TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/29 L518 2140012-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.11.2019
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Entscheidungsdatum

29.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L518 2140004-1/15E

L518 2140015-1/14E

L518 2140008-1/11E

L518 2140012-1/10E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 07.10.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , alle StA. Georgien, die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführerin gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter, alle vertreten im Zeitpunkt der Verkündung durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe (nunmehr RA Mag. Önal), gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 24.10.2016, Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.10.2019, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "bP1" bis "bP4" bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Georgien und brachten nach Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 07.10.2015 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge "bB") Anträge auf internationalen Schutz ein.

Die männliche bP1 und die weibliche bP2 sind Ehegatten und Eltern der minderjährigen bP 3 und 4.

I.2. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bzw. der belangten Behörde brachten die bP im Wesentlichen vor, aufgrund der Leukämie-Erkrankung der bP 3 Georgien verlassen zu haben. Vorgelegt wurden diverse medizinische Befunde aus Österreich und Georgien, Bestätigungen zur Ausbildung und Berufssoldatentätigkeit der bP 1, Führerschein der bP 1, Geburtsurkunden, Heiratsurkunde, Vaterschaftsanerkennung, Unterlagen zur Integration und ein Personalausweis der bP 2.

I.3. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gewährt.

In Bezug auf sämtliche bP wurde ein im Spruch inhaltlich gleichlautender Bescheid erlassen, weshalb sich aus dem Titel des Familienverfahrens gem. § 34 AsylG ebenfalls kein anderslautender Bescheid ergab.

I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP als nicht asylrelevant und teilweise unglaubwürdig und führte hierzu im Bescheid der bP 1 Folgendes aus:

Sie haben der erkennenden Behörde keinerlei asylrelevante Gründe im Sinne der GFK vorgebracht. Befragt auf den Fluchtgrund gaben Sie im Wesentlichen an, dass Sie Ihr Herkunftsland Georgien aufgrund Ihrer an Leukämie erkrankten Tochter verlassen haben. Nach 2 erlittenen Rückfällen wurde Ihnen durch den georgischen Ärzten mitgeteilt, dass eine Knochenmarkstransplantation benötigt werde, welche jedoch in Georgien nicht durchgeführt wird. Daraufhin wurde Ihnen nahegelegt, das Land zu verlassen und die Therapie und Transplantation im Ausland durchführen zu lassen. Aufgrund vorgelegter Arztbestätigungen konnte Ihnen bezüglich des Gesundheitszustandes Ihrer Tochter Glauben geschenkt werden.

Ihre Ehegattin gab im Zuge der Einvernahme an, dass Ihre Tochter in Österreich zurzeit nur eine Erhaltungstherapie macht und sich zurzeit nur keine Leukämiezellen im Körper Ihrer Tochter XXXX befinden. Ihre Ehegattin gab an, dass laut den Ärzten in Österreich keine Knochenmarkstransplantation bei Ihrer Tochter notwendig sei, da sie diese nicht überleben würde. Stattdessen wurde von den behandelnden Ärzten in Österreich eine Chemotherapie angeordnet, welche sie gut angenommen hat. Aufgrund dieser Feststellung kam die Behörde auf den Entschluss, dass es durchaus zumutbar ist, Ihre Tochter wieder in Georgien behandeln zu lassen. Aus den Länderinformationen der Staatendokumentation zu Georgien ist ersichtlich, dass die notwendigen medizinischen Behandlungen, sowie die entsprechenden Laboruntersuchungen durch einen Onkologen, welche bei Ihrer Tochter in Georgien bereits durchgeführt wurden, durchaus gewährleistet sind. Die notwendigen in den Medikamenten enthaltenen Wirkstoffe, welche hier in Österreich verabreicht werden, sind mit Ausnahme von Amphotericin B in Georgien verfügbar. Finanziell gibt es die Möglichkeit von staatlicher Seite unterstützt zu werden. Diese Unterstützung haben Sie bereits vor Ihrer Ausreise aus Ihrem Herkunftsland bezogen. Sie gaben an, dass Ihre Tochter in Georgien 2 Rückfalle erlitten habe, und diese auch überlebt hat.

Des Weiteren kann aus den Länderinformationen der Staatendokumentation zu Georgien entnommen werden, dass Leukämiebehandlungen in Georgien in rund 80 % gut verlaufen und dank neueren Behandlungsmethoden die Heilungsrate bei Ersterkrankung bei 90 % liegt. Demnach ist auszugehen, dass die Behandlungen in Georgien durchaus zumutbar und Heilungschancen durchaus gegeben sind. Das Risiko eines Rückfalles ist sowohl in Georgien, als auch in Österreich gegeben. Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass die Behandlungen in Georgien, mit denen in Österreich nicht vergleichbar sind, jedoch ist es durchaus zumutbar, Ihre Tochter in Georgien weiterhin behandeln zu lassen.

Bezüglich Ihr Vorbringen, dass die behandelnde Ärztin, welche für XXXX zuständig war, Ihren Beruf aufgrund einiger Beschwerden bezüglich steigender Kindersterberate aufgeben musste und XXXX in der Zeit somit keine Behandlung bekam, konnte seitens der erkennenden Behörde nicht glaubhaft gewertet werden, da Ihre Ehegattin im Zuge der Einvernahme keinerlei Angaben diesbezüglich machte. Sie gab lediglich an, dass sie die Behandlungen nach 2 erlittenen Rückfällen Ihrer Tochter selbst unterbrochen habe.

Bei einem Rückfall, sollte die Behandlung keinesfalls abgebrochen werden sondern weitergeführt werden.

Des Weiteren haben Sie mit Ihrer Tochter das Risiko aufgenommen, in ein völlig fremdes Land zu reisen, obwohl der Gesundheitszustand aufgrund der Rückfälle kritisch und ungewiss gewesen sei. Sie nahmen das Risiko auf sich, dass bei Ihrer Tochter im Zuge der Ausreise schwere gesundheitliche Probleme auftreten konnten. Aus diesem Grund konnte die ho. Behörde nicht davon ausgehen, dass der Gesundheitszustand Ihrer Tochter ein so gefährliches Maß annehmen konnte.

