TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/4 L504 2216653-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.2019
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Entscheidungsdatum

04.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L504 2216653-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX .1995 geb., StA. staatenlos, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.03.2019, Zl. 1207554208-180912632, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 57, 10 AsylG 2005, §§ 52 Abs 2 Z 2 u. Abs 9, 46, 55 FPG idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 25.09.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es handelt sich dabei um einen Mann, welcher seinen Angaben nach staatenloser Palästinenser aus dem Gaza ist.

In der von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung gab die bP zu ihrer Ausreisemotivation Folgendes an:

"Die Lage in Gaza ist sehr schlecht. Wie ich auf der Uni war, hatte ich immer Probleme mit der Hamas, weil ich ein Gegner bin. Am Todestag im November 2017 von Jasir ARAFAT (Gedenktag) bin ich mit den Leuten mitgegangen. Die Hamas kamen und haben den Gedenktag mit Gewalt aufgelöst. Ich wurde festgenommen sowie andere. Einen ganzen Tag wurde ich befragt und auch geschlagen. Vor ca. 10 Monaten wurde ich von den Leuten der Hamas mit dem Umbringen bedroht, wenn ich mich nicht ändere und mich nicht der Hamas anschließe. Ich war auch einmal vor der Uni und einmal während der Zeit der Uni eingesperrt. Man wird dauernd von Leuten der Hamas beobachtet und bedroht. Aus diesen Gründen, und dass ich nicht sicher zuhause leben kann, habe ich dann die Heimat verlassen. Ich will in einem demokratischen Land leben."

In der nachfolgenden Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachte die bP zu ihrer ausreisekausalen Problemlage im Herkunftsstaat und allfälligen Problemen die sie im Falle der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat erwarte, im Wesentlichen vor:

"[...]

Fragen zu Ihrer Person

LA: Verfügen Sie über weitere Dokumente, die Sie vorlegen können?

VP: Ich habe alles was ich dabei hatte bei der Erstbefragung abgegeben. Ich habe noch mein Uni-Zeugnis dabei.

Anm: Vorgelegte Dokumente werden im Anhang gesammelt angeführt.

LA: Nennen Sie Ihren vollständigen Namen, Ihr Geburtsdatum und Ihren Geburtsort und Ihre Staatszugehörigkeit!

VP: XXXX , geb. am XXXX .1995 in Gaza/Palästina.

LA: Wo haben Sie im Heimatland zuletzt gelebt? Nennen Sie die Adresse?

VP: In Gaza, XXXX . Gegenüber von einer Bäckerei. Ich habe die Website für die Bäckerei gemacht und dort gearbeitet.

LA: Wie lange haben Sie an der genannten Adresse gelebt?

VP: Mein ganzes Leben.

LA: Wie würden Sie einen Bekannten den Sie zu Besuch einladen, den Weg zu Ihrer genannten Adresse beschreiben?

VP: Man muss nach Shifa (Spital) fahren und dann die XXXX . finden. Ecke XXXX Str.

LA: Im Zentrum von Ramallah gibt es einen Kreisverkehr. Wie heißt dieser Kreisverkehr und was ist bei diesem Kreisverkehr zu sehen?

VP: Das weiß ich nicht. Ich war die ganze Zeit in Gaza, ich durfte Gaza nicht verlassen.

LA: Welche Flüchtlingscamps in Gaza kennen Sie?

VP: Bureij Camp, Maghazi, Shatei (Beach) Camp. Die kenne ich.

LA: Gibt es einen Zoo in Gaza oder der Westbank?

VP: Ja, aber wie der heißt weiß ich nicht. Es gibt einen Vergnügungspark, der heißt Sendibad und in der Nähe davon gibt es einen Zoo. Es gibt auch einen anderen Vergnügungspark, der heißt Madinat Asdaa und da gibt es auch einen Zoo. Der ist auch in Gaza (Provinz).

LA: Welche Sehenswürdigkeiten kennen Sie in Gaza?

VP: Minas Hafen, das liegt an der Küste. Die Touristen gehen dorthin. Es gibt auch 2 bekannte Hotels namens Blue Beach/Almashtal.

LA: Wer ist der Bürgermeister von Gaza-Stadt?

VP: Kenne ich nicht.

Fragen zu Ihren Lebensumständen

LA: Welcher Volksgruppe und welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an?

VP: Ich bin Palästinenser und Moslem (Sunnit).

LA: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

VP: Gut.

LA: Sind Sie in ärztlicher Behandlung, nehmen Sie irgendwelche Medikamente?

VP: Nein.

LA: Welche Schulausbildung haben Sie absolviert?

VP: 12 Jahre Schule mit Matura abgeschlossen und einen Studium der Informatik abgeschlossen (MIS. Management Informationssystem).

LA: Welchen Beruf haben Sie erlernt bzw. ausgeübt?

VP: Ich habe als Bäcker gearbeitet. Ich habe mit 12 Jahren begonnen zu arbeiten.

LA: Womit haben Sie in Ihrem Heimatland bisher Ihren Lebensunterhalt bestritten?

VP: Von meiner Arbeit.

LA: Haben Sie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland?

VP: Die Wohnung in der meine Eltern wohnen gehört ihnen.

LA: Wie würden Sie Ihre wirtschaftliche/ finanzielle Situation zuletzt (vor der Flucht) im Heimatland gemessen am landesüblichen Durchschnitt bezeichnen (zB. gut/mittel/schlecht)?

VP: Mittel.

LA: Sind Sie je von einer gerichtlichen Untersuchung oder einem Gerichtsverfahren oder eine (einstweiligen) gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen gewesen?

VP: Nein.

LA: Haben Sie im Herkunftsland, oder hier Strafrechtsdelikte begangen?

VP: Nein.

LA: Besteht ein offizieller Haftbefehl gegen Sie im Heimatland?

VP: Für mich ist das nicht nach dem Gesetz. Ich wurde mehrmals, nachdem ich an Demonstrationen teilgenommen habe, festgenommen. Offiziell, wir haben keinen Staat. Hamas ist für mich keine Regierung, es ist eine Gruppierung.

LA: Sind Sie vorbestraft?

VP: Nein.

LA: Waren Sie in Ihrem Heimatland politisch tätig oder gehören Sie einer politischen Partei an?

VP: Ich habe an Märschen an Gedenken an Arafat teilgenommen und für die Hamas ist das politisch. In einer Partei war ich nicht. Ich war noch jung.

LA: Waren Familienmitglieder von Ihnen politisch tätig?

VP: Ich habe Familienmitglieder die bei der Fatah angestellt sind.

LA: Was ist deren Tätigkeit bei der Fatah?

VP: Ein Onkel und ein Cousin meines Vaters arbeiten bei der Behörde bzw. der Fatah. Was der Onkel gemacht hat, weiß ich nicht; er ist im Moment wegen Problemen mit der Arbeit in Ägypten; der Cousin arbeitet für die Polizeidirektion.

LA: Gehörten Sie jemals einer bewaffneten Gruppierung an?

VP: Nein.

LA: Hatten Sie persönlich sonstige Probleme mit den Behörden (oder staatsähnlichen Institutionen) Ihres Heimatlandes?

VP: Wie ich erwähnt habe, ist die Hamas keine Regierung, ich hatte nur mit der Hamas Probleme.

LA: Hatten Familienmitglieder jemals Probleme mit den Behörden bzw. der Hamas (oder staatsähnlichen Institutionen) Ihres Heimatlandes?

VP: Der Onkel meines Vaters ist wegen den Problemen mit der Hamas nach Ägypten geflüchtet.

LA: Welche Probleme hatte ihr Onkel?

