TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/2 L506 2174275-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.01.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L506 2174286-1/21E

L506 2174275-1/16E

L506 2174283-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX , (BF1) vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, sowie XXXX (BF2) und XXXX (BF3), beide vertreten durch die Mutter XXXX (BF1), diese vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, alle StA Pakistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX Regionaldirektion Burgenland, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.11.2019, zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführer 1-3 (nachfolgend BF1-3), pakistanische Staatsangehörige, dem sunnitischen Glauben und der Volksgruppe der Punjabi zugehörig, stellten nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am XXXX Anträge auf internationalen Schutz. Bei der BF1 handelt es sich um die Mutter der beiden minderjährigen BF2-3.

2. Anlässlich der Erstbefragung am 07.03.2016 gab die BF1 zu ihren Ausreisegründen an, dass ihr Exmann und dessen Familie ihr die Kinder wegnehmen wollen würden und hätten sie diese auch mit dem Umbringen bedroht, weshalb sie mit ihrem Bruder und den Kindern geflüchtet sei. Im Rückkehrfall fürchte sie um ihr Leben und dass ihr die Kinder weggenommen werden würden.

3. Am 19.09.2017 erfolgte eine Einvernahme der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Dort erklärte die BF1 zusammengefasst, sie habe bis zu ihrer Ausreise bei den Eltern in der Stadt XXXX gelebt; den Unterhalt habe ihr Bruder verdient und gegebenenfalls sei sie auch von ihrer Schwester, welche in Norwegen lebe, finanziell unterstützt worden. Sie sei in der Familie mit ihrem Cousin verheiratet worden und habe dieser nach der Eheschließung angefangen, die BF1 zu schlagen. Er habe seinen Glauben geändert, indem er Schiit geworden sei und habe er das auch von ihr verlangt. Als sie sich geweigert habe, habe er sie brutal geschlagen und aus dem Haus geworfen. Es sei immer wieder zum Streit wegen der Religionsunterschiede gekommen und habe er ihr die Kinder wegnehmen wollen. Ihr Exmann habe die Scheidung eingereicht, welche drei Jahre gedauert habe. Sie sei zu ihrer Familie gezogen, um Hilfe zu erhalten. Der Exmann sei sodann oft zur Mutter der BF1 gekommen und habe ihr die Kinder wegnehmen wollen. Da die Mutter der BF1 nicht mitansehen habe können, wie sie gelitten habe, habe sie ihr geraten, sie solle mit ihrem Bruder das Land verlassen, woraufhin sie ausgereist seien. Die BF1 habe 6 Jahre alleine gelebt und die Kinder großgezogen, ihre Mutter sei sehr krank und habe gesagt, die BF1 solle nicht zurückkommen, sonst werde ihr der Onkel väterlicherseits die Kinder wegnehmen. Auch sei die BF1 bei der Polizei gewesen und habe ihre Verletzungen gezeigt; eine Anzeige habe sie jedoch nicht erstattet. Sie sei auch durch die Schwiegereltern bedroht worden und habe sie ihr Bruder beschützt. Die Scheidung habe drei Jahre lang gedauert. Der Grund dafür sei gewesen, dass ihr Exmann die Scheidung gewollt habe, sie selbst hätte sich aufgrund der Kinder nicht scheiden lassen wollen. Der Exmann habe sie aus dem Haus geworfen, als sie mit dem zweiten Kind schwanger gewesen sei. Von 2010 bis zur Ausreise im Dezember 2015 habe sie sodann bei ihrer Mutter gelebt.

Sie könne auch in keinem anderen Landesteil Pakistans friedlich leben, da sie der Exmann überall verfolgen, schlagen und ihr die Kinder wegnehmen könne; auch sei es ihr aus finanziellen Gründen nicht möglich, woanders zu leben und könne sie ihr Bruder nicht so lange unterstützen. Wenn sie der Bedrohung durch ihren Exmann nicht ausgesetzt wäre, wäre es ihr grundsätzlich möglich in Pakistan zu leben. Im Rückkehrfall habe sie Angst vor der Familie der Schwiegereltern. Einer weiteren Bedrohung sei sie im Herkunftsland nicht ausgesetzt.

Die Kinder hätten keine eigenen Ausreisegründe und seien gesund. Sie ziehe es jedoch in Erwägung die Zähne der Kinder begradigen zu lassen.

4. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurden die Anträge der BF 1-3 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde den BF 1-3 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF 1-3 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde durch das BFA dazu in den angefochtenen Bescheiden ausgeführt, dass nach eingehender Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der BF1 aufgrund ihrer unterschiedlichen Aussagen bzw. Widersprüchen im Zuge des Verfahrens, den Angaben der BF Glaubwürdigkeit abzusprechen sei.

In der Beweiswürdigung wurde ausgeführt, die BF1 habe bei der Erstbefragung bei der Polizei einerseits angegeben, dass sie über die Reisekosten nicht Bescheid wisse, wohingegen sie in der behördlichen Einvernahme angegeben habe, der Bruder habe das Haus verkauft und von den umgerechnet rd. 28.000 Euro die Reise finanziert. Auch habe der Bruder der BF1, anders als sie selbst die Reisekosten mit ca. 8.000 Euro bzw. mit rd. 12.000 Euro beziffert und sei es nicht glaubwürdig, dass der Bruder das Haus verkauft und sodann seine eigene Familie bei den Schwiegereltern zurücklässt, um mit der BF1 und deren Kindern das Land zu verlassen. Außerdem sei aus dem Hausverkauf genügend Geld für die Ausreise beider Familien vorhanden gewesen. Weiters hätte der Erlös aus dem Hausverkauf auch einen Umzug innerhalb Pakistans ermöglicht und würden die Aussagen der BF1, wonach ein Umzug innerhalb Pakistans aus finanziellen Gründen nicht möglich sei, diesen Tatsachen widersprechen. Die BF1 habe auch angegeben, keinen Asylantrag in anderen Ländern gestellt zu haben, da man dort keine Unterstützung, kein Geld und keine Schulbildung bekomme und sei es ihr auch wichtig gewesen, die Zähne der Kinder begradigen zu lassen. Im Hinblick darauf stellte das Bundesamt fest, dass die Beschwerdeführer aus rein wirtschaftlichen Gründen nach Österreich gekommen seien.

