TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/12 97/16/0204

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Veröffentlicht am 12.11.1997
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Index

L37139 Abfallabgabe Müllabgabe Sonderabfallabgabe Sondermüllabgabe
Müllabfuhrabgabe Wien;
L82409 Abfall Müll Sonderabfall Sondermüll Wien;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

AWG Wr 1994 impl;
BAO §115 Abs1;
BAO §115 Abs2;
BAO §115 Abs3;
BAO §119 Abs1;
BAO §167 Abs2;
MüllabfuhrG Wr 1965 impl;
StraBAG 1994 §2 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Dr. HH, Rechtsanwalt in Wien IV, Brucknerstraße 4/5, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Anton Spindler in Wien, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. März 1997, Zl. GA 9-514/96, betreffend Straßenbenützungsabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anläßlich einer nach § 144 BAO im Unternehmen des Gemeinschuldners durchgeführten Nachschau wurde festgestellt, daß die Straßenbenützungsabgabe für die Monate Jänner bis März 1995 nicht vollständig und für die Monate April bis Oktober 1995 überhaupt nicht gemeldet worden war.

Mit Bescheiden vom 20. Dezember 1995 schrieb das Finanzamt dem Gemeinschuldner die Straßenbenützungsabgabe für die Monate Jänner bis März 1995 in der Höhe von S 291.600,-- und für die Monate April bis Oktober 1995 in der Höhe von S 638.760,-- vor.

In der gegen diese Bescheide erhobenen Berufung brachte der Gemeinschuldner vor, den Bescheiden fehle eine Begründung. Es werde nur auf die Niederschrift vom 20. Dezember 1995 verwiesen. In dieser Niederschrift sei festgehalten, daß eine monatliche Meldung der Straßenbenützungsabgabe gewählt worden sei und daß die Beträge festgesetzt würden. Es sei während der Prüfung oft darauf aufmerksam gemacht worden, daß gemäß § 2 Z. 4 Straßenbenützungsabgabegesetz (StraBAG) die Abfuhr von Hausmüll steuerfrei sei. Aus der Begründung könne nicht erkannt werden, warum trotz des Vorliegens des Befreiungstatbestandes die Abgabe festgesetzt worden sei. Wie auf den Lieferscheinen und Rechnungen erkennbar, führe der Gemeinschuldner zu 80 % Sperrmüll. Die restlichen 20 % seien Fuhren mit Papier und Bauschutt. Dies müßte jedoch der Prüferin bei der umfangreichen Ermittlung bekannt gewesen sein. Auch die Sperrmüllabfuhr sei der Befreiung zugänglich. Außerdem sei auch die Abfuhr der von Privaten an Sammelstellen deponierten Abfallstoffe (Altpapiercontainer) befreit.

Dem Gemeinschuldner wurde eine Stellungnahme der Betriebsprüfungsabteilung zu seiner Berufung übermittelt, in der festgehalten wurde, im Rahmen der vorgenommenen Nachschau seien im Büro des Gemeinschuldners monatliche Erklärungen über die Abgabe für die Benützung von Straßen übernommen worden. Die Festsetzung der Abgabe sei sodann in Anlehnung an die abgegebenen Erklärungen erfolgt, wobei im Rahmen der Kontrolle noch geringfügige Änderungen, aber alle zugunsten des Gemeinschuldners, vorgenommen worden seien. Hinsichtlich des Vorbringens, daß während der Prüfung oft darauf aufmerksam gemacht worden sei, daß gemäß § 2 Z. 4 StraBAG die Abfuhr von Hausmüll steuerfrei sei, könne bestätigt werden. Aber im Rahmen der umfangreichen Prüfungshandlungen sei ganz eindeutig festgestellt und vom Firmeninhaber im Rahmen der Betriebsbesichtigung im Beisein des steuerlichen Vertreters auch bestätigt worden, daß es sich bei den durchgeführten Transporten überwiegend um die Abfuhr von Bauschutt, Aushubmaterial und sonstigen auf Baustellen anfallenden Reststoffen gehandelt habe. Vertragspartner bzw. Auftraggeber dieser Fuhren seien überwiegend Baufirmen, also gewerbliche Unternehmen gewesen. Auch aus diesem Umstand werde geschlossen, daß es sich um Gewerbemüll gehandelt habe. Nach der Ansicht des steuerlichen Vertreters, daß auch der Transport von Sperrmüll und Bauschutt aus Baustellen unter dem § 2 Abs. 4 StraBAG zu subsumieren sei, könne nicht gefolgt werden.

