Entscheidungsdatum
04.05.2020Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W212 2228724-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva Singer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2020, Zl. 1250589409-191100226, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 28.10.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dabei gab er an, den Namen XXXX zu führen, Staatsangehöriger Afghanistans und am XXXX geboren zu sein.
Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer bereits am 15.07.2019 in Griechenland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte und am 18.10.2019 in Italien erkennungsdienstlich behandelt wurde.
2. Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 28.10.2019 gab der Beschwerdeführer zunächst an, keine Erkrankungen oder sonstigen Beschwerden zu haben, die ihn an der Einvernahme hindern beziehungsweise das Verfahren beeinträchtigen würden. Er habe den Entschluss zur Ausreise aus seinem Herkunftsstaat bereits im Jahr 2012 gefasst und wäre sein Reiseziel Österreich gewesen, zumal sich dort seine Familie aufhalte. Im Oktober 2017 sei er mit dem Flugzeug von Kabul in die Türkei geflogen, wo er für etwa ein Jahr und acht Monate gelebt habe. Danach sei er für etwa drei Monate lang in Griechenland aufhältig gewesen und sei er von dort aus mit dem Boot nach Italien gelangt. In Italien sei er etwa für eineinhalb Wochen geblieben und sei er schließlich mit dem Zug nach Österreich eingereist. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass seine Mutter von den Taliban bedroht worden sei. Nachdem die Mutter das Land verlassen habe, sei auch er von den Taliban verfolgt worden. Er hätte sich in Kabul verstecken müssen und habe er dort gelebt wie im Gefängnis. Auch sei er krank; er habe Probleme beim Harnlassen und benötige deshalb einen Katheter. Er habe in Afghanistan eine Operation gehabt, die misslungen sei und habe er daraufhin beschlossen, das Land zu verlassen. Der Beschwerdeführer gab letztlich an, bereits in Griechenland einen Asylantrag gestellt zu haben. Er hätte das Verfahren aber wegen seiner Krankheit und der schlechten medizinischen Versorgung nicht abgewartet und sei er sodann weiter nach Italien beziehungsweise Österreich gereist. Er wolle nunmehr in Österreich bei seiner Familie blieben.
3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 30.10.2019 ein auf Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Italien. Mit Ablauf der Frist am 31.12.2019 verpflichtete sich Italien gemäß Art. 22 Abs. 7 iVm 13 Abs. 1 Dublin III-VO dazu, den Beschwerdeführer aufzunehmen und über seinen Antrag auf internationalen Schutz zu entscheiden.
4. Nach durchgeführter Rechtsberatung gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG fand am 09.01.2020 im Beisein eines Rechtsberaters die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Der Beschwerdeführer erklärte zu Beginn der Verhandlung, sich erst kürzlich einer medizinischen Operation unterzogen zu haben, und diesbezüglich noch leichte Schmerzen zu verspüren, psychisch gehe es ihm allerdings gut und gab er an, die Befragung ohne Probleme durchführen zu können. Konkret zu seinem Gesundheitszustand befragt, führte der Beschwerdeführer aus, Nieren- und Gallenprobleme zu haben sowie starke Schmerzen am rechten Fuß. Im Jahr 2016 sei er in Afghanistan operiert worden, wobei ihm eine Fehlbildung am Rücken entfernt werden hätte müssen. Die Operation sei allerdings erfolglos gewesen, seine Nerven seien beschädigt worden und habe er seither Probleme mit den Nieren und der Galle.
Ein Arzt in der Türkei habe festgestellt, dass er seine Nerven beim Urinieren nicht kontrollieren könne. Auch in Österreich sei er diesbezüglich in medizinischer Behandlung gewesen. Er sei zwei Tage stationär im Krankenhaus in Vöcklabruck gewesen, ihm sei dort ein Katheder gelegt worden und hätten die Ärzte ihm mitgeteilt, dass er eine langfristige Behandlung benötige. Nachdem sein Nierenproblem behoben sein wird, müsste auch sein rechter Fuß und sein Knie untersucht werden, da er in diesem Bereich starke Schmerzen habe. Er gehe alle sechs Wochen zur Kontrolle ins Krankenhaus in Vöcklabruck und bekomme er dort jedes Mal einen neuen Katheter. Für den 31.01.2020 sei ein Kontrolltermin vereinbart worden. Medikamente nehme er keine ein (es wurden vom Beschwerdeführer medizinische Unterlagen in Vorlage gebracht).
Auf die Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich oder im Bereich der Europäischen Union, in Norwegen, Island, Lichtenstein oder der Schweiz Verwandte habe, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis beziehungsweise eine besonders enge Beziehung bestehe, antworte der Beschwerdeführer dahingehend, dass in Österreich seine Eltern, zwei Brüder und eine Schwester leben würden, welche allesamt asyl- beziehungsweise subsidiär schutzberechtigt seien. Seine Eltern würden ihn fast jeden Tag von der Betreuungsstelle abholen und ihn abends wieder zurückbringen; er habe eine sehr enge Beziehung zu ihnen. Die Eltern würden ihm auch hin und wieder Geld geben und würde er jeden Tag bei ihnen essen; er sei psychisch und finanziell von ihnen abhängig. Auch seine Geschwister würden ihn psychisch und finanziell unterstützen.
Dazu befragt, was einer Überstellung nach Italien entgegenstehe, gab der Beschwerdeführer an, nicht nach Italien zurückkehren zu wollen, zumal er in Österreich bei seiner Familie bleiben wolle. In Italien seien ihm gegen seinen Willen die Fingerabdrücke abgenommen worden. Auch hätte er während seines zehntägigen Aufenthaltes in Italien des Öfteren kommuniziert, dass er krank sei und medizinische Betreuung benötige, es hätte ihm dort aber niemand geholfen. Er sei krank, benötige die Hilfe seiner Familie und befürchte in Italien keine medizinische Behandlung zu bekommen.
Zu den aktuellen Länderberichten zur Lage in Italien gab der Beschwerdeführer schließlich an, dass die Länderfeststellungen nicht mit dem übereinstimmen würden, was er tatsächlich erlebt habe. Die Lage in den italienischen Flüchtlingscamps sei sehr schlecht und habe er keine medizinische Betreuung erhalten.
5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2020, übernommen am selben Tag, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß §5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b Dublin III-VO Italien für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Zur Lage in Italien wurden folgende Feststellungen getroffen [unkorrigiert, gekürzt]:
„1.Allgemeines zum Asylverfahren
In Italien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Im Oktober 2018 gab es mit Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 (auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) einige legislative Änderungen (siehe dazu insbesondere Abschnitte 6. und 7. in diesem LIB, Anm.):
(…)
(AIDA 4.2019; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle).