VP: Das weiß ich nicht genau. Als die Hamas in Gaza 2007 an die Macht gekommen ist, hat die Hamas viele Personen, welche bei der Behörde in Gaza-Stadt arbeiteten, befragt, festgenommen und dergleichen. Sie haben auch Menschen ermordet und Gaza mit Gewalt übernommen.

Fragen zu Ihren Familienangehörigen

LA: Welchen Familienstand haben Sie?

VP: Ledig.

LA: Haben Sie Kinder? Wenn ja, wie viele?

VP: Nein.

LA: Wie lauten die Namen und Geburtsdaten Ihrer Eltern?

VP: Vater: XXXX , ca. 51 Jahre alt ; Mutter: XXXX ca. 43 Jahre alt.

LA: Haben Sie Geschwister?

VP: Ja, 1 Bruder: XXXX , ca. 10 Jahre alt und 3 Schwestern: XXXX ca. 1994 geboren, XXXX , ca. 18 Jahre alt und XXXX , ca. 11 Jahre alt. Sie wohnen alle bei den Eltern.

LA: Haben Sie Halbgeschwister?

VP: Nein.

LA: Wovon bestreiten Ihre Angehörigen bzw. Eltern den Lebensunterhalt?

VP: Mein Vater arbeitet momentan nicht, vorher war er Koch. Die Mutter ist Hausfrau. Ich habe auch meine Eltern unterstützt.

LA: Wie war/ist das Verhältnis zu Ihren Angehörigen?

VP: Sehr gut, keine Probleme.

LA: Hat Ihre Familie sonstige Besitztümer in Ihrem Heimatland?

VP: Nein.

LA: Wie gestaltet sich der Kontakt zu Ihrer Familie? Kommunizieren Sie auch über soziale Netzwerke und neue Medien?

VP: Über Internet und WhatsApp. Die ältere Schwester hat geheiratet und wohnt woanders.

LA: Wann hatten Sie zuletzt mit jemand aus Ihrem Herkunftsland Kontakt?

VP: Gestern mit meiner Mutter.

Fragen zum Fluchtweg

LA: Waren Sie nach Ihrer Flucht aus Ihrem Heimatland jemals wieder auf palästinensischen Gebiet?

VP: Nein. Ich bin von Gaza über die Grenze Rafah mit dem Bus nach Ägypten. Von Ägypten bin ich nach Serbien geflogen. Von Serbien nach Österreich auch geflogen.

LA: Wer organisierte Ihre Flucht?

VP: Ich hatte Probleme mit der Hamas, deshalb musste ich das Land verlassen. Mein Vater hat meinen Onkel in VAE kontaktiert. Mein Onkel ist in Ägypten sehr gut vernetzt, er hat das an der Grenze (Rafah) geregelt, sodass ich problemlos ausreisen konnte. Sogar an der Grenze in Gaza wurde ich von der Hamas befragt, die Befragung dauerte 1 Stunde, sie fragten mich wohin ich möchte und wie ich die Erlaubnis bekam, in Ägypten einreisen zu dürfen.

LA: Wann hatten Sie beschlossen zu flüchten?

VP: Ca. 2015.

LA: Hatten Sie in einem anderen Land schon einmal einen Asylantrag gestellt?

VP: Nein. Als ich in Gaza war, war die einzige Möglichkeit nach Serbien zu fliegen.

LA: Warum haben Sie nicht in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt? Sie waren ja bereits in Serbien sicher!

VP: Ich hatte keine Ahnung. Ich hatte nicht vor einen Antrag zu stellen, aber in Serbien ist mit mir etwas passiert, dass ich nicht dort bleiben wollte.

LA: Was ist Ihnen in Serbien passiert?

VP: In Serbien hatte ich am Anfang ein Besuchervisum für 25 Tage. Dort gibt es einen Bekannten meines Vaters, der mir versprochen hat ein Arbeitsvisum zu organisieren um dort arbeiten und leben zu können. Er hat mich aber angelogen, hat mir das Geld abgenommen und nachdem ich mein Besuchervisum verlängert habe, hat er mein Rückticket gebucht und sagte mir, ich muss Serbien verlassen. Als ich in Österreich gelandet bin, war es ein Zufall, dass 2 Polizisten und 3 Frontex Beamte die mich beraten haben und dann habe ich den Asylantrag in Österreich gestellt.

Fragen zur Flucht

LA: Aus welchem Grund haben Sie nunmehr Ihre Heimatregion Gaza verlassen? Schildern Sie Ihre Fluchtgründe. Versuchen Sie chronologisch vorzugehen, schildern Sie es so, dass es auch unbeteiligte Personen nachvollziehen können.

VP: Nachdem 2007 die Hamas in Gaza an die Macht gekommen ist, gab es genau am 11.Nov. 2007 einen Gedenkmarsch Yasser Arafats. Ich war damals 12 Jahre alt und ich war dabei, wie viele andere auch. Auf einmal kamen militärische Fahrzeuge und sie haben uns belagert. Sie haben dann auf die Leute geschossen und viele wurden ermordet und andere wurden festgenommen. Ich war einer der Personen, welche festgenommen wurden. Das war am Nachmittag und später in der Nacht wurde ich entlassen. Das hat mich beeinflusst, es ging mir psychisch nicht mehr gut.

Das zweite Mal war, als ich ca. 17 Jahre alt war. Ich war in der Bäckerei und habe gearbeitet, dann habe ich gesehen, dass auf der Straße ein Polizist der Hamas einen Taxifahrer nicht gut behandelte. Ich wollte das als Video aufnehmen und auf einmal standen 2 Personen in Zivilkleidung neben mir und sie fragten mich was ich tue. Es gefiel ihnen nicht, dass ich ein Video machte und sie forderten mich auf mitzukommen. Wir gingen ca. 50 Meter entfernt von der Bäckerei, dort stand ein Toyata Pick-Up und wir sind dann zu einer Polizeistation gefahren. Dort wurde ich befragt, übel beschimpft und geschlagen. Die Person hat meinen Namen im System eingetragen und mich als Person vorgemerkt. Ich blieb einen Tag bei der Wache.

2017 gab es wieder einen Gedenkmarsch. Die Hamas behauptete, dass Sie den Marsch beschützten werden, deshalb entschied ich mich mit Kollegen aus der Uni mitzumachen. Der Marsch war woanders als die Uni, deswegen mussten wir dorthin fahren. Wir hatten Fotos und Palästinenser-Schals getragen. Am Weg gab es einen Kontrollposten (in der Nähe der Universität-Palästina-Universität) und wir wurden angehalten und sie haben uns mitgenommen, ohne uns zu erklären, was wir gemacht haben. In einer Polizeistation wurden wir getrennt befragt und ich wurde noch mehr beschimpft und geschlagen als das letzte Mal. Sie wollten mich einschüchtern, aber gleichzeitig wollten sie, dass ich die Hamas unterstütze. Die Hamas versucht Studenten und Akademiker für ihre Seite, jedoch mit Gewalt zu gewinnen. Ich wurde nach ein paar Stunden wieder entlassen, aber war für mich klar, dass ich nach dem Abschluss meines Studiums deshalb unbedingt Gaza verlassen muss. 2 Wochen später bekam ich einen Anruf von einer unbekannten Nummer, die Person am Telefon hat mich bedroht, mir die Beine abzutrennen, mich zu vernichten oder zu entführen. Ich habe von ihm nicht verstanden, warum er das meinte. Er meinte nur, ich wäre ihr Gegner. Danach habe ich natürlich viel Angst um mein Leben gehabt. Ich versuchte mich nicht so frei zu bewegen, bis ich mein Studium abgeschlossen habe und begann, meine Ausreise zu organisieren. Ich bin gegen die Hamas, aber ich kann gegen sie nichts unternehmen. Diese Gruppierung hat viel Macht. Ich bin ein junger Mann und ich will ein normales Leben führen. Es war für mich gar nicht leicht meine Eltern zu verlassen, ich wollte auch nicht mein Land verlassen, ich hatte keine andere Wahl. Es gab Leute in meinem Alter, die Angehörige der Hamas waren und mich wegen meiner Frisur und wie ich mich kleidete (wegen der engen Hose) belästigten.