Unter Bezugnahme dessen kommt die Behörde auf den Entschluss, dass weder Leukämie, eine Krankheit welche in Georgien durchaus behandelt wird, noch der Umstand, dass man aufgrund einer Analyse zur Tauglichkeit einer möglichen Knochenmarkstransplantation durch andere Familienmitglieder, welche nicht notwendig ist, nach Österreich reist, stellen keine asylrelevanten Gründe dar. Die Tatsache, dass die Behandlungen in Österreich qualitativ hochwertiger sind als jene in Georgien, ist im Hinblick auf Gewährung von Asyl nicht relevant.

- Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Ihr Vorbringen beschränkt sich ausschließlich auf die Erkrankung Ihrer Tochter und der fehlenden qualitativ hochwertigen Behandlungen in Georgien. Dass dieses Vorbringen glaubhaft ist, wurde oben bei der Beweiswürdigung betreffend die Feststellungen zu den Gründen des Verlassens Ihres Herkunftslandes bereits dargelegt. Wie bereits im vorigen Abschnitt ausgeführt wurde, haben Sie keinerlei Angaben darüber gemacht, dass Sie einer Verfolgungssituation in Ihrem Heimatland ausgesetzt wären. Schon aus den obigen Ausführungen ergibt sich daher, dass Sie im Falle einer Rückkehr keiner Bedrohungssituation ausgesetzt sind. Aus den vorhandenen Länderinformationen hinsichtlich der allgemeinen Lage in Georgien kann entnommen werden, dass die Versorgung mit den Dingen des täglichen Bedarfs gegeben ist.

Aus einem Erkenntnis des AsylGH im Jahre 2008 (AsylGH 1.10.2008, E9 300 863-2/2008). ist zu entnehmen, dass eine schwere Erkrankung nichts gegen einer Abschiebung in den Herkunftsstaat entgegensteht, wenn dort, in dem Fall in Georgien, eine adäquate Behandlungsmöglichkeit besteht. Der Umstand, dass die Verhältnisse der medizinischen Behandlungen in Georgien ungünstiger sind, als jene in Österreich, ist im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht relevant.

Die für Ihre Tochter XXXX notwendigen Therapien zur Behandlung von Leukämie, sowie die finanzielle Unterstützung durch den Staat sind in Georgien durchführbar.

In Bezug auf die weitern bP wurde in sinngemäßer Weise argumentiert.

I.3.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Georgien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der georgische Staat gewillt und befähigt ist, auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritte wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Georgien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.

I.3.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

I.4. Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde hinsichltich Spruchpunkten II, II und IV erhoben.

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die bB ihre Ermittlungspflichten verletzt habe. Die gesamte Anfragebeantwortung sei nicht offen gelegt worden und seien generell die Behandlungsmöglichkeiten in Georgien nicht entsprechend erhoben worden. Auch Mediziner hätten bestätigt, dass die Behandlung der bP 3 in Georgien nicht möglich ist. Der Familie sei aufgrund der Erkrankung der bP 3 subsidiärer Schutz zu gewähren. Zudem sei im Falle einer negativen Entscheidung das Kindeswohl verletzt. Die Interessensabwägung im Rahmen des Art. 8 EMRK sei zudem nicht entsprechend durchgeführt worden.

Vorgelegt wurde von den bP:

* Schulunterlagen bP 3 und 4

* Klinische Bestätigung vom 09.11.2016

I.5. Die Beschwerdevorlage langte am 17.11.2016 beim BVwG, Außenstelle Linz ein und wurde das Verfahren in weiterer Folge der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung im Oktober 2018 zugeteilt.

I.6. Am 12.07.2017 und 11.06.2018 langte jeweils eine Dokumentenvorlage ein.

I.7. Für den 07.10.2019 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Gemeinsam mit der Ladung wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat zugestellt. Ebenso wurde - in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen - ua. hinsichtlich der Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und wurden die bP aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen.

In der Verhandlung führten die bP wiederum an, aufgrund der Erkrankung der bP 3 ausgereist zu sein. Von den georgischen Ärzten sei den bP geraten worden, nach Österreich oder Deutschland zu gehen, da hier die in Georgien für die bP 3 nicht verfügbare Knochenmarkstransplantation möglich sei. Konkret gab die bP 2 an:

Vorgelegt wurden:

Notizen betreffend Untersuchungstermine, Ärztlicher Entlassungsbrief vom 28.03.2018, ambulanter Arztbrief der Onkologie vom 04.10.2019, klinische Bestätigung des LKH XXXX vom 22.03.2018, Entlassungsbrief vom 08.06.2018, Entscheidung über die Aufnahme als außerordentlichen Schülerin der Viertbeschwerdeführerin, Schulnachricht 2018/2019 der P4, Jahreszeugnis vom Schuljahr 2018/2019, Schulbesuchsbestätigung von 16/17, Jahres. Bzw. Semesterinformation betreffend Schuljahr 2017/2018, Empfehlungsschreiben der Lehrerin, eine Schulnachricht Drittbeschwerdeführerin, sowie ein Jahres- und Abschlusszeugnis 2018/2019, ein Semester- und eine Jahresinformation vom Schuljahr 2017/2018, und eine Schulbesuchsbestätigung vom Schuljahr 2016/2017, 3 Deutschbestätigungen der Zweitbeschwerdeführerin für die Deutschkurse A1.2.

Folgende Erkenntnisquellen wurden den beschwerdeführenden Partei genannt und deren Inhalt erörtert:

* LIB Georgien vom 12.09.2019

* Bericht des Auswärtigen Amtes über die Asyl- und abschieberelevante Lage in Georgien vom 27.08.2018

* Focus Georgien, Reform im Gesundheitswesen, Staatliche Gesundheitsprogramme und Krankenversicherung

* Anfragebeantwortung der Staatendoku Georgien, Leukämie vom 20.07.2018

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde das Erkenntnis des BVwG vom selben Tag mündlich verkündet und insbesondere ausgeführt:

Derzeit befindet sich die Leukämie seit einigen Monaten in Remission und wurde eine Transplantation bislang - trotz mehreren Rezidiven - nicht vorgenommen. Eine Transplantation, welche, wie die rechtsfreundliche Vertretung zutreffend ausführte, in Georgien nicht geleistet werden kann, wäre als Behandlungsoption im Falle eines Rezidivs vorgesehen. Wenngleich es zu mehreren Rezidiven kam, ist derzeit nicht abzusehen, ob ein solches neuerlich auftritt, vielmehr liegt darin eine Vermutung.

