TE Bvwg Beschluss 2020/3/11 I421 2200682-2

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Veröffentlicht am 11.03.2020
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Entscheidungsdatum

11.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs2
StGB §127
StGB §83
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I421 2200682-2/2E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin Steinlechner als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Vorarlberg vom 30.01.2020, Zl. 1096997604-190264212, beschlossen:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 2 und 5 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein irakischer Staatsangehöriger aus Mosul/Irak, moslemischen Glaubens und Angehöriger der Volksgruppe der Araber, stellte am 25.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 6.6.2018, Zl. 1096997604-151865282, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 9.7.2018 durch seinen Vertreter binnen offener Frist hinsichtlich Spruchpunkt I. des Bescheids vom 6.6.2018 Beschwerde, welche nunmehr beim Bundesverwaltungsgericht anhängig ist (hg. GZ I421 2200682-1).

3. Im Zeitraum vom 18.06.2016-28.12.2019 beging der BF mehrere Diebstähle gemäß § 127 StGB, Körperverletzungen gemäß § 83 StGB, Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz gemäß § 27 SMG und mehrere Raube gemäß § 142 StGB. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 22.08.2019, rechtskräftig seit 26.08.2019, wegen §§ 142 (1), 142 (2) StGB und §§ 142 (1), 143 (1) 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren und zu einer Geldstrafe in Höhe von EUR 1.440,00 verurteilt.

4. Der BF wurde am 22.01.2020 in der Justizanstalt XXXX im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache einvernommen. Dabei gab er als Grund, warum er diese Straftaten begangen hat, den Gruppenzwang an. Wenn man jung sei so wie er, dann mache man oft, was die Gruppe macht. Es sei keine Mutprobe gewesen oder sowas, er habe einfach mitgemacht.

Zum Rückkehrsituation befragt führte der BF zusammengefasst aus, dass wenn er in den Irak zurückkehre, er nicht wisse, ob er den Morgen überleben werde. Es gäbe Krieg im Irak, es gäbe Explosionen und Entführungen.


Zum Leben in Österreich gab der BF an, in Österreich Familienangehörige zu haben, nämlich seine Mutter, 2 Schwestern, 1 Bruder, 2 Onkel und eine Tante. Er besuche eine Schule in Villach und möchte Friseur werden.

Dem Beschwerdeführer wurden im Anschluss an die Einvernahme die Einsichtnahme in die länderkundlichen Feststellungen zur Lage im Irak eingeräumt, vom Beschwerdeführer aber abgelehnt.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.01.2020, Zl. 1096997604-190264212, wurde der dem BF zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) sowie die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 4 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Absatz 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Das BFA stellte fest, dass der BF irakischer Staatsbürger sei, aus Bagdad komme und in Mossul gelebt habe, der arabischen Volksgruppe angehöre und schiitischer Moslem sei. Derzeit befinde sich der BF in Untersuchungshaft in der JA XXXX .

Der BF sei in Österreich mehrmals strafrechtlich verurteilt worden und sei im Irak nicht von einer Bedrohung oder Verfolgung i.S.d. Genfer Flüchtlingskonvention betroffen.

Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stellte das BFA fest, dass der BF mehrfach straffällig geworden sei, insbesondere sei er mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 22.08.2019, rechtskräftig seit 26.08.2019, wegen §§ 142 (1), 142 (2) StGB und §§ 142 (1), 143 (1) 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren und zu einer Geldstrafe in Höhe von EUR 1.440,00 verurteilt worden. Des Weiteren gäbe es keine stichhaltigen Gründe, die gegen eine Rückkehr in den Irak sprechen.

Zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbotes stellte das BF die Straffälligkeit des BF insbesondere seine rechtskräftige Verurteilung vom 22.08.2019 fest.

Beweiswürdigend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass die Straftat Raub als besonders verwerflich zu qualifizieren ist und im Fall des BF eindeutig von einer Wiederholungsgefahr auszugehen sei. Derzeit sitze der BF in U-Haft, weil er erneut beschuldigt werde, einen Raub begangen zu haben. Das Verhalten des BF rechtfertige eine negative Zukunftsprognose und in der Person des BF müsse eine Gefahr für die Allgemeinheit und Sicherheit der Republik Österreich gesehen werden.

In seiner rechtlichen Begründung führte das BFA zusammenfassend aus, dass der Beweiswürdigung sowie den Feststellungen zufolge, die Voraussetzungen für den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen würde. Des Weiteren seien keine Umstände, die gegen eine Rückführung in den Irak sprechen, ersichtlich. Daher sei dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs 1 AsylG abzuerkennen gewesen.

Zur Erlassung des Einreiseverbotes führte das BFA aus, dass der BF aufgrund der Schwere seines Fehlverhaltens und unter Bedachtnahme auf sein Gesamtverhalten eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle und sei daher das ausgesprochene Einreiseverbot zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seinen Vertreter am 28.02.2020 innerhalb offener Frist vollumfängliche Beschwerde. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

Im Wesentlichen wurde moniert, dass im Spruchpunkt I. nicht konkretisiert werde, ob der subsidiäre Schutz aufgrund von § 9 Abs 1 1. Oder 2. Fall AsylG aberkannt wird, in Spruchpunkt V. werde kein Land angegeben, die Behörde viele falsche Feststellungen getroffen sowie verpflichtende Ermittlungen nicht durchgeführt habe, die Behörde beim Einreiseverbot das jugendliche Alter des BF nicht in ihre Entscheidung miteinfließen habe lassen.

7. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

8. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der Angaben des BF, der Bescheideinhalte sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen:

1.1. Zuständigkeit des entscheidenden Einzelrichters

Die gegenständliche Beschwerde wurde am 28.02.2020 beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage durch das BFA am 05.03.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt dem erkennenden Einzelrichter zugewiesen, woraus sich dessen Zuständigkeit ergibt.

Zu Spruchpunkt A)

2. Ersatzlose Behebung des Bescheides

Im gegenständlichen Fall wurde mit Bescheid des BFA vom 30.01.2020, Zl. 1096997604-190264212, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, bevor das BVwG über den vom BF am 25.11.2015 eingebrachten Antrag auf internationalen Schutz entschieden hat.

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang zentral auf die rezente Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 15.03.2018, Ra 2017/21/0138-9 mit Verweis auf VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162, Rn. 12 und 13 iVm Rn. 1, wonach die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (allenfalls auch samt darauf aufbauendem Einreiseverbot) nicht zulässig ist, bevor über einen anhängigen Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde. Auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren – unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz – bereits anhängig ist, darf die Rückkehrentscheidung grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen. Zugleich mit der Rückkehrentscheidung ist nämlich die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu treffen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist; dies würde aber jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, in unzulässiger Weise vorwegzunehmen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ist daher grundsätzlich nicht zulässig.

Die zitierten Ausführungen sind zur Gänze auf den vorliegenden Fall umlegbar, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war. Über die Rückkehrentscheidung hat das BVwG gegebenenfalls im anhängigen Beschwerdeverfahren über den Antrag auf internationalen Schutz zu entscheiden.

Gemäß § 28 Abs 5 VwGVG sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG sind im gegenständlichen Fall erfüllt, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid zu Gänze aufzuheben ist.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch ist diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 Aberkennungsverfahren Abschiebung anhängiges Verwaltungsverfahren Anhängigkeit Asylverfahren befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung Diebstahl Entziehung Entziehungsbescheid ersatzlose Behebung Haft Haftstrafe Kassation Körperverletzung Raub Rückkehrentscheidung Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Straftat Suchtmitteldelikt Vorstrafe Zeitpunkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I421.2200682.2.00

Im RIS seit

28.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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