TE Bvwg Beschluss 2020/3/24 I407 1312413-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.03.2020
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Entscheidungsdatum

24.03.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I407 1312413-3/3E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.03.2020, Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. am XXXX , StA. MAROKKO, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Dr. Stefan MUMELTER als Einzelrichter beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes war gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.




Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 19.01.2007 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 14.05.2007 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 19.01.2007 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Zudem wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko abgewiesen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und ausgesprochen, dass die Abschiebung nach Marokko zulässig ist. Der Beschwerdeführer legte rechtzeitig dagegen Berufung ein. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25.04.2008 wurde der Bescheid des Bundesasylamtes bestätigt und der erste Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, unter einem wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig sei.

2.        Am 15.10.2014 stellte der Beschwerdeführer seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (i.f. belangte Behörde) vom 30.07.2018 gem. § 68 Absatz 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig sei. Es bestand keine Frist für die freiwillige Ausreise. Er habe sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 30.11.2015 verloren. Gegen den Beschwerdeführer wurde ein auf die Dauer von 9 Jahr/en befristetes Einreiseverbot erlassen. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die gegen den Bescheid des BFA eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.12.2018, Zahl: I409 1312413-2/7Z als unbegründet abgewiesen. Der Spruchpunkt V wurde dahingehend geändert, als das Einreiseverbot unbefristet erlassen wurde. Dieses Erkenntnis erwuchs am 05.12.2018 in Rechtskraft.

3.       Der Beschwerdeführer stellte am 24.02.2020 seinen verfahrensgegenständlichen dritten Asylantrag und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dazu befragt. Er gab an, dass er an keinen Beschwerden oder Krankheiten leiden würde und habe Österreich seit der letzten Entscheidung nicht verlassen. Auf die Frage, warum er nach der rechtskräftigen Entscheidung seines letzten Asylverfahrens einen neuerlichen Asylantrag stelle und was sich seit der Rechtskraft gegenüber dem bereits entschiedenen Verfahren geändert habe, gab der Beschwerdeführer an: „Mich verfolgen einige Männer in Marokko aus diesem Grund habe ich auch eine Verletzung am Ohr und aus Angst das mir etwas geschieht musste ich Marokko verlassen. Diese Männer kamen regelmäßig zu meiner Schwester nachhause und bedrohten sie deshalb ist sie auch aus Marokko geflohen und wohnt jetzt in Belgien. Mir wäre es lieber wenn ich in Österreich bleiben könnte.“ Auf die Frage, ob er alle Ausreise-, Flucht-, oder Verfolgungsgründe genannt habe, antwortete er: „Ich bekam keine Unterstützung weshalb ich gezwungen war in das Business- Geschäft einzusteigen und Drogen verkaufte. Hier im Gefängnis habe ich meine Lektion gelernt und möchte einer ehrlichen Arbeit nachgehen, sobald ich draußen bin.“ Auf die Frage nach seiner Rückkehrbefürchtung antwortete er: „Ich habe niemanden in Marokko, meine Schwester lebt dort auch nicht mehr sie ist in Belgien und meine Eltern sind beide verstorben meine Schwester soll nicht Arbeiten denn eine Frau muss nicht Arbeiten. Ich möchte mich um sie kümmern und ihr Geld schicken.“ Auf die Frage, seit wann ihm die Änderung der Fluchtgründe bekannt sei, antwortete er: „Es sind immer noch dieselben Gründe.“

