TE Bvwg Beschluss 2019/11/4 L508 1430094-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.2019
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Entscheidungsdatum

04.11.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L508 1430094-4/4E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom 24.10.2019, Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX auch XXXX auch XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Pakistan, hat das Bundesverwaltungsgericht durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin beschlossen:

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm. § 22 Abs. 10 AsylG 2005 sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan, (in weiterer Folge "Pakistan" genannt), stellte erstmals am 31.07.2011 bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 31.07.2011 Folgendes vor:

Er sei ledig, Sunnit/Moslem, gehöre der Volksgruppe der Chattah an, habe 9 Jahre lang die Schule in Pakistan besucht und habe zuletzt als Landwirt gearbeitet. Er sei am 02.06.2011 illegal aus Pakistan ausgereist.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF aus, er sei ein Polizeispitzel gegen die Taliban in seinem Heimatbereich gewesen. Seine Gegner hätten gegen den BF eine falsche Anzeige wegen Mordes erstattet. Der BF sei von März 2010 bis Oktober 2010 in Untersuchungshaft gewesen. Der BF sei gegen Zahlung einer Kaution freigelassen worden. Mitte Mai hätten unbekannte Männer auf der Straße versucht den BF umzubringen. Vier maskierte Männer hätten den BF plötzlich geschlagen, geschimpft und bedroht. Sie hätten gesagt, dass sie den BF umbringen werden, wenn er weiter als Polizeispitzel arbeiten würde. Der BF habe sich dann vom normalen Leben zurückgezogen und versucht einen Schlepper zu organisieren.

Mit 22.09.2011 wurde das Asylverfahren gemäß § 24 Abs 2 AsylG eingestellt, da der Aufenthaltsort des BF wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflicht weder bekannt oder sonst leicht feststellbar war. Zudem wurde gemäß § 26 AsylG ein Festnahmeauftrag gegen den BF erlassen.

Der BF wurde am 26.09.2012 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Ausführung des vom Bundesasylamt (kurz: BAA) erlassenen Festnahmeauftrages festgenommen. Da der BF über eine aufrechte Meldeadresse verfügte, wurde dem BF ein Ladungsbescheid für eine Einvernahme am 27.09.2012 ausgefolgt bzw. wurde keine Vorführung veranlasst.

Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte der BF am 27.09.2012 im Wesentlichen Folgendes vor:

Er könne keine Beweismittel vorlegen. Sein Personalausweis und sein Reisepass würden sich zu Hause befinden. Er habe einen pakistanischen Führerschein bei sich gehabt, als er nach Österreich gekommen sei. Er habe diesen vor 3 Tagen bei der pakistanischen Botschaft in Wien zur Beglaubigung abgegeben.

Zum Fluchtgrund befragt, gab der BF an, dass es, 2 Monate bevor er Pakistan verlassen habe, eine große Versammlung mit ca. 1000 Leuten in seinem Dorf gegeben habe. Die sunnitische Organisation habe die Versammlung abgehalten. An dem Tag seien zwei Männer, welche Mitglieder der Lashkare-e-Taiba seien, gekommen. Sie hätten beide telefoniert und seien auch bei der Versammlung gewesen. Der BF habe mithören können, wie sie am Telefon gesagt hätten, dass genug Leute anwesend seien. Der BF habe dann mit seinem Handy die Polizei verständigt. Die Polizei hätte daraufhin die beiden festgenommen und befragt. Die beiden seien geständig gewesen, dass sie geplant hätten, dass ein Selbstmordattentäter sich während der Versammlung in die Luft sprenge. Danach hätten die Mitglieder der Lashkare-e-Taiba den BF immer wieder verfolgt. Einmal sei der BF mit seinem Moped von der Landwirtschaft nach Hause gefahren. Er sei von einem anderen Moped verfolgt worden. Dabei sei auf ihn geschossen worden. Ein anderes Mal sei der BF mit seinem Vater, seiner Mutter, einem Bruder und seiner Schwester auf dem Nachhauseweg vom Einkaufen gewesen. Unbekannte Männer hätten das Auto stoppen wollen. Sie seien aber nicht stehen geblieben. Von hinten sei auf das Auto geschossen worden. Es sei aber nichts passiert. Der Vater des BF habe dann die Ausreise des BF organisiert. Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe der BF Angst, dass ihn diese Leute umbringen werden. Der BF habe keine Probleme mit der Polizei in Pakistan gehabt.

2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.09.2012, Az.: 11 08.142-BAW gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen. Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen. Gemäß § 10 Absatz 1 AsylG wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan ausgewiesen.

3. Gegen den Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 18.10.2012 Beschwerde erhoben.

Mit Schriftsatz des Asylgerichtshofes vom 30.10.2012, Zl. E10 430.094-1/2012-2Z wurde der BF darüber verständigt, dass der Asylgerichtshof davon ausgeht, dass die Beschwerde des BF verspätet sei.

Am 13.11.2012 langte ein Antrag des BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand samt Beschwerde beim Bundesasylamt ein.

Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 28.11.2012, Zl. E10 430094-1/2012/6E wurde die Beschwerde des BF gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen.

Mit Bescheid des BAA vom 16.10.2013, Az.: 11 08.142-BAW wurde dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Absatz 1 AVG stattgegeben.

4. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 09.12.2013, Zl. E10 430094-2/2013/5E wurde in Erledigung der Beschwerde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt verwiesen. Begründend wurde zusammengefasst dargelegt, dass der BF aus einer Herkunftsregion stamme, welche unbestrittener Weise eine sehr hohe Berichtsdichte aufweise. Aufgrund des Ursprungsdatums der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Quellen seien diese daher bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides als nicht aktuell anzusehen gewesen.

5. In der Folge fand am 30.07.2015 abermals eine Einvernahme durch einen Organwalter des nunmehr zuständigen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA) statt. Im Rahmen dieser Einvernahme brachte der BF vor, dass er bei dem was er gesagt habe bleibe. Zudem hatte der BF die Möglichkeit zu seiner Integration, seinem Fluchtvorbringen und seiner Rückkehrsituation Stellung zu nehmen.

6. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BFA vom 11.09.2015, Zl. XXXX , gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen. Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57, 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Im Rahmen der Beweiswürdigung erörterte die belangte Behörde, dass den Aussagen des BF in Bezug auf die Fluchtgeschichte keine Glaubhaftigkeit zukomme. Anzuführen sei zu Beginn, dass der BF bis dato weder Beweismittel zum Nachweis der Identität noch zu den Sachverhalten, auf die sich der BF in seinem Asylantrag stütze, beigebracht habe. Das Verhalten des BF in Bezug auf seine Asylantragstellung deute darauf hin, dass es dem BF nie daran gelegen war, ernsthaft ein Asylverfahren zu betreiben, sondern einen ansonsten illegalen Aufenthalt zu legalisieren. Es sei aus der Aktenlage ersichtlich, dass der BF schon bald nach der Asylantragstellung im Bundesgebiet - trotz Hinweis auf die Mitwirkungspflicht - untertauchte, sodass es der Asylbehörde nicht möglich war, ein Asylverfahren zu betreiben. Einem Ladungsbescheid zum Bundesasylamt für den 21.09.2011 sei der BF nicht nachgekommen. Der BF habe die zugestellte Ladung nicht behoben. Der BF sei seiner Meldeverpflichtung trotz Aufforderung nicht nachgekommen. Das Asylverfahren musste eingestellt werden, da der Aufenthaltsort des BF nicht bekannt oder sonst leicht feststellbar war. Erst nachdem dem BF nach erfolgter Festnahme ein Ladungsbescheid ausgefolgt wurde, sei der BF dieser Ladung nachgekommen. Folglich war erst mehr als ein Jahr nach der Einreise eine Feststellung des asylrelevanten Sachverhaltes möglich. Der BF hat es in dieser Zeit unterlassen, Dokumente zum Nachweise der Identität vorzulegen, obwohl dies logistisch möglich gewesen wäre. Der BF hatte nämlich seinen eigenen Angaben zufolge Kontakt mit seiner Familie bzw. befindet sich sein Reisepass und sein Personalausweis zu Hause in Pakistan. Seinen Führerschein habe sich der BF nachschicken lassen. Diesen habe der BF der Asylbehörde jedoch nicht vorgelegt. Dadurch werde die persönliche Glaubwürdigkeit des BF erheblich erschüttert.