Ebenso zutreffend erweist sich das Vorbringen der rechtsfreundlichen Vertretung, dass die medizinische Behandlung in Georgien nicht kostenfrei oder auf gleichem Standard wie in Österreich ist. Dennoch steht es den beiden volljährigen gesunden und arbeitsfähigen Erst- und Zweitbeschwerdeführerin frei ggf. durch Gelegenheitsarbeit für das Familieneinkommen und die medizinische Versorgung der Drittbeschwerdeführerin zu sorgen. Ebenfalls verfügt die Familie über einen erheblichen familiären Rückhalt in Georgien und steht es ihnen frei, das - wenngleich nicht auf gleichem Niveau befindliche - Sozialsystem in Georgien in Anspruch zu nehmen. So bestehend etwa in Ansehung der Anfragebeantwortung des BFA gewisse Unterstützung für Kinder und ihre Familien durch NGOs oder staatliche Institutionen.

Die Weiterführung der Chemotherapie ist in Georgien möglich und wurde durch die Angaben der Beschwerdeführer letzten Endes bestätigt. Ebenso sind die dafür maßgeblichen Medikamente erhältlich. Dies wird auch durch die in der Verhandlung erläuterte Anfragebeantwortung des BFA untermauert, wenn darin festgehalten wurde, dass die Medikamente für die Primärbehandlung aller vier Leukämiearten zur Verfügung stehen und wenn die Chemotherapie die geeignete Therapie für einen Leukämie-Patienten ist, er/sie behandelt wird. Lediglich eine Blutstammzellentransplantation, allogene und autologe Stammzellentransplantationen oder Knochenmarktransplantationen sind in Georgien nicht möglich.

Die Beschwerden wurden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Die bP wurden iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.

Nach Verkündung der Erkenntnisse wurde den bP sowie deren rechtsfreundlicher Vertretung eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.

I.8. Mit Schreiben vom 08.10.2019 wurde die schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Erkenntnisse begehrt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien

Bei den bP handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Georgier, welche und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen.

Die bP 1 und 2 sind junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.

Die bP 1 hat vor ihrer Ausreise als Berufssoldat von 2010 bis 2015 gearbeitet und den Job kurz vor der Ausreise verloren. Sie besitzt einen Mittelschulabschluss und hat diverse Führerscheine während des Militärdienstes (PLW, LKW) gemacht. Die bP 2 hat nach dem Schulbesuch ein College im Steuerrecht absolviert.

Die Pflege und Obsorge der minderjährigen bP ist durch deren Eltern gesichert. Die bP 4 ist gesund und besuchte den Kindergarten und nunmehr die Schule in Österreich.

Familienangehörige (Vater und Schwester, Onkel, Tanten und Cousins der bP 1 sowie Eltern, Geschwister und weitere Verwandte der bP 2) leben nach wie vor in Georgien. Der Vater der bP 1 lebt in einem ihm gehörenden Haus und bezieht eine Pension, die Schwester betreibt eine Landwirtschaft. Die Eltern der bP 2 betreiben eine Landwirtschaft, die Geschwister gehen Erwerbstätigkeiten nach. Die bP wurden vor ihrer Ausreise von Verwandten und Freunden finanziell unterstützt. Die bP 3 bezog eine Pension iHv ca EUR 50, eine Versicherung unterstützte die bP auch finanziell.

Die bP haben in Österreich keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen, welche nicht zur Kernfamilie zu zählen ist. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit vier Jahren im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Sie leben von der Grundversorgung und haben Deutschkurse besucht, aufgrund dessen die bP 1 und 2 geringfügige Deutschkenntnisse aufweisen. Sie sind strafrechtlich unbescholten, die bP 1 und 2 wurden wegen Schwarzfahrens bestraft.

Die bP 1 spielte Fußball, aktuell ist keine bP Mitglied in einem Verein. bP 3 und 4 lernen ein Instrument in einer Musikschule und gehen Freizeitaktivitäten wie Schwimmen und Tennisspielen nach.

Bei der bP 3 wurde im Jahr 2012 im Alter von 5 Jahren in einem Zentrum für Onko-Hematologie in Georgien Leukämie diagnostiziert. Sie wurde aufgrund ihrer Erkrankung in Georgien behandelt und erhielt dort Chemotherapie in drei Blöcken für 9 Monate. Nach der Chemotherapie wurde eine Erhaltungstherapie durchgeführt. Nach 1 1/2 Jahren wurde ein Rückfall festgestellt und hatte sich eine Neuroleukämie entwickelt. Dann wurde nach Verschlechterung des Gesundheitszustandes der bP 3 von den bP die Chemotherapie abgebrochen und nach mehreren Rückfällen den bP vom Arzt empfohlen, nach Österreich oder Deutschland zu reisen.

Seit dem letzten ZNS im Mai 2017 befindet die bP 3 sich in Remission.

Die Identität der bP steht fest.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Georgien

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:

II.1.2.1. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Stand 12.09.2019

Politische Lage

In Georgien finden regelmäßig kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewann, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben übergroßen Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen und die Rechtsstaatlichkeit wird nach wie vor durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Neue politische Parteien können in der Regel ohne Behinderungen gegründet werden und zu den Wahlen antreten. Allerdings war die politische Landschaft von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 4.2.2019).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl für maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren gewählt.(FH 4.2.2019).

Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei "Georgischer Traum", setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor und forderten vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).

Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt für sechs Jahre von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt werden. Der Präsident ernennt formal den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 4.2.2019).

Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei "Georgischer Traum" sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016).