Ferner stellte das Bundesamt Widersprüche hinsichtlich des Vorbringens der BF1 und ihres Bruders im Verfahren fest. Der Bruder habe nämlich bei der Polizei angegeben, dass sich der Exmann der BF1 nicht um die Kinder gekümmert habe und sei die BF1 von der Schwiegermutter bedroht worden. Der Exmann der BF1 habe die Kinder umbringen wollen, um den Kindern ein Erbe nicht auszahlen zu müssen und hätten auch die anderen Brüder der BF1 Probleme mit deren Exmann gehabt. Die BF1 habe hingegen lediglich angegeben, dass der Exmann und die Schwiegereltern ihr die Kinder wegnehmen wollten; dass diese wegen eines Streits um das Erbe umgebracht werden sollten, habe sie mit keinem Wort erwähnt.

Weiters führte das Bundesamt in seiner Begründung aus, dass die BF1 ihren Angaben zufolge 6 Jahre bei ihrer Familie (Mutter, 4 Brüder, eine Schwester und Schwägerin mit Kindern) in einem Haus gelebt habe und der Bruder den Unterhalt als Rikschafahrer und Fabrikarbeiter verdiente. Aus der langen Aufenthaltsdauer könne davon ausgegangen werden, dass die BF1 mit ihren Kindern bei der Familie in Sicherheit gewesen und keiner Verfolgung oder Bedrohung im Sinne der GFK oder durch ihren Exmann ausgesetzt gewesen sei.

Auch stellte das Bundesamt fest, dass sich die BF1 mit ihren Kindern durch den Erlös, der durch den Verkauf des Hauses ihres Bruders erzielt worden sei, in einem anderen Teil Pakistans niederlassen hätte können.

Die Tatsache, dass die Familie der BF1 (ihre Mutter und ihre Geschwister) am Wohnsitz in Pakistan verblieben und nicht ausgereist sei, mache überdies deutlich, dass eine Gefahr nicht existent sei und habe die BF1 diesbezüglich ebenfalls widersprüchliche Angaben gemacht.

Auch das Unterlassen einer Asylantragstellung in anderen seitens der Beschwerdeführer durchreisten Ländern indiziere nach Ansicht des Bundesamtes die mangelnde Existenz einer Verfolgung.

Festgestellt wurde weiter, dass weder die BF1 noch ihre beiden Kinder an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leiden. Sie hätten im Herkunftsstaat niemals Probleme mit der Polizei oder den Justizbehörden gehabt, seien niemals in Haft gewesen und würden auch nicht von staatlichen Behörden gesucht werden. Ferner hätten sie weder aus politischen, religiösen oder ethnischen Gründen eine Verfolgung im Herkunftsstaat zu befürchten.

Zusammenfassend wurde letztendlich festgehalten, dass dem Vorbringen der BF1 keine besonderen Umstände entnommen werden können, wonach sie und ihre beiden Kinder einer unmittelbaren und/oder mittelbaren staatlichen Verfolgung iSd GFK ausgesetzt waren bzw. solcher im Falle der Rückkehr ausgesetzt wären.

Auch sei davon auszugehen, dass die BF1 und ihre Kinder bereits in mehreren anderen Ländern vor der Einreise in Österreich sicher waren und dort ihren Aufenthalt hätte begründen können und gegebenenfalls auch einen Asylantrag hätten stellen können. Da eine Asylantragstellung nicht bereits zuvor in einem anderen sicheren Staat erfolgt sei, sei davon auszugehen, dass eine Verfolgung im Herkunftsstaat bzw. asylrelevante Probleme nicht vorliegen, denn in solch einem Fall sei ein Asylantrag bereits in jenem Land gestellt worden, in welchen man sich zuerst in Sicherheit befunden habe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass Österreich bewusst von der BF1 als Zielland gewählt worden sei.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG aufgrund der Länderkenntnisse und der Feststellungen zu den persönlichen Umständen zu verneinen sei. Es bestehe nach Ansicht des Bundesamtes eine innerstaatliche Fluchtalternative (beispielsweise in Islamabad). Die sicheren Provinzen in Pakistan seien außerdem auch ungehindert zu erreichen. Die Beschwerdeführer seien gesund, die BF1 sei darüber hinaus arbeitsfähig und daher sei eine Existenzgründung im Herkunftsstaat nach Ansicht des BFA auch möglich. Ferner verfügen die Beschwerdeführer über familiäre Anknüpfungspunkte und sei im Fall der Rückkehr mit familiärer Unterstützung von den Angehörigen zu rechnen.

Zu Spruchpunkt III. hielt das BFA fest, dass die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für die BF 1-3 keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle und wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

5. Mit Schriftsatz vom 18.10.2017 erhoben die BF 1-3, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH, binnen offener Frist Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich alle Spruchpunkte. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

Nach Schilderung des ausreisekausalen Vorbringens wurde darin im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Entscheidungen des Bundesamtes auf nicht aktuelle Länderberichte stützen, weshalb das Ermittlungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden und die Entscheidung daher mit einem Verfahrensfehler belastet sei. Weiter seien die von der Behörde selbst getroffenen Feststellungen zur Gewalt an Frauen nicht ausgewertet worden und wurde in der Beschwerde darauf hingewiesen, dass in der Realität Frauen in Pakistan gesellschaftlich und rechtlich diskriminiert werden und häusliche Gewalt ein ernsthaftes Problem darstelle. Hätte die Behörde eine Recherche in diesem Punkt durchgeführt, so hätte sie zu dem Ergebnis kommen müssen, dass eine asylrelevante Verfolgung oder zumindest die Voraussetzungen zur Erteilung von subsidiären Schutz vorliegen.

Sofern die Behörde in ihren Entscheidungen Widersprüche von der polizeilichen Erstbefragung und der weiteren Einvernahmen aufzeige, werde auf die Judikatur des VfGH verwiesen, wonach Asylwerber in der Erstbefragung gar nicht näher zu ihren Asylgründen befragt werden dürfen. Daraus würde sich ergeben, dass die Asylbehörde ihre Entscheidung nicht vorrangig auf Widersprüche im Fluchtvorbringen bei der polizeilichen Erstbefragung und bei der Einvernahme stützen dürfe. Auch müsse in diesem Zusammenhang der psychische und physische Zustand des Asylwerbers bei der Erstbefragung berücksichtigt werden. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass es sich bei der erforderlichen Zahnbehandlung des BF 3 ( XXXX ) nicht um eine bloße Zahnfehlstellung, sondern um eine Kiefer-Gaumenspalte handle und habe die Behörde in diesem Punkt ebenfalls die erforderlichen Ermittlungen unterlassen. Die Beschwerdeführer seien überdies in Österreich, entgegen der Auffassung der Behörde sehr gut integriert. Ferner habe die Behörde in der Beweiswürdigung angeführt, dass es sich bei der BF1 um "einen alleinstehenden, arbeitsfähigen und gesunden Mann" handle, welchem es möglich sei, in Pakistan eine neue Existenz zu gründen. Angesichts dessen, dass es sich um eine geschiedene Frau mit zwei minderjährigen Kindern handle, sei der Behörde ein gravierender Fehler unterlaufen. Auch sei davon auszugehen, dass die Ausführungen zur innerstaatlichen Fluchtalternative daher den Fall eines gesunden, alleinstehenden und jungen Mannes betreffen und somit nicht auf die BF1 und ihre beiden kleinen Kinder übertragen werden können.