Der BF habe widersprüchliche Angaben im Zuge der Befragung vom 27.09.2012 beim Bundesasylamt und der Erstbefragung im Rahmen der Asylantragstellung am 31.07.2011 getätigt. Der BF habe bezüglich seiner Ausreise widersprüchliche Angaben gemacht. Der BF sei befragt worden, wie lange er von Karachi nach Wien unterwegs gewesen wäre. Der BF habe angegeben, er sei zwei bis drei Wochen vor seiner Asylantragstellung (31.07.2011) unterwegs gewesen. Bei der Erstbefragung habe der BF dazu widersprechend ausgeführt, bereits am 02. Juni Karachi verlassen zu haben. Dr BF habe weiters bezüglich seiner Fluchtgründe unterschiedliche Angaben gemacht. Im Rahmen der Erstbefragung habe der BF geschildert, er sei ein Polizeispitzel gegen die Taliban gewesen. Seine Gegner hätten dem BF einen Mord unterstellt und eine diesbezügliche Anzeige gegen ihn erstattet. Der BF sei von März 2010 bis Oktober 2010 in Untersuchungshaft gewesen. Gegen Zahlung einer Kaution sei er auf freien Fuß gesetzt worden. Mitte Mai sei der BF von unbekannten Männern attackiert worden. Es habe sich um vier Männer gehandelt, die maskiert gewesen wären. Die Männer hätten den BF geschlagen, geschimpft und mit dem Umbringen bedroht, falls er weiter als Polizeispitzel arbeiten würde. Der BF hätte sich daraufhin aus seinem "normalen" Leben zurückgezogen und versucht einen Schlepper zu organisieren. Der BF habe bei seiner Befragung am 27.09.2012 vor dem Bundesasylamt Derartiges nicht erzählt. Er habe weder bestritten, dass er wegen Mordes angezeigt worden sei, noch habe er vorgebracht über einen längeren Zeitraum in Haft gewesen zu sein. Der BF habe lediglich angeführt, dass er nach einem Streit wenige Tage (12 Tage) in Polizeigewahrsam gewesen wäre bzw. sei alles gütlich beigelegt worden. Von einer Attacke im Mai habe der BF nichts erwähnt. Der BF führte vielmehr aus, es sei zweimal hinter ihm nachgeschossen worden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Polizei die beiden mutmaßlichen Attentäter bzw. Initiatoren eines geplanten Attentates vor Gericht stellen hätte können, lediglich weil der BF einige vage Wortfetzen aufgeschnappt hätte, als die beiden telefonierte. Die Telefonnummer der Polizei habe der BF nicht angeben können. Dass der BF die Telefonnummer der örtlichen Polizei in seinem Handy gespeichert gehabt hätte, sei wenig realitätsnah. Der BF habe im Übrigen ohnehin nicht behauptet, die Nummer der Polizei in seinem Handy gespeichert gehabt zu haben. Auch in der Einvernahme am 30.07.2015 sei es dem BF nicht möglich gewesen sein Vorbringen glaubhaft darzulegen. Zu Beginn sei der BF über die Nachfrage nach seinen Personaldokumenten erstaunt gewesen und habe bestritten, nichts davon gewusst zu haben, seinen Reisepass, seinen Personalausweis bzw. seinen Führerschein vorlegen zu müssen, obwohl er bereits mehrmals diesbezüglich aufgefordert wurde. In der Einvernahme am 27.09.2012 habe der BF gänzlich zwei andere Namen der Personen angeführt, welche der BF bei einem Telefonat belauscht hätte als in der Einvernahme am 30.07.2015. Am 30.07.2015 habe der BF zudem die terroristische Gruppierung Laskare-e-Taiba nicht erwähnt. Der BF habe erwähnt, immer wieder Anzeigen erstattet zu haben, konnte dies jedoch nicht mit Beweismitteln untermauern. Weiters habe der BF einerseits angegeben, dass die zwei mutmaßlichen Täter zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt worden wären, andererseits habe der BF seine eigene Aussage widerlegt, indem er bei seiner Einvernahme am 30.07.2015 ausführte, dass die zwei Verurteilten bereits nach 1 - 2 Monaten aus der Haft entlassen worden wären. Zusätzlich seien auch die Schilderungen des BF in Bezug auf zwei Angriffe sehr oberflächlich und kurz gehalten. Auch habe der BF keine Details zu den Verfolgern und dem konkreten Fatum der Vorfälle angeben können.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam.

Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57, 55 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des nach § 55 Abs 1 a FPG vorliegen würden.

7. Eine gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.11.2016 - mit Erkenntnis des BVwG vom 31.01.2017, L512 1430094-3/16E als unbegründet abgewiesen. Dies im wesentlichen mit der Begründung der mangelnden Glaubwürdigkeit. Als Alternativbegründung wurde auf das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative hingewiesen. In diesem Erkenntnis wurde begründend dargelegt, warum - als Folge der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens - der vom BF vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum eine Rückkehrentscheidung keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf ein Privat- und Familienleben des BF darstelle.

Diese Entscheidung erwuchs mit Zustellung am 31.01.2017 in Rechtskraft.

8. Die dagegen eingebrachte außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des VWGH vom 06.04.2017, GZ Ra 2017/20/0091-4 zurückgewiesen.

9. Am 27.02.2018 wurde seitens des BFA an die pakistanische Botschaft Wien herangetreten und um Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes/Heimreisezertifikates ersucht. Mit Schreiben vom 18.06.2018 wurde mitgeteilt, dass der BF seitens der pakistanischen Botschaft Wien identifiziert wurde und wurde ein Heimreisezertifikat für seine Rückkehr in den Herkunftsstaat ausgestellt.

10. Am 11.10.2019 brachte der BF, nach Rücküberstellung aus Deutschland gemäß der Dublin III-VO, einen neuerlichen und nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz ein und begründete diesen Antrag im Wesentlichen damit, dass seine alten Asylgründe noch immer aufrecht seien und sich seine Lage verschlechtert habe. Er habe Mitte des Jahres 2018 nach Pakistan zurückkehren wollen und mit seiner Familie Kontakt aufgenommen. Seine Familienangehörigen hätten ihm gesagt, dass er nicht zurückkommen dürfe, da sich die Lage noch verschlechtert habe. Ferner gab der BF an, dass er von Mitte 2018 bis März 2019 in Italien und danach bis 11.10.2019 in Deutschland gewesen seien.

