3. Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsgrundsatzes:

Gemäß Art17 und Art77 B-VG sei Leiter der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes der jeweils ressortzuständige Bundesminister und sei die Privatwirtschaftsverwaltung von der Hoheitsverwaltung zu trennen.

Gemäß §7 HLG sei nicht die Oberste Eisenbahnbehörde weisungsbefugt, vielmehr könne der Bund durch den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr Weisungen an die mit der Planung und der Bauausführung beauftragte Gesellschaft erteilen. Sowohl die Bestimmungen über die Übertragung der Planung und des Baues von Projekten an die HL-AG als auch das erwähnte Weisungsrecht des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr seien nach Maßgabe von Art18 B-VG als Selbstbindungsgesetz der Privatwirtschaftsverwaltung anzusehen.

Des weiteren könne das Handeln des Organträgers im Sinne der nach Art18 B-VG erlassenen Selbstbindungsnormen des HLG nur der Privatwirtschaftsverwaltung zugeordnet werden, da die dabei zu setzenden Handlungen jeweils "ohne imperium" auszuüben sind.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:

1. Die Beschwerdeführer begründen die von ihnen behauptete Rechtsverletzung vorerst und eingehend damit, daß die - ihrer Meinung zufolge - bei Erlassung des Bescheides über die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für den Hochleistungsstreckenabschnitt Gloggnitz-Mürzzuschlag mit Semmeringbasistunnel angewendeten HochleistungsstreckenV und TrassenV, BGBl. 370/1989 und BGBl. 472/1991, rechtswidrig seien. Sie gehen sohin davon aus, daß die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Baugenehmigungsbescheides sowohl die HochleistungsstreckenV als auch die TrassenV anzuwenden hatte und auch tatsächlich angewendet hat.

Der Verfassungsgerichtshof, der die Frage der Präjudizialität einer Trassenverordnung nach §3 HLG im nachfolgenden eisenbahnrechtlichen Verfahren gemäß den §§32 ff. EisbG in seinem Beschluß vom 7. März 1995, V155, 156/94, ausdrücklich offenließ, teilt jedoch diese Rechtsauffassung aus folgenden Gründen nicht:

1.1. Durch die HochleistungsstreckenV wurde die Eisenbahnstrecke "Gloggnitz-Mürzzuschlag" unter der Z5 auf Grund des §1 Abs1 HLG zur Hochleistungsstrecke erklärt. Gemäß §1 Abs1 HLG kann die Bundesregierung durch Verordnung

"bestehende oder geplante Eisenbahnen(Strecken oder Streckenteile einschließlich der notwendigen Eisenbahnanlagen) zu Hochleistungsstrecken erklären. Voraussetzung hiefür ist, daß diesen eine besondere Bedeutung für einen leistungsfähigen Verkehr mit internationalen Verbindungen oder für den Nahverkehr zukommt und daß zur Optimierung der Verkehrsbedienung umfangreiche Baumaßnahmen geboten sind".

Mit der Erklärung zur Hochleistungsstrecke wird die Anwendbarkeit des HLG auf die betreffende Eisenbahnstrecke bewirkt (Zeleny, Eisenbahnplanungs- und -baurecht, 1994, 115). Die HochleistungsstreckenV bildet mithin lediglich die Rechtsgrundlage für weitere, auf das HLG gestützte und auf Hochleistungsstrecken im Sinne des HLG bezogene Rechtsakte: So für die Übertragung der Planung und des Baues der verordneten Hochleistungsstrecken auf die Eisenbahn-Hochleistungsstrecken-AG gemäß §8 Abs1 HLG (vgl. die diesbezügliche Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, BGBl. 405/1989, idF BGBl. 107/1990 und 539/1990, "über die Übertragung der Planung und des Baues von Hochleistungsstrecken oder Teilen derselben an die Eisenbahn-Hochleistungsstrecken-AG", insbesondere deren §1 Abs1 litd); so aber auch für die Bestimmung des Trassenverlaufs der verordneten Hochleistungsstrecke gemäß §3 Abs1 HLG.

"Für den Bau von und den Betrieb auf Hochleistungsstrecken" ordnet hingegen §2 HLG ausdrücklich die Geltung der Bestimmungen des EisbG und des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. 71/1954, an, "soweit dieses Bundesgesetz nicht abweichende Regelungen enthält". Derartige spezielle Bestimmungen "für den Bau einer Hochleistungsstrecke" sind zwar in §6 HLG für allenfalls notwendige Enteignungsverfahren vorgesehen. Im übrigen finden aber für das Baugenehmigungsverfahren ausschließlich die Vorschriften der §§32 ff. des EisbG Anwendung.