Demonstrationen im Juni 2019 führten unter anderem dazu, dass bei der für 2020 angesetzten Wahl die Parlamentssitze nach dem Verhältniswahlrecht vergeben werden sollen. Ursprünglich sollte erst ab 2024 nach den neuen Bestimmungen gewählt werden (DW 24.6.2019, vgl. RFE/RL 5.8.2019).

Quellen:

* CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl: Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 12.8.2019

* DW - Deutsche Welle (24.6.2019): Proteste in Tiflis trotz Zugeständnissen, https://www.dw.com/de/proteste-in-tiflis-trotz-zugest%C3%A4ndnissen/a-49339505, Zugriff 13.8.2019

* FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin, https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 12.8.2019

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 12.8.2019

* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 12.8.2019

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 12.8.2019

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (5.8.2019): Georgian Parliament Speaker Presents Amendments To Electoral Code, https://www.rferl.org/a/georgian-parliament-speaker-presents-amendments-to-electoral-code/30093372.html, 13.8.2019

* Der Standard (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen - derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen, https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 12.8.2019

* Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren, http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 12.8.2019

Sicherheitslage

Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien bzw. Südossetiens und Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 13.8.2019).

Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetens erörtern soll (EC 30.1.2019).

Quellen:

* EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 30.1.2019

* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (13.8.2019): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 13.8.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Georgien hat bei der Reform des Justizsektors bescheidene Fortschritte erzielt. Es gibt noch immer wichtige Herausforderungen, um die erzielten Fortschritte zu konsolidieren und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Die Zivilgesellschaft hat Bedenken hinsichtlich einer möglichen politischen Einmischung in die Justiz und den Medienpluralismus. Die wirksame Umsetzung der Rechtsvorschriften zu Menschenrechten und Antidiskriminierung stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Am 23.3.2018 schloss das georgische Parlament den Prozess der Verfassungsreform ab. Die überarbeitete Verfassung enthält neue Bestimmungen über die Gleichstellung der Geschlechter, Antidiskriminierung und Kinderrechte (EC 30.1.2019).

Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. NGOs, die den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch begleiten, mahnen weiterhin die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren an. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz kommt in brisanten Fällen immer wieder der Verdacht externer Einflussnahme auf. In einigen Fällen wurde der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg angerufen. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 27.8.2018).

Trotz der laufenden Justizreformen bleiben die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Gerichte ein erhebliches Problem, ebenso wie die Korruption und der Mangel an Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren. Nach einem neuen verfassungsrechtlichen Rahmen, der nach den Präsidentschaftswahlen 2018 in Kraft trat, werden die Richter des Obersten Gerichtshofs nicht mehr vom Präsidenten, sondern vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt. Ein gerichtliches Selbstverwaltungsorgan wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates (FH 4.2.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019

Sicherheitsbehörden

Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Bis 2012 waren Exekutivorgane, z.B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter des Gesetzes werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen, was zu einem Verlust an Respekt geführt hat. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf. Eine von NGOs angemahnte organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium ist bisher aber nicht vorgenommen worden (AA 27.8.2018).

Während die zivilen Behörden eine wirksame Kontrolle über das Verteidigungsministerium ausüben, besteht seitens der zivilen Behörden nicht immer eine wirksame Kontrolle über das Innenministerium und den Staatssicherheitsdienst. Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte ist begrenzt, und die Besorgnis über Straffreiheit bleibt hoch (USDOS 13.3.2019).

Straffreiheit für Strafverfolgungsbehörden bei Misshandlungsfällen bleibt ein anhaltendes Problem. Wenn Untersuchungen eingeleitet werden, führen sie oft zu Anklagen mit milderen bzw. inadäquaten Sanktionen und selten zu Verurteilungen. Die Behörden weigern sich routinemäßig, denjenigen, die eine Misshandlung anzeigen, den Status eines Opfers zu gewähren, und verwehren den Betroffenen, die Ermittlungsakten zu überprüfen (HRW 17.1.2019).

Trotz der rückläufigen Zahl der Beschwerden wegen polizeilicher Gewaltanwendung, welche beim Büro der Ombudsperson einlangten, verdoppelte sich fast gleichzeitig die Zahl der Verletzungen der Häftlinge nach der Festnahme. In der autonomen Region Adscharien stieg die Zahl der Verletzung nach Festnahmen fast um das Neunfache (PD 2.4.2019).

Im Juli 2018 verabschiedete das Parlament ein Gesetz zur Einrichtung eines staatlichen Inspektorats (State Inspector's Service), einer separaten Stelle, die für die Untersuchung von Missbräuchen durch die Strafverfolgungsbehörden zuständig ist. Das Gesetz räumt dem Staatsanwalt eine Aufsichtsfunktion über die Ermittlungen dieser Stelle ein, einschließlich des Rechts, verbindliche Anweisungen für jedes Untersuchungsverfahren zu erteilen oder Ermittlungsentscheidungen zu ändern, was die Unabhängigkeit des Inspektorats beeinträchtigt (HRW 17.1.2019).

Am 10.5.2019 nahm der "State Inspector's Service" als Nachfolgeorganisation des "Inspektionsbüros zum Schutz personenbezogener Daten" seinen Betrieb auf. Neben der Beobachtung etwa der gesetzeskonformen Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist seit 1.7.2019 eine weitere Hauptaufgabe des State Inspector's Service die unparteiische und wirksame Untersuchung schwerer Verbrechen (inklusive Folter), die von Vertretern der Strafverfolgungsbehörden gegen die Menschenrechte und Freiheiten verübt werden, sowie Untersuchung von Straftaten, die unter Anwendung von Gewalt oder unter Verletzung der persönlichen Würde eines Opfers begangen wurden (SIS 22.8.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019

* PD - Public Defender of Georgia (2.4.2019): Public Defender Presents Report on Situation of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://www.ombudsman.ge/eng/akhali-ambebi/sakhalkho-damtsvelma-parlamentshi-sakartveloshi-adamianis-uflebata-da-tavisuflebata-datsvis-mdgomareobis-shesakheb-angarishi-tsaradgina, Zugriff 26.8.2019

* SIS - State Inspector's Service (22.8.2019): Who we are? https://personaldata.ge/en/about-us#, Zugriff 22.8.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 22.8.2019

Folter und unmenschliche Behandlung

Umfangreicher Personalaustausch, insbesondere in den Behördenleitungen, die juristische Aufarbeitung (Strafverfahren gegen Verantwortliche) sowie durchgreifende Reformen bei Polizei und im Strafvollzug haben Vorfälle von Gewaltanwendung auf Einzelfälle reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar. Ombudsperson und zivilgesellschaftliche Organisationen sprechen bekannt werdende Vorfälle von Gewaltanwendung und gegebenenfalls unzureichend betriebene Ermittlungen öffentlich an. 2017/18 gab es Berichte über angebliche Fälle von Misshandlungen in Polizeistationen (AA 27.8.2018).