11. Im Rahmen der Einvernahme am 21.10.2019 gab der BF im wesentlichen an, dass seine Fluchtgründe gleich geblieben und noch immer aufrecht seien. Seine Familie habe ihm geraten, nicht zurückzukehren. Sein Vater habe ihm gesagt, dass sein Leben in Gefahr sei und die Familie wegen ihm auch Probleme bekäme, weswegen er nicht zurück in die Heimat könne. Befragt zum Gesundheitszustand gab der BF an, dass er sich nicht in ärztlicher Behandlung befinden würde und auch keine Medikamente benötigen würde.

Zu seiner Integration in Österreich gab der BF an, dass er von Grundversorgung leben würde. Er habe aber auch bis ca. 2018 Zeitungen verteilt. Er habe den Deutschkurs auf dem Niveau A2 bestanden. Den Deutschkurs auf dem Niveau B1 habe er zwar besucht aber nicht bestanden. Die Prüfung habe Anfang 2018 stattgefunden.

Dem BF wurden am 21.10.2019 Verfahrensanordnungen gemäß § 29 Absatz 3 und § 15a AsylG sowie § 52a Absatz 2 BFA-VG ausgefolgt. Mit diesen Verfahrensordnungen wurde dem BF u.a. mitgeteilt, dass sein Asylantrag zurückzuweisen sei und dass beabsichtigt sei, seinen faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben. Ferner, dass ihm vor der Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs eine Rechtsberatung zuteil werde.

Darüber hinaus wurde dem BF am 23.10.2019 die Ladung zur Einvernahme für den 24.10.2019 ausgehändigt und wurde ihm am 21.10.2019, im Anschluss an die Einvernahme, das Länderinformationsblatt zu Pakistan (Gesamtaktualisierung am 16.05.2019, letzte Kurzinformation eingefügt am 09.08.2019) ausgefolgt.

12. Im Rahmen der Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs vor einem Organwalter der belangten Behörde gab der BF in Anwesenheit eines Rechtsberaters am 24.10.2019 an, dass er gesund sei und sich sein Gesundheitszustand seit der Einvernahme am 21.10.2019 nicht verschlechtert habe. Die Angaben der Einvernahme vom 21.10.2019 halte er aufrecht und habe er keine Ergänzungen zu machen. Unterlagen oder Beweismittel habe er keine. Der Beschwerdeführer tätigte widersprüchliche Angaben zur Frage nach dem Verbleib seines pakistanischen Führerscheins sowie auch hinsichtlich seiner Fluchtgründe. Er wolle nicht nach Pakistan zurück und würde in ein anderes Land reisen, bspw. nach Deutschland. Neue Gründe wurden nicht vorgebracht.

Der Rechtsberater machte von seinem Fragerecht keinen Gebrauch.

13. Im Rahmen der am 24.10.2019 durchgeführten Einvernahme wurde mit mündlich verkündeten Bescheid in Bezug auf den BF der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF gemäß § 12a Absatz 2 AsylG aufgehoben.

Im Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, vom 24.10.2019, Zl. XXXX , wurde der bisherige Verfahrensgang in Bezug auf den ersten Asylantrag, den Wiedereinsetzungsantrag sowie den nunmehr zweiten Antrag auf internationalen Schutz des BF dargelegt. Es wurden Feststellungen zur Person des BF, seinen Angaben im Rahmen der Asylverfahren, zur Gefährdungssituation bei einer Abschiebung, zu seinem Privat- und Familienleben sowie zur Lage in Pakistan getätigt. Ausführungen wurden ebenso getroffen, warum die belangte Behörde davon ausgehe, dass der nunmehrige Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein werde. Der Beschwerdeführer habe nämlich kein neues Fluchtvorbringen erstattet. Darüber hinaus traf die belangte Behörde Feststellungen zur familiären und privaten Situation des BF, es habe sich keine Änderung verglichen mit den vorangehenden Verfahren ergeben.

14. Der Verwaltungsakt des BFA langten am 28.10.2019 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein, wovon das BFA am selben Tag verständigt wurde.

15. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Der BF stellte nach illegaler Einreise erstmals am 31.07.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.09.2012, Az.: 11 08.142-BAW gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen. Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen. Gemäß § 10 Absatz 1 AsylG wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan ausgewiesen.

Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 28.11.2012, Zl. E10 430094-1/2012/6E gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen.

Einem in der Folge gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde mit Bescheid des BAA vom 16.10.2013, gemäß § 71 Absatz 1 AVG stattgegeben.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 09.12.2013, Zl. E10 430094-2/2013/5E wurde der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 29.09.2012 zunächst stattgegeben und wurde der Bescheid gemäß § 66 Abs 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Der erste Antrag auf internationalen Schutz vom 31.07.2011 wurde sodann neuerlich mit Bescheid des BFA vom 11.09.2015, Zl. XXXX , gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen. Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57, 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Diese erstinstanzliche Entscheidung wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 31.01.2017, L512 1430094-3/16E als unbegründet abgewiesen. Dies im wesentlichen mit der Begründung der mangelnden Glaubwürdigkeit. Als Alternativbegründung wurde auf das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative hingewiesen. In diesem Erkenntnis wurde begründend dargelegt, warum - als Folge der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens - der vom BF vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum eine Rückkehrentscheidung keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf ein Privat- und Familienleben des BF darstelle.

Diese Entscheidung erwuchs mit Zustellung am 31.01.2017 in Rechtskraft.

Eine dagegen eingebrachte außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des VWGH vom 06.04.2017, GZ Ra 2017/20/0091-4 zurückgewiesen.

Am 27.02.2018 wurde seitens des BFA an die pakistanische Botschaft Wien herangetreten und um Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes/Heimreisezertifikates ersucht. Mit Schreiben vom 18.06.2018 wurde mitgeteilt, dass der BF seitens der pakistanischen Botschaft Wien identifiziert wurde und wurde ein Heimreisezertifikat für seine Rückkehr in den Herkunftsstaat ausgestellt.

Am 11.10.2019 brachte der BF, nach Rücküberstellung aus Deutschland gemäß der Dublin III-VO, einen neuerlichen und nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz ein und begründete diesen Antrag im Wesentlichen damit, dass er nicht nach Pakistan zurückkehren könne, da seine alten Fluchtgründe noch immer aufrecht seien. Neue Fluchtgründe wurden nicht geltend gemacht.

Der BF hat bei seiner Rückkehr nichts zu befürchten. In Bezug auf mögliche Rückkehrhindernisse bzw. auf das Privat- und Familienleben des BF ergaben sich keine entscheidungsrelevanten Änderungen.

Zur Lage im Herkunftsland:

KI vom 9.8.2019: Aufhebung Sonderstatus für Jammu und Kaschmir (Betrifft Abschnitte 2. Politische Lage)

Indien hat am 5.8.2019 den in der Verfassung festgelegten Sonderstatus (ZO 6.8.2019) der mehrheitlich muslimischen Region (FAZ 6.8.2019) des indischen Teils von Kaschmir per Dekret beendet (ZO 6.8.2019). Unmittelbar darauf hat das Parlament in Delhi die Aufhebung jenes Artikels 370 der indischen Verfassung beschlossen (FAZ 7.8.2019), welcher Jammu und Kaschmir einen Sonderstatus einräumt und vorgeschlagen, den Staat in zwei Unionsterritorien, nämlich Jammu und Kaschmir sowie Ladakh aufzuteilen (IT 6.8.2019).