Der Beschwerde war ein ambulanter Befund der BF1 ( XXXX ) des Krankenhauses XXXX vom XXXX angeschlossen (Diagnose Gastritis, Anämie durch verstärkte Regelblutung und PMS) sowie die Ambulanzkarte vom XXXX betreffend BF3, Sohn XXXX , betreffend eines Sturzes aus dem Hochbett und ein Arztbrief vom XXXX , in welchem auch die Diagnose Lippen-Kiefer- Gaumenspalte aufscheint.

6. Die Beschwerde wurde am 19.10.2017 vom BFA, Regionaldirektion XXXX , dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

7. Am 29.08.2018 langte hg. eine Mitteilung der Diakonie Flüchtlingsberatung Burgenland ein, wonach das Geburtsdatum der BF1, XXXX , auf der Aufenthaltsberechtigungskarte nicht korrekt angegeben sei, mit der Bitte, eine Korrektur vorzunehmen. Dieser Mitteilung wurde eine Kopie des Reisepasses der BF1, ausgestellt am 03.10.2011, beigefügt.

8. Am 11.10.2018 langte bei Gericht die Vollmachtbekanntgabe von RA Dr. Michael Vallender ein, wonach die Beschwerdeführer diesen mit der weiteren Vertretung im Verfahren beauftragt haben. Das Vollmachtverhältnis wurde sodann am 25.03.2019 aufgelöst und dieser Umstand mit Eingabe vom 26.03.2019 dem Gericht zur Kenntnis gebracht.

9. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte mit Schreiben vom 04.11.2019 die Länderfeststellungen (LIB, Stand: 16.05.2019) zu Pakistan an die Beschwerdeführerin und räumte ihr die Möglichkeit ein, bis spätestens in der Verhandlung, am 27.11.2019 dazu Stellung zu nehmen.

10. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben der BF1, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde. Einsicht genommen wurde zudem in die vom BFA in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat der BF, die dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegen sowie durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.11.2019.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

1.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

1.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

1.2. Familienverfahren

§ 34 AsylG 2005 lautet:

"(1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

...

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

Wer als Familienangehöriger im Sinne dieser Bestimmung gilt findet sich in §2 Abs 1 Z 22 AsylG. Da die Beschwerdeführerin 2, XXXX , sowie der Beschwerdeführer 3, XXXX , beide minderjährige, ledige Kinder der BF 1, XXXX , sind, liegt im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Familienverfahren iSd §34 Abs 5 AsylG vor und wird das Verfahren der BF 1-3 daher in einem geführt.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Zur Person der Beschwerdeführer 1-3 wird festgestellt:

Die Beschwerdeführer 1-3 sind pakistanische Staatsangehörige und stammen aus der Stadt XXXX in der Provinz Punjab.

Die Identität der BF 1-3 konnte nicht festgestellt werden. Die Beschwerdeführer gehören dem sunnitischen Glauben und der Volksgruppe der Punjabi, XXXX , an. Die BF 1-3 sind am 06.03.2016 illegal, gemeinsam mit dem Bruder der BF1, Herrn XXXX , in Österreich eingereist und stellten am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Zur Beschwerdeführerin 1:

Die BF1, XXXX , ist die Mutter der beiden minderjährigen Kinder, XXXX (BF 2-3). Vom Vater der beiden Kinder, Herrn XXXX , ist sie seit XXXX rechtswirksam geschieden. Die BF1 hat in Pakistan, keine Schulbildung erhalten, sie hat nicht gearbeitet und hat ca. 6 Jahre bis zur Ausreise aus Pakistan, gemeinsam mit ihren beiden Kindern, im Haus ihrer Mutter in XXXX gelebt und wurde von dieser finanziell unterstützt; weitere Unterstützung erhielt sie von ihrer Schwester aus XXXX und ihren Nachbarn. Vier weitere Brüder sowie die Mutter der BF1, zu der sie in Kontakt steht, leben in XXXX /Punjab. Eine Schwester der BF1 lebt in XXXX .

Die BF1 befindet sich seit März 2016 in Österreich. Den Unterhalt für sich und die beiden Kinder bestreitet sie von der staatlichen Grundversorgung. Zusätzlich wird sie nach wie vor geringfügig von ihrer Schwester, welche in XXXX lebt, unterstützt. Sie hat in Österreich einen Alphabetisierungskurs absolviert. Sprachkurse hat sie noch nicht besucht und hat folglich bis dato kein Zertifikat erworben. Sie versteht und spricht die deutsche Sprache nicht.

Zu ihrem Gesundheitszustand ist auszuführen, dass die BF1 unter depressiven Zuständen und Blutanämie leidet, welche bereits in Pakistan behandelt wurde, und hat sich aufgrund dieser Beschwerden im Jahr 2019 mehrmals unter ambulante Kontrolle im Krankenhaus XXXX begeben. An Medikamenten nimmt die BF1 derzeit Alprazolam, Novalgin, Mexalen und Quetiapin ein.

Zur Beschwerdeführerin 2:

XXXX ist die Tochter der Beschwerdeführerin 1 und besucht in Österreich seit September 2016 die 3. Klasse der Volksschule in XXXX . Die Beschwerdeführerin 2 ist gesund. Eigene Ausreisegründe wurden für diese nicht vorgebracht.

Zum Beschwerdeführer 3:

XXXX XXXX , ist Sohn der Beschwerdeführerin 1. Er besucht derzeit die 2. Klasse der Volksschule in XXXX . Eine Lippen- Kiefer- Gaumenspalte wurde in Pakistan und auch Österreich operiert und befindet sich der Beschwerdeführer diesbezüglich in keiner weiteren Behandlung. An weiteren Beschwerden leidet er nicht und wurden eigene Ausreisegründe für ihn nicht vorgebracht.

Zu den Beschwerdeführern 1-3:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin 1 von ihrem geschiedenen Ehemann in Pakistan, sowie seiner Familie über den Zeitraum von sechs Jahren vor der Ausreise in regelmäßigen Abständen bedroht, geschlagen und versucht wurde, ihr die Kinder wegzunehmen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Exmann der BF1 oder dessen Familie die gemeinsamen Kinder (BF2-3) umbringen wollten, sodass die Beschwerdeführer gezwungen waren, das Land zu verlassen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern 1-3 im Herkunftsstaat Pakistan eine Bedrohung durch den Exmann oder dessen Familie in Zukunft droht.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer Gefahr liefen, in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr isd Art 2 und 3 EMRK unterworfen zu werden.