Vorhalt: In der Erstbefragung sagten Sie, dass die Hamas den Gedenktag 2017 mit Gewalt aufgelöst hätte und Sie dabei verhaftet worden wären! Nun erklären Sie, dass Sie am Weg zu jener Veranstaltung festgenommen worden wären. Erklären Sie das bitte!

VP: In der Erstbefragung erklärte ich nicht alles ganz genau, wann was passiert ist. Ich sagte, dass die Hamas kam und den Marsch mit Gewalt aufgelöst hat und ich sagte dann, nachdem die Dolmetscherin mit fragte, ich von der Hamas belästigt wurde und dass das im Jahr 2017 war. Heute habe ich genau alles erzählt wie es geschah.

LA: Wo und wann fand die Gedenkveranstaltung 2017 statt?

VP: Die war in einem Platz namens Saraja-Platz.

LA: Wo ist dieser Saraja-Platz?

VP: Es gibt einen Ort, der heißt Aljundi Almajhol und am Ende von diesem Ort ist der Platz.

LA: Wurde diese Veranstaltung aufgelöst?

VP: Nein. Die Hamas sagte, dass sie diese Veranstaltung beschützen wird.

LA: Von wann bis wann haben Sie studiert?

VP: Von 2013 bis 2017.

LA: Zu welcher Uhrzeit fuhren Sie auf diese Veranstaltung?

VP: Das war kurz nach Mittag, genau weiß ich es nicht mehr, aber es war vor dem Feierabend, normalerweise hatten wir um 14 Uhr Schluss.

LA: Wie ist der arabische Spitzname von XXXX ?

VP: XXXX .

LA: Inwiefern waren/sind Sie ein Gegner der Hamas? Erklären Sie das bitte!

VP: XXXX gilt für die Hamas als Verräter des Landes und jeder der an seinem Marsch teilgenommen hatte, war für Sie ein Gegner. Die Hamas ist sehr gut darin ihre Prinzipien zu verkaufen, viele haben auf soziale Netzwerke gepostet um das wahre Gesicht der Hamas zu zeigen. Als ich das Video machte, war es der Grund warum sie mich gleich mitgenommen haben.

LA: Wie viele Menschen waren 2017 bei der Veranstaltung anwesend? Können Sie eine ungefähre Zahl angeben?

VP: Ich weiß es nicht, viele unterstützen Arafat. Ich will keine falschen Angaben machen, ich glaube viele. Der Platz war voll, niemand kann schätzen wie viele dort waren.

LA: Was können Sie über die Versöhnung zwischen der Hamas und der Fatah erzählen?

VP: Es gibt Treffen und Diskussionen in Kairo, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich versöhnen. Es passt nicht zusammen.

LA: Welche Organisatoren haben die Gedenkveranstaltung in Gaza-Stadt 2017 organisiert?

VP: Die Veranstaltung wurde normalerweise von der Fatah organisiert. Im Jahr 2017 hat die Hamas in den sozialen Netzwerken berichtet, dass sie die Veranstaltung beschützen wird, damit wollten sie nur mehr Unterstützter für sich selbst. Die Mitglieder der Fatah hatten gelbe Westen an und waren mitten in der Veranstaltung, aber die Hamas-Mitglieder haben nur von außerhalb die Veranstaltung beschützt.

LA: Wie oft kam es zu derartigen Gedenkveranstaltungen in Gaza?

VP: Die ich kenne, die waren 2007 und 2017. Es gab andere, die von der Fatah organisiert waren, aber ich habe an diesen nicht teilgenommen. Ich bin ein Unterstützer des Yasser Arafats, was anderes interessiert mich nicht.

LA: Wie oft wurden Sie festgenommen?

VP: 3-mal.

Anm. Denkt nach: 2007, dann als ich 17 Jahre alt war und das letzte Mal im Jahr 2017.

LA: Wie alt waren Sie, als sie die Schule abgeschlossen haben?

VP: Anm: Denkt nach: 17 Jahre alt

LA: Wann haben Sie darauf begonnen zu studieren?

VP: Gleich danach.

LA: Wissen Sie wer Tawfiq Abu Naim ist?

VP: Ich hörte von ihm, ich glaube er ist bei der Hamas. Er ist für die innere Sicherheit zuständig.

LA: Wem gehört die Universität an der Sie studierten?

VP: Eine unabhängige Universität.

LA: Schildern Sie bitte die Situation der Befragung bzw. des Verhörs im Jahr 2017! (Wie viele Menschen waren anwesend, welche Fragen wurden gestellt, wie sahen die Räumlichkeiten aus, waren andere Festgenommene anwesend, usw. ...)

VP: 2 Personen haben mich zur Polizeistation in Alabbas mitgenommen, das Zimmer war fast gleich groß wie das hier, nur eine Person befragte mich. Er hatte eine militärische Uniform an und fragte wohin und warum ich zu dieser Veranstaltung möchte. Er hat mit mir diskutiert und versucht, dass ich meine Nerven verliere, weil er die ganze Zeit sagte, dass Arafat ein Verräter des Landes war. Ich blieb aber die ganze Zeit ruhig, dann sagte er, er wird mir zeigen wie man sich benimmt, wenn man mit einem Polizisten redet, weil am Weg zur Station hat mich einer von den 2 Personen geschlagen und ich bin ausgerastet. Dann hat mich die Person in dem Zimmer auch geschlagen.

LA: Wie gestaltet sich die Situation der "Freilassung"?

VP: Ich musste mich bei den Polizisten entschuldigen, aber wie sie mit mir geredet haben, war sehr beleidigend. Später in der Nacht haben Sie mich freigelassen. Wenn man dort ist bleibt man in einem Raum und wird später befragt und dann irgendwann freigelassen. Bei mir war es spät in der Nacht.

LA: Warum sollte die Hamas ein Interesse daran haben, dass Sie sich anschließen um somit einen Gegner in den eigenen Reihen zu haben?

VP: Die Hamas interessiert sich für Personen mit guter Ausbildung. Sie versuchen zuerst die Personen zu überzeugen, aber wenn sie merken, dass man nicht überzeugt ist, dann versuchen sie die Leute mit Gewalt einzuschüchtern.

LA: Gab es sonstige Verfolgungshandlungen, die direkt gegen Sie gerichtet waren?

VP: Man kann sagen, dass ich unter Beobachtung war, aber nicht verfolgt. Ich fühlte mich nicht sicher.

LA: Wie lange dauerte das Verhör 2017?

VP: Das weiß ich nicht genau, aber es dauerte ein bisschen. Auf jeden Fall länger als eine Stunde.

LA: Wurden Sie gleich im Anschluss an das Verhör entlassen?

VP: Nein, ich musste warten, es ist ein Raum und man wusste nicht wann man entlassen wird.

LA: Wie lange dauerte es bis nach dem Ende des Verhörs bis zur Entlassung?

VP: Auch länger als eine Stunde, wie lange weiß ich nicht mehr. Die ganze Zeit hatte ich nur im Kopf, dass ich nach Hause will, deswegen dachte ich nicht nach.