Der Artikel 370 gewährt der Region eine gewisse Autonomie, wie eine eigene Verfassung, eine eigene Flagge und die Freiheit, Gesetze (BBC 6.8.2019) mit Ausnahme zu Belangen der Außen- wie auch der Verteidigungspolitik (DS 7.8.2019) zu erlassen. Dies stellte einen Kompromiss zwischen der zu großen Teilen muslimischen Bevölkerung und der hinduistischen Führung in Neu-Delhi dar (ARTE 7.8.2019).

Neben dem Artikel 370 wurde auch der Artikel 35A aufgehoben, welcher dem lokalen Parlament erlaubte festzulegen, wer Bürger des Teilstaats ist und wer dort Land besitzen und Regierungsämter ausüben kann (NZZ 5.8.2019).

Die auch in Indien umstrittene Aufhebung der Autonomierechte befeuert die Spannungen in der Region. Kritiker befürchten, dass die hindu-nationalistische Ministerpräsident Narendra Modi und seine Regierung eine "Hinduisierung" des Gebiets anstreben (TNYT 6.8.2019).

Damit Unruhen verhindert werden, haben die indischen Behörden sämtliche Kommunikationskanäle unterbrochen, zusätzlich 10.000 Soldaten (SO 4.8.2019) in die hoch militarisierte Region entsendet (ARTE 7.8.2019) und führende Regionalpolitiker wurden unter Hausarrest gestellt (FAZ 7.8.2019), Medienberichten zufolge wurden bei Razzien im Bundesstaat Jammu und Kashmir mittlerweile mehr als 500 Personen festgenommen (HP 8.8.2019).

Pakistan, das ebenfalls Anspruch auf die gesamte Region erhebt (ORF 5.8.2019), verurteilt den Schritt als illegal und richtet durch das pakistanische Militär eine klare Drohung an Indien und kündigt an, den UN-Sicherheitsrat anzurufen (ZO 6.8.2019). Der pakistanische Regierungschef Khan warnt vor den verheerenden Folgen, die eine militärische Auseinandersetzung haben könnte (FAZ 7.8.2019).

Kritik an dem Schritt der indischen Regierung kommt auch aus Peking (FAZ 6.8.2019). Chinas Außenminister Hua Chunying hat den Schritt Indiens zur Abschaffung des Sonderstatus Kaschmirs als "nicht akzeptabel" und "nicht bindend" bezeichnet (SCMP 7.8.2019).

Es gibt vereinzelte Berichte über kleinere Aktionen des Wiederstandes gegen das Vorgehen der Sicherheitskräfte, welche jedoch offiziell nicht bestätigt worden sind (BBC 7.8.2019).

Anmerkung:

Zuletzt drohte die Situation im Februar 2019 zu eskalieren, nachdem bei einem Selbstmordanschlag dutzende Polizisten in der Region und Hindu-Nationalisten die Bewohner Kaschmirs für das Attentat verantwortlich gemacht haben (ARTE 7.8.2019).

Die Krise zwischen Indien und Pakistan spitzte sich daraufhin derart zu, dass es zu gegenseitigen Luftschlägen gekommen war [siehe KI vom 20.2.2019].

Quellen:

- ARTE - (7.8.2019): Kaschmir: Eskaliert der Konflikt zwischen Indien und Pakistan erneut? https://www.arte.tv/de/articles/kaschmir-eskaliert-der-konflikt-zwischen-indien-und-pakistan-erneut, Zugriff 8.8.2019

- BBC - British Broadcasting Corporation (6.8.2019): Article 370: What happened with Kashmir and why it matters, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-49234708, Zugriff 7.8.2019

- BBC - British Broadcasting Corporation (7.8.2019): Article 370: Kashmiris express anger at loss of special status, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-49261322, Zugriff 8.8.2019

- DS - Der Standard (7.8.2019): Kaschmir-Konflikt: Pakistan weist indische Diplomaten aus, https://www.derstandard.at/story/2000107163187/pakistan-weist-indische-diplomaten-aus-toter-bei-protesten-in-srinagar, Zugriff 8.8.2019

- FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (7.8.2019): Warnungen aus Islamabad, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/kaschmir-konflikt-warnungen-aus-islamabad-16321737.html, Zugriff 8.8.2019

- HP - Huffpost (8.8.2019): India Arrests Over 500 In Kashmir As Pakistan Suspends Railway Service, https://www.huffpost.com/entry/india-arrests-over-500-in-kashmir-as-pakistan-suspends-railway-service_n_5d4c19a7e4b09e729742389e?guccounter=1, Zugriff 9.8.2019

- IT - India Today (6.8.2019): Article 370: China says opposed to Ladakh as Union Territory, https://www.indiatoday.in/india/story/china-reaction-jammu-kashmir-article-370-1577915-2019-08-06, Zugriff 7.8.2019

- NZZ - Neue Züricher Zeitung (5.8.2019): Indien hebt den Autonomiestatus Kaschmirs auf und riskiert, die Spannungen in der Region drastisch zu verschärfen, https://www.nzz.ch/international/kaschmir-indien-provoziert-mit-der-aufhebung-des-sonderstatus-ld.1499966, Zugriff 9.8.2019

- ORF - Österreichischer Rundfunk (5.8.2019): Indien streicht Kaschmirs Sonderstatus, https://orf.at/stories/3132670/, Zugriff 5.8.2019

- SCMP - South China Morning Post (7.8.2019): China calls India's move to scrap Kashmir's special status 'not acceptable' and not binding, https://www.scmp.com/news/china/diplomacy/article/3021712/china-calls-indias-move-scrap-kashmirs-special-status-not, Zugriff 7.8.2019

- SO - Spiegel Online (4.8.2019): Pakistan bittet Trump um Vermittlung, https://www.spiegel.de/politik/ausland/kaschmir-nach-terrorwarnung-verlassen-tausende-das-gebiet-a-1280384.html, Zugriff 6.8.2019

- TNYT - The New York Times (6.8.2019): In Kashmir Move, Critics Say, Modi Is Trying to Make India a Hindu Nation, https://www.nytimes.com/2019/08/06/world/asia/jammu-kashmir-india.html, Zugriff 7.8.2019

- ZO - Zeit Online (7.8.2019): Pakistan weist indischen Botschafter aus, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-08/kaschmir-konflikt-pakistan-indischer-botschafter-ausweisung-hasan, Zugriff 8.8.2019

KI vom 28.5.2019: Nord-Wasiristan: drei Tote bei Zusammenstößen zwischen Militär und PTM

Während einer Demonstration der Pashtun Tahafuz Movement (PTM) kam es bei einem Kontrollpunkt in Boya, im Stammesdistrikt (Tribal District) Nord-Wasiristan (Provinz Khyber Pakhtunkhwa) am 26.5.2019 zu einem Schusswechsel (Standard 28.5.2019; vgl. AI 27.5.2019).