Mit Stand 27. September 2019 waren in Italien 49.014 Personen in einem Asylerfahren, davon haben 26.240 Personen ihren Asylantrag im Jahr 2019 gestellt (MdI 27.9.2019).
Im Jahre 2019 haben die italienischen Asylbehörden bis zum 7. Juni 42.916 Asylentscheidungen getroffen, davon erhielten 4.605 Personen Flüchtlingsstatus, 2.790 subsidiären Schutz, 672 humanitären Schutz, 2.340 waren unauffindbar und 32.304 wurden negativ entschieden (MdI 7.6.2019). Mit Anfang Oktober 2019 waren in Italien 50.298 Asylanträge anhängig (SN 2.10.2019).
Die Asylverfahren nehmen, inklusive Beschwerdephase, bis zu zwei Jahre in Anspruch (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 27.8.2019
- MdI – Ministero dell‘Interno (27.9.2019): Commissione Nazionale per il Diritto di Asilo, per E-Mail
- MdI – Ministero dell‘Interno (7.6.2019): Commissione Nazionale per il Diritto di Asilo, https://www.camera.it/application/xmanager/projects/leg18/attachments/upload_file_doc_acquisiti/pdfs/000/001/795/REPORT_FINO_AL_07.06.2019_.pdf, Zugriff 24.9.2019
- SN – Salzburger Nachrichten (2.10.2019): Zahl der Migrantenankünfte in Italien 2019 stark rückläufig, https://www.sn.at/politik/weltpolitik/zahl-der-migrantenankuenfte-in-italien-2019-stark-ruecklaeufig-77097958, Zugriff: 9.10.2019
- USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004308.html, Zugriff 23.9.2019
2. Dublin-Rückkehrer
Wenn Italien einer Überstellung ausdrücklich zustimmt, wird der Flughafen angegeben, welcher der für das konkrete Asylverfahren zuständigen Quästur am nächsten liegt. Wenn Italien durch Fristablauf zustimmt, landen Rückkehrer üblicherweise auf den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist. Mit dieser ist dann ein Termin zu vereinbaren. Die Quästuren sind oft weit von den Ankunftsflughäfen entfernt und die Asylwerber müssen auf eigene Faust und oft auch auf eigene Kosten innerhalb weniger Tage dorthin reisen, was bisweilen problematisch sein kann (AIDA 4.2019).
Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab:
1. Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, kann er dies tun, so wie jede andere Person auch. Der Rückkehrer könnte aber auch als illegaler Migrant betrachtet und mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung konfrontiert werden. Derartige Fälle wurden 2018 vom Flughafen Mailand Malpensa berichtet (AIDA 4.2019).
2. Wenn das Verfahren eines Antragstellers suspendiert wurde, weil er sich dem Verfahren vor dem Interview entzogen hat, kann der Rückkehrer binnen 12 Monaten ab Suspendierung einen neuen Interviewtermin beantragen. Sind mehr als 12 Monate vergangen und das Verfahren wurde beendet, kann nur ein Folgeantrag gestellt werden, für den seit Oktober 2018 verschärfte Regelungen gelten (AIDA 4.2019).
3. Wurde das Verfahren des Antragstellers in der Zwischenzeit negativ entschieden und ihm dies zur Kenntnis gebracht, ohne dass er Beschwerde eingelegt hätte, ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich. Wenn dem Antragsteller die negative Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht werden konnte, gilt diese seit Oktober 2018 nach 20 Tagen als zugestellt und ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich (AIDA 4.2019). (Für weitere Informationen, siehe Kapitel 6.2. „Dublin-Rückkehrer“, Anm.)
Mit Gesetz 132/2018 wurde der humanitäre Schutzstatus stark überarbeitet und der Zugang zu dieser Schutzform eingeschränkt. Abgelaufene (alte) Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen, werden nicht erneuert (VB 22.2.2019) und können auch nicht mehr verlängert werden. Sie können jedoch bei rechtzeitiger Antragstellung und Erfüllung der Voraussetzungen in einen anderen Titel umgewandelt werden (Aufenthaltstitel für Arbeit, Familienzusammenführung, etc. oder in einen humanitären Titel neuer Rechtslage) (VB 25.2.2019). Ansonsten läuft der Titel ab und der Aufenthalt in Italien ist nicht mehr rechtmäßig (VB 22.2.2019). (für nähere Informationen zu diesem Thema siehe Abschnitt 7. “Schutzberechtigte”, Anm.) Wenn Dublin-Rückkehrer im Besitz eines humanitären Aufenthaltes waren, der nicht fristgerecht in einen der neuen Aufenthaltstitel umgewandelt wurde, sind sie zum Aufenthalt in Italien nicht mehr berechtigt und damit von der Versorgung ausgeschlossen (SFH 8.5.2019).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 27.8.2019
- SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.5.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pdf, Zugriff 25.9.2019
VB des BM.I Italien (25.2.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
VB des BM.I Italien (22.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail
(…)
3. Non-Refoulement
Medienberichten zufolge wurden 2018 über 100 auf See aufgelesene Migranten nach Libyen zurückgebracht. Italienische Gerichte haben Überstellungen von afghanischen Asylwerbern in EU-Mitgliedsstaaten, in denen Asylverfahren der besagten Afghanen bereits negativ erledigt worden waren, unter Verweis auf ein Ketten-Refoulement-Risiko nach Afghanistan annulliert (AIDA 4.2019).
Mit Gesetz 132/2018 wurde auch das Prinzip der sicheren Herkunftsstaaten in Italien eingeführt. Da aber bislang keine entsprechende Liste sicherer Herkunftsstaaten beschlossen wurde, wird das Konzept in der Praxis derzeit nicht angewendet (AIDA 4.2019).
Es gibt Berichte über ignorierte Versuche Asyl zu beantragen und kollektive Kettenabschiebung nach Slowenien und weiter bis nach Bosnien-Herzegowina (AI 1.3.2019).
Quellen:
- AI – Amnesty International (1.3.2019): Italy: Refugees and migrants' rights under attack: Amnesty International submission for the UN Universal Periodic Review, 34th Session of the UPR Working Group, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007541/EUR3002372019ENGLISH.pdf, Zugriff 30.9.2019
- AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 29.8.2019
4. Versorgung
Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) gibt es auch weitgehende Änderungen im Unterbringungssystem. Das bisherige System (CARA als Erstaufnahme, SPRAR als kommunal organisierte Unterbringung und Integration für Asylwerber und Schutzberechtigte, CAS als Notmaßnahme für Bootsflüchtlinge) wird völlig neu organisiert und nur noch zwischen einer Erstaufnahme und einer sekundären Versorgungsschiene unterschieden (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 4.2019).
Erstaufnahmeeinrichtungen („prima accoglienza“) werden CAS und CARA ersetzen. Zielgruppe dieser Einrichtungen sind Asylwerber (auch in einem Beschwerdeverfahren oder in Dublin-out-Verfahren bis zur Überstellung), ausdrücklich auch Dublin-Rückkehrer (VB 19.2.2019) und Vulnerable (mit Ausnahme von UMA) (SFH 8.5.2019). Fremde, die in Italien bereits einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, werden in jener Region untergebracht, in welcher der Antrag ursprünglich eingebracht wurde. In allen anderen Fällen ist jene Region zuständig, in der sich der Flughafen befindet, an dem der Fremde ankommt. Für diese Erstaufnahmeeinrichtungen wurden seitens des italienischen Innenministeriums neue Ausschreibungsspezifikationen ausgearbeitet, die bereits durch den italienischen Rechnungshof genehmigt und an die Präfekturen übermittelt wurden. Die Ausschreibung und staatliche Verwaltung/Kontrolle der Einrichtungen obliegt nach wie vor den Präfekturen. Seitens des italienischen Innenministers wurde betont, dass die Einhaltung sämtlicher europarechtlicher Bestimmungen (hier insbesondere die Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU) unter Wahrung der menschlichen Würde jedenfalls sichergestellt ist. Herkunft, religiöse Überzeugung, Gesundheitszustand, Vulnerabilität sowie die Familieneinheit finden Berücksichtigung. Bei den Kernleistungen (Sozialbetreuung, Information, soziokulturelle Mediation, sanitäre Einrichtungen sowie Startpaket, Taschengeld und Telefonkarte) soll es zu keiner Kürzung oder Streichung kommen. Integrationsmaßnahmen werden im neuen System nur noch Schutzberechtigten zukommen. Bei den Ausschreibungsspezifikationen wird zwischen kollektiven und individuellen (z.B. Selbstversorger) Unterbringungsplätzen unterschieden. Die Versorgung sieht unter anderem folgende Leistungen vor:
- Unterbringung, Verpflegung
- Sozialbetreuung, Information, linguistisch-kulturelle Mediation
- notwendige Transporte
- medizinische Betreuung: Erstuntersuchung, ärztliche Betreuung in den Zentren zusätzlich zum allgemeinen Zugang zum nationalen Gesundheitsdienst
- Hygieneprodukte
- Wäschedienst oder Waschprodukte
- Erstpaket (Kleidung, Bettzeug, Telefonkarte)
- Taschengeld (€ 2,50/Tag/Person bis zu € 7,50/Tag für eine Kernfamilie)
- Schulbedarf
- usw.
Nach Auskunft des italienischen Innenministeriums sind Plätze für Familien sowie allein reisende Frauen (mit Kindern) vorgesehen. In den Spezifikationen sind Personalschlüssel, Reinigungsintervalle, Melde- und Aufzeichnungsverpflichtungen des Betreibers in Bezug auf Leistungen an die Bewohner, An-/Abwesenheiten etc. festgelegt. Die Präfekturen sind zu regelmäßigen, unangekündigten Kontrollen berechtigt und verpflichtet (VB 19.2.2019).
Ende 2018 wurden amtliche Ausschreibungsvorgaben für die Unterbringungseinrichtungen veröffentlicht, die die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen sollen. Die Vorgaben garantieren persönliche Hygiene, Taschengeld (Euro 2,50/Tag in der Erstaufnahme) und Euro 5,- für Telefonwertkarten, jedoch keine Integrationsmaßnahmen mehr (Italienisch-Kurse, Orientierungskurse, Berufsausbildungen oder Freizeitaktivitäten). Ebenso eingespart wird psychologische Betreuung, welche nur noch in Hotspots und Schubhaftzentren verfügbar ist. Rechtsberatung und kulturelle Mediation werden reduziert (AIDA 4.2019; vgl. SFH 8.5.2019).
Die sekundären Aufnahmeeinrichtungen (früher SPRAR) heißen ab sofort SIPROIMI („Sistema di protezione per titolari di protezione internazionale e per minori stranieri non accompagnati“ – Schutzsystem für international Schutzberechtigte und unbegleitete minderjährige Fremde). Asylwerber, mit Ausnahme unbegleiteter Minderjähriger, haben dort keinen Zugang mehr (AIDA 4.2019). SIPROIMI stehen nur noch Personen mit internationalem Schutz, unbegleiteten Minderjährigen, sowie Personen zur Verfügung, die nach der neuen Rechtslage einen Aufenthaltstitel wegen besonders berücksichtigungswürdiger Umstände haben („neue“ humanitäre Titel; siehe dazu mehr in Abschnitt 7. „Schutzberechtigte“, Anm.). In diesen Einrichtungen werden zusätzlich zu den oben beschrieben Leistungen auch Maßnahmen mit dem Ziel einer umfassenden Integration (Gesellschaft, Arbeitsmarkt, Sprache, etc.) geboten (VB 19.2.2019).
Nur diejenigen asylsuchenden Personen und Inhaber eines humanitären Status, denen vor dem 4. Oktober 2018 ein Platz in einem SPRAR-Zentrum zugesagt wurde, werden noch in einem SPRAR-Zentrum untergebracht (SFH 8.5.2019). Personen mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich mit Stichtag 05.10.2018 noch in einem SPRAR/SIPROIMI befanden, können dort für den vorgesehenen Zeitraum bzw. bis zum Ende des Projektzeitraumes weiterhin bleiben. Jene Fremde mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich noch in einer Erstaufnahmeeinrichtung befinden, verbleiben dort so lange, bis ihnen von der Quästur der Aufenthaltstitel („permesso di soggiorno“) übergeben wurde und werden danach aus dem Aufnahmesystem entlassen (VB 19.2.2019).
In den letzten Jahren war das italienische Aufnahmesystem angesichts der zahlreichen Anlandungen von Migranten von Überforderung und dem Versuch geprägt, möglichst viele Unterbringungsplätze in möglichst kurzer Zeit zu schaffen. Dabei entstanden verschiedene Arten von Unterbringungszentren auf Projektbasis in Gemeinden, Regionen und zentraler Ebene mit nur grob festgelegt Zielgruppen. Mit der Neustrukturierung wurde ein differenziertes Aufnahmesystem geschaffen, das auch der Kritik des italienischen Rechnungshofes Rechnung trägt, der die undifferenzierte Unterbringung bzw. Erbringung insbesondere von kostspieligen Integrationsmaßnahmen an Migranten ohne dauerhaften Aufenthaltstitel bemängelt hat. So werden Asylwerber zukünftig in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Personen mit Schutzstatus bzw. einer der neuen Formen des humanitären Schutzes sowie allein reisende Minderjährige erhalten Zugang zu den sekundären Aufnahmeeinrichtungen, in denen zusätzlich integrative Leistungen angeboten werden (VB 19.2.2019). Ende 2018 wurden amtliche Ausschreibungsvorgaben für Unterbringungseinrichtungen veröffentlicht, die die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen sollen. Durch die neuen Vergabekriterien wurde auch auf den Vorwurf reagiert, dass die Aufnahmeeinrichtungen außerhalb des SPRAR keine einheitlichen Standards sicherstellen. Durch die Staffelung der Strukturen nach Unterbringungsplätzen mit entsprechend angepasstem Personalstand und Serviceleistungen kann seitens der Präfekturen im Rahmen der Vergabeverfahren auf den Bedarf und die Gegebenheiten vor Ort im jeweiligen Fall eingegangen werden, wodurch sich die Kosten von € 35/Person/Tag auf € 21/Person/Tag senken sollen. Die Vorgaben garantieren persönliche Hygiene, Taschengeld (Euro 2,50/Tag in der Erstaufnahme) und Euro 5,- für Telefonwertkarten, jedoch keine Integrationsmaßnahmen mehr (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 4.2019). Dass eine solche Restrukturierung ohne Einbußen bei der Qualität oder dem Leistungsangebot (so der Vorwurf bzw. die Befürchtung der Kritiker) machbar ist, scheint angesichts der vorliegenden Unterlagen aus Sicht des VB nachvollziehbar (VB 19.2.2019). Kritiker meinen hingegen, die neuen Vorgaben würden zu einem Abbau von Personal in den Unterbringungseinrichtungen und zur Reduzierung der gebotenen Leistungen führen. Kleinere Zentren würden unwirtschaftlich und zur Schließung gezwungen, stattdessen würden größere, kostensenkende Kollektivzentren geschaffen (SFH 8.5.2019).
Asylwerber dürfen zwei Monate nach Antragstellung legal arbeiten (AIDA 4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). In der Praxis haben Asylwerber jedoch Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt, etwa durch Verzögerungen bei der Registrierung ihrer Asylanträge (die damit einhergehende Aufenthaltserlaubnis ist für den Zugang zum Arbeitsmarkt wichtig), oder durch die anhaltende Wirtschaftskrise, die Sprachbarriere, oder die geografische Abgelegenheit der Unterbringungszentren usw. (AIDA 4.2019).
Es gibt Berichte über Diskriminierung und Ausbeutung von Migranten durch Arbeitgeber. Die hohe Arbeitslosigkeit schmälert die Chancen von Migranten auf legale Anstellung (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 19.9.2019
- SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.5.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pdf, Zugriff 25.9.2019
- USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004308.html, Zugriff 23.9.2019
- VB des BM.I Italien (19.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail
a. Unterbringung
Grundsätzlich sind bedürftige Fremde zur Unterbringung in Italien berechtigt, sobald sie den Willen erkennbar machen, um Asyl ansuchen zu wollen. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist. Bei Rechtsmitteln mit automatischer aufschiebender Wirkung besteht das Unterbringungsrecht auch bis zur Entscheidung des Gerichts. Bei Rechtsmitteln ohne automatische aufschiebende Wirkung kann diese vom Gericht zuerkannt werden und in einen solchen Fall besteht auch das Unterbringungsrecht weiter. Seit Ende 2018 haben einige Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung mehr. Gemäß der Praxis in den Vorjahren erfolgt der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der formellen Registrierung des Antrags (verbalizzazione), die bis zu einige Monate nach der Antragstellung stattfinden kann, abhängig von Region und Antragszahlen. In dieser Zeit müssen Betroffene alternative Unterbringungsmöglichkeiten finden, was problematisch sein kann. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Betroffene Asylwerber ohne ausreichende Geldmittel sind daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen, oder es droht ihnen Obdachlosigkeit. In ganz Italien gibt es auch informelle Siedlungen oder besetzte Häuser, in denen Fremde leben, unter ihnen Asylwerber und Schutzberechtigte (AIDA 4.2019).
Das offizielle italienische Unterbringungssystem für erwachsene Asylwerber stellt sich folgendermaßen dar:
CPSA (Centri di primo soccorso e accoglienza) / Hotspots
Es handelt sich dabei um Zentren an den Hauptanlandungspunkten der Migranten, die über das Mittelmeer nach Italien kommen. Die CPSA wurden 2006 gegründet und fungieren seit 2016 formell als “Hotspots” (gemäß dem sogenannten “Hotspot-approach” der Europäischen Kommission). Diese dienen der raschen erkennungsdienstlichen Behandlung, Trennung von Asylwerbern und Migranten und ihrer entsprechenden weiteren Behandlung. Ende 2018 gab es in Italien vier Hotspots in Apulien (Taranto) und Sizilien (Lampedusa, Pozzalo, Messina), die zusammen 453 Migranten beherbergten. Zu Identifikationszwecken werden Migranten in den Hotspots oft wochenlang festgehalten, was Kritiker als ungesetzlich bezeichnen (AIDA 4.2019).
Erstaufnahme
Diese soll in den bereits existierenden Zentren (Centri d’accoglienza richiedenti asilo, CARA und Centri di accoglienza, CDA) und in neu festzulegenden Einrichtungen umgesetzt werden. Die Zentren sind meist groß, geografisch isoliert und der Standard der Unterbringungsbedingungen schwankt zum Teil erheblich. Derzeit gibt es 14 Erstaufnahmezentren, aber Anfang 2019 hat das Innenministerium verlautbart, die großen Zentren schließen und durch kleinere ersetzen zu wollen, weil diese leichter zu kontrollieren seien. Im Falle von Platzmangel kann auch auf temporäre Strukturen (Centri di accoglienza straordinaria, CAS) zurückgegriffen werden, das sind Notunterkünfte der Präfekturen. Die Unterbringung in einem CAS soll so kurz als möglich dauern, bis zur Unterbringung des Betreffenden in einem Erstaufnahmezentrum. Doch es gibt derzeit über 9.000 CAS in ganz Italien und sie bilden damit die Mehrheit der im Land verfügbaren Unterbringungsplätze. Auch in den CAS ist der Unterbringungsstandard stark von der betreibenden Präfektur abhängig. In der Vergangenheit wurden einige CAS stark für die dortigen Zustände kritisiert. In Zukunft sollen die Ende 2018 veröffentlichten amtlichen Ausschreibungsvorgaben für Unterbringungseinrichtungen die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen (AIDA 4.2019).
Die Erstaufnahmezentren müssen seit Oktober 2018 alle Asylsuchenden, einschliesslich Vulnerabler, mit Ausnahme von UMA, aufnehmen. Die Aufnahmezentren der ersten Stufe haben infolge der neuen Vorschriften für das öffentliche Auftragswesen mit erheblichen Budgetkürzungen zu kämpfen. Diese Kürzungen führen zu einer Verringerung des Personalbestands und somit einer Verschlechterung der Betreuung der Asylsuchenden (SFH 8.5.2019).
Die Integration der Asylsuchenden beginnt erst nach Zuerkennung eines Schutztitels und Verlegung in ein SIPROIMI. Die Erstaufnahmeeinrichtungen bieten keine Integrationsprojekte, wie Berufsorientierung, etc. (AIDA 4.2019).
(Für Informationen zu SIPROIMI siehe Abschnitt 7. “Schutzberechtigte”, Anm.)
Private Unterbringung / NGOs
Außerhalb der staatlichen Strukturen existiert noch ein Netzwerk privater Unterbringungsmöglichkeiten, betrieben von karitativen Organisationen bzw. Kirchen. Ihre Zahl ist schwierig festzumachen. Interessant sind sie speziell in Notfällen oder als Integrationsmittel. Im April 2017 beherbergten außerdem über 500 Familien in Italien einen Fremden. In einer Initiative der Caritas waren im Mai 2017 rund 500 weitere Migranten privat untergebracht (AIDA 4.2019).
Im Feber 2018 waren in ganz Italien geschätzt mindestens 10.000 Personen von der Unterbringung faktisch ausgeschlossen, darunter Asylwerber und Schutzberechtigte. Sie leben nicht selten in besetzen Gebäuden, von denen mittlerweile durch Involvierung von Regionen oder Gemeinden aber auch viele legalisiert wurden (MSF 8.2.2018). Informelle Siedlungen gibt es im ganzen Land, wenn auch Ende 2018 einige von den Behörden geräumt wurden (AIDA 4.2019). Auch Vertreter von UNHCR, IOM und anderer humanitärer Organisationen und NGOs, berichteten über tausende von legalen und illegalen Migranten und Flüchtlingen, die in verlassenen Gebäuden und in unzulänglichen und überfüllten Einrichtungen in Rom und anderen Großstädten leben und nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung, Rechtsberatung, Bildung und anderen öffentlichen Dienstleistungen haben (USDOS 13.3.2019).
Mit Stand 30.9.2019 befanden sich in Italien 99.599 Migranten in staatlicher Unterbringung (VB 30.9.2019).
CPR (Centri di Permanenza per il Rimpatrio)
Italien verfügt außerdem über sieben Schubhaftzentrum (CPR) mit zusammen 751 Plätzen. Unbegleitete Minderjährige und Vulnerable dürfen nicht in CPR untergebracht werden, Familien hingegen schon. In der Praxis werden aber nur sehr selten Kinder in CPR untergebracht. Wenn Migranten in den Hotspots die Abgabe von Fingerabdrücken verweigern, können sie zu Identifikationszwecken für max. 180 Tage in CPR inhaftiert werden (AIDA 4.2019).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 19.9.2019
- MSF – Médecins Sans Frontières (8.2.2018): “Out of sight” – Second edition, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424506.html, Zugriff 8.10.2019
- USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004308.html, Zugriff 23.9.2019
- SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.5.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pdf, Zugriff 25.9.2019
- VB des BM.I Italien (30.9.2019): Bericht des VB, per E-Mail
- VB des BM.I Italien (19.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail
b. Dublin-Rückkehrer
Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018; auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) wird festgelegt, dass die Erstaufnahmeeinrichtungen („prima accoglienza“), welche CAS und CARA ersetzen sollen, ausdrücklich auch die reguläre Unterbringungsmöglichkeit für Dublin-Rückkehrer sind (VB 19.2.2019), da für Asylwerber kein Zugang zu den Zentren der zweiten Stufe (SIPROIMI-Zentren) vorgesehen ist (AIDA 4.2019).
Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellte Italien im Februar 2015 in einem Rundbrief eine Liste von Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind, welche als Dublin-Rückkehrer nach Italien kommen. Im Sinne der neuen Rechtslage im Land hat Italien am 8. Jänner 2019 einen neuen Rundbrief versendet und auf die geänderten Gegebenheiten reagiert. Es wird darin bestätigt, dass in Übereinstimmung mit dem neuen Gesetz 132/2018, gemäß der Dublin-VO rücküberstellte Antragsteller nicht in SIPROIMI, sondern im Rahmen der Erstaufnahme (s.o.) untergebracht werden. Italien garantiert, dass diese Zentren dafür geeignet sein werden, um alle Arten von Betroffenen zu betreuen und die Einhaltung ihrer Grundrechte zu gewährleisten, vor allem die Familieneinheit und den Schutz Minderjähriger (MdI 8.1.2019; vgl. AIDA 4.2019).
Genauer sollen Dublin-Rückkehrer, die bereits einen Asylantrag in Italien gestellt hatten, bevor sie das Land verließen, vom Flughafen in die Provinz der Antragstellung überstellt werden. Dublin-Rückkehrer, die noch keinen Asylantrag in Italien gestellt haben, sind in der Provinz des Ankunftsflughafens unterzubringen. Die Familieneinheit sollte dabei immer gewahrt bleiben. (AIDA 4.2019).
Bezüglich des Verlustes des Rechtes auf Unterbringung gelten noch immer die Regeln aus dem Dekret 142/2015: Verlässt eine Person unerlaubt eine staatliche Unterbringung, so wird von einer freiwilligen Abreise ausgegangen und sie verliert das Recht auf Unterbringung. Dies gilt auch nach einer Dublin-Rückkehr (SFH 8.5.2019). Die Präfektur kann eine neuerliche Unterbringung verweigern (AIDA 4.2019). Solche Personen sind gegebenenfalls auf private oder karitative Unterbringungsmöglichkeiten bzw. Obdachlosenunterkünfte angewiesen. Hat der Rückkehrer vor der Weiterreise kein Asylgesuch in Italien gestellt und tut dies erst nach der Rückkehr, besteht das Recht auf Unterbringung ohne Einschränkung. Da sich die formelle Einbringung des Antrags aber oftmals über Wochen verzögern kann, kann bis zur Unterbringung eine entsprechende Lücke entstehen (SFH 8.5.2019; vgl. AIDA 4.2019).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 29.8.2019
- MdI – Ministero dell‘Interno (8.1.2019): Circular Letter, per E-Mail
- SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.5.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pdf, Zugriff 25.9.2019
- VB des BM.I Italien (19.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail
c. Medizinische Versorgung
Mit Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018; auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) ist die medizinische Versorgung von Asylwerbern weiterhin gewährleistet. Es wurde oft kritisiert, dass durch das neue Gesetz Asylwerber von der medizinischen Versorgung abgeschnitten würden, weil deren Registrierung bei den Gemeinden („residenza“) nicht mehr vorgesehen ist. Letzteres ist grundsätzlich richtig, allerdings unterscheidet Italien beim „Wohnsitz“ zwischen „residenza“ und „domicilio“ (VB 19.2.2019). Nach der neuen Rechtslage ist die Einschreibung beim Nationalen Gesundheitsdienst für Asylwerber auf Basis des „domicilio“ garantiert (CILD 1.2.2019), welcher üblicherweise im Aufnahmezentrum liegt. Somit ist auch für Asylwerber weiterhin die Ausstellung einer Gesundheitskarte („tessera sanitaria“) möglich, mit welcher sie Zugang zu den medizinischen Leistungen erhalten. Zusätzlich sind in den Erstaufnahmezentren Ärzte beschäftigt, die neben medizinischen Erstuntersuchungen und Notfallmaßnahmen auch die nationalen Gesundheitsdienste entlasten sollen. Der Zugang zu medizinischer Notversorgung in öffentlichen Spitälern bleibt weiterhin bestehen, auch für illegale Migranten (VB 19.2.2019).
Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann in Bezug auf medizinische Versorgung dieselben Rechte und Pflichten wie italienische Staatsbürger. Das gilt unabhängig davon, ob sie staatliche Versorgung genießen oder nicht. Das Recht auf medizinische Versorgung entsteht formell im Moment der Registrierung eines Asylantrags, wobei es aber in der Praxis in einigen Regionen bis zu einigen Monaten Verzögerung kommen kann (AIDA 4.2019), weil bei bestimmten Quästuren die Zuweisung des Steuer-Codes (codice fiscale), die im Zuge der Formalisierung des Asylantrags erfolgt und für den Zugang zur medizinischen Versorgung wichtig ist, länger dauert. Bis dahin haben die betroffenen Asylsuchenden nur Zugang zu medizinischen Basisleistungen wie etwa einer Notfallversorgung, wie sie gemäß Artikel 35 des Einwanderungsgesetzes (TUI) auch illegalen Migranten zusteht. Die Anmeldung beim italienischen nationalen Gesundheitsdienst erfolgt im zuständigen Büro des lokalen Gesundheitsdienstes (Azienda sanitaria locale, ASL), in der Gemeinde, in der der Asylwerber seinen Wohnsitz (domicilio) hat. Im Zuge der Registrierung wird eine europäische Gesundheitskarte (tessera europea di assicurazione malattia) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen: freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.); Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung; kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern. Das Recht auf medizinische Versorgung sollte im Rahmen der Erneuerung der Aufenthaltserlaubnis nicht erlöschen. Wenn die Aufenthaltserlaubnis abgelaufen ist, besteht keine Garantie auf Zugang zu nicht notwendiger medizinischer Versorgung bis zur Erneuerung derselben, was aufgrund bürokratischer Verzögerungen einige Zeit dauern kann. Wenn Asylwerber keine Wohnsitzmeldung (domicilio) vorweisen können, erhalten sie auch keine Gesundheitskarte. Eines der größten Hindernisse für den Zugang zu Gesundheitsdiensten ist jedoch die Sprachbarriere (AIDA 4.2019).
Asylwerber können sich auf Basis einer Eigendeklaration bei den ASL als bedürftig registrieren lassen. Sie werden dann arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr („Ticket“) bezahlen. Die Befreiung gilt zunächst für zwei Monate ab Asylantragstellung (da in diesem Zeitraum kein Zugang zum Arbeitsmarkt besteht). Um die Ticket-Befreiung danach beizubehalten, müssen sich die AW offiziell arbeitslos melden. Laut Gesetz ist die Ticket-Befreiung auch bei niedrigem Einkommen möglich, doch durch die neue Rechtslage mit Gesetz 132/2018 kommen Asylwerber mit niedrigem Einkommen nicht in diesen Genuss, da ihnen entsprechende Bestätigungen aufgrund mangelnder verwaltungsinterner Anweisungen nicht ausgestellt werden (AIDA 4.2019).
Asylwerber mit psychischen Problemen und Folteropfer haben dasselbe Recht auf Zugang zu medizinischer Versorgung wie italienische Bürger. In der Praxis haben sie die Möglichkeit, von speziellen Leistungen des nationalen Gesundheitsdienstes, spezialisierter NGOs oder privater Stellen zu profitieren. Die NGOs ASGI und Ärzte ohne Grenzen betreiben in Rom seit April 2016 ein Zentrum zur Identifikation und Rehabilitation von Folteropfern. ASGI arbeitet auch mit anderen Institutionen zusammen und beobachtet die Einhaltung der verfassungsmäßigen Rechte der Migranten auf medizinische Versorgung (AIDA 4.2019).
Bei den Gesundheitsdienstleistungen in den Zentren sehen die neuen Ausschreibungskriterien in Aufnahmezentren mit bis zu 50 Plätzen durchschnittlich nur noch vier Stunden ärztliche Betreuung pro Person und Jahr vor, Pflegepersonal ist in diesen Zentren keines mehr vorgesehen. In großen Zentren (bis zu 300 Plätzen) muss ein Arzt nur noch 24 Stunden pro Woche statt wie bisher rund um die Uhr anwesend sein. Für die Zentren ist keine Unterstützung durch interne Psychologen/Psychiater mehr vorgesehen. Die soziale Unterstützung für Zentren mit bis zu 50 Plätzen wurde auf sechs Stunden pro Woche reduziert, jene für Zentren mit bis zu 300 Plätzen auf 24 Stunden pro Woche (SFH 8.5.2019).
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 19.9.2019
- CILD - Coalizione Italiana Libertà e Diritti Civili (1.2.2019): ANAGRAFE E DIRITTI: COSA CAMBIA COL DECRETO SALVINI. Know Your Rights, https://immigrazione.it/docs/2019/know-your-rights.pdf, Zugriff 26.2.2018
- MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail
- SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.5.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pdf, Zugriff 25.9.2019
- VB des BM.I Italien (19.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail
- VB des BM.I Italien (19.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail
(…)“
Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass der Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen sei, weil Italien für die Prüfung des Asylantrages zuständig sei und die Voraussetzungen zur Anwendung von Art. 16 (zwingende Zusammenführung von abhängigen Personen) beziehungsweise Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO (humanitäre Klausel) nicht vorliegen würden. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung des Beschwerdeführers ernstlich für möglich erscheinen ließe, sei im Verfahren nicht erstattet und eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Italien sei nicht erkannt worden. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO ergeben. Es seien auch weder schützenswerte familiäre noch besondere private Anknüpfungspunkte in Österreich gegeben, weshalb die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle.
6. Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhob der Beschwerdeführer durch seine Vertretung gemäß § 52 BFA-VG am 17.02.2020 fristgerecht das Rechtmittel der Beschwerde und wurde gleichzeitig der Antrag gestellt, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Italien seine erforderliche medizinische Versorgung nicht bekommen würde und dass er in Österreich bei seiner Familie bleiben möchte. Er habe Angst davor, in Italien auf der Straße leben zu müssen, was für ihn lebensgefährlich sei, zumal er aufgrund seines derzeit gesetzten Dauerkatheders gezwungen sei, einen sehr hohen Hygienestandard einzuhalten und befürchte er, bei Unterbrechung der Weiterbehandlung in eine lebensbedrohliche Situation aufgrund eines Nierenversagens geraten zu können. In Italien komme es zu einer systematischen, notorischen Verletzung fundamentaler Menschenrechte. Es bestünde ein aggressives, feindliches Klima gegenüber Fremden und hätten die zuletzt verschärften Gesetzesänderungen, die politischen Geschehnisse sowie Kapazitätsprobleme die Situation in Italien zunehmend verschärft. Diesbezüglich werde auch auf Berichte der Schweizer Flüchtlingshilfe hingewiesen, woraus hervorgehe, dass im Rahmen der durch das Salvini-Dekret eingeführten Regelungen, ein reibungsloser Zugang zur medizinischen Versorgung nach der Ankunft von Asylsuchenden nicht gewährleistet und ein enormer Abbau der erforderlichen Mindestleistungen zu beobachten sei. Die Behörde stütze sich lediglich auf die sehr allgemein gehaltenen Länderfeststellungen und sei sie nicht auf die tatsächlichen Verhältnisse in Italien und die individuell medizinischen Bedürfnisse des Beschwerdeführers eingegangen. Sie hätte jedenfalls eine explizite Zusicherung der italienischen Behörden bezüglich der notwendigen medizinischen Versorgung und Weiterbehandlung des Beschwerdeführers in Italien einholen müssen. Im Falle der Rückkehr nach Italien sei zu befürchten, dass der Beschwerdeführer keine Unterstützung, insbesondere keine Unterkunft und entsprechende medizinische (Weiter)Versorgung sowie -aufgrund der Überforderung der italienischen Behörden - kein Asylverfahren nach europäischem Standard erhalten werde. Eine Überstellung nach Italien widerspreche jedenfalls der in der EMRK gewährleisteten Rechte und wäre deshalb vom Selbsteintrittsrecht nach Art 17 Dublin III-VO Gebrauch zu machen gewesen.
Mit Schreiben vom 07.02.2020 wandte sich der Zwillingsbruder des Beschwerdeführers im Namen der Familie an die Behörde mit dem Ersuchen, der Beschwerdeführer möge in Österreich bei seiner Familie bleiben, zumal er auf deren Unterstützung angewiesen sei. Am selben Tag wurde per E-Mail der Ambulanzbefund des Beschwerdeführers von seinem Kontrolltermin am 31.01.20220 übermittelt.
7. Die Beschwerdevorlage langte am 19.02.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
8. Während der Dauer des anhängigen Beschwerdeverfahrens wurden die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie begleitend beobachtet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Afghanistan, stellte am 28.10.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Zuvor stellte er am 15.07.2019 in Griechenland einen Antrag auf internationalen Schutz. Ohne eine diesbezügliche Entscheidung abzuwarten verließ er wieder das Gebiet der Mitgliedstaaten und reiste er in weiterer Folge über den Seeweg kommend nach Italien ein, wo er am 18.10.2019 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Von Italien aus reiste der Beschwerdeführer schließlich weiter nach Österreich; das Gebiet der Mitgliedstaaten wurde von ihm nicht wieder verlassen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 30.10.2019 ein auf Art. 13 Dublin-III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an die italienische Dublin-Behörde, welchem Italien durch Verfristung gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO zustimmte. Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Italiens wieder beendet hätte, liegt nicht vor.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Italien an.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Italien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.
Der Beschwerdeführer leidet an einer neurogenen Blasenentleerungsstörung, als Folge einer misslungenen Spina bifida (Neuralrohrfehlbildung) -Operation im Jahr 2016 in Afghanistan. Er hielt sich diesbezüglich von 20.11.2019 bis 21.11.2019 stationär im Salzkammergut Klinikum auf, und wurde ihm dort ein suprapubischer Dauerkatheter gelegt. Am 31.01.2020 erfolgte ein Kontrolltermin. Aus dem dazu angefertigten Ambulanzbefund geht zusammengefasst hervor: der Dauerkatheter wird problemlos gewechselt; Es liegt keine höhergradige Hydonephrose vor und sind die Retentionsparameter aktuell stabil. Zur Festlegung weiterer Maßnahmen, müsse eine Zystomanometrie abgewartet werden;
Es kann nicht festgestellt werden, dass es sich dabei um eine akut lebensbedrohliche Krankheit handelt, welche in Italien nicht behandelbar wäre. Er benötigt keine stationäre Behandlung.