Beim Besuch der Europäischen Anti-Folterkomitees des Europaratals (CPT) im September 2018 wurden seitens Personen, die sich in Polizeigewahrsam befanden oder zuvor befunden hatten kaum Anschuldigungen wegen Misshandlung durch Polizeibeamte erhoben. Keinerlei diesbezügliche Anschuldigungen gab es gegenüber dem Personal in temporären Haftinstitutionen (CoE-CPT 10.5.2019). Allerdings erhielt das Büro der Ombudsperson bis September 2018 149 Beschwerden über Misshandlungen durch Gefängnispersonal oder die Polizei und ersuchte hierbei die Staatsanwaltschaft, in acht Fällen Untersuchungen einzuleiten. Keine der Untersuchungen führte zu einer Strafverfolgung (HRW 17.1.2019 ).

Was die Misshandlung betrifft, so gibt es den Aktionsplan zur Bekämpfung von Folter, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe für den Zeitraum 2017-2018. Die Fälle von Misshandlungen im Strafvollzug haben sich im Gegensatz zu den Fällen von Misshandlungen durch Polizeibeamte verringert (EC 30.1.2019).

Laut Bericht des Büros der Ombudsperson ist eine der wichtigsten Herausforderungen die Durchführung effektiver Untersuchungen in Fällen von Misshandlung. Die im Laufe der Jahre bestehenden Probleme im Hinblick auf eine effektive Untersuchung sind meist noch vorhanden und stellen definitiv ein Problem dar. Aus diesem Grund hegt die Ombudsperson große Hoffnungen in die Ermittlungsfunktionen des staatlichen Inspektorates (SIS).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* CoE-CPT - Council of Europe - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (10.5.2019): Report to the Georgian Government on the visit to Georgia carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 10 to 21 September 2018 [CPT/Inf (20 19 )16], https://www.ecoi.net/en/file/local/2009081/2019-16-inf-eng.docx.pdf, Zugriff 22.8.2019

* EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019

Korruption

Bei der Prävention und Bekämpfung der Korruption hat Georgien die Antikorruptionsstrategie und seinen Aktionsplan im Einklang mit den Verpflichtungen der Assoziationsagenda weiter umgesetzt. Allerdings bestehen nach wie vor einige Bedenken hinsichtlich der Korruption auf hoher Ebene (EC 30.1.2019).

Während das Land bei der Bekämpfung der Kleinkriminalität erhebliche Fortschritte gemacht hat, bleibt die Korruption innerhalb der Regierung ein Problem. In einigen Fällen hat sie bei der staatlichen Postenbesetzung angeblich die Form von Vettern- und Günstlingswirtschaft angenommen. Die wirksame Anwendung von Antikorruptionsgesetzen und -vorschriften wird durch die mangelnde Unabhängigkeit sowohl der Strafverfolgungsbehörden als auch der Justiz beeinträchtigt. Erfolgreiche Klagen gegen hochrangige Beamte, die mit der Führung der Regierungspartei "Georgischer Traum" in gutem Einvernehmen stehen, sind selten (FH 4.2.2019).

Im "Corruption Perceptions Index 2018" von Transparancy International erreichte Georgien 58 von 100 [bester Wert] Punkten und lag damit auf Rang 41 von 180 Ländern (2017: 56 Punkte und Rang 46 von 180 Ländern) (TI 29.1.2019a). Zwar hat sich das Land im Ranking leicht verbessert, doch steht es vor einem Rückfall in der Demokratieentwicklung, was es anfällig für Korruption auf hoher Ebene macht. Dieser Rückwärtstrend ist unter anderem auf die mangelnde Rechenschaftspflicht bei der Strafverfolgung, Korruption und politische Einmischung in die Justiz und von der Regierung unterstützte Angriffe auf die unabhängige Zivilgesellschaft zurückzuführen. Trotz der dringenden Notwendigkeit, Fälle von Korruption und Fehlverhalten in der Regierung zu untersuchen, hat Georgien es versäumt, unabhängige Stellen einzurichten, die dieses Mandat übernehmen. Straflosigkeit trägt zum öffentlichen Misstrauen bei. Laut einer kürzlich von Transparency International Georgia durchgeführten Umfrage glauben 36% der Bürger, dass Beamte ihre Macht zum persönlichen Vorteil missbrauchen. Das ist ein Anstieg des Wertes verglichen mit nur 12% im Jahr 2013 (TI 29.1.2019b).

Quellen:

* EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019

* TI - Transparency International (29.1.2019a): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/country/GEO, Zugriff 22.8.2019

* TI - Transparency International (29.1.2019b): Eastern Europe & Central Asia: weak checks and balances threaten anti-corruption efforts, https://www.transparency.org/news/feature/weak_checks_and_balances_threaten_anti_corruption_efforts_across_eastern_eu, Zugriff 22.8.2019

NGOs und Menschrechtsaktivisten

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) können sich in der Regel ohne Probleme registrieren und ihre Arbeit aufnehmen. Sie werden in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen, von der Regierung generell respektiert und können auch Einfluss auf die politische Willensbildung ausüben. Einige wurden auch an wichtigen politischen Verfahren als Berater beteiligt (AA 11.12.2017).