LA: Wie lange dauerte es von der Festnahme bis zu Ihrer Ausreise?

VP: 10 Monate.

LA: Gingen Sie in jener Zeit auf die Universität?

VP: Das war das letzte Jahr auf der Uni, ich habe das Studium 2017 abgeschlossen.

LA: Lebten Sie bis zu Ihrer Ausreise bei Ihren Eltern?

VP: Ja, mein ganzes Leben. Meine Großmutter lebte in der Nähe und ich war auch oft bei ihr.

LA: Von wem wurden Sie bei der Ausreise kontrolliert?

VP: Von der inneren Sicherheit der Hamas.

LA: Hätten Sie damals die Möglichkeit gehabt, sich woanders ins Heimatland zu begeben, um sich der angeben Übergriffe/Probleme/Schwierigkeiten zu entziehen? bzw. haben Sie das schon erwogen / versucht - z.B. in ein anderes Gebiet?

VP: Nein.

LA: Haben Sie somit all Ihre Gründe für die Asylantragstellung genannt?

VP: Ja, das ist was mit mir passiert ist.

LA: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals ob Sie noch etwas Asylrelevantes oder etwas sonst Bedeutendes angeben möchten, das Ihnen wichtig erscheint, jedoch bislang nicht gefragt wurde?

VP: Ich habe alles gesagt.

LA: Theoretisch, was würden Sie im Falle einer Rückkehr in Ihren Heimatstaat befürchten?

VP: Ich kann alles von der Hamas erwarten.

LA: Was müsste sich ändern, um theoretisch wieder zurückkehren zu können?

VP: Wenn die Hamas nicht mehr an der Macht ist. Wenn die Hamas nicht mehr existiert.

LA: Auf die Vertraulichkeit der von Ihnen angegebenen Daten wird nochmals hingewiesen. Sind Sie damit einverstanden, dass Erhebungen zum Sachverhalt in Ihrem Heimatland durchgeführt werden? Es werden keine persönlichen Daten an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergegeben.

VP: Ich habe nichts dagegen.

LÄNDERFESTSTELLUNGEN:

[...]

VP: Ich verstehe noch nicht gut Deutsch und brauche es nicht.

Fragen zum Leben in Österreich

LA: Wo leben Sie derzeit in Österreich?

VP: In Stockerau.

LA: Wovon leben Sie bzw. wie bestreiten Sie hier in Österreich Ihren Lebensunterhalt?

VP: Von der Grundversorgung.

LA: Haben Sie in Österreich Verwandte?

VP: Als ich nach Österreich kam, wusste ich nicht, dass mein Vater einen Verwandten hier hat und auch hier arbeitet. Er ist wie ich hörte 13 Jahre hier. Nicht eng verwandt, stammt aber aus der gleichen Familie.

LA: Sprechen Sie Deutsch? (Anm.: Fragestellung erfolgt in deutscher Sprache)

VP: Ich verstehe, aber ich kann noch nicht sprechen. (Anm.: Antwort erfolgte in Muttersprache)

LA: Besuchen Sie Kurse (z.B. Deutschkurs) oder machen Sie Ausbildungen?

VP: Ich mache den A1 Kurs. 2 mal am Tag. Am Vormittag mit einer Österreicherin und am Abend mit einem freiwilligen Afghanen.

LA: Sind Sie Mitglied in einem Verein, oder einer Organisation hier in Österreich?

VP: Ich muss einen Verein kontaktieren und möchte hier Fußball spielen, weil ich Gaza auch spielte. Ich war in einem Verein namens XXXX .

LA: Was machen Sie in Ihrer Freizeit? Mit wem haben Sie Kontakt?

VP: In der Freizeit lerne ich deutsch. Ich habe hier eine syrische Familie und eine Person aus Palästina kennengelernt und ich besuche sie.

LA: Haben Sie österreichische Freunde oder sonstige soziale Kontakte zu Österreichern?

VP: Nur Bekannte, aber keine Freunde. Im Vergnügungs-Center gibt es Österreicher die zusammen spielen, aber ich kann noch nicht gut Deutsch, deswegen kann ich mich nicht mit ihnen unterhalten.

Abschließende Fragen

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Konnten Sie zum Verfahren alles vorbringen oder haben Sie noch etwas hinzufügen?

VP: Ich glaube ja.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

LA: Wie haben Sie die Dolmetscherin verstanden?

VP: Gut.

LA: Haben Sie nach der erfolgten Übersetzung irgendwelche Einwendungen gegen die Niederschrift!

VP: Nein keine Einwände.

LA: Es wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Ja.

Anm: Eine Kopie der Niederschrift wird der VP ausgehändigt.

(...)

- Am 05.02.2019 fand Ihre ergänzende niederschriftliche Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs vor einem Organwalter des Bundesamtes, Regionaldirektion Niederösterreich, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch statt. Die wesentlichen Passagen dieser Einvernahme gestalten sich dabei wie folgt:

(...)

LA: Arabisch ist Ihre Muttersprache! Sind Sie dieser Sprache mächtig und damit einverstanden, in dieser Sprache einvernommen zu werden?

VP: Ja.

[...]

LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

VP: Ja.

LA: Wurde(n) Ihnen diese (jeweils) rückübersetzt?

VP: Ja.

Fragen zu Ihrer Person

LA: Verfügen Sie über weitere Dokumente, die Sie vorlegen möchten?

VP: Nein.

LA: Sind Sie bei der UNRWA registriert?

VP: Nein. Meine Großmutter war ein Flüchtling und hat Hilfe von UNRWA erhalten.

LA: Wie stellen bzw. stellten sich für Sie die Lebensverhältnisse im Gaza-Streifen dar?

VP: Um ehrlich zu sein, aus finanzieller Sicht war die Lage in Ordnung, aber ein wenig schwierig, zuletzt wurde die Lage immer schwieriger. Nachgefragt: wie ich schon sagte, ich arbeitete in einer Bäckerei. Mit der Zeit sind die Preise für Mehl und Gas gestiegen und mein Arbeitgeber war gezwungen die Löhne zu reduzieren.

LA: Wie waren die Lebensverhältnisse für Sie im Gaza-Streifen?

VP: Ich kam für die Familie auf. Was ich bekam hat gereicht. Aber eine Zukunft aufbauen war nicht möglich.

LA: Woher stammen Ihre Vorfahren? Wann und von wo sind sie ausgewandert?

VP: Aus Gaza. Man spricht vom Gaza-Streifen, ich komme aus Gaza. Nachgefragt: Meine Großmutter kommt aus Jaffa. So hat es mir damals meine Großmutter erzählt. Nachgefragt: wann Sie von dort weg ging weiß ich nicht, sie war jung. Ich weiß nur, dass Sie als Sie jung war und aus Jaffa nach Gaza gegangen ist.

LA: Sind Sie damit einverstanden, dass das BFA eine etwaige Registrierung bei der UNRWA überprüfen lässt?

VP: Ja, schon, ich bin jedenfalls dort nicht registriert.

Anm.: Die Registrierungsverifizierung wird durch die VP im Beisein des Dolmetschers in Arabisch ausgefüllt.

LA: Wie glauben Sie, wird sich die Lage im Gaza-Streifen entwickeln?