Eine Bedrohung aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit und Religion, sowie eine Bedrohung bzw. Verfolgung von staatlichen Behörden kann nicht festgestellt werden und wurde von der Beschwerdeführerin 1 ausdrücklich verneint.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würden oder als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wären.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung der Beschwerdeführer in ihrem Herkunftsstaat festgestellt werden.

In Österreich haben die Beschwerdeführer abgesehen vom Bruder der Beschwerdeführerin 1, dessen Asylverfahren mit hg. Erkenntnis des heutigen Tages ebenso beendet wurde, keine Verwandten oder sonstige Bezugspersonen. Die Beschwerdeführerin 1 versteht und spricht kein Deutsch. Sie hat einen Alphabetisierungskurs absolviert. Zertifikate konnte sie nicht vorlegen. Sie steht weder zu pakistanischen noch zu österreichischen Familien in Kontakt.

Die Beschwerdeführerin 2 und der Beschwerdeführer 3 besuchen in Österreich die Schule.

Die Beschwerdeführer 1-3 leben von der staatlichen Grundversorgung.

Auch sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration der Beschwerdeführer in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Im Strafregisterauszug scheint keine Verurteilungen der Beschwerdeführer auf und sind diese unbescholten.

Des Weiteren liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer nach Pakistan festzustellen ist.

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

1.Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa. Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir, dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind in Teilen autonom. Das Hauptstadtterritorium Islamabad ("Islamabad Capital Territory") bildet eine eigene Verwaltungseinheit (AA 1.2.2019a).

Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan ca. 207,8 Millionen Einwohner ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit-Baltistan (PBS 2017a), wo zusammengerechnet weitere ca. 5,5 Millionen Menschen leben (AJK PDD 2017 + Khan 2017 S 88-89). Das Land ist der sechst-bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 5.2.2019).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament (Nationalversammlung und Senat). Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt für fünf Jahre gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert (AA 1.2.2019a). Die reservierten Sitze werden von den Parteien gemäß ihrem Stimmenanteil nach Provinzen besetzt, wobei die Parteien eigene Kandidatenlisten für diese Sitze erstellen. (Dawn 2.7.2018).

Bei der Wahl zur Nationalversammlung (Unterhaus) am 25. Juli 2018 gewann erstmals die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI: Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) unter Führung Imran Khans die Mehrheit (AA 1.2.2019a). Es war dies der zweite verfassungsmäßig erfolgte Machtwechsel des Landes in Folge (HRW 17.1.2019). Die PTI konnte durch eine Koalition mit fünf kleineren Parteien sowie der Unterstützung von neun unabhängigen Abgeordneten eine Mehrheit in der Nationalversammlung herstellen (ET 3.8.2018). Imran Khan ist seit Mitte August 2018 Premierminister Pakistans (AA 1.2.2019).

Unabhängige Beobachter berichten von technischen Verbesserungen beim Wahlablauf (USDOS 13.3.2019), jedoch war die Vorwahlzeit geprägt von Einflussnahmen durch Militär und Nachrichtendienste (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019) insbesondere gegen die bisherige Regierungspartei Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N) (FH 1.2019). Die Wahlbeobachtermission der EU schätzte den Wahlverlauf als transparent und gut durchgeführt ein, jedoch erschwerte die Selbstzensur der Berichterstatter das Treffen von qualifizierten Wahlentscheidungen für die Wähler (EUEOM 27.7.2018).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von Parlament und Provinzversammlungen gewählt. Am 9. September 2018 löste Arif Alvi von der Regierungspartei PTI den seit 2013 amtierenden Präsidenten Mamnoon Hussain (PML-N) Staatspräsident regulär ab (AA 1.2.2019a).

Der Fokus der PTI-Koalitionsregierung liegt laut offizieller Darstellung auf dem Kampf gegen Korruption, der Sanierung von Wirtschaft und Finanzen sowie einem besseren Bildungs- und Gesundheitssystem (AA 1.2.2019a). In der Praxis dominiert das Militär wichtige Politikbereiche, insbesondere innere sowie äußere Sicherheit und Beziehungen zu - für Pakistans äußere Sicherheit zentralen - Staaten wie Afghanistan, Indien und USA (AA 21.8.2018; vgl. FH 1.2019). Der pakistanische Geheimdienst ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert und der Generaldirektor des Inter-Services Intelligence (ISI) gilt neben dem Armeechef als mächtigste Person im Land (Globalsecurity.org o.D.).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019a): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan-innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019

* AJK PDD - Azad Government of the State of Jammu and Kashmir - Planning & Development Department (2017): Azad Jammu & Kashmir at a Glance 2017, https://pndajk.gov.pk/uploadfiles/downloads/At%20a%20Glance%202017.pdf, Zugriff 4.4.2019

* CIA - Central Intelligence Agency (5.2.2019): World Factbook - Pakistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 21.2.2019

* Dawn (2.7.2018): Mechanism for filling reserved seats seen as flawed, https://www.dawn.com/news/1417406, Zugriff 23.4.2019

* EUEOM - European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf, Zugriff 1.4.2019

* ET - Express Tribune, the (3.8.2018): MQM support gives PTI required majority in NA, https://tribune.com.pk/story/1772639/1-mqm-p-throws-weight-behind-pti/, Zugriff 23.4.2019

* FH - Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2019 - Pakistan, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/pakistan, Zugriff 12.3.2019

* Globalsecurity.org (o.D.): Directorate for Inter-Services Intelligence [ISI] http://www.globalsecurity.org/intell/world/pakistan/isi.htm, Zugriff 12.3.2019

* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002256.html, Zugriff 12.3.2019

* Khan, Ehsan Mehmood (2017): Constitutional Status of Gilgit Baltistan: An Issue of Human Security, https://www.ndu.edu.pk/issra/issra_pub/articles/margalla-paper/Margalla-Paper-2017/7-Constitutional-Status-Dr-Ehsan-Mehmood-Khan.pdf, Zugriff 4.4.2019

* PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): Press Release on Provisional Results of 6th Population and Housing Census - 2017, http://www.statistics.gov.pk/assets/publications/Population_Results.pdf, Zugriff 1.4.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 - Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019

1. Sicherheitslage

Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).

Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).

Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).

Im aktuellen Konflikt zwischen Indien und Pakistan demonstrierten beide Staaten, die über Nuklearwaffen verfügen, dass sie bereit sind, die Lage weiter eskalieren zu lassen (Dawn 8.4.2019 vgl. BMEIA 27.3.2019). Jedoch wird ein Atomkrieg als äußerst unwahrscheinlich gesehen (DW 28.2.2019).

