TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/22 L521 2153734-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.11.2019
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Entscheidungsdatum

22.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L521 2153732-1/24E

L521 2153734-1/15E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 27.09.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde des XXXX , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.03.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 27.09.2019 zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

2. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird Folge gegeben und XXXX , gemäß § 34 Abs. 3 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.

3. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.

4. Die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

I.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde des XXXX , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.03.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 27.09.2019 zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

2. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird Folge gegeben und XXXX , gemäß § 34 Abs. 3 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.

3. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von einem Jahr erteilt.

4. Die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und die leiblichen Eltern des gemeinsam mit ihnen in das Bundesgebiet eingereisten XXXX . Beide Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des Irak arabischer Volksgruppenzugehörigkeit und bekennen sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

2. Der Erstbeschwerdeführer stellte im Gefolge seiner schlepperunterstützten unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 17.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am Tag der Antragstellung legte der Erstbeschwerdeführer dar, den im Spruch genannten Namen zu führen und am XXXX in Bagdad geboren zu sein. Er sei verheiratet und habe mit der Zweitbeschwerdeführerin und dem gemeinsamen Sohn zuletzt in Bagdad im Bezirk XXXX gelebt.

Im Hinblick auf seinen Reiseweg brachte der Erstbeschwerdeführer zusammengefasst vor, den Irak etwa zwanzig Tage vor der nunmehrigen Antragstellung legal von Bagdad ausgehend im Luftweg in die Türkei verlassen zu haben. Von Izmir aus sei er umgehend schlepperunterstützt auf dem Seeweg nach Griechenland gelangt und dort nach erkennungsdienstlicher Behandlung des Landes verwiesen worden. In der Folge sei er auf das Festland gefahren und anschließend mit einem Lastkraftwagen schlepperunterstützt nach Österreich verbracht worden.

Zu den Gründen seiner Ausreise befragt, führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass in einem schiitischen Gebiet gewohnt habe. Er sei vor etwa drei Monaten von der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq etwa 8-10 Tage entführt worden. Bei der Freilassung sei ihm mitgeteilt worden, dass er das Gebiet entweder verlassen oder Schutzgeld bezahlen müsse, sonst werde er getötet. In Bagdad würden derzeit tausende Sunniten getötet werden.

3. Die Zweitbeschwerdeführerin stellte im Gefolge ihrer schlepperunterstützten unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 17.06.2015 ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am Tag der Antragstellung legte die Zweitbeschwerdeführerin dar, den im Spruch genannten Namen zu führen und am XXXX in Bagdad geboren zu sein. Sie sei verheiratet und habe mit dem Erstbeschwerdeführer und dem gemeinsamen Sohn zuletzt in Bagdad im Bezirk XXXX gelebt.

Im Hinblick auf ihren Reiseweg brachte auch die Zweitbeschwerdeführerin zusammengefasst vor, den Irak etwa zwanzig Tage vor der nunmehrigen Antragstellung legal von Bagdad ausgehend im Luftweg in die Türkei verlassen zu haben. Von Izmir aus sei sie umgehend schlepperunterstützt auf dem Seeweg nach Griechenland gelangt und dort nach erkennungsdienstlicher Behandlung des Landes verwiesen worden. In der Folge sei sie auf das Festland gefahren und anschließend mit einem Lastkraftwagen schlepperunterstützt nach Österreich verbracht worden.

Zu den Gründen ihrer Ausreise befragt, führte der Zweitbeschwerdeführerin aus, der Erstbeschwerdeführer sei vor etwa zwei Monaten von der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq vier oder fünf Tage entführt worden. Nach einer Lösegeldzahlung von USD 2.000,00 sei der Erstbeschwerdeführer freigelassen worden. Aus Angst vor einer neuerlichen Entführung des Erstbeschwerdeführers oder des gemeinsamen Sohnes Hussein habe sie den Irak gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer und dem Sohn verlassen.

4.Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Erstbeschwerdeführer am 01.02.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers in arabischer Sprache niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.

Eingangs bestätigte der Erstbeschwerdeführer, die arabische Sprache zu verstehen und der Einvernahme in gesundheitlicher Hinsicht folgen zu können. Er habe bislang wahrheitsgemäße Angaben getätigt, hinsichtlich seines Geburtsdatums und seines Sohnes sei es zu Fehlern gekommen. Er sei tatsächlich am XXXX geboren.

Zur Person befragt legte der Erstbeschwerdeführer insbesondere dar, er habe im Irak neun Jahre die Grundschule besucht und anschließend seinen Wehrdienst abgeleistet. In der Folge habe er als Kraftfahrer gearbeitet und zuletzt mit Autoreifen gehandelt. Nebst seinem mitgereisten Sohn habe er noch eine Tochter, die bereits verheiratet sei und die sich im Irak aufhalte.

Befragt nach dem Grund für das Verlassen des Heimatstaates führte der Erstbeschwerdeführer aus, vor vier bis fünf Jahren sei sein Leben noch einfacher gewesen, er habe gearbeitet und der meisten seinen Lebensunterhalt verdient. Er habe in einem schiitischen Bezirk gelebt. Dort habe die Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq geherrscht, diese habe von ihm immer Geld verlangt. Eines Tages sei er entführt und 4 bis 5 Tage festgehalten worden. Die Entführer hätten ihn auf den Kopf geschlagen und verletzt. Das geforderte Lösegeld von USD 20.000,00 habe er nicht aufbringen können. Die Zweitbeschwerdeführerin habe schließlich seine Entlassung bewirkt, erwies er nicht wie. Nach seiner Rückkehr hätten die Drohungen nicht aufgehört, entweder müsse er zahlen oder er würde sterben.

Auf Nachfrage legte der Erstbeschwerdeführer dar, er sei zuletzt einen Monat vor der Ausreise bedroht worden. Der Entführung selbst sei etwa im Mai 2015 gewesen, genau könne er sich nicht erinnern. Dabei hätten bewaffnete Personen sein Geschäft aufgesucht und ihm mitgeteilt, etwas mit ihm erledigen zu wollen. Die Personen hätten behauptet, der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq anzugehören, er kenne sogar ihre Namen. Im Anschluss daran sei er als Sunnit bezeichnet und aufgefordert worden, Geld zu zahlen oder wegzugehen. Ihm sei mitgeteilt worden, dass er gut verdiene. Nach dem eine Zahlung abgelehnt habe, sei mit einer Eisenstange auf den Kopf geschlagen und dabei bewusstlos geworden. Die Bundeswehr anschließend von einem Arzt gewählt worden. Er sei in einem Lagerraum festgehalten worden, darin habe sich ein kleiner Schreibtisch und eine ölbetriebene Kochplatte befunden. An der Wand sei ein Foto von "Muktatah" und ein Foto eines Scheichs gehangen. Bei der Freilassung sei ihm nichts weiter mitgeteilt worden. Während seiner Anhaltung habe ein Mann der Zweitbeschwerdeführerin angeboten, ihn für USD 2.000,00 freizubekommen. Seine Frau habe diesen Betrag bezahlt.

5.Nach Zulassung des Verfahrens wurde auch die Zweitbeschwerdeführerin am 01.02.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers in arabischer Sprache niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.

Eingangs bestätigte die Zweitbeschwerdeführerin, die arabische Sprache zu verstehen und der Einvernahme in gesundheitlicher Hinsicht folgen zu können. Er habe bislang wahrheitsgemäße Angaben getätigt.

Zur Person befragt legte die Zweitbeschwerdeführerin insbesondere dar, sie habe im Irak zwölf Jahre die Schule besucht und diese mit Matura abgeschlossen. Im Irak habe sie als Friseurin gearbeitet.