VP: Als ich dort war, dachte ich mir es wird jeden Tag schlechter. Die Lage ist dort schlecht. Die Arbeitslosenrate ist hoch. Es ist schwer eine Arbeit zu bekommen. Wenn man jemanden von der Hamas kennt, bekommt man einen Vorzug. Lebensmittel waren teuer, man hat alle 24 Stunden gerade einmal 3 Stunden Strom gehabt. Vielleicht war das Ausreisen bzw. das "Woandershingehen" (von Gaza woanders hinzugehen) schwierig. Wir haben 2 Grenzübergänge gehabt. Einen nach Ägypten und eine zweiten über Israel. Die heißen Rafah und Erez. Es gibt dort keine Zukunft, man schaut dass man von einem Tag über den anderen über die Runden kommt. Man plant dort keine Zukunft. Ich wollte mir eine Zukunft aufbauen, aber es war schwierig.

LA: Sind Sie seit Ihrem Abschluss jemals wieder zur Uni gegangen?

VP: Natürlich, weil nach dem Abschluss gibt es einige verwaltungstechnische Sachen. Ich habe 4 Jahre studiert und mir fehlten, deswegen musste ich ein summer-term dazu nehmen, weil noch Kurse offen waren.

LA: Wie viel Zeit verging zwischen dem Abschluss und dem letzten Mal, als Sie zur Uni gingen?

VP: Nachdem ich meine Prüfungen abgeschlossen hatte. Ich habe mir ein Zeugnis ausstellen lassen.

LA: Wann haben Sie Ihr Studium abgeschlossen?

VP: Ich bin bei solchen Sachen nicht so genau, aber Ende 2017.

LA: Wann waren Sie das letzte Mal dort?

VP: Ich war auch dort, als ich an dem Erinnerungsmarsch teilgenommen hab.

LA: Gab es eine Abschlussfeier oder dergleichen?

VP: Ja.

LA: An welchen Wochentagen waren Sie üblicherweise an der Universität? War auch an Samstagen Unterricht?

VP: Jeden Tag außer Donnerstag und Freitag. Donnerstag war Uni-frei. Freitag war ein Feiertag. Samstag und Sonntag war normaler Unterricht.

LA: Warum meinten Sie bei Ihrer ersten Einvernahme vor dem BFA, dass Sie sich aufgrund der Ängste nicht "so frei bewegt hätten", aber am Gedenktag Arafats trotzdem an der Kundgebung teilnehmen wollten?

VP: Weil man uns beruhigt hat. Man sagte es wird eine Feier geben und es wird niemandem was angetan. Damals gab es eine Atmosphäre der Näherung zwischen der Hamas und der Fatah und das war beruhigend.

LA. Warum waren Sie vor der Gedenkveranstaltung an der Uni?

VP: Üblicherweise war ich dort, und schaute ob es Stipendien oder so gibt.

LA: Was sagen Sie dazu, dass 10.000 Menschen am Gedenkmarsch teilgenommen haben, aber es zu keinerlei Verhaftungen dieser Menschen gekommen?

VP: Ihr (Hamas) stärkstes Glied sind die Medien. Ein jemand verhaftet wird und jemand darüber schreibt, dann wird er schikaniert, Sie versuchen der Welt klar zu machen, das sie dieses und jenes klar machen. Aber die Realität schaut anders aus.

LA: Warum sind Sie an diesem Tag zur Universität gefahren, obwohl Ihr Wohnort in Gaza-Stadt näher an dem Saraja-Platz ist und Sie das Studium bereits abgeschlossen hatten?

VP: Ich war an der Uni, um gemeinsam dort hinzugehen. Ich hatte ja noch offene Kurse, es war summer-term.

LA: Sie erwähnten bei Ihrer ersten Einvernahme vor dem BFA, dass Sie einen Anruf erhalten hätten und hierbei bedroht worden wären. Wann war dieses Vorkommnis?

VP: Ich kann kein Datum nennen. Es war jedenfalls nach dem Marsch und nachdem ich die Uni abgeschlossen hab. Ich bekam Anrufe. Sie haben ihre Leute und Spitzel in jedem Viertel.

LA: Sie sprechen nun von Anrufen in der Mehrzahl!

VP: Es ist so, ich bekam einen Anruf von einer unbekannten Nummer. Es kann nur die innere Sicherheit gewesen sein.

LA: Was können Sie zur Gedenkveranstaltung Arafats im Jahr 2017 angeben? Können Sie Details nennen?

VP: Ich schaffte es nicht mitten rein, da ich verhaftet wurde. Ich kann sagen was ich hörte und gesehen hatte. Ich war nicht dabei, ich wurde verhaftet.

LA: Wie lange dauerte diese Veranstaltung?

Anm.: Frage wird wiederholt.

VP: Die Versammlung war ab 13 Uhr. Ich war nicht mitten drin. Üblicherweise dauert so was 3-4 Stunden, aber manchmal auch bis tief in die Nacht.

LA: Was sind die Gesprächsthemen in den Kontaktphasen mit den Angehörigen?

VP: Wie es geht, was ich mache. Ob ich meinen Kurs besuchte, was ich im Alltag so mache. Sie motivieren mich, eine Zukunft aufzubauen und meine Ausbildung fortzusetzten, wie einen Magister oder Doktor. Ich träume von so was.

LA: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals ob Sie noch etwas Asylrelevantes oder etwas sonst Bedeutendes angeben möchten, das Ihnen wichtig erscheint, jedoch bislang nicht gefragt wurde?

VP: Nein.

LÄNDERFESTSTELLUNGEN:

Anmerkung: Mit Ihnen wird nunmehr erörtert, auf welcher Basis und unter Zugrundelegung welcher Länderfeststellungen das BFA in Ihrem Fall zur Entscheidung gelangen wird. Sie haben die Möglichkeit, im Anschluss dazu Stellung zu nehmen. Diese Feststellungen werden Ihnen ausgefolgt und Sie haben die Möglichkeit binnen einer Frist von einer Woche eine Stellungnahme einbringen. Die auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat stützenden Aussagen basieren auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA. Diese ist gemäß § 5 Abs. 2 BFA-G zur Objektivität verpflichtet und unterliegt der Beobachtung eines Beirates. Diese Quellen berufen sich vorwiegend unter anderem auf Berichte von EU-Behörden von Behörde von EU-Ländern aber auch Behörden anderer Länder, aber auch Quellen aus Ihrer Heimat wie auch zahlreichen NGOs und auch Botschaftsberichten, die im einzelnen auch eingesehen werden können.

VP: Ja bitte, damals konnte ich noch nicht Deutsch. Jetzt kann ich etwas Deutsch. Eine Stellungnahme will ich nicht einbringen.

Fragen zum Leben in Österreich

LA: Wer ist der Verwandte (Ihres Vaters) in Österreich?

VP: XXXX . Er ist ein weitschichtiger Verwandter. Ich gehe ihn besuchen. Er arbeitet als Koch in einem Restaurant.

LA: Sprechen Sie Deutsch? (Anm.: Fragestellung erfolgt in deutscher Sprache)

VP: Ja ein bisschen Deutsch. Freut mich Sie kennen zu lernen. (Anm.: Antwort erfolgte in deutscher Sprache)

LA: Besuchen Sie Kurse (z.B. Deutschkurs) oder machen Sie Ausbildungen?

VP: Der Kurs wurde gestrichen, weil das Camp aufgelöst wurde. Ich hätte eigentlich heute umziehen soll, aber das Büro dort sagte mir, dass ich am 07.02 umziehen soll.

Abschließende Fragen

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Konnten Sie zum Verfahren alles vorbringen oder haben Sie noch etwas hinzufügen?

VP: Ich konnte alles vorbringen.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

LA: Wie haben Sie den Dolmetscher verstanden?

VP: Gut.

LA: Haben Sie nach der erfolgten Übersetzung irgendwelche Einwendungen gegen die Niederschrift!

VP: Nein keine Einwände.

LA: Es wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Ja.

Anm: Eine Kopie der Niederschrift wird der VP ausgehändigt.