Ein wachsendes Netzwerk von sogenannten "Watchdog"-NGOs wirbt zunehmend für Bürgerrechte. Der zivilgesellschaftliche Sektor wächst weiter zahlenmäßig und hinsichtlich der Kapazitäten, bleibt aber in erster Linie in der Hauptstadt und anderen größeren Städte konzentriert. NGOs haben nur schwache Verbindungen mit der breiteren Bevölkerung (BTI 1.2018, vgl. FH 4.2.2019).

Trotz der Schwäche der zivilgesellschaftlichen Organisationen in Bezug auf die Zahl der Mitglieder und der Abhängigkeit von finanziellen Zuwendungen spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Formulierung der staatlichen Politik und der Aufsicht. Über die von der EU unterstützte Nationale Plattform des Forums der Zivilgesellschaft hat letztere die Möglichkeit, ihre Anliegen auf internationaler Ebene zu äußern (BTI 1.2018).

Während manche NGOs in die politischen Diskussionen einbezogen werden, berichten andere, dass sie unter Druck stehen, vor allem in Form von öffentlicher Kritik von Regierungsbeamten aber auch seitens der Opposition (FH 4.2.2019). 2018 kam es zu Statements des Justizministers und des Vorsitzenden des Parlaments, die sich an Menschenrechtsaktivisten richteten und darauf abzielten, die Arbeit von NGOs zu diskreditieren (HRC 2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 - Georgia Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Georgia.pdf, Zugriff 26.8.2019

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019

* HRC - Human Rights Center (2019): Annual Reprot, State of Human Rights in Georgia 2018, https://www.hridc.org/admin/editor/uploads/files/pdf/hrcrep2018/annual%20report%202019%20-eng-.pdf, Zugriff 26.8.2019

Ombudsperson

Die Ombudsperson (Public Defender of Georgia) überwacht die Einhaltung der Menschenrechte und Freiheiten in Georgien. Sie berät die Regierung in Menschenrechtsfragen. Sie analysiert auch die Gesetze, Richtlinien und Praktiken des Staates in Übereinstimmung mit den internationalen Standards und gibt entsprechende Empfehlungen ab. Die Ombudsperson übt die Funktionen des Nationalen Präventionsmechanismus (NPM) aus, der im Fakultativprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT) vorgesehen ist. Basierend auf dem Gesetz zur "Beseitigung aller Formen der Diskriminierung" wird die Ombudsperson auch als Gleichbehandlungsstelle definiert, deren Hauptfunktion darin besteht, die Umsetzung des Gesetzes zu überwachen. Das Büro der Ombudsperson führt zudem Bildungsaktivitäten im Bereich der Menschenrechte und Freiheiten durch und reicht beim Verfassungsgericht von Georgien Beschwerden ein, falls die Menschenrechte und Freiheiten durch einen normativen Akt verletzt werden. Die Ombudsperson ist ferner ermächtigt, die Funktion des Amicus Curiae bei den ordentlichen Gerichten und dem Verfassungsgericht von Georgien auszuüben (ENNHRI 19.12.2017).

Mit der Ombudsperson für Menschenrechte, aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Sie verfügen zwar nicht über eigene Sanktionsmittel, nutzen aber sehr aktiv ihre Möglichkeiten, Missstände und individuelle Beschwerdefälle zu untersuchen die Ergebnisse zu veröffentlichen und Empfehlungen an Regierungsbehörden zu geben. Mit ihren sehr zahlreichen öffentlichen Stellungnahmen zu vielen Themen und Einzelfällen und mit konkreten Empfehlungen an Regierungsstellen erzielt sie viel öffentliche Aufmerksamkeit. Die Ombudsperson veröffentlicht auch regelmäßig Berichte über ihre Erkenntnisse zur Menschenrechtslage. Die Regierung muss auf die Handlungsempfehlungen reagieren. Außerdem kann die Ombudsperson die Staatsanwaltschaft auffordern Untersuchungen einzuleiten und Verfassungsklagen erheben. Die Zahl der Regionalbüros im Land stieg auf neun. Der stetige Anstieg der Beschwerden zeigt ein zunehmendes Bewusstsein der Bevölkerung für ihre Rechte und ein zunehmendes Ansehen der Institution des Ombudsperson (AA 27.8.2018).

NGOs betrachten das Amt der Ombudsperson als objektivste aller staatlichen Einrichtungen, die sich mit Menschen- und Bürgerrechten befassen. Während das Büro der Ombudsperson im Allgemeinen ohne staatliche Einmischung arbeitet und als effizient gilt, berichtet die Ombudsperson im Gegenzug, dass die Regierungsstellen manchmal nur teilweise oder gar nicht auf Anfragen und Empfehlungen reagieren, obwohl sie verpflichtet sind, innerhalb von zehn Tagen zu antworten und Folgemaßnahmen innerhalb von 20 Tagen einzuleiten (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* ENNHRI - European Network of National Human Rights Institutions (19.12.2017): The Public Defender (Ombudsman) of Georgia, http://www.ennhri.org/The-Public-Defender-Ombudsman-of-Georgia-131, Zugriff 26.8.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 26.8.2019

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (3.5.2019): Georgian Draft Dodgers Find Loophole In God To Avoid Army, file:///home/wjf5284/Schreibtisch/Dokumente/01_My%20Planet/02_L%20%C3%84%20N%20D%20E%20R_LIB+KI/GEORGIEN/Wehrdienst/Georgian%20Draft%20Dodgers%20Find%20Loophole%20In%20God%20To%20Avoid%20Army.html, Zugriff 26.8.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

Artikel 7 der georgischen Verfassung verpflichtet den Staat zu Anerkennung und Schutz der universellen Menschenrechte; sie sind direkt anwendbares Recht für Staat und Bürger. Einzelne Menschenrechte werden explizit in eigenen Verfassungsartikeln postuliert. Mit der Ombudsperson für Menschenrechte (vom Parlament ernannt), aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Auch Staatsanwaltschaft und Gerichte, die in Georgien an Unabhängigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen haben, werden zunehmend zur Wahrung individueller Rechte in Anspruch genommen. Darüber hinaus können lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen ohne jede staatliche Behinderung ermitteln und öffentlichkeitswirksam Ergebnisse präsentieren und Kritik äußern. Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten werden vom georgischen Staat zunehmend beachtet und gestärkt. Gesellschaftlich sind diese Rechte aber noch nicht weit genug akzeptiert, sodass Minderheiten und Andersdenkende in der Gesellschaft mit faktischer Benachteiligung rechnen müssen. Vereinzelt kommt es auch zu gewalttätigen Handlungen. Erhebliche Fortschritte gab es insbesondere im Justizwesen und im Strafvollzug, wo eine menschenrechtswidrige Behandlung in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann (AA 27.8.2018).