Im Vorfeld der Parlamentswahlen am 25.7.2018 erlebte Pakistan eine Welle von Gewalt mit größeren Anschlägen in verschiedenen Provinzen, für die militante aufständische Gruppierungen die Verantwortung übernahmen. Der Selbstmordanschlag am 13.7.2018 auf eine politische Versammlung in Mastung, Belutschistan, mit 150 Toten war der Anschlag mit den dritt-meisten Todesopfern, der bis dahin jemals in Pakistan verübt wurde (EASO 10.2018 S 18; vgl. PIPS 7.1.2019 S 43). Am Wahltag waren 370.000 Soldaten und 450.000 Polizisten mit erweiterten Befugnissen im Einsatz, um die Wahllokale zu sichern. Am Wahltag kam es in Belutschistan zu zwei Anschlägen mit Todesopfern auf Wahllokale und es gab regional Zusammenstöße zwischen Anhängern unterschiedlicher Parteien (EUEOM 27.7.2018; vgl. Dawn 26.7.2018) vorwiegend in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 26.7.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-konfessionellen Gruppierungen führten 2018 landesweit 262 terroristische Angriffe durch. Dabei kamen 595 Menschen ums Leben und weitere 1.030 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 371 Zivilisten, 173 Angehörige der Sicherheitskräfte und 51 Aufständische. 136 (52 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, jedoch die höchste Zahl an Opfern (218 Tote und 394 Verletzte) gab es bei insgesamt 24 Terrorangriffen auf politische Persönlichkeiten. Zivilisten waren das Ziel von 47 (18 %) Angriffen, acht waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste bzw. Mitglieder der Friedenskommittees und sieben hatten Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft zum Ziel (PIPS 7.1.2019 S 17f). Im Vergleich zu 2017 gab es im Jahr 2018 29 Prozent weniger terroristische Angriffe, bei denen um 27 Prozent weniger Todesopfer und um 40 Prozent weniger Verletzte zu beklagen waren (PIPS 7.1.2019).

Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihre Splittergruppen, insbesondere Jamaatul Ahrar und Hizbul Ahrar, bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen wie lokale Talibanfraktionen, Lashkar-e-Islam und Islamischer Staat führten 2018 171 terroristische Angriffe mit 449 Toten und 769 Verletzten durch. Nationalistische Gruppierungen, vorwiegend belutschische, führten 80 terroristische Angriffe mit 96 Toten und 216 Verletzten durch. Elf terroristische Angriffe mit 50 Toten und 45 Verletzten waren konfessionell motiviert (PIPS 7.1.2019).

Das Pakistan Institute for Peace Studies (PIPS) registrierte für die Jahre 2017, 2018 bzw. das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) für gesamt Pakistan sowie die unterschiedlichen Provinzen bzw. Gebiete nachfolgende Zahlen an terroristischen Anschlägen und Todesopfern (Quellenangabe siehe Tabelle; Darstellung BFA Staatendokumentation):

Bild kann nicht dargestellt werden

Insgesamt gab es im Jahr 2018 in Pakistan, inklusive der oben genannten terroristischen Anschläge, 497 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2017: 713; -30 %), darunter 31 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2017: 75), 22 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2017: 68), 131 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2017: 171) und 22 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2017: vier) (PIPS 7.1.2019 S 19f; Zahlen für 2017: PIPS 7.1.2018 S 20). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 46 % auf 869 von 1.611 im Jahr 2017, die Zahl der verletzten Personen sank im selben Zeitraum um 31 % von 2.212 auf 1.516 (PIPS 7.1.2019 S 20).

Im Februar 2019 eskalierten die Spannungen zwischen Indien und Pakistan im lang anhaltenden Kaschmir-Konflikt (Time 28.2.2019; vgl. UKFCO 7.3.2019). Der indische Luftangriff vom 26.2., bei dem laut pakistanischen Angaben keine Menschen zu Schaden kamen (Time 28.2.2019) in Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, war seit 1971 der erste Angriff Indiens auf pakistanisches Gebiet außerhalb Kaschmirs (Spiegel 2.3.2019). Am 27.2. wurde ein indisches Kampfflugzeug in pakistanischem Luftraum abgeschossen (Time 28.2.2019). Es kommt zu wiederholten Grenzverletzungen und Militäraktionen zwischen Pakistan und Indien (BMEIA 27.3.2019). Durch Schusswechsel über die Demarkationslinie hinweg werden auf beiden Seiten immer wieder Soldaten und Zivilisten verletzt oder getötet (Standard 2.4.2019; vgl. Presse 2.3.2019, Reuters 3.3.2019). Siehe dazu auch Abschnitt 0.

Nach dem Angriff auf die Militärschule in Peschawar im Dezember 2014 wurde der National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus in Kraft gesetzt. Die 20 Punkte des Plans umfassen Maßnahmen sowohl gegen Terrorismus als auch gegen Extremismus. Gemäß Einschätzung von PIPS wurden in den vier Jahren, die der Plan nun in Kraft ist, zufriedenstellende Fortschritte im Bereich der Terrorismusbekämpfung erzielt. Die Fortschritte im Bereich der Extremismusbekämpfung werden als nicht zufriedenstellend angesehen (PIPS 7.1.2019 S 89ff).

Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die "korrigierende religiöse Bildung", Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten. Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 19.9.2018).

Trotz gesetzlicher Regelungen gegen die Finanzierung von Terrorismus, die internationalen Standards entsprechen, werden Gruppen wie Lashkar-e Tayyiba nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen. Auch gibt es Lücken in der Umsetzung der Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen Al-Qaeda und den Islamischen Staat (USDOS 19.9.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019a): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan-innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019

* BMEIA - Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres der Republik Österreich (27.3.2019): Reiseinformation Pakistan, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/pakistan/, Zugriff 3.4.2019

* Dawn (8.4.2019): India-Pakistan conflict: Experts warn of harmful implications, https://www.dawn.com/news/1474645/india-pakistan-conflict-experts-warn-of-harmful-implications, Zugriff 8.4.2019

* Dawn (26.7.2018): 'Naya Pakistan' imminent: PTI leads in slow count of 11th general elections vote, https://www.dawn.com/news/1421984/voting-underway-across-pakistan-amid-tight-security-with-only-hours-left-till-polling-ends, Zugriff 3.4.2019

* Dawn (29.5.2018): Fata's historic transition, https://www.dawn.com/news/1410706/fatas-historic-transition, Zugriff 19.3.2019

* DW - Deutsche Welle (28.2.2019): Opinion: India, Pakistan, and the remote but real threat of nuclear war, https://www.dw.com/en/opinion-india-pakistan-and-the-remote-but-real-threat-of-nuclear-war/a-47721752, Zugriff 8.4.2019

