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19/05 Menschenrechte;Norm
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/18/0169 E 16. April 1999Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der R, vertreten durch Dr. Stefan Gulner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Lugeck 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. Oktober 1995, Zl. SD 990/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 6. Oktober 1995 wurde die Beschwerdeführerin, eine bosnische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Bosnische Staatsangehörige seien nach den Bestimmungen des Fremdengesetzes in Verbindung mit dem Sichtvermerksabkommen bis 24. April 1995 zur sichtvermerksfreien Einreise und zu einem sichtvermerksfreien Aufenthalt in der Dauer von drei Monaten berechtigt gewesen. Sie seien darüber hinaus aufgrund der zu § 12 des Aufenthaltsgesetzes ergangenen Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 zum vorübergehenden Aufenthalt berechtigt, wenn sie ihre Heimat wegen der bewaffneten Konflikte hätten verlassen müssen und anderweitig keinen Schutz gefunden hätten und - sofern sie nach dem 30. Juni 1993 in Österreich eingereist seien - sich der Grenzkontrolle gestellt hätten und ihnen entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet worden sei.
Die Beschwerdeführerin sei ohne gültigen Reisepaß - ihren Angaben vor der Erstbehörde zufolge Anfang Februar, ihren nunmehrigen Angaben zufolge schon Anfang Dezember 1994 - nach Österreich eingereist. Sie wäre an der Grenzkontrollstelle nicht kontrolliert worden. Sie habe dadurch weder eine Berechtigung im Sinn des damals noch geltenden Sichtvermerksabkommens zum sichtvermerksfreien Aufenthalt von drei Monaten noch ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Sinn der zu § 12 des Aufenthaltsgesetzes ergangenen Verordnung erlangt. Letzteres deshalb nicht, weil sie sich nicht der Grenzkontrolle gestellt habe und ihr daher auch nicht die Einreise entsprechend internationaler Gepflogenheiten gestattet worden sei.
Mit einem in Wien ausgestellten bosnischen Reisepaß sei die Beschwerdeführerin dann am 7. März 1995 bei Nickelsdorf über die Grenze nach Ungarn gefahren, unmittelbar danach aber wieder nach Österreich zurückgekehrt und habe sich dabei einen Ausreisestempel geben lassen. Diese Einreise habe aber nicht zur Folge gehabt, daß die Beschwerdeführerin nun neuerlich zu einem sichtvermerksfreien Aufenthalt von drei Monaten berechtigt gewesen wäre, weil entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin eine so kurze Aus- und Wiedereinreise, womit die Sichtvermerksbestimmungen umgangen würden (auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes), keine Unterbrechung des durchgehenden Aufenthaltes bewirke. Aber selbst wenn man dem Standpunkt der Beschwerdeführerin folge, wäre sie aufgrund des Sichtvermerksabkommens zwar zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Bescheides bis 7. Juni 1995 zum Aufenthalt berechtigt gewesen, doch sei für sie daraus nichts zu gewinnen, weil für die vorliegende Entscheidung nicht der Zeitpunkt des erstinstanzlichen Bescheides, sondern der des angefochtenen Bescheides maßgebend sei.
Der Grenzübertritt am 7. März 1995 habe der Beschwerdeführerin aber aus demselben Grund keine vorübergehende Aufenthaltsberechtigung im Sinn der zu § 12 des Aufenthaltsgesetzes ergangenen Verordnung verschaffen können, weil in einem solchen Fall von einer Gestattung der Einreise entsprechend internationaler Gepflogenheiten gemäß der genannten Verordnung nicht gesprochen werden könne. Sie sei daher auch aufgrund dieser Bestimmung nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. In einem solchen Fall sei die Ausweisung zu verfügen, sofern dem nicht § 19 FrG entgegenstehe.
Ein Eingriff im Sinn des § 19 FrG liege nach Auffassung der belangten Behörde nicht vor, da bisher ein erlaubter Wohnsitz im Bundesgebiet bei den Familienangehörigen (Sohn und Töchter) nicht bestanden habe. Ein allenfalls darin doch zu erblickender Eingriff sei zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens dringend geboten. Einem geordneten Fremdenwesen komme ein beachtlicher Stellenwert zu. Die Beschwerdeführerin könne im Inland keine Berechtigung zum Aufenthalt erlangen und habe daher den unerlaubten Aufenthalt durch Ausreise zu beenden.
Die Frage, ob die Beschwerdeführerin in ihre Heimat zurückkehren könne, sei nicht Gegenstand des von der belangten Behörde geführten Berufungsverfahrens.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn "wegen Rechtswidrigkeit" aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, daß ihre erste Einreise nach Österreich - die nach ihrem Vorbringen Ende 1994, Anfang 1995 stattfand - rechtswidrig gewesen sei und läßt die Auffassung der belangten Behörde, daß die Beschwerdeführerin daraus keine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich ableiten könne, unbekämpft. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt vor dem Hintergrund der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen gegen diese Beurteilung der belangten Behörde keine Bedenken.
Nach ihrer Einreise nach Österreich sei der Beschwerdeführerin von der bosnischen Vertretungsbehörde in Wien ein Reisepaß ausgestellt worden. Weiters sei die Beschwerdeführerin in der Folge nach Ungarn ausgereist und dann wieder nach Österreich zurückgekehrt, um sich die Einreise bestätigen zu lassen. Diese zweite Einreise - nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid am 7. März 1995 - sei nach Auffassung der Beschwerde legal erfolgt; das Vorgehen der Beschwerdeführerin habe genausowenig eine Umgehung der Einreisebestimmungen dargestellt, wie wenn sie nach Laibach ausgereist wäre, sich dort einen Reisepaß verschafft hätte und dann wieder nach Österreich zurückgekehrt wäre.
1.2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Ihre zweite Einreise nach Österreich - die nach den nicht bestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid am selben Tag wie ihre Ausreise aus Österreich erfolgte - konnte der Beschwerdeführerin schon deshalb kein Aufenthaltsrecht nach der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 389/1995, verschaffen, weil sie unmittelbar vor dieser Einreise nicht Bosnien-Herzegowina aufgrund der kriegerischen Ereignisse verlassen hatte (vgl. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 der genannten Verordnung), sondern sich vielmehr - sieht man von dem unbestrittenermaßen höchstens wenige Stunden dauernden Aufenthalt in Ungarn ab - durch mehrere Wochen hindurch in Österreich aufgehalten hat, ohne hier aber - was die Beschwerde, wie erwähnt, nicht bekämpft - zum Aufenthalt berechtigt gewesen zu sein. Die genannte Verordnung ist auf den Fall der Beschwerdeführerin somit schon deshalb nicht anwendbar, weil sie vor ihrer zweiten Einreise nach Österreich nicht ihre Heimat wegen der bewaffneten Konflikte, sondern vielmehr Österreich verlassen hat.
Im übrigen kann die Beschwerdeführerin aber aus ihrer Ausreise und ihrer daran unmittelbar anschließenden Wiedereinreise am 7. März 1995 keine auf das Sichtvermerksabkommen gestützte Aufenthaltsberechtigung ableiten, ist doch - wie der angefochtene Bescheid zutreffend festhält - eine derartige Vorgangsweise als eine Umgehung der Bestimmungen dieses Abkommens einzustufen, die keine Wandlung eines nicht rechtmäßigen Aufenthalts in einen rechtmäßigen Aufenthalt bewirken kann.
2.1. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist ihre Ausweisung zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens im Grunde des § 19 FrG nicht dringend geboten, weil diese Regelung lediglich "auf die Abschiebung von kriminellen Elementen zielt", was aber im Beschwerdefall offensichtlich nicht gegeben sei.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Zum einen setzt die Erlassung einer Ausweisung nicht die rechtskräftige Verurteilung oder Bestrafung wegen bestimmter Delikte (vgl. § 18 Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 FrG bezüglich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes), sondern (allein) den unrechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden in Österreich voraus; von daher gesehen trifft es nicht zu, daß die Ausweisung "auf die Abschiebung von kriminellen Elementen" zielen würde.
Zum anderen hegt der Verwaltungsgerichtshof gegen die - von der Beschwerde im übrigen nicht bekämpfte - Beurteilung der Behörde nach § 19 FrG keine Bedenken, überwiegen doch - auf der Grundlage der unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen - die privaten Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich das durch ihren unberechtigten Aufenthalt maßgeblich verletzte, dem Art. 8 Abs. 2 MRK zu unterstellende öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt regelnden Vorschriften, das einen hohen Stellenwert aufweist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. April 1997, Zl. 97/18/0171, mwH), nicht.
3. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wendet die Beschwerdeführerin gegen den angefochtenen Bescheid ein, daß die belangte Behörde über den neben der Berufung gegen den Erstbescheid gestellten Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Bosnien nicht abgesprochen habe. Hätte die belangte Behörde die nach Auffassung der Beschwerdeführerin "richtige Feststellung" getroffen, hätte sie davon ausgehen müssen, daß eine Abschiebung nach Bosnien dem § 54 FrG widerspräche.
Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die Beschwerdeführerin verkennt, daß mit der Ausweisung lediglich die Verpflichtung des Fremden begründet wird, das Bundesgebiet zu verlassen (siehe § 22 Abs. 1 FrG), nicht aber (auch) ausgesprochen wird, daß er in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder daß er (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1997, Zl. 96/18/0600, mwH). Das dem genannten Vorbringen entnehmbare Anliegen der Beschwerdeführerin ist somit nicht Gegenstand des die Ausweisung betreffenden Verwaltungsverfahrens, sondern vielmehr des von der Beschwerdeführerin beantragten Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG. Die belangte Behörde war - wie sie in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt - durch keine Norm verhalten, das Ausweisungsverfahren erst nach Erledigung des Feststellungsantrages der Beschwerdeführerin nach § 54 FrG zu beenden.
4. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996180168.X00Im RIS seit
20.11.2000