Es ist sohin der Bundesregierung dahin zuzustimmen, daß der angefochtene eisenbahnrechtliche Baugenehmigungsbescheid unmittelbar auf den Bestimmungen des EisbG gründet. Die HochleistungsstreckenV bildet weder eine rechtliche Voraussetzung des angefochtenen eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsbescheides, - mag auch die mit der HochleistungsstreckenV der Bundesregierung verbundene verkehrspolitische Festlegung im Hinblick auf die Prioritätensetzung beim Eisenbahnbau von großer Bedeutung sein -, noch wurde die HochleistungsstreckenV bei Erlassung des angefochtenen Bescheides von der belangten Behörde tatsächlich angewendet.

Zwar werden auf Seite 81 der Begründung des angefochtenen Bescheides eingangs unter dem Titel "Allgemeine Darlegungen" die HochleistungsstreckenV unmittelbar im Anschluß an den Hinweis auf den Beschluß des Nationalrates zur ASFINAG-Gesetz-Novelle 1989 über "die Finanzierung des Semmering-Basistunnels aus Mitteln der ASFINAG" ebenso wie anschließend die Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, BGBl. 405/1989, über die Übertragung der Planung und des Baues "der ggstl. Hochleistungsstrecke an die HL-AG", sowie die TrassenV erwähnt. Gleichwohl wird damit wie mit zahlreichen weiteren Hinweisen auf Anhörungen, Verwaltungsvorgänge, Regierungsakte und sachverständige Äußerungen vor Einleitung des eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahrens für die Hochleistungsstrecke Gloggnitz-Mürzzuschlag mit Semmeringbasistunnel lediglich der allgemeine Hintergrund geschildert, vor dem jenes Verfahren durchgeführt und mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossen wurde. Von einer "Anwendung" der HochleistungsstreckenV war hingegen im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren gemäß den §§32 ff. EisbG (schon mit Rücksicht auf §2 HLG) keine Rede.

Da die HochleistungsstreckenV sohin weder eine Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid bildet, noch von der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides tatsächlich angewendet wurde, sieht sich der Verfassungsgerichtshof aus Anlaß des vorliegenden Bescheidbeschwerdeverfahrens nicht in der Lage, den von den Beschwerdeführern gegen diese Verordnung vorgetragenen rechtlichen Bedenken nachzugehen.

1.2. Das eisenbahnrechtliche Baugenehmigungsverfahren gemäß den §§32 ff. des EisbG ist jedenfalls kraft EisbG ohne vorgängige Erlassung einer Verordnung über den Verlauf der Eisenbahntrasse durchzuführen. Voraussetzung und Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens ist vielmehr ein "Bauentwurf", der vom Eisenbahnunternehmen "aufzustellen" und der Behörde "vorzulegen" ist. Dieser Bauentwurf ist gemäß §33 EisbG von der Behörde dahin zu prüfen, "ob er vom eisenbahnfachlichen Standpunkt zur Ausführung geeignet ist" und "ob der Wirkungsbereich anderer Behörden oder Rechte Dritter berührt werden, ohne daß deren Zustimmung bereits vorliegt".

Dieses unter Verzicht auf die Erlassung oder Beachtung einer Trassenverordnung abzuwickelnde eisenbahnrechtliche Baugenehmigungsverfahren sollte bei Hochleistungsstrecken entsprechend den Erläuterungen zum Initiativantrag (213/A BlgNR 17. GP) "soweit wie möglich bzw. zweckmäßig auch für den Bau von Hochleistungsstrecken gelten". Diesen Erläuterungen zufolge treten zum bestehenden EisbG

"spezielle Gesetzesbestimmungen ... nur insofern hinzu, als

-

die Konzeption und Projektierung von Hochleistungsstrecken erfordert, eine zusätzliche überregionale Gesamtabstimmung unter Anhörung der berührten Gebietskörperschaften bzw. Bevölkerung vorzunehmen, und

-

rechtliche Vorkehrungen notwendig sind, um eine möglichst wirtschaftliche und zügige Durchführung der Planungs- und Bauarbeiten mit einer auf die Dimension der Projekte abgestellten Ablauforganisation zu erzielen".