* EASO - European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan - Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019

* EUEOM - European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf, Zugriff 1.4.2019

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019

* PIPS - Pak Institute for Peace Studies (9.4.2019): Pakistan Monthly Security Report: March 2019, https://pakpips.com/app/reports/477, Zugriff 9.4.2019

* PIPS - Pak Institute for Peace Studies (6.2.2019): Pakistan Monthly Security Report: January 2019, https://pakpips.com/app/reports/433, Zugriff 2.4.2019

* PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019

* PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.3.2019): Pakistan Monthly Security Report: February 2019, https://pakpips.com/app/reports/453, Zugriff 2.4.2019

* Presse, die (2.3.2019): Kaschmir: Sieben Tote bei Schüssen an Grenze von Indien und Pakistan, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5588780/Kaschmir_Sieben-Tote-bei-Schuessen-an-Grenze-von-Indien-und-Pakistan, Zugriff 4.3.2019

* Reuters (3.3.2019): India-Pakistan border quiet but Kashmir tense amid militancy crackdown, https://www.reuters.com/article/us-india-kashmir-pakistan-idUSKCN1QK093, Zugriff 6.3.2019

* Spiegel (2.3.2019): "Die roten Linien wurden verschoben", http://www.spiegel.de/politik/ausland/kaschmir-konflikt-zwischen-indien-und-pakistan-die-roten-linien-verschoben-a-1255811.html, Zugriff 2.4.2019

* Standard, der (2.4.2019): Pakistan meldet mehrere Tote nach Beschuss aus Indien, https://derstandard.at/2000100638494/Pakistan-meldet-mehrere-Tote-nach-Beschuss-aus-Indien-in-Kaschmir, Zugriff 3.4.2019

* Time (28.2.2019): From Suicide Bombing to Captured Pilot: A Timeline of the Latest Crisis in Kashmir, http://time.com/5541090/india-pakistan-2019-tensions-timeline/, Zugriff 2.4.2019

* UKFCO - UK Foreign and Commonwealth Office (7.3.2019): Foreign travel advice - Pakistan, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/pakistan, Zugriff 3.4.2019

* USDOS - US Department of State (19.9.2018): Country Report on Terrorism 2017 - Chapter 1 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1444941.html, Zugriff 2.4.2019

1.1. Wichtige Terrorgruppen

Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte der in Pakistan aktiven militanten regierungsfeindlichen Gruppen. Die TTP ist eine Dachorganisation 13 verschiedener - also ungefähr der Hälfte aller pakistanischen - Talibanfraktionen. Die Hochburgen der TTP in den ehem. FATA wurden durch militärische Operationen beseitigt, jedoch hält die TTP nach wie vor Rückzugsgebiete in Ostafghanistan. Analysten meinen, dass die TTP sich Mitte 2018 unter neuer Führung in Süd-Wasiristan vereinen konnte und wieder schlagkräftiger würde (EASO 10.2018 S 24f). PIPS hingegen gibt an, dass TTP verzweifelt darum kämpfe, ihr Netzwerk zu erhalten, innere Streitereien zu überwinden und die Finanzierung sicherzustellen (PIPS 7.1.2019 S 74).

Gemäß PIPS war die TTP im Jahr 2018 für 79 Terroranschläge mit 185 Toten verantwortlich. 57 dieser Anschläge wurden in Khyber Pakhtunkhwa, wo die Gruppe für den größten Teil aller Anschläge verantwortlich war, und 18 in Belutschistan durchgeführt (PIPS 7.1.2019 S 74f). Im Vorfeld der Parlamentswahlen 2018 hat die TTP die Verantwortung für mehrere Anschläge übernommen (EASO 10.2018 S 26).

Kleinere militante Organisationen, die in Khyber Pakhtunkhwa - insbesondere in den ehem. Stammesgebieten - aktiv sind, werden als Lokale Taliban bezeichnet. Diese Gruppen führten 2018 28 terroristische Anschläge mit elf Todesopfern durch. Die meisten dieser Vorfälle sind religiös motiviert und zielen auf Mädchenschulen, NGOs, Sicherheitskräfte oder Stammesälteste ab. Eine Talibangruppe unter Mullah Nazir ist in Nord-Wasiristan aktiv. Sie wurde einst als "gute Taliban" bezeichnet und nennt sich heute Friedenskommittee. Sie bedroht Mitglieder des Pakhtun Tahaffuz Movement [siehe auch Abschnitt 0] (PIPS 7.1.2019 S 74f).

Jamaatul Ahrar (JuA) ist eine Fraktion der TTP, operiert aber mit einer gewissen Eigenständigkeit aus der Provinz Nangarhar in Afghanistan heraus. Ziele der Gruppe sind Mitglieder der Sicherheitskräfte, Regierungsgebäude, Politiker, Minderheiten und Rechtsanwälte. Die Hizbul Ahrar (HuA) spaltete sich 2017 von der JuA ab (EASO 10.2018 S 26f). Gemäß PIPS waren im Jahr 2018 JuA für 15 terroristische Anschläge (2017: 37) mit elf Toten, alle in Khyber Pakhtunkhwa, sowie HuA für sechs Anschläge in vier verschiedenen Provinzen verantwortlich (PIPS 7.1.2019 S 74).

Der Islamische Staat in der Provinz Khorasan (IS / ISKP / Daesh) ist seit 2015 in Pakistan aktiv. Der IS konnte seinen Einfluss durch taktische Bündnisse mit ähnlich ausgerichteten örtlichen Gruppen vergrößern. IS hat lokale Zweigstellen und Rekrutierungsnetzwerke in einigen Großstädten wie Peschawar oder Karatschi (EASO 10.2018 S 29f). Der IS war 2018 für zwei große Anschläge im Zusammenhang mit den Wahlen in Belutschistan verantwortlich und war vermehrt in konfessionelle Gewalt involviert. Im Jahr 2018 wurden bei insgesamt fünf Anschlägen durch den IS 224 Menschen getötet. Der IS ist insbesondere in Belutschistan präsent, wo er 2018 vier große terroristische Anschläge durchführte; ein weiterer Anschlag geschah in Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019 S 76f).

Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist eine Deobandi-Terroristengruppe. Die Gewalt von LeJ richtet sich größtenteils gegen Schiiten; die Organisation vertritt auch radikale Standpunkte gegenüber Christen, Ahmadis und sufistischen Muslimen (EASO 10.2018 S 32). Im Jahr 2018 war LeJ für sieben terroristische Angriffe, darunter sechs in Belutschistan und einem in Khyber Pakhtunkhwa, mit insgesamt neun Toten, verantwortlich (PIPS 7.1.2019 S 78). Im Jahr 2017 war die LeJ mit ihren Splittergruppen, darunter die Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami, insgesamt für 18 Anschläge mit 132 Toten verantwortlich. 90 % davon betrafen die erste Jahreshälfte. Die verminderte Aktivität im zweiten Halbjahr ist durch die Zerschlagung ihrer Hauptnetzwerke zu erklären (PIPS 7.1.2018 S 87).

Die Schlagkraft der belutschischen nationalistischen Gruppen ist trotz einer verminderten Zahl an durchgeführten Anschlägen intakt. Die Balochistan Liberation Army (BLA) und die Baloch Liberation Front (BLF) führten 2018 addiert 45 terroristische Anschläge in Belutschistan und zwei in Karatschi durch [siehe auch Abschnitt 0]. 2018 wurden erstmals zwei Selbstmordangriffe durchgeführt. Diese Taktik wird normalerweise von religiösen Gruppierungen verwendet, hingegen sind die belutschischen Gruppierungen nationalistisch und politisch links einzuordnen (PIPS 7.1.2019).

Quellen:

* EASO - European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan - Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019

* PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019

1.2. Belutschistan

Die Provinz Belutschistan ist in 32 Distrikte mit insgesamt 134 Tehsils (administrative Einheit unterhalb der Distrikte) eingeteilt. Zur Volkszählung 2017 hat die Provinz 12,3 Millionen Einwohner; in der Hauptstadt Quetta leben ca. 1,7 Millionen Menschen (PBS 2017d).

Die Provinz Belutschistan ist mit einer Vielzahl von Konflikten belastet, wie zum Beispiel zwischen dem Staat und Nationalisten (Militär gegen bewaffnete Gruppen), Stammesfehden sowie ethnisch und religiös motivierte Auseinandersetzungen. Diese Konflikte werden durch die Beteiligung ausländischer Staaten mit einem wirtschaftlichen oder politischen Interesse in der Provinz, wie zum Beispiel China, weiter verkompliziert (EASO 10.2018).

Aufständische und separatistische Kräfte greifen Infrastruktureinrichtungen und Armeekräfte an und verüben Sprengstoffanschläge. Armee und Luftwaffe gehen gegen die Aufständischen vor. Auch Aktivitäten afghanischer und pakistanischer Taliban (TTP) werden in Belutschistan beobachtet (AA 13.3.2019). Es gibt Anzeichen wachsender Taliban-Präsenz insbesondere in Gebieten mit paschtunischer Bevölkerung (PIPS 10.4.2019). Daneben kommt es zu religiös motivierten Anschlägen, denen v. a. Schiiten zum Opfer fallen. In Quetta richten sich die Anschläge vielfach gegen die Volksgruppe der Hazara bzw. gegen Christen, die des Missionierens verdächtigt werden (AA 13.3.2019).

Die lokale Presse in Belutschistan wird von der Regierung Pakistans eingeschüchtert. Im November 2017 wurden lokale Journalisten von belutschischen Aufständischen bedroht, die die Journalisten der Kollaboration mit der Armee bezichtigten. Über Militäroperationen wird in Medien kaum berichtet und es gibt große Informationslücken über die Auswirkungen der Militäroperationen auf die Zivilbevölkerung (EASO 10.2018 S 72). Die militärische Führung hat durch Zugangssperren zu bestimmten Regionen u.a. der Provinz Belutschistan sowie durch Aufforderungen zur Selbstzensur mittels direkter und indirekter Einschüchterungsmethoden auf unauffällige, jedoch sehr effektive Art, die Berichterstattung beschränkt (ÖB 10.2018). Es gibt Hinweise, dass nicht alle Zwischenfälle gemeldet werden, da Journalisten und Blogger Selbstzensur betreiben (EASO 10.2018 S 13).

Es gibt Berichte über Binnenvertreibungen in Belutschistan. Wegen des eingeschränkten Zugangs zu betroffenen Gebieten seien die Informationen hierüber aber beschränkt. EASO gibt an, dass bei der Erstellung des Berichtes zur Sicherheitslage Pakistan mit dem Berichtszeitraum 1.6.2017 bis 15.8.2018 nur wenige Quellen zu Binnenvertreibungen in Belutschistan gefunden wurden (EASO 10.2018 S 76).

Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in Belutschistan 29 terroristische Anschläge mit 49 Toten. Belutschische nationalistische Gruppierungen waren für 20 Anschläge verantwortlich und religiöse militante Aufständischengruppierungen, hauptsächlich TTP, für sieben. Weitere zwei Anschläge waren religiös-konfessionell motiviert. Unter den Todesopfern befanden sich 19 Sicherheitskräfte, 23 Zivilisten und sieben Aufständische (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019).

Im Jahr 2018 war Belutschistan bezüglich Opferzahlen die am stärksten von Terrorismus betroffene Provinz. Fast 60 % aller Todesopfer landesweit kamen bei terroristischen Angriffen in Belutschistan ums Leben. Während die Zahl der Terrorangriffe im Vergleich zum Vorjahr um 30 % auf 115 gesunken war, stieg die Zahl der Todesopfer um 23 % auf 354 und die Zahl der Verletzten um 10 % auf 589. Unter den Getöteten waren 237 Zivilisten, 91 Sicherheitskräfte und 26 Aufständische. 261 Personen wurden durch 35 religiös motivierte Angriffe von Gruppen wie Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP), Hizbul Ahrar oder Islamischer Staat (IS) getötet. Belutschische Nationalistengruppen führten 74 Angriffe mit 85 Toten durch. Bei sechs konfessionell motivierten Angriffen wurden acht Menschen getötet (PIPS 7.1.2019 S 40).

Im Distrikt Quetta fanden 38 terroristische Angriffe - etwa ein Drittel - mit 111 Toten statt. In anderen Distrikten wurden 14 Angriffe aus Kech, sieben aus Qilla Abdullah, und je sechs aus Dera Bugti, Kohlu und Mastung gemeldet. Je vier Angriffe wurden in Gwadar, Kharan, Khuzdar, Nasirabad und Qilla Saifullah; je drei in Chagai, Kalat und Lasbela; je zwei in Panjgur und Sibi; je einer in Awaran, Bolan, Pishin und Washuk (jeweils Distrikte) registriert. Am 13. Juli 2018 kamen bei einem Selbstmord-Sprengstoffanschlag auf eine Wahlkampfveranstaltung in Mastung 150 Menschen ums Leben. Am 25. Juli 2018 wurden bei einem Selbstmord-Sprengstoffanschlag in Quetta, zu dem sich der IS bekannte, 31 Menschen getötet (PIPS 7.1.2019 S 40, 43)

Zusätzlich zu den o. a. 115 terroristischen Angriffen kam es im Jahr 2018 in Belutschistan zu 34 anderen gewalttätigen Vorfällen mit 66 Toten; darunter 15 Militäraktionen gegen Aufständische, acht bewaffnete Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen, sieben grenzüberschreitende Zusammenstöße aus Afghanistan oder dem Iran. Sicherheitskräfte konnten 2018 zwei größere Terroranschläge vereiteln (PIPS 7.1.2019).