In der Entgegnung auf diese Stellungnahme vertrat der Gemeinschuldner die Ansicht, die Behörde sei der Aufforderung, eine Begründung zu den Bescheiden zu liefern, nicht gefolgt. Überdies hätten sich die umfangreichen Prüfungshandlungen seitens der Finanzbehörde auf die Besichtigung eines einzigen Müllcontainers beschränkt, in dem sich Bauschutt und Sperrmüll befunden habe. Gemeinsam mit der angeblichen Aussage des Firmeninhabers, daß es sich überwiegend um die Abfuhr von Bauschutt und sonstigen Reststoffen handle, habe die Prüferin gefolgert, daß es sich eindeutig um Gewerbemüll gehandelt habe. Hätte die Prüferin bei der umfangreichen Buchprüfung die Ausgangsrechnungen richtig gelesen, so wäre aufgefallen, daß rund 80 % Sperrmüll fakturiert worden sei.

Ein Vorhalt der belangten Behörde vom 23. Oktober 1996 wurde vom Gemeinschuldner - die Konkurseröffnung über sein Vermögen erfolgte am 12. Dezember 1996 - nicht beantwortet.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung heißt es, der Gemeinschuldner berufe sich darauf, daß in seinem Betrieb zu 80 % Sperrmüll und zu 20 % Papier und Bauschutt transportiert würden. Im Gegensatz dazu sei im Rahmen der betrieblichen Nachschau festgestellt worden, daß es sich bei den durchgeführten Transporten überwiegend um die Abfuhr von Bauschutt, Aushubmaterial und sonstigen auf Baustellen anfallenden Reststoffen gehandelt habe. Vertragspartner bzw. Auftraggeber dieser Fuhren seien überwiegend Baufirmen gewesen. Dem Gemeinschuldner sei von der belangten Behörde mit Vorhalt vom 23. Oktober 1996 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, insbesondere sei er aufgefordert worden, bekanntzugeben, über welche öffentliche Stelle er beauftragt worden sei, Hausmüll zu transportieren, mit welchen Fahrzeugen diese Transporte durchgeführt und in welchem Ausmaß diese Fahrzeuge für andere Transporte verwendet würden. Die für die Beantwortung der Fragen vom Gemeinschuldner selbst gewählte Frist sei am 10. Jänner 1997 ungenützt abgelaufen, sodaß im Hinblick auf die Sachlage die Benützung von Straßen mit den auf den Gemeinschuldner zugelassenen Kraftfahrzeugen für den Transport von Hausmüll zu verneinen sei. Die Berufungsausführungen sowie die Stellungnahmen zu den von der Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen sei ungeeignet, eine andere Betrachtungsweise herbeizuführen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der beschwerdeführende Masseverwalter erachtet sich in seinem Recht auf Nichtentrichtung der Straßenbenützungsabgabe verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist strittig, ob der Gemeinschuldner "Hausmüll" abführte. Bejahendenfalls wäre die Abgabenbefreiung nach § 2 Z. 4 StraBAG anzuwenden.

Die belangte Behörde verneinte das Vorliegen der Voraussetzungen für die Abgabenbefreiung mit der Begründung, im Rahmen der betrieblichen Nachschau sei festgestellt worden, daß es sich bei den durchgeführten Transporten überwiegend um die Abfuhr von Bauschutt, Aushubmaterial und von sonstigen auf Baustellen anfallenden Reststoffen gehandelt habe und der Gemeinschuldner einen Vorhalt mit der Aufforderung zur Bekanntgabe, welche öffentliche Stelle ihn beauftragt habe, Hausmüll zu transportieren, mit welchen Fahrzeugen diese Transporte und in welchem Ausmaß durchgeführt worden seien, nicht beantwortet habe. Sie sah es deswegen als erwiesen an, der Gemeinschuldner habe keinen "Hausmüll" transportiert.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beweiswürdigung nur insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, das heißt, ob sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1993, Zl. 88/16/0241).

In der Niederschrift über die im Unternehmen des Gemeinschuldners durchgeführte Nachschau finden sich keine Feststellungen über die Art des vom Gemeinschuldner mit seinen Fahrzeugen beförderten Transportgutes. Dies obwohl die anläßlich der Nachschau beanstandete Nichterklärung der Straßenbenützungsabgabe von seiten des Unternehmens - wie in einem Aktenvermerk und auch in der Berufung festgehalten - mit der Befreiungsbestimmung für die Abfuhr von Hausmüll begründet wurde. Erst in der Stellungnahme der Betriebsprüfungsabteilung des Finanzamtes zur Berufung des Gemeinschuldners wird festgehalten, bei den durchgeführten Transporten habe es sich überwiegend um Bauschutt, Aushubmaterial und sonstige auf Baustellen anfallende Reststoffe gehandelt. Die Betriebsprüfungsabteilung stützt sich dabei nur ganz allgemein auf die "im Rahmen der umfangreichen Prüfungshandlungen" getroffenen Feststellungen und die Bestätigung des "Firmeninhabers im Rahmen der Betriebsbesichtigung im Beisein des steuerlichen Vertreters". Dieser Stellungnahme hielt der Gemeinschuldner in seinem Antwortschreiben konkret entgegen, die umfangreichen Prüfungshandlungen seitens der Finanzbehörde hätten sich auf die Besichtigung eines einzigen Müllcontainers beschränkt, in dem sich Bauschutt und Sperrmüll befunden habe. Wären bei der Nachschau die Ausgangsrechnungen richtig gelesen worden, so wäre aufgefallen, daß rund 80 % als Sperrmüll fakturiert worden sei. Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid auf dieses Berufungsvorbringen und auf die Vorhaltsbeantwortung durch den Gemeinschuldner nicht näher ein.

Aus der Begründung des Bescheides hat hervorzugehen, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, daß gerade der festgestellte Sachverhalt vorliegt. Die die Beweiswürdigung betreffenden Erwägungen haben schlüssig darzulegen, was die Behörde veranlaßt hat, ein Beweismittel dem anderen vorzuziehen (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, Rz 12 zu § 93).

Der angefochtene Bescheid enthält eine solche schlüssige Darstellung nicht. Die belangte Behörde geht auf die im Festsetzungsverfahren erhobenen Sachverhaltseinwendungen nicht substantiiert ein und stellt zunächst nur fest, daß bei den durchgeführten Transporten überwiegend Bauschutt und dergleichen transportiert wurde. Worauf sich diese Feststellungen im Rahmen der betrieblichen Nachschau konkret stützen - auch aus den Verwaltungsakten sind keine Anhaltspunkte für diese Feststellungen entnehmbar -, wird nicht angeführt; sie sind daher nicht nachvollziehbar und nicht überprüfbar. Im übrigen kommt es nicht darauf an, ob überwiegend Bauschutt und dergleichen geführt wurde, weil die jeweilige Benützung von Straßen befreit ist, wenn Hausmüll abgeführt wird, sodaß auch im Falle des überwiegenden Bauschuttransportes die jeweilige Hausmüllabfuhr abgabenbefreit bleibt.

Der Gemeinschuldner hat durch die Nichtbeantwortung des Vorhaltes vom 23. Oktober 1996 seine Mitwirkungspflicht verletzt. Dies berechtigt aber die belangte Behörde nicht, auf das bis dahin Vorgebrachte nicht einzugehen.

Reagiert die Partei auf Vorhalte nicht, so darf dies nicht zur Annahme führen, die Bedenken der Behörde seien materiell gerechtfertigt, sohin gemachte Parteienangaben unzutreffend und diesen entgegenstehende Auffassungen der Behörde unbedingt richtig. Versagt die Partei ihre Mitwirkung, so sind die tatsächlichen Verhältnisse eben ohne Mitwirkung des Abgabepflichtigen zu erforschen (§ 115 Abs. 3) und die Ergebnisse in freier Beweiswürdigung zu beurteilen, wenngleich bei Zweifeln die den Parteiangaben entgegenstehenden Bedenken und Auffassungen der Behörde umso gewichtiger sein werden, je weniger die Partei im Ermittlungsverfahren sachdienlich mitwirkt und damit ihre Aufklärungs-(Offenlegungs- und Wahrheits-)pflicht verletzt (Stoll, BAO-Kommentar, 1718).

Wenn auch bei Begünstigungsbestimmungen - der Beschwerdeführer erachtet die Voraussetzungen für eine Abgabenbefreiung gegeben - die amtswegige Ermittlungspflicht gegenüber der Behauptungs- und Mitwirkungspflicht in den Hintergrund tritt (vgl. hg. Erkenntnis vom 12. Juli 1990, Zl. 89/16/0176), ändert dies nichts daran, daß die Behörde den maßgebenden Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung festzustellen und die Beweiswürdigung schlüssig zu begründen hat (vgl. hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1994, Zl. 92/15/0159).

Die belangte Behörde ist auf die im verwaltungsbehördlichen Verfahren erhobenen Sachverhaltseinwendungen nicht näher eingegangen und hat im angefochtenen Bescheid daher nicht schlüssig dargelegt, der Gemeinschuldner habe keinen Hausmüll (dazu gehören auch bestimmte Abfallstoffe und bestimmter Sperrmüll, vgl. ÖStZ Nr. 22/1994, 394 ff) abgeführt. Damit belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einem Begründungsmangel. Die Relevanz dieses Begründungsmangels wird in der Beschwerde auch dargetan, wenn vorgebracht wird, im Falle von Ermittlungen hätte sich ergeben, daß 80 % Sperrmüll und 20 % Bauschutt im Unternehmen des Gemeinschuldners transportiert worden seien.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997160204.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

10.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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