Gemäß Angaben des Nachrichtendienstes der pakistanischen Armee (Inter Services Public Relations, ISPR) wurde der Kontrollposten von einer von zwei führenden Mitgliedern der PTM sowie Mitgliedern der Nationalversammlung, Mohsin Dawar und Ali Wazir, angeführten Gruppe angegriffen. Beim darauffolgenden Schusswechsel wurden drei Personen getötet und 15 Personen - darunter fünf Soldaten - verletzt (Dawn 26.5.2019).

PTM-Aktivist Mohsin Dawar bestritt diese Version und beschuldigte die Armee, das Feuer auf die friedliche Kundgebung eröffnet zu haben (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 26.5.2019). Gemäß Angaben der PTM wurden dabei fünf Aktivisten getötet und 45 weitere verletzt (PT 27.5.2019). Der Abgeordnete zur Nationalversammlung Ali Wazir wurde gemeinsam mit einigen anderen Aktivisten der PTM verhaftet. Mohsin Dawar ist hingegen untergetaucht (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 27.5.2019).

Gemäß Angaben von Dawar wollte das Sicherheitspersonal verhindern, dass die Gruppe an einer Demonstration teilnimmt, die gegen mutmaßliche Übergriffe durch das Militär im Zuge einer Suchoperation gerichtet war (VOA 26.5.2019). Besagtem Protest durch die örtliche Bevölkerung, der am 25.5.2019 in Doga Macha Madakhel (Nord Wasiristan) begann, haben sich später Mitglieder der PTM angeschlossen (Dawn 26.5.2019; vgl. PT 27.5.2019). Im Zuge der Suchoperation wurde eine Frau zusammengeschlagen (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 26.5.2019) sowie einige Personen verhaftet (VOA 26.5.2019). Gemäß Angaben der PTM verlief diese Veranstaltung ruhig, bis Dawar und Wazir in der Gegend ankamen, um ebenfalls am Protest teilzunehmen. Nachdem bei dieser Demonstration Unruhen ausgebrochen waren, wurden mindestens 20 Personen verletzt (Dawn 26.5.2019).

In Folge dieser Zwischenfälle wurde in Nord-Wasiristan eine Ausgangssperre verhängt sowie Telefon- und Internetdienste abgeschalten (Dawn 26.5.2019; vgl. VOA 26.5.2019, PT 27.5.2019), weswegen es schwierig ist, Berichte aus dieser Region zu erhalten (VOA 26.5.2019).

Am 26.5.2019 wurde Ali Wazir einem Anti-Terror-Gericht in Bannu vorgeführt. Vom Gericht wurde eine achttägige Untersuchungshaft angeordnet und Wazir muss am 4.6.2019 wieder vor Gericht erscheinen. Er wurde u.A. wegen Terrorismus und Mordes angezeigt (Dawn 27.5.2019)

Die pakistanischen Behörden haben ihr Vorgehen gegen die PTM intensiviert (AI 27.5.2019). Im April 2019 richtete sich Premierminister Imran Khan an das PTM, wobei er die Anliegen der Paschtunen würdigte, jedoch klar machte, dass er Eskalationen nicht gutheiße (Dawn 26.5.2019). Ende April 2019 erhob die Armee Vorwürfe, dass die PTM Finanzierung durch afghanische und indische Geheimdienste erhalte (Dawn 26.5.2019; vgl. VOA 26.5.2019, Dawn 30.4.2019) und warnte die PTM, dass "ihre Zeit vorbei" sei, und dass diese die "roten Linien" nicht überschreiten solle (Dawn 26.5.2019; vgl. Dawn 30.4.2019). Es wurde eine mögliche nicht näher spezifizierte Aktion gegen die PTM angekündigt, wobei der Armeesprecher angab, dass diese Ansage keine "Kriegserklärung" sei und weder illegale Aktionen noch Unannehmlichkeiten für normale Paschtunen geplant seien (Dawn 30.4.2019).

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa. Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir, dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind in Teilen autonom. Das Hauptstadtterritorium Islamabad ("Islamabad Capital Territory") bildet eine eigene Verwaltungseinheit (AA 1.2.2019a).

Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan ca. 207,8 Millionen Einwohner ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit-Baltistan (PBS 2017a), wo zusammengerechnet weitere ca. 5,5 Millionen Menschen leben (AJK PDD 2017 + Khan 2017 S 88-89). Das Land ist der sechst-bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 5.2.2019).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament (Nationalversammlung und Senat). Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt für fünf Jahre gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert (AA 1.2.2019a). Die reservierten Sitze werden von den Parteien gemäß ihrem Stimmenanteil nach Provinzen besetzt, wobei die Parteien eigene Kandidatenlisten für diese Sitze erstellen. (Dawn 2.7.2018).

Bei der Wahl zur Nationalversammlung (Unterhaus) am 25. Juli 2018 gewann erstmals die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI: Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) unter Führung Imran Khans die Mehrheit (AA 1.2.2019a). Es war dies der zweite verfassungsmäßig erfolgte Machtwechsel des Landes in Folge (HRW 17.1.2019). Die PTI konnte durch eine Koalition mit fünf kleineren Parteien sowie der Unterstützung von neun unabhängigen Abgeordneten eine Mehrheit in der Nationalversammlung herstellen (ET 3.8.2018). Imran Khan ist seit Mitte August 2018 Premierminister Pakistans (AA 1.2.2019).

Unabhängige Beobachter berichten von technischen Verbesserungen beim Wahlablauf (USDOS 13.3.2019), jedoch war die Vorwahlzeit geprägt von Einflussnahmen durch Militär und Nachrichtendienste (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019) insbesondere gegen die bisherige Regierungspartei Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N) (FH 1.2019). Die Wahlbeobachtermission der EU schätzte den Wahlverlauf als transparent und gut durchgeführt ein, jedoch erschwerte die Selbstzensur der Berichterstatter das Treffen von qualifizierten Wahlentscheidungen für die Wähler (EUEOM 27.7.2018).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von Parlament und Provinzversammlungen gewählt. Am 9. September 2018 löste Arif Alvi von der Regierungspartei PTI den seit 2013 amtierenden Präsidenten Mamnoon Hussain (PML-N) Staatspräsident regulär ab (AA 1.2.2019a).

Der Fokus der PTI-Koalitionsregierung liegt laut offizieller Darstellung auf dem Kampf gegen Korruption, der Sanierung von Wirtschaft und Finanzen sowie einem besseren Bildungs- und Gesundheitssystem (AA 1.2.2019a). In der Praxis dominiert das Militär wichtige Politikbereiche, insbesondere innere sowie äußere Sicherheit und Beziehungen zu - für Pakistans äußere Sicherheit zentralen - Staaten wie Afghanistan, Indien und USA (AA 21.8.2018; vgl. FH 1.2019). Der pakistanische Geheimdienst ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert und der Generaldirektor des Inter-Services Intelligence (ISI) gilt neben dem Armeechef als mächtigste Person im Land (Globalsecurity.org o.D.).

Sicherheitslage

Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).

Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).

Die Operationen der Rangers in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).

Im aktuellen Konflikt zwischen Indien und Pakistan demonstrierten beide Staaten, die über Nuklearwaffen verfügen, dass sie bereit sind, die Lage weiter eskalieren zu lassen (Dawn 8.4.2019 vgl. BMEIA 27.3.2019). Jedoch wird ein Atomkrieg als äußerst unwahrscheinlich gesehen (DW 28.2.2019).

Im Vorfeld der Parlamentswahlen am 25.7.2018 erlebte Pakistan eine Welle von Gewalt mit größeren Anschlägen in verschiedenen Provinzen, für die militante aufständische Gruppierungen die Verantwortung übernahmen. Der Selbstmordanschlag am 13.7.2018 auf eine politische Versammlung in Mastung, Belutschistan, mit 150 Toten war der Anschlag mit den dritt-meisten Todesopfern, der bis dahin jemals in Pakistan verübt wurde (EASO 10.2018 S 18; vgl. PIPS 7.1.2019 S 43). Am Wahltag waren 370.000 Soldaten und 450.000 Polizisten mit erweiterten Befugnissen im Einsatz, um die Wahllokale zu sichern. Am Wahltag kam es in Belutschistan zu zwei Anschlägen mit Todesopfern auf Wahllokale und es gab regional Zusammenstöße zwischen Anhängern unterschiedlicher Parteien (EUEOM 27.7.2018; vgl. Dawn 26.7.2018) vorwiegend in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 26.7.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-konfessionellen Gruppierungen führten 2018 landesweit 262 terroristische Angriffe durch. Dabei kamen 595 Menschen ums Leben und weitere 1.030 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 371 Zivilisten, 173 Angehörige der Sicherheitskräfte und 51 Aufständische. 136 (52 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, jedoch die höchste Zahl an Opfern (218 Tote und 394 Verletzte) gab es bei insgesamt 24 Terrorangriffen auf politische Persönlichkeiten. Zivilisten waren das Ziel von 47 (18 %) Angriffen, acht waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste bzw. Mitglieder der Friedenskommittees und sieben hatten Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft zum Ziel (PIPS 7.1.2019 S 17f). Im Vergleich zu 2017 gab es im Jahr 2018 29 Prozent weniger terroristische Angriffe, bei denen um 27 Prozent weniger Todesopfer und um 40 Prozent weniger Verletzte zu beklagen waren (PIPS 7.1.2019).

Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihre Splittergruppen, insbesondere Jamaatul Ahrar und Hizbul Ahrar, bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen wie lokale Talibanfraktionen, Lashkar-e-Islam und Islamischer Staat führten 2018 171 terroristische Angriffe mit 449 Toten und 769 Verletzten durch. Nationalistische Gruppierungen, vorwiegend belutschische, führten 80 terroristische Angriffe mit 96 Toten und 216 Verletzten durch. Elf terroristische Angriffe mit 50 Toten und 45 Verletzten waren konfessionell motiviert (PIPS 7.1.2019).

Insgesamt gab es im Jahr 2018 in Pakistan, inklusive der oben genannten terroristischen Anschläge, 497 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2017: 713; -30 %), darunter 31 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2017: 75), 22 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2017: 68), 131 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2017: 171) und 22 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2017: vier) (PIPS 7.1.2019 S 19f; Zahlen für 2017: PIPS 7.1.2018 S 20). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 46 % auf 869 von 1.611 im Jahr 2017, die Zahl der verletzten Personen sank im selben Zeitraum um 31 % von 2.212 auf 1.516 (PIPS 7.1.2019 S 20).

Im Februar 2019 eskalierten die Spannungen zwischen Indien und Pakistan im lang anhaltenden Kaschmir-Konflikt (Time 28.2.2019; vgl. UKFCO 7.3.2019). Der indische Luftangriff vom 26.2., bei dem laut pakistanischen Angaben keine Menschen zu Schaden kamen (Time 28.2.2019) in Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, war seit 1971 der erste Angriff Indiens auf pakistanisches Gebiet außerhalb Kaschmirs (Spiegel 2.3.2019). Am 27.2. wurde ein indisches Kampfflugzeug in pakistanischem Luftraum abgeschossen (Time 28.2.2019). Es kommt zu wiederholten Grenzverletzungen und Militäraktionen zwischen Pakistan und Indien (BMEIA 27.3.2019). Durch Schusswechsel über die Demarkationslinie hinweg werden auf beiden Seiten immer wieder Soldaten und Zivilisten verletzt oder getötet (Standard 2.4.2019; vgl. Presse 2.3.2019, Reuters 3.3.2019).

Nach dem Angriff auf die Militärschule in Peschawar im Dezember 2014 wurde der National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus in Kraft gesetzt. Die 20 Punkte des Plans umfassen Maßnahmen sowohl gegen Terrorismus als auch gegen Extremismus. Gemäß Einschätzung von PIPS wurden in den vier Jahren, die der Plan nun in Kraft ist, zufriedenstellende Fortschritte im Bereich der Terrorismusbekämpfung erzielt. Die Fortschritte im Bereich der Extremismusbekämpfung werden als nicht zufriedenstellend angesehen (PIPS 7.1.2019 S 89ff).

Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die "korrigierende religiöse Bildung", Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten. Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 19.9.2018).

Trotz gesetzlicher Regelungen gegen die Finanzierung von Terrorismus, die internationalen Standards entsprechen, werden Gruppen wie Lashkar-e Tayyiba nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen. Auch gibt es Lücken in der Umsetzung der Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen Al-Qaeda und den Islamischen Staat (USDOS 19.9.2018).

Wichtige Terrorgruppen

Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte der in Pakistan aktiven militanten regierungsfeindlichen Gruppen. Die TTP ist eine Dachorganisation 13 verschiedener - also ungefähr der Hälfte aller pakistanischen - Talibanfraktionen. Die Hochburgen der TTP in den ehem. FATA wurden durch militärische Operationen beseitigt, jedoch hält die TTP nach wie vor Rückzugsgebiete in Ostafghanistan. Analysten meinen, dass die TTP sich Mitte 2018 unter neuer Führung in Süd-Wasiristan vereinen konnte und wieder schlagkräftiger würde (EASO 10.2018 S 24f). PIPS hingegen gibt an, dass TTP verzweifelt darum kämpfe, ihr Netzwerk zu erhalten, innere Streitereien zu überwinden und die Finanzierung sicherzustellen (PIPS 7.1.2019 S 74).

Gemäß PIPS war die TTP im Jahr 2018 für 79 Terroranschläge mit 185 Toten verantwortlich. 57 dieser Anschläge wurden in Khyber Pakhtunkhwa, wo die Gruppe für den größten Teil aller Anschläge verantwortlich war, und 18 in Belutschistan durchgeführt (PIPS 7.1.2019 S 74f). Im Vorfeld der Parlamentswahlen 2018 hat die TTP die Verantwortung für mehrere Anschläge übernommen (EASO 10.2018 S 26).

Kleinere militante Organisationen, die in Khyber Pakhtunkhwa - insbesondere in den ehem. Stammesgebieten - aktiv sind, werden als Lokale Taliban bezeichnet. Diese Gruppen führten 2018 28 terroristische Anschläge mit elf Todesopfern durch. Die meisten dieser Vorfälle sind religiös motiviert und zielen auf Mädchenschulen, NGOs, Sicherheitskräfte oder Stammesälteste ab. Eine Talibangruppe unter Mullah Nazir ist in Nord-Wasiristan aktiv. Sie wurde einst als "gute Taliban" bezeichnet und nennt sich heute Friedenskommittee. Sie bedroht Mitglieder des Pakhtun Tahaffuz Movement. (PIPS 7.1.2019 S 74f).

Jamaatul Ahrar (JuA) ist eine Fraktion der TTP, operiert aber mit einer gewissen Eigenständigkeit aus der Provinz Nangarhar in Afghanistan heraus. Ziele der Gruppe sind Mitglieder der Sicherheitskräfte, Regierungsgebäude, Politiker, Minderheiten und Rechtsanwälte. Die Hizbul Ahrar (HuA) spaltete sich 2017 von der JuA ab (EASO 10.2018 S 26f). Gemäß PIPS waren im Jahr 2018 JuA für 15 terroristische Anschläge (2017: 37) mit elf Toten, alle in Khyber Pakhtunkhwa, sowie HuA für sechs Anschläge in vier verschiedenen Provinzen verantwortlich (PIPS 7.1.2019 S 74).

Der Islamische Staat in der Provinz Khorasan (IS / ISKP / Daesh) ist seit 2015 in Pakistan aktiv. Der IS konnte seinen Einfluss durch taktische Bündnisse mit ähnlich ausgerichteten örtlichen Gruppen vergrößern. IS hat lokale Zweigstellen und Rekrutierungsnetzwerke in einigen Großstädten wie Peschawar oder Karatschi (EASO 10.2018 S 29f). Der IS war 2018 für zwei große Anschläge im Zusammenhang mit den Wahlen in Belutschistan verantwortlich und war vermehrt in konfessionelle Gewalt involviert. Im Jahr 2018 wurden bei insgesamt fünf Anschlägen durch den IS 224 Menschen getötet. Der IS ist insbesondere in Belutschistan präsent, wo er 2018 vier große terroristische Anschläge durchführte; ein weiterer Anschlag geschah in Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019 S 76f).

Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist eine Deobandi-Terroristengruppe. Die Gewalt von LeJ richtet sich größtenteils gegen Schiiten; die Organisation vertritt auch radikale Standpunkte gegenüber Christen, Ahmadis und sufistischen Muslimen (EASO 10.2018 S 32). Im Jahr 2018 war LeJ für sieben terroristische Angriffe, darunter sechs in Belutschistan und einem in Khyber Pakhtunkhwa, mit insgesamt neun Toten, verantwortlich (PIPS 7.1.2019 S 78). Im Jahr 2017 war die LeJ mit ihren Splittergruppen, darunter die Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami, insgesamt für 18 Anschläge mit 132 Toten verantwortlich. 90 % davon betrafen die erste Jahreshälfte. Die verminderte Aktivität im zweiten Halbjahr ist durch die Zerschlagung ihrer Hauptnetzwerke zu erklären (PIPS 7.1.2018 S 87).

Die Schlagkraft der belutschischen nationalistischen Gruppen ist trotz einer verminderten Zahl an durchgeführten Anschlägen intakt. Die Balochistan Liberation Army (BLA) und die Baloch Liberation Front (BLF) führten 2018 addiert 45 terroristische Anschläge in Belutschistan und zwei in Karatschi durch. 2018 wurden erstmals zwei Selbstmordangriffe durchgeführt. Diese Taktik wird normalerweise von religiösen Gruppierungen verwendet, hingegen sind die belutschischen Gruppierungen nationalistisch und politisch links einzuordnen (PIPS 7.1.2019).

Punjab und Islamabad

Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).

Die Sicherheitslage in Islamabad ist besser als in anderen Regionen (EASO 10.2018 S 93). Die Sicherheitslage im Punjab gilt als gut (SAV 29.6.2018). Mehrere militante Gruppierungen, die in der Lage sind, Anschläge auszuüben, sind im Punjab aktiv (EASO 10.2018 S 63-64; vgl. SAV 29.6.2018). In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan (TTP), Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017); beispielsweise wurden bei einem Bombenanschlag durch die TTP-Splittergruppe Hizbul-Ahrar auf Polizeieinheiten vor einem Sufi-Schrein in Lahore am 8.5.2019 zehn Personen getötet. (Guardian 8.5.2019; vgl. Reuters 8.5.2019). Der Südpunjab gilt als die Region, in der die militanten Netzwerke und Extremisten am stärksten präsent sind (EASO 10.2018 S 63-64).

Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwei Toten (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Im Jahr 2018 wurde von PIPS im Hauptstadtterritorium kein terroristischer Angriff gemeldet. Im Punjab gab es vier terroristische Anschläge mit 20 Todesopfern. Zwei davon waren Selbstmordsprengangriffe durch die pakistanischen Taliban (PIPS 7.1.2019 S 49). Im Jahr 2017 kamen im Punjab bei 14 Anschlägen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Das Hauptstadtterritorium verzeichnete drei Anschläge mit zwei Todesopfern (PIPS 7.1.2018).

Kaschmir: Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir

Pakistan kontrolliert die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir, dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind in Teilen autonom (AA 1.2.2019a). Die Volkszählung 2017 ergab für Azad Jammu & Kashmir 4,045 Millionen (Nation 27.8.2018; vgl. AJK PDD 2017) und für Gilgit-Baltistan 1,484 Millionen Menschen (Khan 2017 S 88-89). Die Bevölkerungszahlen der beiden Gebiete wurden bei den Ergebnissen des Zensus von der pakistanischen Statistikbehörde wegen dem besonderen Status der beiden Gebiete nicht zur Gesamtbevölkerung Pakistans hinzugezählt (PBS 2017a).

Kaschmir steht seit der Unabhängigkeit von Indien und Pakistan im Jahr 1947 im Mittelpunkt des bilateralen Konflikts zwischen beiden Staaten (bpb 20.11.2017). Es kommt zu wiederholten Grenzverletzungen und Militäraktionen zwischen Pakistan und Indien (BMEIA 27.3.2019) und die Situation wurde 2017 und 2018 jeweils volatiler (PIPS 7.1.2019 S 62; vgl. EASO 10.2018 S 94). Durch Gewehrschüsse und Granatenangriffe über die Demarkationslinie hinweg werden auf beiden Seiten immer wieder Soldaten und Zivilisten verletzt oder getötet (Standard 2.4.2019; vgl. Presse 2.3.2019, Reuters 3.3.2019).

Gemäß offiziellen Angaben wurden durch grenzüberschreitenden Beschuss im Jahr 2017 auf pakistanisch verwalteter Seite 46 Zivilisten getötet und 262 verletzt (FH 1.2018b). PIPS gibt an, dass im Jahr 2018 bei 109 grenzüberschreitenden Angriffen zwischen Indien und Pakistan auf pakistanischer Seite insgesamt 64 Menschen ums Leben kamen, wobei 76 dieser Angriffe entlang der Line of Control stattfanden und die übrigen entlang der regulären Staatsgrenze (PIPS 7.1.2019 S 71). Im ersten Quartal 2019 kam es zu insgesamt 31 grenzüberschreitenden Vorfällen mit Indien an der Line of Control mit insgesamt 19 Todesopfern (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019).