Befragt nach dem Grund für das Verlassen des Heimatstaates führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, sie beziehe sich zunächst auf die vom Erstbeschwerdeführer vorgebrachten asylbegründende. Sie habe auch Angst um ihren mitgereisten Sohn. Zuletzt habe sie bis vor etwa zwei Jahren einen eigenen Friseursalon betrieben. Die Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq habe jedoch angeordnet, dass sich eine Frau nicht schminken und nicht frisieren lassen dürfe, deshalb sei auf das Geschäft geschossen worden. Sie sei aufgefordert worden, das Geschäft zu verlassen, dass er sich widersetzt habe, sei beim Verlassen des Geschäftes darauf geschossen worden. Bis zur Ausreise habe sie selbst keine Schwierigkeiten mehr gehabt.

Nach der Entführung des Erstbeschwerdeführers sei ein Mann zu ihr gekommen und habe ihr Vermittlungsdienste zur Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq angeboten und dafür USD 2000,00 für Fahrtkosten verlangt. Sie habe diese Summe bezahlt und der Erstbeschwerdeführer sei daraufhin freigelassen worden. Sie habe gleich gewusst, dass er Ehemann entführt worden sei, da er nur am Weg zum Supermarkt gewesen sei, um kurz einzukaufen.

6. Mit dem hier angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.03.2017, Zlen. XXXX , wurden die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den beschwerdeführenden Parteien gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wider die beschwerdeführenden Parteien eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Parteien in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers werde im Hinblick auf den Ausreisegrund als nicht glaubhaft erachtet. Entgegen seinem Vorbringen können den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat nicht entnommen werden, dass eine landesweite Verfolgung von Muslimen der sunnitischen Glaubensrichtung stattfinden würde. Das Vorbringen zur Entführung erweise sich als nicht plausibel und daher nicht glaubwürdig. Die Zweitbeschwerdeführerin habe vorgebracht, vor der Ausreise keinen Schwierigkeiten ausgesetzt gewesen zu sein, im Hinblick auf das vorgebrachte Schussattentat auf ihren Friseursalon sei ihr vorzuwerfen, sich nicht an die Sicherheitskräfte gewandt zu haben Darüber hinaus spreche der weitere Aufenthalt von Verwandten der beschwerdeführenden Parteien im Irak gegen eine aktuelle Bedrohung. Eine Rückkehr sei den beschwerdeführenden Parteien möglich und zumutbar.

7. Mit Verfahrensanordnung vom 28.03.2018 wurde den beschwerdeführenden Parteien gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

8. Gegen die den beschwerdeführenden Parteien am 30.03.2017 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die im Wege ihrer gewillkürten Vertretung eingebrachte gemeinsam Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, den angefochtenen Bescheid abzuändern und dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu geben und dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen und festzustellen, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig sei. Eventualiter wird ein Aufhebungsantrag gestellt und jedenfalls die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.

In der Sache bringen die beschwerdeführenden Parteien nach neuerlicher Darlegung des aus ihrer Sicht maßgeblichen Sachverhaltes vor, in ihrem Herkunftsstaat einer Verfolgung durch schiitische Milizen aus religiösen Gründen ausgesetzt zu sein. Der Erstbeschwerdeführer sei bei den Misshandlungen seiner Verfolger schwer verletzt worden, es werde in diesem Zusammenhang die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Unfallchirurgie und der Augenheilkunde beantragt. Die Milizen hätten die Tochter der beschwerdeführenden Parteien im Irak einige Male aufgesucht und nach den beschwerdeführenden Parteien gesucht. Die Tochter habe deshalb aus Angst ihre Arbeitsstelle verlassen müssen.

Der Zweitbeschwerdeführerin drohe ebenfalls Verfolgung aus religiösen Gründen und außerdem aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen. Sie sei wegen der Nichteinhaltung von Bekleidungsvorschriften wiederholt mit strenggläubigen Schiiten in Konflikt geraten. Sie könne sich im Irak nicht so verhalten und bewegen, wie dies einer Frau in Europa zustehe.

9. Die Beschwerdevorlage langte am 21.04.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

10. Mit Schriftsatz vom 12.04.2018 übermittelten die beschwerdeführenden Parteien ein Konvolut an Unterlagen zu ihrer Integration im Bundesgebiet.

11. Am 28.06.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein der beschwerdeführenden Parteien, ihrer rechtsfreundlichen Vertretung und eines Dolmetschers für die arabische Sprache durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde den beschwerdeführenden Parteien einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand aktueller Länderdokumentationsunterlagen erörtert, die den beschwerdeführenden Parteien ausgefolgt und eine Stellungnahme dazu freigestellt wurde. Die beschwerdeführenden Parteien brachten ihrerseits weitere Unterlagen zu ihrer Integration im Bundesgebiet und Ablichtungen zweiter Schriftstücke in arabischer Sprache in Vorlage, die in der Folge amtswegig einer Übersetzung zugeführt wurden.

12. Mit Schriftsatz vom 12.07.2018 nahmen die beschwerdeführenden Parteien zu den ihnen ausgefolgten Länderdokumentationsunterlagen Stellung und brachten - soweit hier von Relevanz - lediglich vor, widerspruchsfreie und glaubwürdige Angaben getätigt zu haben.

13. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.08.2018 wurde Dr. Robert LAMPERCHT, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierte Sachverständiger für Gerichtsmedizin, zum Sachverständigen bestellt und mit der Erstellung von Befund und Gutachten zum Vorbringen des Erstbeschwerdeführer betreffend die vorgebrachten Verletzungen bzw. Misshandlungen im Herkunftsstaat beauftragt.

14. Das Gutachten vom 18.09.2018 langte am 21.09.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

15. Zur Vorbereitung der für den 27.09.2019 anberaumten mündlichen Verhandlung wurden der rechtsfreundlichen Vertretung der beschwerdeführenden Parteien mit Noten des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.09.2019 und vom 17.09.2019 aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zur allgemeinen Lage im Irak sowie das Gutachten des Dr. Robert LAMPERCHT vom 18.09.2018 zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu innerhalb einer Frist schriftlich Stellung zu nehmen. Unter einem wurde den beschwerdeführenden Parteien mitgeteilt, dass eine ergänzende Einvernahme nicht beabsichtigt sei und deshalb ein Erscheinen freigestellt werde.

16. Die beschwerdeführenden Parteien übermittelten am 25.09.2019 eine Stellungnahme, worin neuerlich auf die Gefährdung der beschwerdeführenden Parteien aufgrund ihres sunnitischen Religionsbekenntnisses hingewiesen wird. Die Zweitbeschwerdeführerin mache "eine Verfolgung als Angehörige der sozialen Gruppe der Frauen geltend".

17. Am 27.09.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein der rechtsfreundlichen Vertretung der beschwerdeführenden Parteien sowie (infolge der Verbindung der gegenständlichen Verfahren mit dem Verfahren L521 2153731-2 zur gemeinsamen Verhandlung) der rechtsfreundlichen Vertretung und des Erwachsenenvertreters ihres Sohnes XXXX , durchgeführt.

Im Verlauf dieser Verhandlung wurde einerseits das Gutachten des Dr. Robert LAMPERCHT vom 18.09.2018 ebenso wie die aktuelle Lageentwicklung im Irak anhand der im Vorfeld übermittelnden Länderdokumentationsunterlagen erörtert. Darüber hinaus wurde die Rechtslage im Hinblick auf die mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.07.2019, Zl. XXXX , erfolgte Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Ansehung des XXXX erörtert.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen mündlich verkündet und seitens der beschwerdeführenden Parteien mit Eingabe vom 09.10.2019 die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen, er ist Staatsangehöriger des Irak und Angehöriger der arabischen Volksgruppe. Der Erstbeschwerdeführer wurde am XXXX in Bagdad geboren und lebte dort bis zur Ausreise im Bezirk XXXX in einem gemieteten Haus. Der Erstbeschwerdeführer ist Moslem und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam, bezeichnet sich jedoch nicht als religiös. Der Erstbeschwerdeführer ist mit der Zweitbeschwerdeführerin seit dem Jahr 1992 verheiratet und Vater des im Bundesgebiet aufhältigen XXXX .