Dazu sieht §3 Abs1 HLG vor, daß der Trassenverlauf einer Hochleistungsstrecke, sofern diese nicht durch Ausbaumaßnahmen "... auf bestehenden Eisenbahnen" eingerichtet werden kann, "durch Verordnung zu bestimmen" ist. Sinn und Zweck dieser Trassenverordnung werden durch §3 Abs1 zweiter Satz HLG, sowie im Hinblick auf die Rechtswirkungen der Trassenverordnung durch die Vorschrift des §5 Abs1 erster Satz HLG klargelegt:

"§3. (1) ... Eine solche Verordnung darf nur erlassen werden, wenn nach dem Stand der Planungs- und Bauvorbereitungsarbeiten die Bestimmung des Trassenverlaufes in absehbarer Zeit zu erwarten und zu befürchten ist, daß durch bauliche Veränderungen in diesem Gelände der geplante Bau der Hochleistungsstrecke erheblich erschwert oder erheblich verteuert wird. ..."

"§5. (1) Nach Bestimmung des Trassenverlaufes (§3) dürfen auf den von der künftigen Hochleistungsstrecken-Trasse betroffenen Grundstücksteilen (Hochleistungsstrecken-Baugebiet) Neu-, Zu- und Umbauten nicht vorgenommen werden; ... ."

Auf Grund dieser im Wortlaut wiedergegebenen Bestimmungen des HLG wird deutlich, daß die Trassenverordnung nach §3 dieses Gesetzes selbst noch keine rechtsverbindliche - und in diesem Sinne sozusagen endgültige - Bestimmung des Trassenverlaufes zum Gegenstand hat, sondern diese Bestimmung des Trassenverlaufes erst "in absehbarer Zeit" auf Grund eines eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahrens "zu erwarten" ist. Der Zweck der planerischen Festlegung eines "Geländestreifens" (vgl. §3 Abs2 HLG, also - noch - nicht des Gleisverlaufs selbst) liegt in der Verhinderung "bauliche(r) Veränderungen in diesem Gelände", durch die "der geplante Bau der Hochleistungsstrecke erheblich erschwert oder wesentlich verteuert" würde. Aus diesem Grunde ordnet §5 leg.cit. auf den "von der künftigen Hochleistungsstrecken-Trasse betroffenen Grundstücksteilen (Hochleistungsstrecken-Baugebiet)" ein Bauverbot an.

Anders als die Straßenverlaufsverordnung nach §4 BStG 1971, mit der ein Bundesstraßenverlauf rechtsverbindlich für den nachfolgenden Bau der Bundesstraße festgelegt wird, äußert die - etwas irreführend - als Trassenverordnung bezeichnete Verordnung gemäß §3 Abs1 HLG lediglich die Rechtswirkung eines vor endgültiger Festlegung des Trassenverlaufes notwendigen, flächenbezogenen Bauverbotes, sodaß es nur mit dem als Vorbild des HLG vom Gesetzgeber in §14 BStG 1971 geregelten "Bundesstraßenplanungsgebiet", das ebenfalls "vor Bestimmung des Straßenverlaufes" (§14 Abs1 BStG 1971) festzulegen ist, von den Rechtswirkungen her verglichen werden kann (so auch Zeleny, aaO., 154, Anm. 191, letzter Abs). Ebensowenig wie das Bundesstraßenplanungsgebiet vom BStG 1971 als Rechtsgrundlage der Straßenverlaufsverordnung nach §4 des Gesetzes vorgesehen ist, bildet auch die Festlegung des

"Hochleistungsstrecken-Baugebietes" (so §5 Abs1 HLG) durch die Trassenverordnung nach §3 Abs1 HLG eine Rechtsgrundlage für die rechtsverbindliche Festlegung der Trasse im Baugenehmigungsverfahren, mag auch §3 Abs1 erster Satz HLG vorerst mißverständlich von der Bestimmung des Trassenverlaufs sprechen.