Im Jahr 2017 wurden aus Belutschistan 165 terroristische Anschläge gemeldet, bei denen 288 Menschen getötet wurden, darunter 193 Zivilisten, 84 Mitglieder der Sicherheitskräfte und elf Aufständische. Belutschische Nationallistengruppen führten 131 Anschläge mit 138 Toten durch, sieben Anschläge mit 17 Toten waren konfessionell motiviert und richteten sich vorwiegend gegen Hazara. In der Hauptstadt Quetta kam es zu 35 Anschlägen mit 90 Todesopfern; 23 Anschläge gab es in Kech, 16 in Dera Bugti, 13 in Gwadar, zwölf in Panjgur, neun in Nasirabad und acht in Mastung. 133 Todesopfer waren 2017 bei 27 terroristischen Anschlägen durch islamistisch-militante Gruppierungen, wie die TTP, Jamaatul Ahrar, IS, Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami, zu beklagen (PIPS 7.1.2018).

Zusätzlich zu den o.a. 165 terroristischen Angriffen kam es im Jahr 2017 in Belutschistan zu 39 Militäraktionen gegen Aufständische, 13 bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen, 13 grenzüberschreitenden Zusammenstößen aus Afghanistan oder dem Iran, fünf stammesübergreifenden Fehden und zwei Fällen von Mob-Gewalt. Bei insgesamt 237 für die Sicherheitslage relevanten Vorfällen von Gewalt verloren 430 Menschen ihr Leben. Zusätzlich wurden während des Jahres 29 Leichen in der Provinz aufgefunden. In den meisten Fällen sind die Identitäten der Toten sowie ihrer Mörder nicht bekannt. Sicherheitskräfte konnten 2017 insgesamt 17 Terroranschläge vereiteln (PIPS 7.1.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt Deutschland (13.3.2019): Länderinformationen - Pakistan - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/PakistanSicherheit_node.html#doc344284bodyText7, Zugriff 3.4.2019

* EASO - European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan - Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019

* ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad (10.2018): Asylländerbericht Pakistan [Arbeitsversion]

* PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017d): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 26.3.2019

* PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019

* PIPS - Pak Institute for Peace Studies (10.4.2019): Pakistan Monthly Security Report: March 2019, https://pakpips.com/app/reports/477, Zugriff 10.4.2019

* PIPS - Pak Institute for Peace Studies (6.2.2019): Pakistan Monthly Security Report: January 2019, https://pakpips.com/app/reports/433, Zugriff 2.4.2019

* PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019

* PIPS - Pak Institute for Peace Studies (7.3.2019): Pakistan Monthly Security Report: February 2019, https://pakpips.com/app/reports/453, Zugriff 2.4.2019

1.3. Khyber Pakhtunkhwa

Die Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) ist in 25 Distrikte (PBS 2017d) und sieben Tribal Districts unterteilt (Dawn 31.5.2018). Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) wurden Ende Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert (AA 1.2.2019a). Die sieben Tribal Districts Bajaur, Khyber, Kurram, Mohmand, Orakzai, Nord- und Süd-Wasiristan waren bis 31. Mai 2018 Agencies der FATA (FRC 15.1.2019; vgl. PBS 2017d, Dawn 31.5.2018). Die bis 31.5.2018 bestehenden Frontier Regions der FATA wurden als Subdivisions in die bestehenden Distrikte Bannu, Dera Ismail Khan, Kohat, Lakki Marwat, Peschawar und Tank eingegliedert (Dawn 31.5.2018; vgl. PBS 2017d).

Laut Zensus 2017 hat die Provinz [im Gebietsstand ab 1.6.2018] ca. 35,5 Millionen Einwohner, wovon ca. fünf Millionen auf dem Gebiet der ehemaligen FATA leben. Die Hauptstadt Peschawar hat 4,3 Millionen Einwohner (PBS 2017d).

2009 begann die pakistanische Armee mit einer Reihe militärischer Einsätze gegen Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) in Khyber Pakhtunkhwa. Diese Offensive war gekennzeichnet durch Menschenrechtsverletzungen und willkürliche Verhaftungen. Die militärischen Einsätze gegen Aufständische trugen auf lange Sicht zu mehr Sicherheit in der Provinz bei (EASO 10.2018 S 67); auch auf dem Gebiet der ehem. FATA hat sich die Lage verbessert und viele Gebiete sind von Aufständischen geräumt worden (EASO 10.2018 S 82; vgl. FRC 15.1.2019). In den ehemaligen FATA konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018; vgl. FRC 15.1.2019), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018).

Dennoch bleibt die Bedrohung durch Gewalttaten der TTP weiter aufrecht. Zahlreiche Taliban-Fraktionen konnten ihre Netzwerke auf afghanischer Seite der Grenze wieder herstellen und sind in der Lage, terroristische Angriffe auf Sicherheitskräfte und Zivilisten in den Tribal Districts Nord- und Süd-Wasiristan durchzuführen (FRC 15.1.2019; vgl. AA 21.8.2018). Andere Gruppen, die zur Instabilität in den Stammesdistrikten beitragen und ebenfalls grenzüberschreitend von Afghanistan aus operieren, sind der Islamische Staat, die Wazir- und Mahsud-Taliban, Lashkar-e-Islam und Tauheed-ul-Islam (FRC 15.1.2019). In Süd-Wasiristan wurde eine bewaffnete Gruppe, die als "gute Taliban" bezeichnet wird, zu einer staatlich gestützten Miliz (EASO 10.2018 S 82). Eine lokale Talibangruppe um Mullah Nazir aus Nord-Wasiristan, die ebenfalls als "gute Taliban" bezeichnet wurde, ist jetzt unter dem Deckmantel eines Friedenskommittees tätig und bedroht Mitglieder des Pakhtun Tahaffuz Movement (PTM, siehe auch Abschnitt 0) (PIPS 7.1.2019 S 75).

Als Folge der Mitte 2014 begonnenen Militäroperation Zarb-e-Azb, die sich im Wesentlichen auf das Gebiet der ehem. FATA konzentrierte, mussten rund 1,4-1,8 Mio. Menschen ihre Wohngebiete verlassen und galten seither als IDPs (ÖB 10.2018;

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten