Entscheidungsdatum
22.04.2020Norm
AVG §71Spruch
L518 1267149-3/14E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus Steininger als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Armenien, gegen den Bescheid mit welchem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 13.12.2005 des Bundesasylamtes, Außenstelle Salzburg (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg vom 20.12.2005, Zl. XXXX , abgewiesen wurde, beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Die beschwerdeführende Partei (im Folgenden kurz "bP" bzw. "BF" genannt), ist eine Staatsangehörige der Republik Armenien und brachte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das Bundesgebiet am 3.5.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
Mit im Akt ersichtlichen Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Salzburg (nunmehr Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg in Folge als belangte Behörde bzw. kurz als "bB" bezeichnet) vom 23.6.2005, Zl. XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz gem. § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, idF BGBl. I Nr. 126/2002 abgewiesen (Spruchpunkt I.), die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Armenien gem. § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) idgF für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und gem. § 8 Abs. 2 AsylG die BF aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Der abweisliche Bescheid wurde der bP am 24.6.2005 persönlich ausgefolgt.
Mit Schreiben vom 13.12.2005, am gleichen Tag bei der bB einlangend, beantragte die beschwerdeführende Partei gem. § 71 AVG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob eine begründete Berufung (nunmehr Beschwerde).
Begründend führte die BF im Wiedereinsetzungsantrag im Wesentlichen aus, dass sie die Rechtsberaterin von SOS Mitmensch beauftragt hätte, ein Rechtsmittel gegen den abschlägigen Bescheid zu verfassen, deren rechtzeitige Aussendung aber aus ihr nicht bekannten Gründen unterblieben ist. Erst am 13.12.2005 hat die BF von diesem Umstand Kenntnis erlang und es treffe sie keine Schuld am Versäumnis der rechtzeitigen Einbringung der Berufungsschrift.
Dieser Antrag wurde - ohne jegliche Ermittlungstätigkeit - mit im Spruch bezeichneten Bescheid abgewiesen und führte die bB ins Treffen, dass sowohl der Spruch, als auch die Rechtsmittelbelehrung in der Muttersprache der BF, nämlich in Armenischer Sprache, abgefasst war, weshalb die BF vom Inhalt und den bestehenden Rechtschutzmöglichkeiten Kenntnis erlangte. Zudem sei für die Abfassung einer Berufung die Inanspruchnahme Dritter nicht zwingend erforderlich, weshalb die BF alle für die Abfassung einer Berufung notwendigen Informationen zur Hand hatte und von unüberwindlichen oder nicht in ihrer Einflusssphäre gelegenen Schwierigkeiten, welche die BF an der rechtzeitigen Erstattung einer Berufung gehindert hätte, nicht ausgegangen werden kann. Darüber hinaus habe sich die BF lediglich einer Hilfskraft einer Beratungsstelle bedient, welche weder fachlich qualifiziert, geschweige denn beruflich mit der Vertretung von Personen befasst ist.
Angesichts dieser Ausführung gelangte die bB zu dem Ergebnis, dass der BF eine Verletzung der sie treffenden Sorgfaltspflicht anzulasten war und nicht von einem minderen Grad des Versehens auszugehen war.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben vom 31.12.2005 das Rechtsmittel der Berufung erhoben und wies diese keine eigenhändige und urschriftliche Unterschrift auf.
Mit Schreiben des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 21.3.2007 zu Zl. 267.149/0/6Z-VII/43/06/v71 erging gem. § 13 Abs. 3 AVG idgF der Auftrag zur Behebung des Mangels, nämlich den Berufungsschriftsatz binnen zwei Wochen ab Zustellung mit einer eigenhändigen und urschriftlichen Unterschrift zu versehen.
Die Frist zur Abholung des Schriftstückes begann mit 24.3.2007
Am 30.3.2007 langte bei der bB die oben bezeichnete Beschwerdeschrift, nunmehr versehen mit der eigenhändigen Unterschrift der BF, ein.
Mit Aktenvermerk vom 16.5.2007 wurde das Verfahren - offensichtlich versehentlich - eingestellt, da dem Mängelbehebungsauftrag des UBAS nicht entsprochen worden sei. Zudem wurde die Verwaltungsakte an die Behörde erster Instanz rückübermittelt.
Bereits am 16.6.2006 wurde der Antrag auf Erteilung der aufschiebenden Wirkung des Antrages auf Wiedereinsetzung eingebracht und wurde seitens der Caritas, Rechtsberatung mit neuerlichem Schreiben vom 19.3.2007 die Erledigung dieses Antrages urgiert.
Mit Bescheid des UBAS vom 18.6.2007, Zl. 267.149/0/8Z-VII/43/06/v71 wurde diesem Antrag entsprochen und gem. § 71 Abs. 6 AVG dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Mit Schreiben vom 4.5.2017 wurde das Verwaltungsverfahren nunmehr der Gerichtsabteilung L518 zugewiesen und wurden die sachverhaltsrelevanten Erhebungen eingeleitet.
Mit Schreiben vom 4.1.2019, am 10.1.2019 beim BVwG, Außenstelle Linz einlangend, wurde der Verwaltungsakt der zuständigen Gerichtsabteilung übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der Verwaltungsbehörde und der eingebrachten Beschwerde.
1. Feststellungen:
Der oben dargestellte Sachverhalt steht aufgrund der unzweifelhaften Aktenlage fest.
2. Beweiswürdigung:
Der für die gegenständliche Zurückverweisung des Bundesverwaltungsgerichtes relevante Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage zweifelsfrei.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Vorweg war festzustellen, dass seitens des UBAS die Einstellung des Verfahrens offensichtlich aufgrund eines Versehens zu Unrecht erfolgte, zumal dem Mängelbehebungsauftrag - entgegen der irrtümlichen Annahme - fristgerecht erfolgte. Diesen Irrtum dürfte auch das erkennende UBAS Mitglied erkannt haben, zumal es nach Urgenz die aufschiebende Wirkung zuerkannte und begründend ausgeführt wurde, dass innerhalb offener Frist gegen den, den Wiedereinsetzungsantrag abweisenden Bescheid, das Rechtsmittel der Berufung erhoben wurde.
§ 33 VwGVG lautet:
"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,
bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,
(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt."
Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers in seinem Antrag gesteckt wird (vgl. VwGH 22.02.2001, Zl. 2000/20/0534; siehe auch Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 4 und 7 zu § 71 AVG). Den Wiedereinsetzungswerber trifft somit die Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen; es ist nicht Sache der Behörde [bzw. des Gerichts], tatsächliche Umstände zu erheben, die einen Wiedereinsetzungsantrag bilden könnten (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0268 unter Bezugnahme auf das dg. Erkenntnis vom 28.01.1998, Zl. 97/01/0983). Im Übrigen geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Partei im Verfahren wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an den im Antrag vorgebrachten Wiedereinsetzungsgrund gebunden bleibt.
Als Ereignis ist jedes Geschehen ohne Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen, auch ein Irrtum kann ein Ereignis sein. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann (VwSlg 9024 A). Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. z.B. VwGH 07.06.2000, Zl. 99/01/0337). Eine Erkrankung kann für sich allein niemals einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, sondern nur dann, wenn zufolge der Krankheit die Dispositionsfähigkeit der Partei ausgeschlossen wird, wenn also zufolge der Krankheit nicht einmal mehr für eine Stellvertretung vorgesorgt werden kann (z.B. VwGH 27.01.1994, 93/15/0219). Dispositionsunfähigkeit liegt dann vor, wenn jemand außerstande ist, als notwendig erkannte Handlungen fristgerecht zu setzen (VwGH 16.02.1994, 90/13/0004; auch VwGH 10.10.1996, 95/20/0659).
In Bezug auf die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ergibt sich hieraus Folgendes:
Gegen den abweislichen Asylbescheid war im gegenständlichen Fall das Rechtsmittel der Berufung innerhalb einer Frist von 2 Wochen nach Zustellung einzubringen.
Die Überschreitung der zwei wöchigen Rechtsmittelfrist ergibt sich zweifelsfrei aus der vorliegenden Akte und wurde diese auch seitens der bB dem Grunde nach nicht in Abrede gestellt.
Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seinem Erkenntnis vom 2.3.2005, Zl. 2005/20/0646 fest, dass nach st. Judikatur des VwGH der Organisation eines Kanzleibetriebes eine besondere Bedeutung zukommt. Die Rechtsprechung wurde zwar vorwiegend für die Pflichten des Kanzleibetriebes eines Rechtsanwaltes entwickelt, ist jedoch zweifellos auf andere Parteienvertreter, die regelmäßig Parteien vertreten, wie dies insbesondere für die gegenständliche Deserteurs- und Flüchtlingsberatung gilt, analog anzuwenden. Diese Vertreter haben für eine solche Organisation in ihrer Kanzlei zu sorgen, die nach menschlichem Ermessen die Versäumung von Fristen ausschließt. Besonderes Augenmerk ist dabei dem Fristen - Vormerk zuzuwenden.
Folglich führte der VwGH konkretisierend aus, dass der "analogen" Anwendung der Anforderungen an die Kanzleiorganisation eines Rechtsanwaltes auf die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung aber nicht zur Gänze gefolgt werden kann. Zwar trifft es auch zu, dass jemand, der - wenngleich ehrenamtlich - professionelle Vertretungshandlungen vornimmt, die erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen zu treffen hat. An das Ausmaß der Professionalität könne bei Einrichtungen, wie der hier betroffenen aber nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden, wie bei einem RA.
Würde man die ehrenamtlichen Mitarbeiter einer solchen Einrichtung an einem Maßstab messen, dem sie - ungeachtet eines allenfalls abgeschlossenen Jusstudiums - mangels Berufsausbildung zum Rechtsanwalt und ohne die damit verbundenen Kenntnisse und Erfahrungen nicht gerecht werden können, so würde ihre Tätigkeit von vornherein als sorgfaltswidrig eingestuft.
Mit Erkenntnis vom 17.10.2006, zu Zl. 2005/20/0003 stellte der VwGH mit Hinweis auf Vorjudikatur fest, dass einem Asylwerber, für den sich kein Anlass ergeben habe, an der Verlässlichkeit eines von ihm beigezogenen Beraters zu zweifeln, kein, jedenfalls kein einen minderen Grad des Versehens übersteigendes, als auffallende Sorglosigkeit zu wertendes Verschulden trifft, wenn er sich nicht im Nachhinein davon zu überzeugen versucht, dass der Berater die vom Asylwerber unterfertigte Berufung, wie zugesagt, fristgerecht eingebracht hat.
Zudem ist im Hinblick auf die st. Judikatur des VwGH davon auszugehen, dass das Verschulden der Mitarbeiter einer Rechtsberatungsstelle, welcher vom BF nicht bevollmächtigt wurden, nicht zuzurechnen ist (vgl. etwa Erk. des VwGH vom 17.10.2006, Zl. 2005/20/0003, vom 21.4.2005, Zl. 2005/20/0080 uva.).
Angesichts der oben zitierten st. Judikatur des VwGH vermochte sich das erkennende Gericht nicht den Ausführungen der belangten Behörde anzuschließen, zumal die bP zu Recht von einer ordnungsgemäßen und vor allem fristgerechten Beschwerdeerhebung durch die betraute Mitarbeiterin des Vereines Ute Bock, welche regelmäßig mit der Verfassung und Erhebung eines Rechtsmittels in asyl- und fremdenrechtlichen Angelegenheiten betraut war, ausging. Auch trifft die Beschwerdeführerin kein Auswahlverschulden, zumal sich der vorliegenden Akte kein Anlass ergeben hat, die Verlässlichkeit der von ihr beigezogenen Beraterin in Zweifel zu ziehen. Gegenteiliges vermochte sich auch aus den Bescheidausführungen nicht entnehmen und wurde seitens der belangten Behörde auch dahingehend keinerlei Erhebungen oder Feststellungen getroffen.
Ob die Beiziehung eines Dritten zwingend erforderlich sei, zumal sowohl der Spruch als auch die Rechtsmittelbelehrung in der Muttersprache der BF abgefasst wurden, oder sich die BF einer Hilfskraft bei der NGO bediente vermag an der oben dargelegten Beurteilung im Hinblick auf die Judikatur des VwGH nichts zu ändern.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Der Zustellung des angefochtenen Bescheides wird seitens der bP nicht bestritten und auch dessen Rechtswidrigkeit nicht in Frage gestellt. Die bP geht jedoch davon aus, dass im gegenständlichen Fall ein Wiedereinsetzungsgrund vorliegt. In diesem Punkt orientierte sich das ho. Gericht im Rahmen seiner Entscheidung an der einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur inklusive jener, die zur Vorgängerbestimmung des § 71 AVG erging, soweit sie aufgrund einer identischen Interessenslage hier ihre Anwendung findet.
Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Darüber hinaus stellen sich im gegenständlichen Fall primär Fragen der Beweiswürdigung.
Aus dem Umstand, dass das ho. Gericht und die belangte Behörde mit 1.1.2014 ihre Arbeit aufnahmen und teilweise eine Änderung in der fremden- und asylrechtlichen Diktion eintrat, vermag ebenfalls keinen Sachverhalt gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG zu begründen, weil hierdurch im Kernbereich der hier zur Anwendung kommenden Bestimmungen keine substantielle Änderung eintrat.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung minderer Grad eines Versehens Rechtsberater Rechtsberatung Vergleichsmaßstab Verschulden des Vertreters Wiedereinsetzung WiedereinsetzungsantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L518.1267149.3.00Im RIS seit
29.09.2020Zuletzt aktualisiert am
29.09.2020