TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/18 L524 2154375-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.05.2020
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Entscheidungsdatum

18.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L524 2154375-1/29E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen Spruchpunkte II. bis IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2017, Zl. XXXX, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG und dem FPG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung 15.05.2020, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 11 AsylG, § 57 AsylG, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 52 Abs. 9 FPG und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 16.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erfolgte am 28.03.2017.

Mit Bescheid des BFA vom 31.03.2017, Zl. XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Gegen Spruchpunkte II. bis IV. dieses Bescheides richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 15.05.2020 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahmen. Das BFA entsandte keinen Vertreter.

II. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Kurden an und ist sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer lebte vor seiner Ausreise aus dem Irak mit seinen Eltern in Mossul. Die Eltern des Beschwerdeführers leben weiterhin in Mossul. Der Beschwerdeführer besuchte ca. vier Jahre die Schule. Der Beschwerdeführer war danach als Mechaniker berufstätig. Nach der Arbeit war er im Casino, um zu spielen und er hat mit seinem Chef Alkohol konsumiert. Der Beschwerdeführer spricht Arabisch, Kurdisch und Farsi.

Der Beschwerdeführer verließ ca. im Oktober 2015 den Irak. Er reiste illegal in Österreich ein, wo er am 16.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Der Beschwerdeführer stellte seinen Antrag auf internationalen Schutz unter Angabe eines falschen Geburtsjahres. Er behauptete, dass er erst 15 Jahre alt ist. Später gab er vor dem BFA eine Erklärung ab, dass er tatsächlich bereits 21 Jahre alt ist.

Der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde vom BFA in Spruchpunkt I. des Bescheides abgewiesen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer keine Beschwerde, weshalb der Bescheid betreffend Spruchpunkt I. in Rechtskraft erwuchs. Begründend führte das BFA aus, dass der Beschwerdeführer zur Begründung seines Antrags vorgebracht hat, dass es im Irak keine Sicherheit gibt, Krieg herrscht, er keine Familie hat und der IS nach ihm sucht. Auf Nachfrage hat er seine Probleme aber nicht konkretisieren können und eine persönliche Verfolgung aus asylrelevanten Gründen hat er nicht vorgebracht. Der Beschwerdeführer hat somit eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft gemacht.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 04.06.2019, XXXX , wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 2a zweiter Fall SMG und § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Strafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren zur Gänze bedingt nachgesehen. Der Beschwerdeführer befand sich von 14.05.2019 bis 04.06.2019 in Haft.

Der Beschwerdeführer besuchte von Juni 2015 bis Oktober 2016 Deutschkurse, die von der Caritas in seinem damaligen Wohnort abgehalten wurden. Der Beschwerdeführer spricht gut Deutsch. Er verfügt über Empfehlungsschreiben aus den Jahren 2017, die ihm von Einwohnern seines damaligen Wohnortes ausgestellt wurden.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er hat auch keine Verwandte in Österreich. In Deutschland bzw. Europa leben Onkel des Beschwerdeführers, zu denen er aber keinen Kontakt hat. Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Er geht einer illegalen Beschäftigung nach. Der Beschwerdeführer ist gesund. Er gehört keiner Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung an.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus. Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt. Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser. 97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus. Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Doura, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

Der Konflikt mit dem IS hat die Wirtschaft des Irak erheblich geschwächt. Die irakische Wirtschaft ist weiterhin stark vom Öl abhängig und ihr wirtschaftliches Vermögen hängt eng mit den globalen Ölpreisen zusammen. Die Weltbank prognostiziert, dass sich die Wirtschaft durch den Wiederaufbau nach Konflikten und die Verbesserung der Sicherheitslage erholen wird.

Die Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheitsfürsorge und es gibt ein staatliches Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten sind vom Staat bereitzustellen. Der Irak verfügt über öffentliche und private Krankenhäuser. Die medizinische Grundversorgung erfolgt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Kliniken. Die Gesundheitsinfrastruktur hat unter jahrzehntelangen Konflikten gelitten. Das Gesundheitswesen ist begrenzt, insbesondere in von Konflikten betroffenen Gebieten und in Gegenden mit einer großen Anzahl von Binnenvertriebenen.