(...)

- Mit Verfahrensanordnung vom heutigen Tag wurde Ihnen ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt.

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Israel/Palästinensische Autonomiegebiete nicht zugesprochen.

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Israel/Palästinensische Autonomiegebiete gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ebenso ergebe sich aus allgemeinen Lage im Herkunftsstaat keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende bzw. reale Gefährdung der bP. Abschiebungshindernisse lägen demnach nicht vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen seien nicht gegeben. Ein die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung übersteigendes Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen und wurde daher eine Rückkehrentscheidung verfügt.

Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

Das Bundesamt traf auf Grund des Ermittlungsverfahrens nachfolgende Feststellungen, denen sich das BVwG anschließt:

"Zu Ihrer Person:

Ihre Identität steht fest.

Sie führen den Namen XXXX . und sind am XXXX .1995 in Gaza geboren.

Sie sind staatenloser Palästinenser, Moslem, bekennen sich zum sunnitischen Islam, sind ledig und haben keine Kinder.

Sie gingen bis zu Ihrer Ausreise aus Gaza diversen Arbeitstätigkeiten nach.

Die Einreise in das österreichische Bundesgebiet erfolgte illegal.

Sie leiden an keiner lebensbedrohenden Erkrankung.

Sie sind strafrechtlich unbescholten.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie über keine familiären Anknüpfungspunkte in Gaza verfügen.

Zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:

Sie verließen den Gaza-Streifen im Mai 2018.

Sie verließen Gaza auf legaler Basis über den Grenzübergang Rafah.

Zum Zeitpunkt Ihrer Ausreise lag keine nachgewiesene, feststellbare und überzeugende Bedrohung seitens der Hamas vor.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie in Gaza vor Ihrer Ausreise einer individuellen Verfolgung aus den von Ihnen genannten Gründen ausgesetzt waren oder er im Falle einer Rückkehr in nach Gaza der Gefahr einer solchen ausgesetzt wären.

Eine anderswertige Gefährdung, welche einzig aufgrund personenbezogener abzielt, wie etwa aufgrund Ihrer Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit, ist den gegenständlichen Verfahrenszusammenhängen nicht zu entnehmen.

Zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Es sind keine Umstände amtsbekannt, dass im Gaza-Streifen bzw. den palästinensischen Autonomiegebieten eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre, oder eine derartige humanitäre Katastrophe vorherrschte, dass das Überleben sämtlicher dort lebender Personen mangels Nahrung und Wohnraum tatsächlich in Frage gestellt wäre.

Es konnte zudem nicht festgestellt werden, dass Ihnen im Herkunftsland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen gewesen wäre oder dass Sie bei einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende (oder medizinische) Notlage gedrängt werden.

Sie sind ein junger Mann in einem arbeitsfähigen Alter mit Berufspraxis, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie über keine familiären Anknüpfungspunkte in Gaza verfügen.

Sie beherrschen die Sprache und haben Ihr gesamtes Leben in Gaza verbracht und es ist davon auszugehen, dass Sie mit der dortigen Kultur- und Lebensweise bestens vertraut sind. Es ist Ihnen durchaus zumutbar, dass Sie in Gaza einer Arbeit nachgehen und sich ein Einkommen erwirtschaften, vor allem, da Sie in jenem Land bereits Berufserfahrungen sammeln konnten.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie regeln Ihren Aufenthalt auf asylrechtlicher Basis.

Ihr Aufenthalt in Österreich ist vorübergehend.

Sie befinden sich in der Grundversorgung.

Es hält sich in Österreich kein Familienangehöriger auf.

Sie sind ledig."

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Das Bundesamt stützte sich zur Lagebeurteilung auf das Länderinformationsblatt Palästinensische Gebiete - Gaza der Staatendokumentation, Stand 12.09.2018. Die bP wollte im Verfahren vor dem Bundesamt dazu keine Stellungnahme abgeben. Daraus ergibt sich im Wesentlichen Folgendes:

POLITISCHE LAGE

Palästina hat den Status eines Völkerrechtssubjekts, wird aber von Österreich nicht als Staat im Sinne des Völkerrechts anerkannt (BMEIA 6.8.2018). 137 Staaten erkennen Palästina als unabhängigen Staat an (PUN 2018). Am 29.11.2012 erhielt Palästina den Status als beobachtendes Mitglied bei der UNO. Konkret bedeutet der Beobachterstatus als Nicht-Mitgliedstaat, den etwa auch der Vatikan innehat, mehr Mitspracherechte bei den Vereinten Nationen. Künftig können die Palästinenser im Sicherheitsrat und in der Generalversammlung - sofern sie betroffen sind - an Diskussionen teilnehmen und Resolutionen einbringen. Ein weiterer wichtiger Zugewinn ist der Zugang zu Unterorganisationen der UN wie dem Internationalen Strafgerichtshof. Dadurch hätten die Palästinenser das Recht, etwaige Militäroperationen der Israelis in den Palästinensergebieten oder die Siedlungspolitik der israelischen Regierung vor Gericht zu bringen (BPB 30.11.2012).

Im Dezember 2014 stimmte das europäische Parlament mit einer überwältigenden Mehrheit (498 Stimmen dafür, 88 dagegen) für die "Quasi"-Anerkennung Palästinas als Staat. Dieses Votum ist rechtlich nicht bindend, aber es sendet eine starke Botschaft an die internationale Gemeinschaft. Schweden ist einen Schritt weiter gegangen und hat Palästina offiziell als Staat anerkannt (BBC 17.12.2014).

Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO - Palestinian Liberation Organisation) wurde 1974 als einzig legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes von der UNO anerkannt. Im Jahre 1993 folgte die Anerkennung der PLO als einzige Vertreterin der Palästinenser durch Israel, welche im Gegensatz zur Palästinensische Autonomiebehörde (PA - Palestinian Authority) die Palästinenser auch außerhalb der besetzten Gebiete vertritt. Als Dachorganisation für die verschiedenen palästinensischen Parteien und Bewegungen leidet ihre Legitimation jedoch darunter, dass vor allem die Hamas, die 2006 immerhin die Wahlen in den gesamten Gebieten gewann, nicht zu ihren Mitgliedern zählt (ZO 30.11.2012).

Nach dem Erdrutschsieg von Hamas [Anm.: im Jahr 2006] begannen die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der beiden Gruppen, in deren Verlauf Hunderte Menschen ums Leben kamen. Ihren Höhepunkt fanden diese Auseinandersetzungen im Juni 2007 im Gazastreifen, als die Hamas mit Gewalt die Kontrolle über alle Sicherheitseinrichtungen und Regierungsgebäude der PA übernahm (GIZ 8.2018a). Zahlreiche Mitglieder und Anhänger der Fatah von Palästinenserpräsident Abbas flohen aus Gaza (Spiegel 13.6.2007; FAZ 3.8.2008). Von diesem Zeitpunkt an bis April 2014 war Palästina zweigeteilt, in einen von Hamas kontrollierten Gazastreifen und das von Fatah kontrollierte Westjordanland. Am 23.4.2014 einigten sich Hamas und Fatah erneut auf die Bildung einer Einheitsregierung. Am 2.6.2014 wurde dann die 17-köpfige Einheitsregierung aus parteilosen Experten unter Führung von Rami Hamdallah vereidigt. Erstmals seit sieben Jahren unterstanden damit das Westjordanland und der Gazastreifen der selben Exekutivgewalt [Anm.: de facto blieb die Hamas allerdings weiterhin die bestimmende Kraft in Gaza.]. Die Bildung der neuen Regierung sollte der erste Schritt auf dem Weg zur vollständigen Aussöhnung zwischen Fatah und Hamas sein. Für Anfang 2015 waren Präsidentschafts- und Parlamentswahlen geplant, die jedoch bis jetzt nicht stattgefunden haben (GIZ 8.2018a).