Der Erstbeschwerdeführer besuchte in XXXX die Grundschule im Ausmaß von neun Jahren und trat anschließend in die irakische Armee ein, wo er bis in das Jahr 1991 diente. Nach seiner Entlassung war der Erstbeschwerdeführer zunächst einige Jahre als Kraftfahrer erwerbstätig. Zuletzt handelte er 22 Jahre lang als selbständiger Unternehmer grenzüberschreitend mit Autoreifen und war dabei wirtschaftlich erfolgreich.

Der Erstbeschwerdeführer ist übergewichtig und leidet an Bluthochdruck, Diabetes mellitus Typ 2 und einer Beeinträchtigung seines Sehvermögens. Er nimmt ein cholesterinsenkendes Medikament und ein Medikament mit antidiabetischem und blutzuckersenkenden Wirkstoff zur Behandlung der Zuckerkrankheit ein. Ansonsten ist der Erstbeschwerdeführer gesund. Er erlitt an einem nicht feststellbaren Zeitpunkt vor der Einreise eine Rissquetschwunde an der Stirn infolge eines Schlages auf den Kopf. Nähere Feststellungen zur Zustandekommen der Verletzung können nicht getroffen werden.

Die Eltern des Erstbeschwerdeführers sind bereits verstorben, ebenso wie zwei seiner drei Schwestern und zwei seiner fünf Brüder. Ein überlebender Bruder lebt in Bagdad und arbeitet im irakischen Agrarministerium. Ein weiterer überlebender Bruder des Beschwerdeführers lebt als Asylberechtigter in Deutschland. Zu einem weiteren überlebenden Bruder unterhält der Erstbeschwerdeführer keinen Kontakt, sein Aufenthaltsort ist ihm nicht bekannt. Die überlebende Schwester des Erstbeschwerdeführers lebt in Australien.

Der Erstbeschwerdeführer verfügt außerdem über eine verheiratete Tochter, die mit ihrem Ehemann im Irak und dort im Gouvernement Diyala lebt. Die Tochter des Erstbeschwerdeführer hat einen zweijährigen Sohn.

Am 29.05.2015 verließ der Erstbeschwerdeführer den Irak gemeinsam mit der Zweitbeschwerdeführerin und dem gemeinsamen Sohn XXXX legal im Luftweg von Bagdad ausgehend nach Izmir und gelangte in der Folge schlepperunterstützt auf dem Seeweg nach Griechenland und weiter nach Österreich, wo er am 17.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2. Die Zweitbeschwerdeführerin führt den im Spruch angeführten Namen, sie ist Staatsangehörige des Irak und Angehörige der arabischen Volksgruppe. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am XXXX in Bagdad geboren und lebte dort bis zur Ausreise im Bezirk XXXX in einem gemieteten Haus.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist Moslemin und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Sie ist seit dem Jahr 1992 mit dem Erstbeschwerdeführer verheiratet und Mutter des im Bundesgebiet aufhältigen XXXX .

Die Zweitbeschwerdeführerin besuchte in XXXX die Grundschule und eine höhere Schule im Ausmaß von zwölf Jahren und erlangte die Matura. Die Zweitbeschwerdeführern erlernte außerdem das Handwerk der Damenfriseurin und war als solche berufstätig, in den letzten beiden Jahren vor der Ausreise eigenen Angaben zufolge nur mehr im häuslichen Rahmen und für ihr persönlich bekannte Kundinnen.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist - von gelegentlichen Verdauungsstörungen abgesehen - gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung.

Die Eltern der Zweitbeschwerdeführerin und ihre zwei Brüder und zwei Schwestern leben im Irak und dort in XXXX . Ihre Mutter bezieht eine Pension, mit der sie ihr Auskommen und das Auskommen des nicht pensionsberechtigten Vaters bestreitet. Die Geschwister der Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und leben bei ihren Familien, ihre Schwestern führen jeweils den Haushalt, ihre Brüder sind als Hilfsarbeiter erwerbstätig.

Die Zweitbeschwerdeführerin verfügt außerdem über eine verheiratete Tochter, die mit ihrem Ehemann im Irak und dort im Gouvernement Diyala lebt. Ihre Tochter hat einen zweijährigen Sohn.

Am 29.05.2015 verließ die Zweitbeschwerdeführerin den Irak gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer und dem gemeinsamen Sohn XXXX legal im Luftweg von Bagdad ausgehend nach Izmir und gelangte in der Folge schlepperunterstützt auf dem Seeweg nach Griechenland und weiter nach Österreich, wo sie am 17.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.3. Die beschwerdeführenden Parteien gehörten keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatten in ihrem Herkunftsstaat keine Schwierigkeiten aufgrund ihrer arabischen Volksgruppenzugehörigkeit. Die beschwerdeführenden Parteien hatte außerdem vor seiner Ausreise keine Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften seines Herkunftsstaates zu gewärtigen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer vor der Ausreise von Mitgliedern der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq aus konfessionellen Gründen entführt und misshandelt wurde.

Es kann abseits davon nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien vor ihrer Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat einer anderweitigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsregion einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

Die beschwerdeführenden Parteien sind im Fall einer Rückkehr nach auch nicht einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund ihres Bekenntnisses zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam ausgesetzt.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist im Fall einer Rückkehr nach Bagdad auch nicht einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund ihres weiblichen Geschlechts ausgesetzt. Es kann nicht festgestellt werden, dass ein von der Zweitbeschwerdeführerin betriebener Friseursalon im Jahr 2013 beschossen wurde.

1.4. Den beschwerdeführenden Parteien droht im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung der beschwerdeführenden Parteien festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.

1.5. Die beschwerdeführenden Parteien sind arbeitsfähige Menschen mit im Herkunftsstaat erworbener Schulbildung und mehrjähriger Berufserfahrung als selbständiger Reifenhändler bzw. als Damenfriseurin. Ihnen ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung ihres Auskommens im Rückkehrfall möglich und zumutbar.

Die beschwerdeführenden Parteien verfügen über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherte Existenzgrundlage in ihrer Herkunftsregion sowie über familiäre Anknüpfungspunkte. Die Zuckerkrankheit des Erstbeschwerdeführers kann in Bagdad angemessen und gegen eine leistbare Gebühr behandelt werden.

1.6. Die beschwerdeführenden Parteien verfügen über irakische Identitätsdokumente (Personalausweis, Staatsbürgerschaftsnachweis) im Original.

1.7. Dem zum Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet am 17.06.2015 noch minderjährigen Sohn der beschwerdeführenden Parteien, XXXX , wurde während des anhängigen Beschwerdeverfahrens mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.07.2019, Zl. XXXX , aufgrund seiner schweren psychischen Erkrankung rechtskräftig der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt. Seinem Antrag auf internationalen Schutz wurde bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit diesem Bescheid abgewiesen. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 27.09.2019 keine Folge, wobei seitens des (von einem anderen rechtsfreundlichen Vertreter vertretenen) XXXX keine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses verlangt wurde.

1.8. Zur gegenwärtigen Lage im Gouvernement Bagdad werden folgende Feststellungen getroffen:

Das Gouvernement Bagdad ist das mit ca. 4.555 km² flächenmäßig kleinste Gouvernement des Landes und beherbergt die gleichnamige irakische Hauptstadt Bagdad. In Bagdad lebten 2018 offiziell schätzungsweise 8,1 Millionen Menschen. Obwohl Bagdad das kleinste Gouvernement im Irak ist, hat es die höchste Einwohnerzahl von allen Gouvernements. 87% der Bevölkerung des Gouvernements leben in der Stadt Bagdad selbst. Die Hauptstadt ist das wichtigste Wirtschaftszentrum des Landes und beherbergt die stark geschützte grüne Zone.

Die Stadt Bagdad ist in neun Verwaltungsbezirke gegliedert: Adhamiyah, Karkh, Karada, Khadimiyah, Mansour, Sadr City, Al Rashid, Rasafa und 9 Nissan ('new Baghdad'). Die restliche Fläche des Gouvernements beherbergt die Verwaltungsbezirke Al Madain, Taji, Tarmiyah, Mahmudiyah und Abu Ghraib, die den sogenannten "Bagdad Belt" bilden und die Vororte beherbergen.

Gouvernement und Stadt Bagdad weisen eine gemischte Bevölkerung aus Schiiten und Sunniten mit einer geringeren Anzahl christlicher Gemeinschaften auf. Während die meisten Stadtteile in Bagdad in der Vergangenheit von einer Mischung aus Sunniten und Schiiten bewohnt waren, führte die gewaltsame Säuberung im Zuge der konfessionellen Konflikte insbesondere in den Jahren 2006 und 2007 dazu, dass die Stadt viel stärker religiös geteilt und von den Schiiten dominiert zu sein scheint (siehe dazu im Detail unten 1.10 "Lage von sunnitischen Arabern in Bagdad").

Die Einheiten der irakischen Armee in Bagdad unterstehen Führung des Baghdad Operations Command (BOC), das in zwei Gebiete unterteilt ist, das Karkh Area Command und das Rusafa Area Command. Die Special Forces Division (SFD) des Premierministers ist für die Sicherheit in der grünen Zone und den Schutz des Premierministers verantwortlich und kann vom Verteidigungsministerium, dem BOC, dem Joint Operations Command (JOC) sowie dem Premierminister selbst eingesetzt werden. Die SDF wird auch für Sicherungsaufgaben in Bagdad herangezogen, insbesondere während der schiitischen Pilgerreisen.

Dem Karkh Area Command untersteht die 6. irakische Armeedivision mit verschiedenen Brigaden, die in und außerhalb der Stadt stationiert sind. Die dem Rusafa Area Command unterstehende 9. Irakische Armeedivision ist derzeit nicht in Bagdad stationiert. Die Bundespolizei des irakischen Innenministeriums ist in Bagdad durch drei Bundespolizeidivisionen vertreten. Die 1. Federal Police Division sichert die südwestliche, westliche und südöstliche Kanalzone von Bagdad. Die 2. Federal Police Division, die einzige mechanisierte Division der Bundespolizei in Bagdad, wird hauptsächlich zur Terrorismusbekämpfung in Bagdad und den Bagdad-Belts, zur Sicherung von Pilgerwegen und zu Aufgaben in Zusammenhang mit der Strafverfolgung herangezogen. Die 4. Federal Police Division deckte das südliche Bagdad und Gebiete südlich der Hauptstadt ab und betreibt das Gefängnis in Karkh. Ergänzend steht westlich von Bagdad die 3. Brigade der Emergency Response Division (ERD) zur Verfügung. Die Stadt Bagdad und die Vororte werden grundsätzlich von den irakischen Behörden kontrolliert. In der Praxis teilen sich die Behörden jedoch die Verteidigungs- und Strafverfolgungsaufgaben mit den schiitisch dominierten Milizen der Volksmobilisierungseinheiten (al-hashd al-sha'bi, engl.: popular mobilization units, PMU oder popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF), was zu einer "unvollständigen" oder überlappenden Kontrolle mit diesen Milizen führt. Für die Jahre 2014 und 2015 liegen Berichte vor, wonach Einheiten der PMF an Misshandlungen und Morden an Zivilisten und Sunniten im Zusammenhang mit Operationen gegen den Islamischen Staat in den Bagdad-Belts beteiligt waren.

Seit dem Eintritt der militärischen Niederlage des Islamischen Staates im Dezember 2017 gibt es in Bagdad und anderen Landesteilen weniger Angriffe des Islamischen Staates mit großer Breitenwirkung. Der Islamische Staat verfügt weiterhin über aktive Zellen im nördlichen und westlichen Bagdad-Belt, diese befinden sich jedoch erheblichen Verlusten im Jahr 2017 in einem inaktiven Zustand. Seit dem Jahr 2018 sind Bagdad und die Bagdad-Belts kein prioritäres Operationsgebiet des Islamischen Staates mehr und ist der Islamische Staat nicht mehr für den überwiegenden Teil der Gewalttätigkeiten in der irakischen Hauptstadt verantwortlich. Die Möglichkeit, Anschläge auch im Zentrum der irakischen Hauptstadt zu verüben, dürfte nach wie vor gegeben sein, allerdings befindet sich die verbliebenen Anhänger des Islamischen Staates in einer Phase der Neuaufstellung.

Wenn der Islamische Staat die Verantwortung für Angriffe übernimmt, werden die Opfer entweder als "Abtrünnige" oder "Rafida" (eine abfällige Bezeichnung für schiitische Muslime) oder als bewaffnete Akteure bezeichnet, obwohl die Opfer möglicherweise Zivilisten sind. Der Islamische Staat übertreibt das häufig die Verluste, die seine Anschläge nach sich ziehen.

Die nachstehende Grafik zeigt, dass die Anzahl der zivilen Opfer von Gewaltakten in Bagdad in den Jahren 2017 und 2018 gegenüber den Vorjahren signifikant gesunken ist und wieder das Niveau vor dem Erstarkten des Islamischen Staates erreicht hat (Anmerkung: Die Datenbank Iraq Body Count kommt zu abweichenden Werten, siehe dazu die weitere Grafik).

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Die folgende Grafik veranschaulicht die Entwicklung der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Gouvernement Bagdad und Anzahl der Opfer nach der Datenbank Iraq Body Count, wobei die Darstellung jedwede Art von Gewaltanwendung (insbesondere Bombenanschläge, Selbstmordattentate, Attacken mit Schusswaffen und außergerichtliche Tötungen) umfasst.

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Die Verwaltungsbezirke mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu zivilen Todesfällen führten, waren im Jahr 2018 Adhamiya mit 78 sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu 94 zivilen Todesfällen führten, gefolgt von Resafa (einschließlich Thawra 1 & 2) mit 77 sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu 161 zivilen Todesfällen führten, gefolgt von und Mada'In mit 63 sicherheitsrelevanten Vorfällen, bei denen 69 Zivilisten ums Leben kamen. Die höchste Rate an Todesfällen pro 100.000 Einwohner) wurden im Vorort Tarmia (35,80) verzeichnet, gefolgt von Mada'in (15,91) und Adhamiya (8,25). Die meisten von der Iraq Body Count im Jahr 2018 im Gouvernement Bagdad erfassten Vorfälle betrafen Schießereien (46,4%), gefolgt von Morden ("executions") (30,6%) und die Verwendung improvisierter Sprengsätze (20,7%).

Dem Experten Michael Knights zufolge ereigneten sich in Bagdad 2018 die wenigsten Terroranschläge von -Jihadisten seit dem Jahr 2003. Anschläge des Islamischen Staates sind in der Stadt selbst "mehr oder weniger verschwunden", in den Bagdad-Belts sind die Anschläge des islamischen Staates zurückgegangen. Derzeit verhält sich der Islamische Staate in Bagdad und den Bagdad-Belts unauffällig und hat 2018 nicht viele Operationen durchgeführt. Wenn Angriffe verübt werden, handelt es sich meistens um Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen. Der Islamische Staat ist wahrscheinlich nicht für den Großteil der Gewalt in Bagdad verantwortlich. Das Institute for the Study of War geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass die derzeit registrierten Gewaltakte in Bagdad im Zusammenhang mit kriminellen und politischen Auseinandersetzungen (unter letztes fallen politische Einschüchterung, gezielte Attentate usw.) und nicht mit dem Islamischen Staat stehen. Auch der Experte Michael Knights geht davon aus, dass meisten Gewalttaten in Bagdad nicht dem Islamischen Staat zuzuschreiben sind. Quellen besagen, dass der Islamische Staat seine Aktivitäten derzeit nur im Bagdad-Belt und in den Randgebieten der angrenzenden Gouvernements entfaltet, anstatt in der Stadt selbst. Der Experte Joel Wing gab an, dass die gewalttätigsten Vorfälle mit improvisierten Sprengsätzen und Schießereien, die er aufzeichnete, Medienberichten zufolge im äußersten Norden und Süden von Bagdad und in geringerem Maße im Westen vorkommen. Das Institute for the Study of War stellte fest, dass die intensiveren Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen im nördlichen und nordwestlichen Teil der Stadt Bagdad (Kadhimiyah, Adahamyah) und im Vorort Tarmia (nördlich von Bagdad) verübt werden. Nur einige Vorfälle ereigneten sich in Bagdad westlich des Tigris - Karadah und Neu-Bagdad / al-Nissan und östlich des Tigris (Rusafa, Karkh, Rasheed und Mansour) sowie in Doura, jedoch in geringerer Intensität.

Das Institute for the Study of War kommt in seiner Analyse zum Ergebnis, dass "überwiegende Mehrheit" der Gewaltakte in Bagdad im Jahr 2018 "politische Gewalt" darstellte, die im Allgemeinen politische Einschüchterungen, bewaffnete Scharmützel und gezielte Morde unter Schiiten vor dem Hintergrund des anhaltenden politischen Wettbewerbs und der Regierungsbildung nach den Wahlen im Mai 2018 umfasste. In ähnlicher Weise erklärt der Experte Michael Knights, dass der Haupttrend bei der Gewalt in Bagdad darin besteht, dass es sich fast ausschließlich um persönliche, gezielte oder kriminelle Gewalt handelt, die in erster Linie den Einsatz von Kleinwaffen, Erpressung, Einschüchterung, improvisierte Sprengsätze oder Granaten, Schießereien, Raubüberfälle und andere Erscheinungsformen organisierter Kriminalität umfasst. Diese Aktivitäten dienen dem Experten zufolge in erster Linie der Einschüchterung und Gewalt gegen Zivilisten, um Geld zu verdienen, Zivilisten zu vertreiben, die als Außenseiter angesehen werden, oder um politische Gegner oder Menschen mit einer anderen ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit zu vertreiben oder ist gegen Personen gerichtet, die aufgrund ihres Lebensstils oder ihrer vorherigen Beteiligung an Verbrechen oder bewaffneten Konflikten exponiert sind. Er erwähnte auch, dass die politischen Spaltungen unter den Schiiten derzeit einen Großteil der Gewalt in den schiitischen Gebieten von Bagdad und Basrah ausmachen.

Die Expertin Geraldine Chatelard hebt hervor, dass Milizen in Bagdad häufig von Sunniten und Minderheiten der Gewalt beschuldigt werden, Morddrohungen, Entführungen, gezielte Attentate oder die Übernahme von Gebäuden von rechtmäßigen Eigentümern verübt zu haben, dies unter Hinweis darauf, dass sogar Schiiten Opfer von Erpressung und Tötung geworden sind. Der Expterte Michael Knights weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Sunniten und Christen in erster Linie befürchten, von schiitischen Milizen in Bagdad erpresst oder entführt zu werden, jedoch Quellen davon berichteten, dass die Zuweisung der Verantwortung für bestimmte Angriffe zu bestimmten Täter in Bagdad schwierig ist und insbesondere Sprengstoff sowohl zu politischen als auch zu kriminellen Zwecken eingesetzt wird, um Ziele anzugreifen und einzuschüchtern. Den PMF-Milizen werden dabei "enge Verbindungen zu kriminellen Banden" zugeschrieben, die Unterscheidung zwischen beiden ist nicht immer klar.

Der Experte Michael Knights vertritt zur Sicherheitslage allgemein die Ansicht, dass in der Stadt Bagdad die Gebiete sicherer sind und weniger Raum für offene Gewalt wie z.B. improvisierte Sprengsätze oder Raubüberfälle bieten, in denen sich die irakischen Streitkräfte auf die Bewachung wichtiger Standorte konzentrieren - etwa die Verwaltungsbezirke Karkh, Doura und Mansour. Dort wo die irakischen Streitkräfte weniger dominant ist und bewaffnete Akteure wie kriminelle Banden und Milizen Revierkämpfe führen und um Einfluss konkrurrieren, ist die Sicherheitslage entsprechend angespannter, wie in Kadhimiyah, Jihad, Bayaa und Karadah. Er vertrat die Ansicht, dass die "schlimmsten Sicherheitsbereiche" in der Stadt Adhamiyah, New Bagdad und Sadr City seien.

Milizen sind auch in bewaffnete Zusammenstöße zwischen ihnen selbst und den regulären Sicherheitskräften verwickelt, die laut Michael Knights im Jahr 2018 im Zentrum der Hauptstadt und in östlich gelegenen Gebieten mehrmals stattfanden. Ein Vorfall zog mediale Aufmerksamkeit nach sich: Am 20. Juni 2018 stoppte die irakische Polizei ein Auto in der Innenstadt von Bagdad, das Angehörigen der von Iran unterstützten Miliz Kataib Hezbollah ("Hisbollah-Brigaden") gehörte. Ein Hisbollah-Konvoi mit fünf Fahrzeugen traf ein und begann auf die Polizei zu schießen, was zu einem Feuergefecht führte, bei dem zwei Offiziere und ein Milizionär verletzt wurden. Die Polizei umzingelte daraufhin das Hauptquartier der Kataib Hezbollah, bis der Schütze der Polizei übergeben wurde. Der Vorfall spiegelt den möglichen Machtkampf zwischen irakischen Sicherheitskräften (Armee, Bundespolizei, örtliche Polizei) und PMF-Milizen wider.

EASO hat die folgenden sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2018 exemplarisch identifiziert:

Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen und Bomben

Bagdad wurde in der Vergangenheit vom Islamischen Staat wegen der Bevölkerungskonzentration bevorzugt angegriffen, da die großen Menschenansammlungen die Möglichkeit geboten haben, mit einem Bombenanschlag eine große Anzahl von Opfern zu treffen. 2018 sind solche Anschläge jedoch zurückgegangen. Noch im Jahr 2017 verfolgte der Experte Michael Knights eine hohe Anzahl von Angriffen mit Hilfe von improvisierten Sprengsätzen auf Märkte und Geschäfte in Bagdad. Die Anzahl der Angriffe dieser Art ging jedoch im weiteren Verlauf des Jahres 2018 zurück. Das Institute for the Study of War stellte fest, dass ein in Bagdad im Jahr 2018 festgestellter charakteristischer Angriff des Islamischen Staates darin bestand, Sprengsätze gegen kleine Personenbusse einzusetzen, die jeweils etwa zehn Personen befördern und die in ganz Bagdad zum Straßenbild gehören. Diese Busse wurden im Islamischen Staat im Jahr 2018 mehrmals mit improvisierten Sprengsätzen angegriffen, was zwar nur minimale Verluste, aber Einschüchterungen der Zivilbevölkerung zur Folge hatte.

Noch im Januar 2018 sprengten sich zwei Selbstmordattentäter auf dem überfüllten Tayran-Markt in Bagdad und töteten dabei mindestens 38 Menschen und verletzten bis zu 90 Menschen. Der Angriff schockierte die Bevölkerung von Bagdad, da er nach einem signifikanten Rückgang solcher Angriffe in Bagdad. Er wurde vom Guardian als der schwerste Angriff auf Bagdad seit der Erklärung des Sieges über den Islamischen Staat beschrieben. Beispiele für andere explosive Angriffe im Jahr 2018 sind die folgenden:

- In Rashidiya explodierte im Januar 2018 eine Bombe, ein Milizionär der PFM wurde getötet und zwei weitere wurden verletzt wurden.

- Am 23. Januar 2018 wurde ein Soldat getötet und zwei weitere verletzt, als eine irakische Militärpatrouille in Tarmiya nördlich von Bagdad von einer Straßenbombe getroffen wurde.

- Am 16. Mai 2018 wurden 5 Menschen getötet und 10 verletzt, als ein Selbstmordattentäter ein schiitisches Begräbnis in Tarmiya angriff.

- Am 23. Mai 2018 verübte der Islamische Staat einen Selbstmordanschlag in der Shula-Region, bei dem Angaben des Islamischen Staates zufolge 33 Menschen getötet und verletzt wurden. Die irakischen Medien berichteten demgegeneüber, dass vier Menschen getötet und 15 verletzt wurden.

- Der Islamische Staat meldete im August 2018 5 Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen auf Kleinbusse in Bagdad in den Distrikten Amil, Shula, Turath und Baladiyat. 669 Zwei dieser Angriffe töteten und verletzten 12 schiitische Muslime.

- Im Juni 2018 wurden 17 Menschen bei einer Explosion eines Waffenlagers der Miliz von Muqtada al Sadr getötet und 80 verletzt. Berichten zufolge wurden die Waffen in einer Moschee aufbewahrt, die von Sadr-Anhängern benutzt wurde.

- Eine Explosion auf einem Markt in Sadr City am 14. August 2018 wurde von einer Quelle im Sicherheitsapparat auf kriminelle Gründe zurückgeführt. Dabei wurden drei Menschen getötet und vier verletzt.

- Ein improvisierter Sprengsatz, der auf Schiiten im Bezirk Jihad (West-Bagdad) abzielt, tötete Berichten zufolge im September 2018 vier Menschen in der Nähe eines Einkaufszentrums.

- Am 25. September 2018 wurde in den folgenden Bezirken eine Reihe von Explosionen gemeldet, die zu Opfern führten: Al Jadid (New Bagdad) östlich von Bagdad (1 Tote, 2 Verletzte), al Shaab nördlich von Bagdad (2 Tote) und al-Baayaa westlich von Bagdad (2 Tote) .Der Islamische Staat übernahm am 25. September 2018 die Verantwortung für fünf improvisierte Sprengsätze gegen Shula, Kadhimiyah (Nord-Bagdad), Shaab und Bataween (Rusafa), und den Bezirk Bayaa (Zentral-Bagdad), dabei wurden 3 Zivilisten getötet.

- Am 1. und 2. Oktober 2018 forderten zwei improvisierte Sprengsätze in Shaab und Al Jadid einen Toten und mehrere Verwundete. Dem Islamischen Staat zufolge sei die Zahl der Opfer bei diesen beiden Angriffen viel höher gewesen und habe mehr als 50 Tote und Verwundete betragen.

- Am 7. Oktober 2018 wurden bei einer Reihe von Angriffen auf verschiedene Vororte in Bagdad (Abu Dshir, 17 km südlich von Bagdad, Abu Ghraib, 44 km westlich von Bagdad und im Norden von Bagdad) vier Personen getötet und fünf verletzt.

- Am 4. November 2018 wurden bei einer Serie von fünf improvisiertem Sprengsätzen in verschiedenen Gebieten des Gouvernements 8 Personen getötet und 14 verletzt. Eine andere Quelle berichtete von 7 Toten und 16 Verletzten. Der Islamische Staat behauptete jedoch, es seien bei den von ihm verübten Anschlägen mehr als 50 Opfer zu beklagen gewesen.

Beispiele für bewaffnete Zusammenstöße im Jahr 2018 sind die folgenden:

- Unbekannte bewaffnete Personen eröffneten das Feuer im Stadtteil Jihad im Westen von Bagdad und töteten im Januar 2018 einen lokalen Bürgermeister.

- Der Islamische Staat ermordete 8 Zivilisten bei einem Angriff auf den Vorort Tarmia im Mai 2018; die Opfer stellten Werbung für die Parlamentswahl auf; der Islamische Staat bezeichnete sie als Mitglieder einer Stammesmiliz.

- Bei einem weiteren, nächtlichen Angriff des Islamischen Staates auf den Vorort Tarmia Anfang Mai 2018 wurden 21 Mitglieder eines lokalen Stammes (18 Männer, 2 Frauen und ein Kind) getötet. Sämtliche Opfer waren Mitglieder des Albu-Faraj-Stammes, der ein überzeugter Gegner des Islamische Staates in der Region ist. Die Mitglieder sind Teil der lokalen sunnitischen Miliz und der PMF, die zur Verteidigung gegen des Islamischen Staat gegründet wurden. Die Angreifer des Islamischen Staates trugen Armeeuniformen und gingen zunächst gegen einen Anwalt vor, von dem bekannt war, dass er Opfern des Islamischen Staates half, und töteten ihn in seinem Haus. Als andere Dorfbewohner kamen, um zu helfen, eröffneten sie das Feuer, töteten und verletzten sie und zogen sich zurück, bevor die Armee eintraf, um sie zu fassen.

In Bagdad gab es mehrere Morde an Persönlichkeiten, die in sozialen Medien bekannt geworden waren, ohne dass die Täter identifiziert und einer bestimmten Gruppierung zugeordnet werden konnten.

- Tara Fares, bekannt aus Instagram, die in den sozialen Medien über persönliche Freiheit berichtet, wurde am 27. September 2018. in Bagdad erschossen, als sie in ihrem Porsche fuhr.

- Im Jahr 2017 wurde Karar Nushi, ein männliches Model, das Morddrohungen wegen seiner langen Haare und seiner engen Kleidung erhalten hatte, in der Palästina-Straße erstochen aufgefunden, wobei sein Körper Anzeichen von Folter zeigte.

- Hammoudi al-Meteiry, ein 15-jähriger und als "König von Instagram" bezeichneter Jugendlicher, der Berichten zufolge wegen seiner Homosexualität von unbekannten Tätern getötet wurde.

Der Islamische Staat gab bekannt, Scheichs und Stammesführer angegriffen zu haben, die die Parlamentswahlen im Mai 2018 unterstützten. Im Mai 2018 behauptete der Islamische Staat, er habe das Haus eines wahlfördernden Stammesführers mit einer Bombe angegriffen zu haben; es ist unklar, ob diese dabei getötet wurde. Folgende weiteren Angriffe wurden dem Islamischen Staat zugeschrieben:

- Am 27. Februar 2018 wurden vier Mitglieder der Sahwa-Bewegung von unbekannten Tätern im Norden Bagdads erschossen. Einer wurde getötet, die anderen drei verwundet.

- Am 1. März 2018 wurde ein ehemaliger Beamter der Sahwa-Bewegung durch eine Bombe in Bagdad getötet.

- Am 29. April 2018 wurde ein Führer der PMF, Qassim Al-Zubaidi, bei einem Attentat in der Innenstadt von Bagdad verletzt. Stunden zuvor wurde ein Wahlkandidat der Rechtsstaat-Koalition nördlich von Bagdad getötet.

- Am 22. Juni 2018 gab der Islamische Staat bekannt, einen Stammesführer in al-Zour in der Nähe von Tarmia nördlich der Hauptstadt getötet zu haben, weil er die Parlamentswahlen unterstützt hatte.

- Am 8. Juli 2018 wurden ein Kommandeur der Stammesmiliz und einer seiner Begleiter bei einem Bombenangriff in Nordbagdad verwundet.

- Am 19. Juli 2018 wurde ein Angehöriger der Sicherheitskräfte bei einem Angriff mit einer auf der Straße platzierten Bombe auf ihn in Tarmia im Norden von Bagdad verwundet.

- Am 2. August 2018 wurde mit einer am Straßenrand platzierten Bombe ein Fahrzeug der Sicherheitskräfte in der Region Sabaa al-Bour nördlich von Bagdad angegriffen. Eine Person wurde getötet, eine andere verletzt.

Im Januar 2018 erklärte der Direktor des Medienbüros des BOC, dass die Sicherheitskräfte in der Hauptstadt Fortschritte in Bezug auf das Sammeln von Informationen über den Islamischen Staat gemacht hätten und dass sich Militäreinsätze im Bagdader Gürtel positiv auf die Sicherheitslage ausgewirkt hätten. Der Direktor kündigte ferner den Bau eines Sicherheitszauns um Bagdad mit Sicherheitstoren an, um Aufständische daran zu hindern, in die Stadt einzusickern.

Dem Institute für the Study of War zufolge hat sich BOC im vergangenen Jahr auf die Bagdad-Belts konzentriert, was zu dem Rückgang der Angriffe in Bagdad beigetragen hat. Im Allgemeinen sei es den Sicherheitskräften gelungen, die Rückkehr weitverbreiteter Gewalt nach Bagdad im Jahr 2018 zu verhindern. Dieser Erfolg zeigt sich in der allgemeinen Abnahme von Gewaltereignissen im vergangenen Jahr. Politische Gewalt stelle nach wie vor die größte Herausforderung dar, dazu komme Destabilisierung angesichts der anhaltenden Blockade der neuen irakischen Regierung unter dem irakischen Premierminister Adel Abdul-Mahdi. Die PMF und andere lokale Sicherheitskräfte in Bagdad würden häufig eher auf politische Akteure reagieren, als auf den institutionellen staatlichen Sicherheitsapparat.

Die Expertin Geraldine Chatelard erklärt, dass die Wirksamkeit des Schutzes der Zivilbevölkerung vor verschiedenen Formen von Gewalt vom politischen Willen der beteiligten Akteure abhängen kann. Schutzbemühungen werden durch die Situation vor Ort untergraben, in der PMF-Milizen auf Befehl ihrer eigenen Kommandos handeln und nicht der irakischen Regierung, weil sie verschiedenen politischen Anwärtern oder iranischen Gönnern gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Die Regierung könne Erscheinungen von "Gesetzlosigkeit und Kriminalität" seitens der Milizen derzeit nicht wirksam begegnen. Der Experte Michael Knights geht davon aus, dass Gesetzesverstöße von Milizen auch derzeit folgenlos bleiben. Landinfo schätzt die Lage in Bagdad so ein, dass Milizen weiterhin Bewegungsfreiheit zukommt und sie über Verbindungen zur Polizei verfügen und an Kontrolle, Verhaftung, Bestrafung bzw. Entführung von Personen ebenso beteiligt sind, wie an anderweitigen an kriminellen Aktivitäten. In den Bagdad-Belts haben die Milizen mehr Handlungsspielraum, dort können sie den Einheimischen das Recht verweigern, in ihre Häuser zurückzukehren. Die PMF-Milizen sind dessen ungeachtet populär und haben sowohl formelle als auch informelle Macht. Sie konzentrieren sich auch auf den Wiederaufbau. In Bagdad wurde etwa ihre Rolle beim Wiederaufbau einer medizinischen Klinik beworben. Manchmal wenden sich die Einheimischen, auch in Bagdad, an die Milizen der Nachbarschaft, anstatt an die Polizei, um Gerechtigkeit zu suchen.

Michael Knights zufolge gibt es eine große Konzentration von Sicherheitskräften, einschließlich der in Bagdad stationierten Armee, die seiner Ansicht nach angemessen und aktiv geführt werden und über adäquate Beratung und nachrichtendienstliche Unterstützung verfügen. Die Androhung bzw. Zufügung von Gewalt in Bagdad erfolge derzeit eher "persönlich und gezielt" und weniger "situativ" (Anwesenheit am falschen Ort / zum falschen Zeitpunkt). Das Institute for the Study of War erklärte, dass Milizen in Bagdad in einem gewaltsamen Wettbewerb um territoriale Präsenz und Territorium, Bevölkerung und politischen Einfluss stehen. Viele ihrer politischen Machthaber wurden im Mai 2018 in das irakische Parlament bzw. die Regierung gewählt.

Checkpoints in Bagdad werden dazu verwendet, um sicherzustellen, dass Autobomben und Selbstmordattentäter nicht in die Stadt eindringen. Dem Experten Fanar Haddad zufolge betreiben PMF-Milizen keine regulären Checkpoints in der Stadt Bagdad, richten solche bei Zwischenfällen aber ad hoc ein. In den Bagdad-Belts gibt es demgegenüber sichtbare PMF-Präsenz und PMF-Kontrollpunkte Eine ähnliche Ansicht vertrat ein im Irak ansässiger Sicherheitsanalytiker, der erklärte, dass sich die von PMF-Milizen betriebenen Kontrollpunkte hauptsächlich am Stadtrand von Bagdad befinden und nicht in der Stadt selbst, wobei an Kontrollpunkten im Osten der Stadt PMF-Elemente gemeldet wurden. Es sei für die PMF-Milizen möglich, temporäre Kontrollpunkte einzurichten, um auf bestimmte Probleme in den Stadtteilen von Bagdad zu reagieren. Im Januar 2018 teilte der Mediendirektor der BOC der Zeitung Asharq Al-Awsat mit, dass 281 Kontrollpunkte in Bagdad aufgehoben wurden, mindestens 600 Hauptstraßen und Ausgänge und ihre Vororte wiedereröffnet und am 10. Dezember 2018 Tausende Betonblöcke entfernt wurden. Im Jahr 2018 wurde außerdem die befestigte Internationale Zone (grüne Zone) in der Innenstadt für die Öffentlichkeit geöffnet. Dies ist die erste Wiedereröffnung nach Jahren. Im Jahr 2015 hatte die Regierung die grüne Zone für ein paar Tage geöffnet, aber nach Widerstand von US-Beamten wieder geschlossen.

1.9. Zu den Aktivitäten von Asa'ib Ahl al-Haqq werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der angeführten Quelle getroffen:

Die Liga der Rechtschaffenen (Asa'ib Ahl al-Haqq) wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte in erster Linie die US-Truppen im Irak. Nach dem Abzug der US-Truppen im Dezember 2011 fand die Miliz im Kampf gegen den Islamischen Staat eine neue Raison d'être. Unter den Milizen gilt die Asa'ib Ahl al- Haqq als besonders gewalttätig und teils kriminell motiviert. Qais al-Khaz'ali ist einer der prominentesten Anführer der Volksmobilisierungseinheiten und für seine Brutalität berüchtigt. Er und seine Organisation berufen sich zwar immer noch auf Muhammad Sadiq as-Sadr, den Begründer der Sadr-Bewegung, doch ist Khaz'alis Nationalismus einer starken Abhängigkeit von den iranischen Revolutionsgarden gewichen, ohne die er den bewaffneten Kampf gegen die USA nicht hätte führen können. Darum bekennt sich die Asa'ib Ahl al-Haqq neben Sadr auch zu Khomeini, Khamenei und der Herrschaft des Rechtsgelehrten. Die iranische Führung dankt es mit großzügiger Unterstützung.

Nach dem amerikanischen Abzug versuchte sich die Organisation als politische Kraft in Konkurrenz zur Sadr-Bewegung zu etablieren, gewann bei den Parlamentswahlen 2014 aber nur ein einziges Mandat und blieb eine Splittergruppe. Trotzdem wuchs ihre Miliz bis 2015 auf mindestens 3000 Mann an. Sie hat ihre politischen Aktivitäten ausgeweitet und eine Reihe von politischen Büros in Bagdad, Basra, Nadschaf, Hilla, al-Chalis und Tal Afar eröffnet habe. Darüber hinaus habe die Organisation politische Vertreter in die südlichen Provinzen Dhi Qar, al-Muthanna und Maysan gesandt, um Vertreter von Minderheiten und Stammesführer zu treffen. Trotz Berichten über religiös motivierte Verbrechen und Kriegsverbrechen wurde Asa'ib Ahl al-Haqq im November 2016 formell vom irakischen Parlament als Teil der Volksmobilisierungseinheiten anerkannt.

Das Institute for the Study of War (ISW), veröffentlicht im Dezember 2012 einen Bericht über das Wiedererstarken der Gruppe Asa'ib Ahl al-Haqq nach dem Abzug der US-Truppen 2003, sowohl als militärische, als auch als politische und religiöse Organisation. Laut dem Bericht habe die Miliz seit 2010 in Bagdad eine große politische Präsenz aufgebaut. Derzeit unterhalte die Organisation zwei politische Büros in der Hauptstadt, eines in Kadhimiya und eines in Rusafa. Asa'ib Ahl al-Haqq habe eine Reihe öffentlicher Veranstaltungen organisiert, an denen die zentralen Führungspersönlichkeiten der Organisation sowie Vertreter der irakischen Regierung teilgenommen hätten. Die Miliz nutze die politischen Aktivitäten in Bagdad, um ihr neues öffentliches Erscheinungsbild einer nationalistischen, islamischen Widerstandsgruppe zu fördern. Darüber hinaus seien politische Delegationen zu Treffen mit Anführen von Stämmen und Minderheiten in die Provinzen Dhi Qar, Muthanna und Maysan entsandt worden. Die politische Expansion der Organisation in ganz Irak verdeutliche die Fähigkeit von Asa'ib Ahl al-Haqq, in Gebiete, in der die Sadr-Bewegung Rückhalt habe, vorzudringen.

In Hinblick auf den bewaffneten Arm der Organisation erwähnt der Bericht, dass Asa'ib Ahl al-Haqq während des Irakkriegs [gegen die USA] die Miliz in Bataillone eingeteilt habe, von denen jedes einer bestimmten Region zugeteilt worden sei, das Imam Askari-Bataillon in Samarra, das Musa al-Kazim-Battaillon in Bagdad, das Imam Ali-Bataillon in Nadschaf und das Abu Fadl Abbas-Bataillon in Maysan. Im Dezember 2011 habe sich Qais al-Khazali mit den mutmaßlichen Anführern der Kata'ib Hezbollah (KH), der am besten ausgebildeten und geheimsten der vom Iran unterstützen Milizen, getroffen. Trotz der Verschwiegenheit der Miliz würden die Verbindungen zwischen führenden Mitgliedern von Asa'ib Ahl al-Haqq und Kata'ib Hezbollah darauf hindeuten, dass die Organisation Asa'ib Ahl al-Haqq ihren bewaffneten Arm neu geordnet und ihre Macht als Schirmorganisation für schiitische Milizen im Irak gefestigt habe.

Das britische Innenministerium (UK Home Office) gibt in seinem Bericht zu Herkunftsländerinformationen und Handlungsempfehlungen für britische Asylentscheider vom August 2016 Informationen von Jane-s, einem in den USA ansässigen Unternehmen, das unter anderem Analysen zum Thema Sicherheit erstellt, wieder, dass Asa'ib Ahl al-Haqq an einer Reihe von Angriffen auf die US-Truppen bis zu deren Abzug 2011 beteiligt gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe Asa'ib Ahl al-Haqq ihre Absicht bekannt gegeben, dem politischen Prozess beizutreten. Die Miliz unterhalte mehrere politische Büros im Land, sei aber auch bewaffnet und werde verdächtigt, an mehreren Angriffen mit selbstgebauten Spreng- und Brandvorrichtungen und gezielten Tötungen von Sunniten beteiligt zu sein. Militärische Ausbildung erfolge durch die libanesische Hisbollah und die iranische Quds-Einheit, was Asa'ib Ahl al-Haqq zu einer de facto-Stellvertretermiliz des Iran im Irak mache. Kämpfer der Asa'ib Ahl al-Haqq hätten die irakische Armee in der Provinz al-Anbar beim Kampf gegen den Islamischen Staat unterstützt.

Das an der Stanford University angesiedelte Mapping Militants Project, das die Herausbildung militanter Organisationen und deren Zusammenspiel in Konfliktzonen beobachtet und visuell darstellt, schreibt in einem zuletzt im Jänner 2017 aktualisierten Überblick zur Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq, dass es 2013 Berichte gegeben habe, laut denen die Regierung unter Premierminister al-Maliki statt der irakischen Polizei Kämpfer von Asa'ib Ahl al-Haqq in der Provinz al-Anbar und als Bereitschaftspolizei in Bagdad eingesetzt habe.

Al Araby Al Jadeed, ein 2014 in London gegründetes Medienunternehmen, berichtet in einem Artikel vom Juni 2014 über die Situation in Bagdad, wo Bewaffnete in Zivilkleidung zusammen mit dem Militär das Straßenbild bestimmen würden. Die Regierung habe eine Ausgangssperre verhängt und gleichzeitig die Präsenz der Sicherheitskräfte erhöht. Dabei greife sie auf Milizen zurück, um die eigene mangelnde Truppenstärke zu kompensieren. Das Straßenbild gleiche einer Kaserne. Freiwillige Milizkämpfer von Asa'ib Ahl al-Haqq würden in den Gegenden, die sie beschützen würden, Kontrollen durchführen. Insbesondere in der Nähe sunnitischer Wohngebiete habe Asa'ib Ahl al-Haqq "falsche Checkpoints" eingerichtet und eine Waffenparade in der Palästina-Straße abgehalten.

CEDOCA, die Herkunftsländerinformationsstelle des belgischen Generalkommissariats für Flüchtlinge und Staatenlose (CGRA) schreibt in einem Bericht zur Sicherheitslage in der Provinz Diyala vom Juli 2015, dass Berichten zufolge Mitglieder von Asa'ib Ahl al-Haqq Angriffe auf die Dörfer Bulour, Matar, Aruba, Hurriya, Sudur und Harouniya im Distrikt Muqdadiya durchgeführt hätten, wo ungefähr tausend sunnitische Familien leben würden. Die Miliz habe im Winter bis zu 50 Häuser niedergebrannt und weitere Wohnhäuser mit Mörsern und Raketen beschossen habe. Die lokale Bevölkerung habe berichtet, dass Kämpfer der Asa'ib Ahl al-Haqq zusammen mit freiwilligen schiitischen Milizkämpfern und irakischen Antiterror-Einh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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