Daß eine "Trassenverordnung" nach §3 Abs1 HLG nicht die Wirkung einer für ein nachfolgendes eisenbahnrechtliches Baugenehmigungsverfahren verbindlichen, also in diesem Verfahren als Rechtsgrundlage heranzuziehenden Verordnung hat, sondern - lediglich - die Freihaltung des durch die Verordnung festgelegten Hochleistungsstrecken-Baugebietes von baulichen Veränderungen, durch die der Bau der Hochleistungsstrecke erschwert oder wesentlich verteuert werden könnte, bezweckt und bewirkt, ist insbesondere auch §5 Abs5 HLG zu entnehmen: Wenn der "Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr ... eine Verordnung nach §3 Abs1 außer Kraft zu setzen (hat), wenn oder insoweit sie zur Sicherstellung des geplanten Trassenverlaufes nicht mehr notwendig ist", so wird jede Interpretation einer Trassenverordnung nach §3 Abs1 HLG als Rechtsgrundlage des eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungs- und Betriebsbewilligungsverfahrens hinfällig. Schon mit Rücksicht auf die zeitliche Begrenzung der TrassenV, - wenn ihr Zweck der Verhinderung baulicher Veränderungen im Eisenbahnbaugebiet weggefallen ist - , scheidet die Anwendung dieser Verordnung im eisenbahnrechtlichen Bau- und Betriebsbewilligungsverfahren aus, weil diese Verordnung möglicherweise vor Abschluß dieser Verfahren schon außer Kraft zu setzen ist. Rechtsgrundlage dieser Verfahren ist auch bei Hochleistungsstrecken gemäß §2 HLG sohin ausschließlich das EisbG.

Dagegen verhilft es auch nichts, wenn die Beschwerdeführer zu B286/95 darauf hinweisen, daß sich der angefochtene eisenbahnrechtliche Baugenehmigungsbescheid schon deswegen auf die TrassenV nach §3 HLG stützen mußte, weil "nur über die Festlegung der Trassenverordnung die Ergebnisse der Anhörung in das spätere eisenbahnrechtliche Verfahren einfließen können, da gerade und nur bei der - letztlich entscheidenden - Festlegung des Trassenverlaufs die Berücksichtigung dieser Interessen zwingend vorgeschrieben ist".

Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt nicht, daß der Festlegung eines Hochleistungsstrecken-Baugebietes auf Grund von §3 Abs1 HLG eine große faktische, planerische und politische Bedeutung für ein nachfolgendes eisenbahnrechtliches Baugenehmigungsverfahren zukommt. Eine Rechtsgrundlage für dieses Verfahren, in dem die rechtsverbindliche Bestimmung des Trassenverlaufes erst erfolgt, bildet auf Grund der dargestellten Rechtslage die Trassenverordnung nach §3 Abs1 HLG jedoch nicht. Daß einzelne Ergebnisse des Anhörungsverfahrens, das vor Erlassung der TrassenV durchgeführt wurde, von der belangten Behörde auch im angefochtenen Bescheid zur Begründung herangezogen wurden, ist jedenfalls im Sinn der Verwaltungsökonomie gelegen. Daraus ist aber nicht abzuleiten, daß die TrassenV von der Behörde bei Erlassung der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung vom 28. November 1994 angewendet wurde, (zumal der Spruch dieses Bescheides bei der "Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen" gemäß §59 Abs1 AVG jeden Hinweis auf die TrassenV vermissen läßt). Die TrassenV ist daher auch vom Verfassungsgerichtshof bei der ihm obliegenden Überprüfung des angefochtenen Bescheides gemäß Art144 Abs1 B-VG nicht anzuwenden.

Auf die von den Beschwerdeführern gegen die TrassenV erhobenen rechtlichen Bedenken war sohin mangels Präjudizialität dieser Verordnung für den angefochtenen Bescheid in diesem Verfahren nicht einzugehen.

2. Die Beschwerdeführerinnen zu B274/95 behaupten ferner durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt zu sein. Sie werfen der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides Willkür vor, weil mit diesem Bescheid über die Einwendungen der Erstbeschwerdeführerin nicht entschieden worden sei und weil die belangte Behörde wegen der ihr kraft HLG zustehenden Einflußrechte auf die HL-AG als befangen anzusehen sei.

Einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz wegen eines willkürlichen Verhaltens der Behörde nimmt der Verfassungsgerichtshof an, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985, 11436/1987). Es kann hier aus der Sicht des Gleichheitssatzes dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang über die Einwendungen der Erstbeschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid abgesprochen wurde, weil diese jedenfalls, wie die Verwaltungsakten zeigen, dem Verwaltungsverfahren als Partei zugezogen war. Es kann keine Rede davon sein, daß die Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides gegenüber der Erstbeschwerdeführerin Verfahrensfehler begangen hätte, die einen Willkürvorwurf rechtfertigten, zumal die Erstbeschwerdeführerin sowohl in der Beweissicherungsliste für Quellen und Brunnen (Seite 75 des angefochtenen Bescheides) als auch in der Liste der Hausbeweissicherungen (Seite 77 des angefochtenen Bescheides) sowie in der Zustellverfügung (Seite 214 des angefochtenen Bescheides) aufscheint.