Die Palästinensischen Gebiete bestehen aus dem Westjordanland, dem Gaza-Streifen und Ost-Jerusalem. Die Palästinensische Behörde wurde 1994 nach Abschluss der Osloer Verträge zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) gegründet. Grundpfeiler des politischen Systems sind der Präsident, die Regierung unter Vorsitz eines Premierministers sowie das Parlament, der sogenannte Legislativrat. Dritte Gewalt ist die unabhängige Justiz. Der Präsident der Palästinensischen Behörde wird vom Volk direkt gewählt. Er ernennt und entlässt die Regierung und unterzeichnet die vom Legislativrat vorgelegten Gesetze. Er ist auch Oberbefehlshaber der Sicherheitsdienste. Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden im Jänner 2005 statt. Die Amtszeit von Präsident Abbas ist formal seit 2009 abgelaufen. Die Zahl der Bediensteten der Palästinensischen Behörde wird zurzeit auf 160.000 geschätzt (AA 1.2018a). Seit Juni 2014 leitet Premierminister und Fatah-Mitglied Rami Hamdallah das palästinensische Kabinett (AA 1.2018a; vgl. GIZ 8.2018a). [Anm.: Der Gaza-Streifen wird de facto aber weiterhin von der Hamas kontrolliert].

Die Bevölkerung in Gaza beläuft sich auf 1,9 Millionen, wovon etwa 70 % registrierte palästinensische Flüchtlinge sind (UNRWA o.D.).

Die Parteienlandschaft wird geprägt von Parteien aus den 1960er Jahren wie Fatah, Volksfront für die Befreiung Palästinas (Popular Front for the Liberation of Palestine, PFLP), demokratische Front für die Befreiung Palästinas (Democratic Front for the Liberation of Palestine, DFLP) sowie von relativ jungen Parteien wie der Hamas und des Palästinensischen Islamischen Dschihad, die Ende der achtziger Jahre entstanden (AA 1.2018a). Der Legislativrat (Palestinian Legislative Council, PLC) setzt sich aus 132 Abgeordneten zusammen. Das Wahlrecht sieht Verhältniswahl (Landesebene) und Direktwahl (Bezirksebene) vor. Die letzten Wahlen fanden im Januar 2006 statt (AA 1.2018a; vgl. GIZ 8.2018a); die vierjährige Legislaturperiode ist seit 2010 abgelaufen. Der Legislativrat tagt seit der Machtübernahme der Hamas in Gaza im Juni 2007 nicht mehr. Mehrere PLC-Abgeordnete befinden sich in israelischer Haft. Im Herbst 2012 fanden im Westjordanland Kommunalwahlen statt. Kommunalwahlen für das Westjordanland und den Gaza-Streifen wurden im Oktober 2016 verschoben (AA 1.2018a)

Nach dem Wahlsieg der Hamas 2006 kam es 2007 zum Bruch zwischen der Hamas und der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Im Gazastreifen regiert die Hamas seitdem allein und wird höchstens von noch radikaleren Kräften herausgefordert (DS 17.5.2018). Am 12.10.2017 unterzeichneten Fatah und Hamas in Kairo erneut ein Versöhnungsabkommen. Nach 2011 und 2014 ist dies der dritte Versuch, den seit mehr als zehn Jahren bestehenden Konflikt zwischen den beiden wichtigsten politischen Bewegungen in Palästina zu überwinden (GIZ 8.2018a). Am 1.11.2017 erfolgte die Übergabe der Grenzverwaltung von der Hamas an die PA. Die palästinensische Einheitsregierung ist somit gänzlich zuständig für die Grenzübergänge des Gazastreifens (DS 1.11.2017). Dennoch hat die PA nur wenig Autorität, und die Hamas verfügt über die de facto-Kontrolle in Sicherheits- und anderen Angelegenheiten, obwohl die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) im November 2017 Personal an Gazas Grenzübergängen positioniert hatte (USDOS 20.4.2018). Seit der Spaltung im Jahr 2007 ist Gaza effektiv ein Ein-Parteien-Staat, Restriktionen gegenüber der Fatah werden - abhängig vom Fortschreiten der Vesöhnungsgespräche - allerdings manchmal verringert (FH 1.2018). Der Premier der Einheitsregierung, Rami Hamdalla, wäre bei einem Gaza-Besuch im März fast Opfer eines Attentats geworden (Le Monde 13.3.2018). Daraufhin froren PA und Fatah die Finanzen für den Gazastreifen ein. Sie fordern zuerst die vollständige Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die PA. Doch die Hamas will den Befehl über ihre Polizei-Milizen nicht abgeben (Kurier 31.3.2018). Es werden keine Gehälter mehr gezahlt, nicht für Strom oder Medikamente. Das Wasser ist verseucht, rund die Hälfte der Bevölkerung arbeitslos (Welt 30.3.2018). Die innerpalästinensische Aussöhnung zwischen den Parteien Fatah und Hamas stagniert somit trotz des neuen Abkommens (AA 1.2018a; vgl. GIZ 8.2018a). Versöhnungs- und Wiedervereinigungsversuche blieben weiterhin erfolglos (DS 17.5.2018; vgl. Kurier 31.3.2018).

Die Hamas hatte 2006 bei Parlamentswahlen gesiegt und ein Jahr später gewaltsam die alleinige Kontrolle des Gazastreifens übernommen. Israel, die EU und die USA stufen die Hamas als Terrororganisation ein. Seit mehr als einem Jahrzehnt gab es de facto zwei getrennte Regierungen und keine neuen Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen mehr (DS 1.11.2017). Die Hamas regiert de facto weiterhin Gaza. Führende Funktionäre sind: Ismail Haniyya, Chef des Hamas-Politbüros, und Yehia Sinwar, Hamas-Chef in Gaza und Mitbegründer der Essedin-al-Kassam-Brigaden, des bewaffneten Arms der Hamas (Spiegel 30.3.2018, vgl. Spiegel 13.2.2017).

SICHERHEITSLAGE

Die Sicherheitslage in Israel und den Palästinensischen Gebieten ist wesentlich vom israelisch-palästinensischen Konflikt geprägt (AA 7.8.2018).

1994 begann Israel einen Grenzzaun zu bauen, der 2000, während der Intifada, attackiert und danach durch eine Sicherheitsbarriere ersetzt wurde. Dabei richtete Israel auch eine Pufferzone auf dem Gebiet des Streifens ein (was ihn noch schmäler macht), in die laut israelischen Einsatzregeln scharf hineingeschossen werden kann. Die Breite der Zone, bis zu 300 Meter, wird variabel festgelegt - dort fanden die Aufmärsche der vergangenen Tage statt. 2005 zog Israel sein Militär und die nach 1967 angesiedelten Israelis aus dem Gazastreifen ab, behielt jedoch die Kontrolle über Außengrenzen und Luftraum unilateral bei: Daraus resultiert der Rechtsstreit, ob der Gazastreifen noch besetzt ist oder nicht. Die letzten Jahre sind geprägt von einem Wechselspiel von Raketenangriffen auf Israel aus dem Gazastreifen, dem Bau von Schmuggel- und Angriffstunnels - und der immer wieder gelockerten und angezogenen Blockade durch Israel (DS 17.5.2018) sowie israelischen Militäroffensiven (vgl. BBC 22.6.2015).