Im Februar 2019 eskalierten die Spannungen zwischen Indien und Pakistan im lang anhaltenden Kaschmir-Konflikt. Nachdem am 14.2. die pakistanische Gruppierung Jaish-e-Mohammed einen Angriff im indisch kontrollierten Teil Kaschmirs mit 40 Toten durchgeführt hatte, flog am 26.2. Indien einen Luftangriff auf ein mutmaßliches Terrorcamp (Time 28.2.2019) in Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Erstmals seit 1971 kam es zu einem indischen Luftangriff auf pakistanisches Gebiet außerhalb Kaschmirs (Spiegel 2.3.2019). Die pakistanischen Streitkräfte haben am 27.2.2019 zwei indische Kampfflugzeuge im Distrikt Bhimber nahe der Line of Control abgeschossen und einen Piloten verhaftet (PIPS 7.3.2019; vgl. Standard 27.2.2019); er wurde den indischen Behörden am 1.3.2019 am Grenzübergang Wagah übergeben. Der pakistanische Ministerpräsident Imran Khan bezeichnete die Freilassung als eine "Geste des Friedens" (Zeit 1.3.2019). Das österreichische Außenministerium gibt an, dass eine weitere Eskalation nicht ausgeschlossen werden kann (BMEIA 27.3.2019).

Extremistische Gruppen, vorwiegend für Anschläge im indisch verwalteten Jammu und Kaschmir verantwortlich, operieren von Azad Jammu und Kaschmir und Gilgit-Balitstan aus (FH 1.2018b; vgl. bpb 17.11.2017, Mishra 2018, EASO 10.2018 S 94-95). Pakistan gestattet den Gruppen Stützpunkte in diesem Gebiet (EASO 10.2018 S 95).

Der Anteil der sunnitischen Bevölkerung in Gilgit Baltistan hat signifikant zugenommen seit die Einwanderung aus anderen Teilen Pakistans nicht mehr gesetzlich untersagt ist. Es gibt den Vorwurf, dass ein demographischer Wandel in der mehrheitlich schiitischen Region von staatlichen Stellen gefördert wird (FH 1.2018b). Es kommt vermehrt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten; die konfessionellen Spannungen sind in der Stadt Gilgit am stärksten (Mishra 2018).

Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in Gilgit Baltistan sowie Azad Jammu & Kashmir keine terroristischen Angriffe (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Im Jahr 2018 kam es in Azad-Jammu & Kashmir zu einem terroristischen Anschlag mit einem Todesopfer im Distrikt Bhimber. In Gilgit-Baltistan kam es zu fünf terroristischen Anschlägen mit fünf Todesopfern, die alle im August 2018 stattfanden. Im Distrikt Diamir wurden am 3. und 4. August insgesamt 14 Mädchenschulen niedergebrannt, wobei keine Personen zu Schaden kamen. Die anderen Angriffe zielten auf Sicherheitskräfte und einen Richter. Es bekannte sich keine Gruppe zu den Angriffen, doch lokale Quellen gaben an, dass die Tehreek-e-Taliban Pakistan oder ähnliche Gruppen lokale Initiativen zur Förderung des Tourismus in der Region stören wollten (PIPS 7.1.2019 S 49-51). Im Jahr 2017 wurden drei terroristische Angriffe, darunter ein religiös-konfessionell motivierter, aus Azad Jammu & Kashmir gemeldet. Sie fanden alle in der Hauptstadt Muzaffarabad statt und forderten ein Todesopfer. Aus Gilgit-Baltistan wurde kein terroristischer Angriff berichtet (PIPS 7.1.2018).

Sicherheitsbehörden

Die Sicherheitsbehörden Pakistans bestehen aus der Polizei, die dem Innenministerium untersteht (AA 21.8.2018), dem Heer, das dem Verteidigungsministerium untersteht (MoD o.D.), militärische Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen (EASO 10.2018) sowie den Geheimdiensten (AA 21.8.2018).

Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt (AA 21.8.2018). Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist dem Innenministerium unterstellt. Sie ist zuständig für die Bereiche Einwanderung, organisierte Kriminalität, Interpol und verfügt über eine Abteilung zur Terrorismusbekämpfung (Counter Terrorism Wing - CTWI) (AA 21.8.2018).

Im Wesentlichen ist die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung Aufgabe der Provinzen, die über eigene Polizeieinheiten verfügen (Noureen/Sarfraz 2016; vgl. AA 21.8.2018). Gegenüber den Provinzbehörden ist die FIA nicht weisungsbefugt (AA 21.8.2018). Die lokalen Einheiten der Provinzpolizei unterstehen dem District Nazim [~Bezirkshauptmann] (Noureen/Sarfraz 2016)

Pakistan verfügt über einen Auslands-/Inlandsnachrichtendienst (Directorate for Inter-Service Intelligence, ISI), einen Inlandsnachrichtendienst (Intelligence Bureau, IB) sowie einen militärischen Nachrichtendienst (Military Intelligence, MI). Das IB untersteht dem Innenministerium und ist für Diplomatenschutz, Abwehr terroristischer Bedrohungen im Inland sowie Ermittlungen bei Kapitalverbrechen zuständig. Der ISI wird vom Militär dominiert. Seine Aufgabe, die nationalen Interessen Pakistans zu schützen, ermöglicht ihm ein Tätigwerden in den unterschiedlichsten Bereichen. De jure untersteht der ISI dem Verteidigungsministerium, de facto jedoch dem jeweiligen Armeechef (Chief of Army Staff). Eine effektive zivile Kontrolle über die militärischen Geheimdienste gibt es nicht (AA 21.8.2018). Der pakistanische Geheimdienst ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert und der Generaldirektor des ISI gilt neben dem Armeechef als mächtigste Person im Land (Globalsecurity.org o.D.).

Frontier Corps (FC) und Rangers sind militärische Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen. FC sind in Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan und die Rangers in Punjab und Sindh stationiert. Sie unterstützen die örtlichen Strafverfolgungsbehörden u.a. bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung und der Grenzsicherung. Der Ausschuss der Vereinten Nationen gegen die Folter (UNCAT) ist der Ansicht, dass die FC an außergerichtlichen Tötungen und dem Verschwinden von Menschen beteiligt ist. Im April 2018 hat die Regierung in Sindh beschlossen, "die besonderen Befugnisse zur Polizeiarbeit" für die Rangers in Sindh auszuweiten und ihren Einsatz und ihr Mandat zur Durchführung von "Operationen gegen militante Flügel, Erpresser, Auftragsmörder und aufständische Kämpfer" in Karatschi zu verlängern (EASO 10.2018).

In Khyber Pakhtunkwa und den [ehem.] FATA setzen die pakistanische Armee und die Polizei mitunter illegale Milizen, sogenannte "Lashkars", zur informellen Strafverfolgung ein. Berichten zufolge wenden sie willkürlich Gewalt an, zerstören Häuser, die mutmaßlichen Taliban und ihren Familien gehören, nehmen willkürliche Verhaftungen vor und führen rechtswidrige Tötungen durch. Die Regierung der Provinz Khyber Pakhtunkhwa hat beschlossen, ihre Finanzierung einzustellen. Dem NAP zufolge werden die Lashkars aufgelöst (EASO 10.2018). Nach der Integration der FATA in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa im Mai 2018 wurde die Provinzpolizei auch in den ehem. FATA tätig, jedoch muss erst neues Personal aufgenommen und ausgebildet werden, um die ehem. FATA komplett abzudecken (USDOS 13.3.2019).

Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte variiert von Bezirk zu Bezirk und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 13.3.2019). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen. Zum geringen Ansehen der Polizei tragen die extrem hohe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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