Es verstößt ferner nicht gegen den Gleichheitssatz, wenn der Gesetzgeber den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr nicht nur mit der behördlichen Entscheidung im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren, sondern auch gemäß §7 HLG mit der Verwaltung der Anteilsrechte an der die Baugenehmigung begehrenden Eisenbahn-Hochleistungsstrecken-AG betraut. Wie der Verfassungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis VfSlg. 3980/1961 (Seite 295) ausgesprochen und in VfSlg. 11645/1988 bestätigt hat, verstößt die Zusammenfassung hoheitlicher und privatwirtschaftlicher Funktionen in der Hand eines Verwaltungsorganes weder gegen den Gleichheitssatz noch gegen Art6 Abs1 EMRK. Wenn aber nicht einmal "die Identität des antragstellenden mit dem behördlich entscheidenden Organ" (so VfSlg. 11645/1988) als verfassungsrechtlich bedenklich erachtet werden kann, so ist es umso weniger eine Rechtslage, kraft derer eine Aktiengesellschaft als Antragsteller auftritt, deren Anteilsrechte von der zur Entscheidung über den Antrag zuständigen Verwaltungsbehörde in Privatwirtschaftsverwaltung verwaltet werden. Das ergibt sich schon daraus, daß der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht gehindert gewesen wäre, anstelle des über Antrag eingeleiteten eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahrens wegen der daran bestehenden besonderen öffentlichen Interessen ein amtswegiges Verfahren einzurichten.

3. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrechte behaupten, würde der angefochtene Bescheid, soweit er überhaupt bereits selbst (und nicht lediglich ein auf seiner Grundlage zu erlassender Enteignungsbescheid) in das Eigentumsrecht der Beschwerdeführer eingreift, dieses nur verletzen, wenn der angefochtene Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre, auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte (VfSlg. 10356/1985, 11650/1988).

Daß die §§32 ff. EisbG eine - jedenfalls aus der Sicht der vorliegenden Beschwerdefälle - verfassungsrechtlich zureichende Rechtsgrundlage des eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsbescheides einschließlich des Abspruchs über die von den Beschwerdeführern erhobenen Einwendungen bilden, braucht nicht weiter dargetan zu werden. Die HochleistungsstreckenV und die TrassenV, welche die Beschwerdeführer als gesetzwidrige Rechtsgrundlage des Eigentumseingriffs bezeichnen, wurden wie oben (II.1.) ausgeführt, bei Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht angewendet. Der Bescheid stützt sich sohin auf keine rechtswidrigen Normen. Daß die §§32 ff. des EisbG bei Erlassung des angefochtenen Bescheides denkunmöglich angewendet wurden, vermochten die Beschwerdeführer nicht darzutun.

4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden.

5. Da die Beschwerdeführer sohin weder in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm noch in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden, waren ihre Beschwerden abzuweisen.

Ob die von den Beschwerdeführern gegen die Rechtmäßigkeit der TrassenV und der HochleistungsstreckenV vorgetragenen Bedenken, auf die mangels Präjudizialität dieser Verordnungen für den angefochtenen Bescheid (s.o. II.1.) nicht einzugehen war, geeignet sind, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in Zweifel zu ziehen, ist anhand der einfachgesetzlichen Rechtslage zu prüfen. Für diese Prüfung ist nicht der Verfassungsgerichtshof, sondern gemäß den Art130 ff. B-VG der Verwaltungsgerichtshof zuständig.

Antragsgemäß wurden die Beschwerden gemäß Art144 Abs3 B-VG daher dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.

6. Dies konnte vom Verfassungsgerichtshof ohne mündliche Verhandlung gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Eisenbahnrecht, Verwaltungsverfahren, Beweise, Befangenheit, Trassierungsverordnung, fair trial, Privatwirtschaftsverwaltung, Hochleistungsstrecken siehe Eisenbahnrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B274.1995

Dokumentnummer

JFT_10048795_95B00274_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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