Für den Gaza-Streifen besteht eine Reisewarnung (AA 78.2018; vgl. BMEIA 7.8.2018, EDA 7.8.2018, FD 7.8.2018). Seit Ende März 2018 kommt es immer wieder zu Massenprotesten entlang der Grenze zu Israel. Gewaltsame Konfrontationen zwischen Demonstranten und der israelischen Armee haben [Anm.: vor allem auf palästinensischer Seite] zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert. Mit weiteren Ereignissen dieser Art muss gerechnet werden (EDA 7.8.2018). Es kommt immer wieder zu massiven Zusammenstößen mit Todesopfern am Grenzzaun (BMEIA 7.8.2018); Kundgebungen und Protestaktionen finden weiterhin statt. Es werden zahlreiche mit Brandsätzen ausgestattete Drachen eingesetzt, die vom Gaza-Streifen aus starten und im Nahbereich des Grenzzauns landen. In den letzten Tagen ist es zu heftigem Raketen- und Mörserbeschuss aus dem Gaza-Streifen heraus auf israelisches Staatsgebiet und zu israelischen Vergeltungsangriffen gekommen. Es kann weiter zu Zwischenfällen im unmittelbaren Bereich des Grenzzauns kommen (AA 7.8.2018). Am 14.5.2018, dem Tag der Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem, eskalierten die Spannungen an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel in besonders gewaltsamen Konfrontationen zwischen Demonstranten und der israelischen Armee; sie forderten zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 7.8.2018).

Im Juli 2018 kam es zu einer Verschärfung der Spannungen zwischen Israel und den Palästinensern im Gazastreifen. Die Blockade wurde seitens Israel verschärft, als Reaktion auf zahlreiche Brandsätze, die vom Gazastreifen auf israelisches Gebiet geworfen wurden, und die 1.200 Brände ausgelöst haben. Israel und die Hamas befanden sich am Rande eines offenen Konfliktes, es gab im Juli 2018 alleine 21 tote Palästinenser, davon 14 Zivilisten, darunter sieben Kinder, und einen toten israelischen Soldaten. Die UN und Ägypten verhinderten eine Eskalation durch die Vermittlung eines Waffenstillstandes (UNOCHA 31.7.2018).

Am 3.8.2018 teilten das Gesundheitsministerium in Gaza sowie ein Vertreter eines Krankenhauses mit, dass ein Palästinenser bei gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der israelischen Armee an der Gaza-Grenze erschossen worden ist. Mindestens 220 weitere Menschen seien verletzt worden, davon 90 durch scharfe Munition. Die Armee sprach von 8.000 Palästinensern, die an fünf Punkten an der Grenze zu Israel versucht hätten, die Sicherheitseinrichtungen zu beschädigen. Eine Gruppe sei nach Israel eingedrungen und habe Brandbomben sowie einen Sprengsatz geworfen. Sie sei danach in den Gazastreifen zurückgekehrt. Ein israelischer Panzer habe daraufhin einen militärischen Stützpunkt der im Gazastreifen herrschenden Hamas angegriffen. Seit Ende März 2018 wurden bei Protesten und Konfrontationen nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza 156 Palästinenser von israelischen Soldaten getötet (DS 3.8.2018).

Im Sommer 2014 kam es zu intensiven militärischen Auseinandersetzungen in und um den Gaza-Streifen (Operation "Protective Edge"). Er erfolgten massive Raketen- und Mörserangriffe auf israelisches Territorium, die ganz überwiegend die Ortschaften in Nähe des Gaza-Streifens (Radius von ca. 40 km) betrafen. Im Rahmen der israelischen Militäroperation führte Israel schwere Angriffe auf Ziele im Gaza-Streifen aus, die zahlreiche Opfer forderten. Dabei wurde auch öffentliche Infrastruktur, wie Straßen, Strom- und Abwasserversorgung, beschädigt. Ferner befinden sich in Trümmern sowie auf wenig befahrenen Wegen nach wie vor nicht detonierte Sprengmittel (AA 7.8.2018). Der Krieg zwischen Gaza und Israel im Sommer 2014 forderte 1462 palästinensische zivile und sechs israelische zivile Opfer. Schulen, medizinische Einrichtungen, Wasser- und Abwassersysteme, landwirtschaftliche Flächen und Geschäfte wurden zerstört. Das einzige Elektrizitätswerk Gazas wurde schwer beschädigt. Amnesty International bezichtigt sowohl die israelische als auch die palästinensische Seite, Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben (AI 7.7.2016). Trotz der anschließend vereinbarten Waffenruhe kommt es immer wieder zu vereinzeltem Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen (AA 7.8.2018; vgl. EDA 7.8.2018), die wiederum israelische Gegenschläge nach sich ziehen (Reuters 29.5.2018).

RECHTSSCHUTZ / JUSTIZWESEN

Rechtssicherheit wird in den palästinensischen Gebieten dadurch erschwert, dass immer noch Elemente des osmanischen, britischen, jordanischen, ägyptischen, israelischen (israelische Militärverordnungen) und palästinensischen Rechts (seit 1994) nebeneinander existieren (GIZ 8.2018a; vgl. FH 1.2018). Darüber hinaus wird Gewohnheitsrecht und religiöses Recht (insbesondere im Familienrecht) angewandt. Beschlüsse des Obersten Palästinensischen Gerichtshofes werden nicht immer umgesetzt (GIZ 8.2018a). Obwohl die Gesetze der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) in Gaza formal gültig sind, hat die PA nur wenig Autorität, und die Hamas verfügt über die de facto-Kontrolle in Sicherheits- und anderen Angelegenheiten, obwohl die PA im November 2017 Personal an Gazas Grenzübergängen positioniert hatte (USDOS 20.4.2018). Die Hamas unterhält ein ad hoc Justizsystem, das getrennt von Strukturen der PA funktioniert. Das System ist politischer Einflussnahme ausgesetzt, Richtern mangelt es an angemessener Ausbildung und Erfahrung (FH 1.2018).

Stammesgerichte spielen in Gaza eine wichtige Rolle für die Stabilität in der Gesellschaft. Die Menschen in Gaza bringen ihre Fälle lieber vor Stammesgerichte, weil diese meist sehr schnell ein Urteil fällen. Die Stammesgerichte stehen nicht im Widerspruch zur offiziellen Gerichtsbarkeit, sie operieren mit Unterstützung der letzteren. Problematisch ist, das die Stammesrichter (tribal arbitrators) nicht im selben Maße unparteiisch sind, wie offizielle Richter (al-Monitor 28.3.2018).

Die Auseinandersetzungen zwischen Fatah und Hamas wirken sich auch auf das Justizwesen aus. Nach der Spaltung untersagte die PA ehemaligen Mitarbeitern der Justizbehörden (und auch der Sicherheitskräfte) im Gazastreifen für die Verwaltung der Hamas zu arbeiten. Sie wurden stattdessen von der Autonomiebehörde bezahlt, ohne hierfür zu arbeiten. Die Hamas stellte Ersatz-Staatsanwälte und Richter ein, die häufig keine entsprechende Ausbildung und Qualifikation für die Aufgaben hatten (GIZ 8.2018a).

Im Gazastreifen betrieben von der Hamas angelobte Staatsanwälte und Richter De-Facto-Gerichte, welche die PA als illegal betrachtet. Die Bewohner des Gazastreifens können zivilrechtliche Klagen einreichen. Die Gerichte arbeiten inoffiziellen Berichten zufolge teilweise unparteiisch und unabhängig von der Hamas (USDOS 20.4.2018). Allerdings werden laut Human Rights Watch viele [laut FH einige] zivilrechtliche Fälle von der Hamas vor Militärgerichten verhandelt (USDOS 20.4.2018; vgl.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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