Im Jahr 2018 wurden positive legislative und systemische Veränderungen in konkrete Richtungen vorgenommen, insbesondere im Hinblick auf die Prävention von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen im Allgemeinen. Allerdings steht der Staat nach wie vor vor großen Herausforderungen, wenn es darum geht, die Gleichstellung aller zu gewährleisten. Die Gesetzgebung hat sich 2018 für die konkret gefährdeten Gruppen nicht verbessert. Ethnische und religiöse Minderheiten sind von Ungleichheit betroffen. Die LGBTI-Gemeinschaft ist mit außergewöhnlicher Aggression und Diskriminierung konfrontiert. Der Staat unternimmt keine wirksamen Schritte, um das Bewusstsein in der Gesellschaft zu schärfen (HRC 2019). Der unabhängige Ermittlungsmechanismus, der Überschreitungen von Amtsbefugnissen objektiv untersuchen soll, war 2018 noch nicht geschaffen (HRC 2019, vgl. AI 22.2.2019). Die Justiz erfüllte 2018 nicht die Anforderungen an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Die Verfahrensrechte der Opfer haben sich nicht verbessert (HRC 2019). Die Straffreiheit bei Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden bleibt ein anhaltendes Problem. Die Behörden weigern sich routinemäßig, denjenigen, die Missbrauch anzeigen, den rechtlichen Opfer-Status zu gewähren, wodurch sie der Möglichkeit der Einsicht in die Ermittlungsakten beraubt werden (HRW 17.1.2019).

Im Jahr 2018 wurden die Grundrechte von Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit sowie die Meinungsfreiheit mehrfach verletzt. Beobachtet wurde auch die Anwendung übermäßiger Gewalt seitens der Strafverfolgungsbehörden (HRC 2019, vgl. AI 22.2.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* AI - Amnesty International (22.2.2019): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1444206.html, Zugriff 26.8.2019

* HRC - Human Rights Center (2019): Annual Reprot, State of Human Rights in Georgia 2018, https://www.hridc.org/admin/editor/uploads/files/pdf/hrcrep2018/annual%20report%202019%20-eng-.pdf, Zugriff 26.8.2019

* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019

Todesstrafe

1997 wurde die Todesstrafe abgeschafft (AA 27.8.2018, vgl. AI 3.2018).

Quellen

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* AI - Amnesty International (7.2018): Abolitionist And Retentionist Countrie As Of July 2018, https://www.amnesty.org/download/Documents/ACT5066652017ENGLISH.pdf, Zugriff 26.8.2019

Relevante Bevölkerungsgruppen

Kinder

Laut der Ombudsperson hat eine unzureichende Politik zum Schutz der Kinderrechte zu einer Krisensituation im staatlichen System der Kinderbetreuung geführt. Der Staat weist nicht genügend Ressourcen zu, um systemische Veränderungen in diese Richtung aufrechtzuerhalten bzw. voran zu treiben. Der Staat hat keine richtige Vorstellung davon, wie er den Familien in der Krise helfen kann. Trotz der zahlreichen Empfehlungen seitens des Büros der Ombudsperson wurde kein Konzept zur Rehabilitation von jugendlichen Opfern sexueller Gewalt entwickelt. Die Schulabbrecherquote ist hoch. Kinder, die auf der Straße leben und arbeiten; Kinder, die in jungen Jahren heiraten, und arbeitende Kinder stellen besonders gefährdete Gruppen dar. Die Betreuung von Kindern in Internaten religiöser Organisationen bleibt ein Problem (PD 2.4.2019). Darüber hinaus erlaubt die georgische Gesetzgebung hinsichtlich des Rechts von Minderjährigen auf Zugang zu einem Gericht Kindern unter 14 Jahren nicht, eigenständig einen Vertreter vor einem Gericht auszuwählen. Dadurch laufen Minderjährige Gefahr, außerhalb der Reichweite der Justiz zu liegen (PD 23.4.2019).

Das gesetzliche Mindestalter für die Eheschließung beträgt für beide Geschlechter 18 Jahre. Die Zwangsverheiratung von Minderjährigen unter 18 Jahren wird mit zwei bis vier Jahren Freiheitsstrafe geahndet. Im August 2018 überprüfte das Büro der Ombudsperson 22 Fälle von angeblichen Kinderehen. Im Laufe des Jahres leitete das Innenministerium Untersuchungen in vier Fällen ein. Berichten zufolge kommt es bei bestimmten ethnischen und religiösen Gruppen häufiger zu Kinderehen (USDOS 13.3.2019).

Die Säuglings- (und Mütter-) Sterblichkeitsrate ist im Vergleich zu Europa nach wie vor hoch, was u.a. auf qualitativ schlechte prä- und postnatale Dienstleistungen zurückzuführen ist. Die Kinderarmut ist nach wie vor hoch. Die Zahl der Kinder, die in armen Haushalten leben, stieg von 26,8% auf 31,6%. Jedes fünfte Kind lebt in einem Haushalt, in dem die Grundbedürfnisse nicht gedeckt sind. Ein staatlicher Koordinierungsmechanismus zur Ermittlung und Reaktion auf Fälle von Gewalt gegen Kinder hat mit der Umsetzung begonnen. Die Deinstitutionalisierung der Kinderbetreuung ist noch nicht abgeschlossen; zwei große Einrichtungen für Kinder mit Behinderungen sind weiterhin in Betrieb. Eine Reihe unregulierter Institutionen, die von lokalen Gemeinden, der georgischen orthodoxen Kirche und muslimischen Gemeinschaften finanziert und betrieben werden, arbeiten ohne angemessene Überwachung (EC 30.1.2019).