4.       Am 12.03.2020 wurde der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Er gab an, dass er gesund sei, bestätigte, im Verfahren bisher die Wahrheit gesagt zu haben und führte ergänzend aus, dass er eine Schwester in Belgien habe und die Eltern verstorben seien. In Marokko sei er in einer Moschee im Jahr 2007 von 4 Marokkanern angegriffen und mit einer Zange am linken Ohr verletzt worden. Diese Männer wollten, dass er keinen Alkohol und Drogen mehr zu sich nehme und er öfter zur Moschee gehen solle. Er habe das verweigert und deshalb wurde er verletzt. Er sei danach nach Italien und weiter nach Österreich geflüchtet. Er habe viele Probleme in Marokko und möchte hier in Österreich bleiben, weil es ihm hier gefalle. Damals sei seine Schwester noch in Marokko gewesen. Diese Männer hätten immer nach ihm gesucht und seine Schwester befragt. Dies sei alles. Auf die Frage, ob er das in seinem Erstverfahren vorgebracht habe, sagte er, er habe dies nicht erwähnt, weil er nicht über den Islam reden wollte. Seit er im Gefängnis sei, habe er keinen Kontakt zu seiner Schwester. Er gab an, im Gefängnis von einem Freund Kleidung erhalten zu haben, sonst in Österreich aber keine Bindungen zu haben. Vor Haftbeginn bestritt er seinen Lebensinhalt in Österreich durch Zuwendungen von Drogenhändlern. Befragt, warum er nach seinen letzten beiden Asylverfahren in Österreich einen neuen Antrag auf internationalen Schutz stelle, antwortete er, dass er viele Probleme in Marokko habe. Die Personen, die ihn suchen, werden ihn dort umbringen. Auf die Frage, ob er dies alles in seinen Vorverfahren bzw. bei der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG angegeben habe, sagte er, dass er damals nicht alles erzählt habe. Er sagte damals nur, dass er in Marokko Probleme habe. Auf die Frage, ob er alle Asylgründe aus den Vorverfahren weiterhin aufrecht erhalte, antwortete er, dass er wegen seiner Freundin damals im Jahr 2018 gelogen habe. Alle anderen Gründe halte er aufrecht. Die Frage, ob er den gegenständlichen Antrag auf Asyl ausschließlich aus den Gründen stelle, welche er bereits in seinen Vorverfahren vorgebracht habe und jenen nunmehrigen Gründen, welche ihm vor Abschluss des Vorverfahrens bekannt waren, er diese jedoch wissentlich nicht vorgebracht haben, bejahte er. Er habe Österreichs seit der Rechtskraft des letzten Asylverfahrens Österreich nicht verlassen. Befragt nach seiner Rückkehrbefürchtung gab er an, dass er umgebracht oder entführt werde, er wisse es nicht. Seine Schwester sei bereits nach Belgien geflüchtet. Er befürchte bei seiner Rückkehr keine Sanktionen seitens der Behörden oder der Polizei. Anschließend wurde dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung mitgeteilt, dass die belangte Behörde beabsichtige, den Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und ferner beabsichtigt sei, den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben. Dem Beschwerdeführer wurden die aktuellen Länderfeststellungen zu Marokko ausgehändigt und ihm die Möglichkeit gegeben, im Rahmen einer zweiten Einvernahme dazu Stellung zu nehmen.

6.       Am 18.03.2020 wurde der Beschwerdeführer aus dem Stande der Strafhaft in Gegenwart seiner Rechtsberatung im gegenständlichen Verfahren von belangten Behörde zum zweiten Mal einvernommen. Die Rechtsberatung erklärt, der Beschwerdeführer habe eine Rechtsberatung in Anspruch genommen. Er erklärt, die Aussagen im Rahmen der ersten Einvernahme gemachten Angaben aufrecht zu erhalten, wolle sie jedoch wie folgt ergänzen: „Mein Problem mit diesen islamischen Brüdern ist, dass diese erfahren haben, dass ich homosexuell bin. Sie haben mich gesehen.“ Auf die Frage, seit wann die islamischen Brüder über seine Homosexualität informiert seien, sagte er, dass dies seit damals im Jahr 2000 der Fall gewesen sei. Auf die Frage, warum er dies nicht in seinen Vorverfahren, in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, im Zuge der Erstbefragung bzw. der Befragung am 13.03.2020 angegeben habe, antwortete er, dass er es vergessen bzw. sich dafür geschämt habe. Die neuerliche Frage, ob er den gegenständlichen Antrag auf Asyl ausschließlich aus den Gründen stelle, welche er bereits in seinen Vorverfahren vorgebracht habe und jenen nunmehrigen Gründen, welche ihm vor Abschluss des Vorverfahrens bekannt waren, er diese jedoch wissentlich nicht vorgebracht haben, bejahte er. Er wolle keine Stellungnahme zu den ihm übergebenen Länderberichten abgeben. Auf die Frage, was gegen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme, über die bereits am 05.12.2018 abgesprochen wurde, spreche, antwortete der Beschwerdeführer, dass er, sollte er nach Marokko zurückkehren, umgebracht werde.

Der Beschwerdeführer gab vor der belangten Behörde an, ausreichend Gelegenheit gehabt zu haben, die Gründe für den Asylantrag vollständig und umfassend zu schildern und auch alle sonstigen Hindernisse darzulegen, die einer Rückkehr ins Heimatland entgegenstehen.

Der Beschwerdeführer bestätigte, dass alles richtig protokolliert worden sei.