Der Beschwerdeführer hat im österreichischen Bundesgebiet familiäre Anknüpfungspunkte: Der Vater ist seit 2012 in Österreich aufhältig, ebenso sein Zwillingsbruder. 2016 ist die Mutter gemeinsam mit der Schwester und einem weiteren Bruder nach Österreich gekommen. Mit Erkenntnis vom 07.09.2018 wurde der Mutter und der Schwester der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Der Vater und die Brüder verfügen über den Status des subsidiär Schutzberechtigten beziehungsweise über eine Aufenthaltsberechtigung.
Es besteht keine besonders berücksichtigungswürdige Abhängigkeit zwischen dem Beschwerdeführer und der in Österreich lebenden Familie. Besonders intensiv ausgeprägte private oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet ebenso nicht.
Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist notorisch:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gab es mit Stand 27.04.2020, 15.134 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 536 Todesfälle; in Italien wurden zu diesem Zeitpunkt 195.351 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen und wurden bisher 26.384 Todesfälle bestätigt (WHO, 27.04.2020).
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen zu den Reisebewegungen des Beschwerdeführers, seiner Antragstellung auf internationalen Schutz in Griechenland und der erkennungsdienstlichen Behandlung in Italien gründen sich auf seine diesbezüglichen Angaben im Verfahren in Zusammenschau mit der EURODAC- Treffermeldung.
Die Feststellungen betreffend die Zustimmung Italiens zur Aufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 13 Abs. 1 lit b iVm Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO beruhen auf dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der italienischen Dublin-Behörde. Der diesbezügliche Schriftwechsel ist Teil des Verwaltungsaktes.
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat Italien resultiert aus den umfangreichen und durch Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Italien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen. Es wurde die geänderte Gesetzeslage in Italien (Gesetzesdekret Nr. 113 vom 04.10.2018 in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 01.12.2018; „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“) berücksichtigt und die Neuerungen betreffend die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus humanitären Gründen und betreffend die (medizinische) Versorgung von Asylwerbern umfassend dargestellt. Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass das italienische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. In Bezug auf die in der Beschwerde angeführten Berichte der Schweizer Flüchtlingshilfe, wonach die Versorgung von Flüchtlingen in Italien nicht gewährleistet werden könne, ist festzuhalten, dass es denklogisch ist, dass die im Bescheid herangezogenen Länderfeststellungen von singulär betrachteten Berichten abweichen würden. Dies kann aber zu keiner Erschütterung des Ergebnisses der Länderberichte führen.
Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens sowie auf die Versorgungslage von Asylsuchenden in Italien den Feststellungen der verwaltungsbehördlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat der Beschwerdeführer nicht substantiiert dargetan.
Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell (Gesamtaktualisierung am 09.10.2019), sie zeichnen allerdings - angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 - naturgemäß ein Bild der (medizinischen) Versorgung von Asylwerbern in Italien, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), die die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen sollen. Für den hier gegenständlichen Anwendungsbereich der Dublin-III-VO bedeutet dies konkret, dass zahlreiche Mitgliedstaaten die Durchführung von Überstellungen temporär ausgesetzt haben bzw. keine sog. Dublin-Rückkehrer übernehmen, wobei die Mitgliedstaaten aufgrund der dynamischen Entwicklung der Situation im engen Austausch miteinander stehen, ebenso mit der Europäischen Kommission. Es ist davon auszugehen, dass Überstellungen erst dann wieder durchgeführt werden, wenn sich die Lage entspannt, sich die einzelnen Mitgliedstaaten wieder dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen sog. Dublin-Rückkehrer potentiell auch medizinisch zu versorgen und insofern insgesamt eine Situation eintritt, die mit jener vor Ausbruch der Pandemie vergleichbar ist.
Die skizzierten derzeit bestehenden Überstellungshindernisse sind aus jetziger Sicht - aller Wahrscheinlichkeit nach - zeitlich begrenzt; Zwar verkennt das Gericht nicht, dass Italien eines der Länder in Europa ist, das sehr stark von der COVID-19-Pandemie betroffen ist, bei Beobachtung der aktuellen Entwicklungen in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, zeichnet sich aber auch hier ein positiver Trend ab, zumal die Anzahl der Neuerkrankungen rückläufig ist und zuvor gesetzte Maßnahmen allmählich gelockert werden. Es ist davon auszugehen, dass Reisebewegungen jedenfalls in der Maximalfrist der Verordnung (vgl. die in Art. 29 Dublin-III-VO geregelte grundsätzlich sechsmonatige Überstellungsfrist) wieder aufgenommen werden können.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Heranziehung der Länderfeststellungen zu Italien nicht zu beanstanden; aufgrund der Annahme, dass dann - und nur dann - Überstellungen durchgeführt werden, wenn Italien wieder für die Einhaltung der einschlägigen asyl- und fremdenrechtlichen Standards garantieren kann und die Länderfeststellungen insofern wieder volle Gültigkeit haben.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich insbesondere aus den vorgelegten medizinischen Befunden des Salzkammergut Klinikums vom 21.11.2019 sowie vom 31.01.2020. Aus diesen ist nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer an einer gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigung leidet, die einer Überstellung nach Italien entgegenstehen würde. Es wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art 3 EMRK zu tangieren und hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dazu völlig richtig fest, dass medizinische Versorgung grundsätzlich auch in Italien gewährleistet ist.
Die festgestellten Tatsachen zu den privaten und familiären Verhältnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Aktenlage beziehungsweise dem im Akt befindlichen Vorbringen des Beschwerdeführers und dem Unterstützungsschreiben seines Zwillingsbruders. Hinweise auf eine Integrationsverfestigung haben sich im Verfahren nicht ergeben und ist eine solche angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet auch nicht zu erwarten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des nationalen Rechts sind §§ 5 und 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG; unionsrechtlich sind primär Art. 3, 7, 13, 16, 17, 18, 21, 22 und 25 Dublin III-VO relevant.
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz):
3.1.1. In materieller Hinsicht ist die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz in Art. 13 Dublin III-VO begründet, da der Beschwerdeführer aus einem Drittstaat (im Konkreten über den Seeweg) kommend nach Italien einreiste und somit das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten betrat. Die Verpflichtung Italiens zur Aufnahme des Beschwerdeführers basiert auf der Regelung des Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO.
Für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates finden sich keine Anhaltspunkte und ist die Zuständigkeit Italiens auch nicht etwa zwischenzeitig wieder erloschen.
Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und Art. 17 Abs. 2 Dublin-III-VO