Die Regierung ersetzt weiterhin große Waisenhäuser durch kleinere Pflegeelternhäuser. Nach Angaben des Sozialamtes wurden mit August 2018 340 Kinder in 47 Kleingruppenhäusern und 1.483 Kinder in verschiedenen Formen der Pflege untergebracht. Die Regierung gewährt Zuschüsse für die Hochschulbildung von Kindern in Heimen und Pflegefamilien, einschließlich einer vollständigen Deckung der Studiengebühren und eines Stipendiums, und leistete Soforthilfe für Pflegefamilien (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 28.8.2019

* PD - Public Defender of Georgia (2.4.2019): Public Defender Presents Report on Situation of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://www.ombudsman.ge/eng/akhali-ambebi/sakhalkho-damtsvelma-parlamentshi-sakartveloshi-adamianis-uflebata-da-tavisuflebata-datsvis-mdgomareobis-shesakheb-angarishi-tsaradgina, Zugriff 27.8.2019

* PD - Public Defender of Georgia (23.4.2019): Special Report On The Fight Against Discrimination, Its Prevention, And The Situation Of Equality, [2018] http://www.ombudsman.ge/res/docs/2019042317142950340.pdf, Zugriff 28.8.2019

* USDOS - US Department, of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 28.8.2019

Bewegungsfreiheit

Georgier können im Allgemeinen frei ins Ausland und innerhalb des von der Regierung kontrollierten Territoriums reisen, und sie können ihren Wohnsitz, ihre Beschäftigung oder ihre Ausbildung ohne unangemessene Einmischung wechseln (FH 4.2.2019).

Es ist nach dem georgischen Recht illegal, von Russland aus über Südossetien oder Abchasien nach Georgien einzureisen. Wenn man auf diese Weise nach Georgien kommt, kann man mit einer Strafverfolgung rechnen, die mit potenziell hohen Bußgeldern und/oder einer Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren verbunden ist. Wenn der Reisepass mit Ein-/Ausreisestempeln der separatistischen Behörden versehen ist, können die georgischen Behörden dies als illegale Einreise über einen nicht anerkannten Grenzübergang betrachten (Gov.UK 28.8.2019).

Bei der Ausreise aus Georgien erfolgt dem Anschein nach eine strenge Pass- und Identitätskontrolle. Ziel ist es, aufenthaltsrechtliche Verstöße, insbesondere aber mit Haftbefehl gesuchte Straftäter zu identifizieren. Die wiederholten Festnahmen von Personen, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden, lassen eine gründliche Durchführung von Kontrollen erkennen (AA 27.8.2018).

Die De-facto-Behörden und die russischen Streitkräfte in den von Russland besetzten Gebieten schränken auch die Mobilität der lokalen Bevölkerung über die administrative Grenze ein, obwohl sie Flexibilität bei Reisen für medizinische Versorgung, Pensionsleistungen, Gottesdienste und Bildung zeigen. Dorfbewohner, die sich der Grenze oder den Grenzübergängen nähern, riskieren die Inhaftierung durch den Grenzschutz der Russischen Föderation (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 27.8.2019

* Gov.UK (28.8.2019): Foreign travel advice - Georgia, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/georgia/safety-and-security, Zugriff 28.8.2019

* USDOS - US Department, of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 28.8.2019

Grundversorgung

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die staatliche soziale Unterstützung (Einzelpersonen: 60 GEL (ca. 24 EUR) monatlich; Vier-Personen-Haushalt: 200 GEL (ca. 80 EUR) bleibt weit unter dem festgestellten durchschnittlichen Existenzminimum (160 GEL für einen Erwachsenen). Die soziale Absicherung erfolgt in aller Regel durch den Familienverband. Eine große Rolle spielen die Geldtransfers der georgischen Diaspora im Ausland (AA 11.12.2017).

Trotz der beachtlichen wirtschaftlichen Entwicklung seit 2003 sind große Teile der georgischen Bevölkerung unterbeschäftigt oder arbeitslos. Knapp 22 % der Georgier leben in Armut. Vor allem die Bewohner der ländlichen Bergregionen sind betroffen, aber auch städtische Arbeitslose sowie zumeist in Isolation lebende Binnenvertriebene und Alleinerzieherinnen. Ländliche Armut führt meist zu Landflucht oder Emigration. Die Rücküberweisungen von saisonalen und permanenten Auslandsmigrant machen mit rund 11,8% einen nennenswerten Anteil des Bruttoinlandsprodukts aus (ADA 11.2018).

Laut der Daten des nationalen Statistikamtes von 2016 sind 67,5% der Bevölkerung über 15 Jahren erwerbstätig (in Städten 59,9% und in ländlichen Gegenden 75,2%). Die hohe Zahl Erwerbstätiger in ländlichen Gegenden ist mit den gering vergüteten Jobs im Agrarsektor zu erklären. Viele Pensionisten sind noch erwerbstätig, da die Pension alleine zum Überleben nicht ausreicht. Dagegen ist die Arbeitslosigkeit unter 15-25- Jährigen recht hoch. Die meisten Erwerbstätigen befinden sich im Alter von 40 bis 60 Jahren. Die meisten Arbeitsplätze gibt es im Groß- und Einzelhandel sowie in Autowerkstätten und im Kleinwarengeschäft, in der Industrie und im Bauwesen (IOM 2018).

Die Arbeitslosenquote betrug 2018 12,7% (2017: 13,9%) (GeoStat 2019a). Das Durchschnittseinkommen (nominal) der unselbständig Beschäftigten lag im ersten Quartal 2019 bei den Männern bei 1.294 Lari [rund 400 ?] und bei den Frauen bei 876 [rund 270 ?] (GeoStat 2019b).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* ADA - Austrian Development Agency (11.2018): Georgien - Länderinformation, https://www.entwicklung.at/fileadmin/user_upload/Dokumen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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