7.       In der Folge wurde gegenüber dem Beschwerdeführer mit mündlich verkündetem Bescheid der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Dies wurde damit begründet, dass das Vorverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig sei. Der nunmehrige Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, da der Beschwerdeführer seinen Asylantrag auf Umstände stütze, die er bereits in seinen Vorverfahren vorgebracht habe, als auch auf neu vorgebrachte Gründe (Überfall im Jahr 2007, Homosexualität im Jahr 2000) die er in den Vorverfahren wissentlich verschwiegen habe. Ein neuer objektiver asylrelevanter Sachverhalt liege nicht vor.

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände könne nicht festgestellt werden, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Marokko eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Auch habe sich die allgemeine Lage in seinem Herkunftsland seit der Entscheidung über Ihren vorherigen Antrag auf internationalen Schutz bzw. seit der Rechtskraft der letzten Rückkehrentscheidung (Anm. 05.12.2018) nicht entscheidungswesentlich geändert. Die gegen den Beschwerdeführer bestehende Rückkehrentscheidung sei aufrecht. Eine maßgebliche Integration in Österreich seit der letzten rechtskräftigen (05.12.2018) Entscheidung könne alleine schon aufgrund der kurzen Zeitspanne als auch aufgrund des durchgehenden Aufenthaltes in der Justizanstalt XXXX (seit 03.05.2016) ausgeschlossen werden.

8.       Der mündlich verkündete Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts am 20.03.2020 samt dem Verwaltungsakt vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Die Vorlage des Aktes durch das Bundesamt am 20.03.2020 gilt gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 bereits als Beschwerde.

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen und das Geburtsdatum sowie ist Staatsangehöriger von Marokko. Er besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer befindet sich im Stand der Strafhaft. Er leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen.

Im gegenständlichen Verfahren bezieht sich der Beschwerdeführer auf Gründe, die bereits Gegenstand des vorangegangenen Asylverfahrens waren. Weder im Hinblick auf die allgemeine Lage in Marokko noch im Hinblick auf die anzuwendenden rechtlichen Bestimmungen ist seit dem rechtskräftigen Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens am 05.12.2018 eine maßgebliche Änderung der Rechtslage eingetreten.

In Bezug auf den Fremden besteht kein schützenswertes Privat- und/oder Familienleben im Bundesgebiet. In Bezug auf seinen Gesundheitszustand ist betreffend einer allenfalls vorzunehmenden Abschiebung darauf hinzuweisen, dass vor einer Abschiebung durch die zuständige Behörde/Amtsarzt eine Prüfung dahingehend vorzunehmen ist, ob eine beabsichtigte Abschiebung eine EMRK-widrige Behandlung des Beschwerdeführers bedeuten würde.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers fußen auf seinen Aussagen. Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand fußen auf seinen eigenen unbedenklichen Angaben und seiner Haftfähigkeit.

Die Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer aktuell im Stand der Strafhaft befindet, fußt auf einer telefonischen Anfrage des verfahrensführenden Richters in der JA XXXX am 24.03.2020.

Die Angaben zu den Asylverfahren des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorliegenden Akten der belangten Behörde und des BVwG.

Der Beschwerdeführer erklärte im gegenständlichen Verfahren in der zweiten niederschriftlichen Befragung, dass er schon vor 2000, also sieben Jahre vor seiner ersten Asylantragstellung in Österreich, homosexuell gewesen wäre. Bei einer Rückkehr in sein Heimatland befürchte er, umgebracht zu werden. In der niederschriftlichen Befragung vor der belangten Behörde gab er an, dass er die in den ersten beiden Asylverfahren vorgebrachten wirtschaftlichen Gründe aufrecht erhalte.

Im Rahmen der Erstbefragung des ersten Asylverfahrens hatte der Beschwerdeführer am 19.01.2007 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes bzgl. seiner Fluchtgründe nachfolgende Angaben gemacht:

„Ich bin aus wirtschaftlichen Gründen weggegangen. Ich habe zu Hause kein Geld zum Überleben. Ich bin ganz alleine auf mich gestellt. Mein Vater und meine Stiefmutter wollen nichts von mir wissen."

Im vorangegangen (zweiten) Asylverfahren hatte der Beschwerdeführer in der Ersteinvernahme am 15.10.2014 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorgebracht:
„Es sind dieselben Gründe wie im Jahr 2007. Sollte ich zurückkehren, wird mich der Mann, mit welchem ich mich geschlagen habe, mich umbringen. Außerdem habe ich keine Familie mehr in meiner Heimat."

Insgesamt sind die in den Einvernahmen vom 12.03.2020 und 18.03.2020 vorgebrachten zusätzlichen Fluchtgründe als nicht asylrelevant zu werten, zumal der Beschwerdeführer zweimal ausdrücklich ausführte, seinen Asylantrag auf Umstände zu stützen, die er bereits in seinen Vorverfahren vorgebracht habe, als auch auf neu vorgebrachte Gründe (Überfall im Jahr 2007, Homosexualität im Jahr 2000), die er in den Vorverfahren wissentlich verschwiegen habe. Seine Behauptung, bereits in Marokko wegen seiner angeblich schon vor seinem ersten Asylverfahren bestandenen Homosexualität verfolgt worden zu sein, hat er mit keinem Wort in seinen ersten beiden Asylverfahren erwähnt und brachte sie als gesteigertes Vorbringen eine Woche nach seiner verfahrensgegenständlich ersten niederschriftlichen Einvernahme in einer zweiten niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde ein. Dies lässt sich nur als letzten, unglaubhaften Versuch zur Verzögerung seiner Abschiebung deuten.

Nach seinen eigenen Angaben befand sich Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Einvernahme weder in ärztlicher Behandlung noch nahm er Medikamente zu sich.

Der Ansicht der belangten Behörde, dass es dem Beschwerdeführer im Folgeverfahren nicht gelungen ist, einen Fluchtgrund glaubhaft zu machen, ist beizupflichten.

Ein Abgleich zwischen den Feststellungen des vorangegangenen Asylverfahrens und den Länderfeststellungen, welche der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt wurden, ergibt keine Verschlechterung der allgemeinen Situation in Marokko. Eine solche würde auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechen und wurde vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

1.       Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde (Z 1), kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt (Z 2), im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben (Z 3), und eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist (Z 4).

Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufheben, wenn gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht (Z 1), der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z 3).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 ist im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Folgeantrag jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.

Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden. Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 3 BFA-VG binnen acht Wochen zu entscheiden.

2.       Das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz vom 15.10.2014 wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 30.07.2018 abgewiesen. Dieser Bescheid ist am 05.12.2018 in 2. Instanz in Rechtskraft erwachsen. Beim verfahrensgegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 24.02.2020 handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.

3.       Gegen den abweisenden Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl im vorangegangen Asylverfahren wurde Beschwerde erhoben, die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zu GZ I409 1312413-2/7Z vom 05.12.2018 als unbegründet abgewiesen wurde. Dieser Bescheid erwuchs somit in Rechtskraft. Es liegt somit kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vor.

4.       Die Rückkehrentscheidung der belangten Behörde vom 30.07.2018 gem. § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 wurde mit Abweisung der Beschwerde rechtswirksam.

5.       Der Antrag vom 24.02.2020 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist: Eine Sachverhaltsänderung, die einen glaubhaften Kern aufweist, wurde weder behauptet noch ergibt sich eine solche aus der Aktenlage. Die in den Einvernahmen von 12.03.2020 und 18.03.2020 vorgebrachten Gründe waren als nicht asylrelevant zu würdigen und erscheinen nicht geeignet, die Verhältnisse der „Sache“ des Bescheids der belangten Behörde vom 30.07.2018 wesentlich zu ändern.

Aus den Länderberichten ergibt sich, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum vorangegangenen Bescheid eingetreten ist.

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise – für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status – auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN).

Auch diesbezüglich wurden keine Sachverhaltsänderungen vorgebracht.

6.       Die Abschiebung würde auch keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK darstellen:

Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und er in die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur „Schwelle“ des Art. 3 EMRK VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059), gibt es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt. Für den Fall einer Erkrankung bestehen auch in seinem Heimatstaat ausreichende Behandlungsmöglichkeiten. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte, zumal er dort auch über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt. Außerdem besteht ganz allgemein in Marokko derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, das gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zu EMRK ausgesetzt wäre.

Im Verfahren vor dem BVwG sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein „reales Risiko“ einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK erschlossenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

Eine Gefährdung iSd Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK wird vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Im Hinblick auf Art. 8 EMRK hat der Beschwerdeführer angegeben, in Österreich keine Familie oder familienähnliche Lebensgemeinschaft zu haben. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung kann angesichts seines kurzen Aufenthalts nicht angenommen werden. Es kann daher auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden.

7.       Auf Grund der aktuellen Länderberichte kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer als Zivilperson durch die Rückkehr nach Marokko eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes erwachsen würde.

8.       Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 06.03.2019 rechtmäßig ist und die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vorlagen.

9.       Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe insbesondere die zur Zuweisungsfähigkeit und Vereitelungshandlung zitierte Rechtsprechung); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich anzusehen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag Identität der Sache Privat- und Familienleben real risk reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I407.1312413.3.00

Im RIS seit

28.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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