Die Verfassung sieht eine obligatorische Grundschulausbildung vor. Für Kinder in der Region Kurdistan besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren. Der Irak war einst regional führend in der Bildung, aber jahrelange Konflikte haben zu sinkenden Bildungsergebnissen geführt. Kinder, die sich derzeit in der Schule befinden, werden ca. 10,1 Jahre Schulunterricht erhalten. Die durchschnittliche Schulzeit der derzeit über 25-Jährigen lag bei 6,6 Jahren. Mädchen hatten mit 9,7 Jahren eine niedrigere erwartete Schulzeit, verglichen mit Knaben mit 11,5 Jahren. Rund 80 Prozent der Iraker im Alter von über 15 Jahren sind gebildet. Wohlhabende Familien in Bagdad haben Zugang zu höherer Bildung von privaten und internationalen Schulen. Die privaten Schulgebühren in Bagdad betragen durchschnittlich rund 1.300 USD pro Monat.

Der öffentliche Sektor ist bei weitem der größte Arbeitgeber und der private Sektor ist unterentwickelt. Während die Regierung den größten Teil ihrer Einnahmen aus Ölexporten erwirtschaftet, beschäftigt die Ölindustrie nur wenige Mitarbeiter. Die Regierung beschäftigt schätzungsweise 40 Prozent der irakischen Arbeitskräfte. Im UNDP-Bericht 2016 wurde eine Arbeitslosenquote von 16,9 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit auf 35,1 Prozent geschätzt.

Die KRG ist eine autonome Regionalregierung mit Sitz in Erbil, die von der irakischen Verfassung anerkannt ist. Die KRG ist für die Verwaltung der Provinzen Erbil, Sulaymaniyah und Dohuk zuständig. Die kurdische Regionalversammlung hat 111 Sitze, von denen fünf für Christen und fünf für Turkmenen reserviert sind. Mindestens dreißig Prozent der Sitze müssen von Frauen besetzt werden. Der Verfassungsentwurf der Region Kurdistan verbietet Diskriminierung aufgrund von Sprache, Alter, Behinderung und Geschlecht. Die Region Kurdistan hat eine eigene Unabhängige Menschenrechtskommission, die zumindest teilweise mit der föderalen Hochkommission für Menschenrechte zusammenarbeitet. Die Region Kurdistan ist stabiler als andere Gebiete des Irak. Das kann an der größeren Kapazität der kurdischen Sicherheitskräfte und der geringeren ethnischen und religiösen Vielfalt in der Region liegen.

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status.

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Es garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabäer-Mandäer. Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt. Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.

Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt. Das US-Außenministerium und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von regierungsnahen Streitkräften, die sunnitische Männer anzugreifen versuchen, die aus IS-kontrollierten Gebieten fliehen und verhindern, dass Sunniten die von der Regierung kontrollierten Gebiete verlassen. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden. Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem mäßigen Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen.

Bei der Einreise in den Irak über die internationalen Flughäfen, einschließlich der Region Kurdistan, werden Personen, die illegal ausgereist sind, nicht festgenommen. Es werden jene Iraker bei der Rückkehr festgenommen, die eine Straftat begangen haben und gegen die ein Haftbefehl erlassen worden war. Um den Irak zu verlassen, sind gültige Dokumente (in der Regel ein Pass) und eine entsprechende Genehmigung (z. B. ein Visum) für die Einreise in das vorgesehene Ziel erforderlich. Eine illegale Ausreise aus dem Irak ist rechtswidrig, jedoch sind keine Strafverfahren gegen Einzelpersonen wegen illegaler Ausreise bekannt. Iraker, die einen irakischen Pass verloren haben oder nicht haben, können mit einem laissez-passer in den Irak einreisen. Die Einreise mit einem laissez passer-Dokument ist üblich und Personen, die damit einreisen, werden weder gefragt, wie sie den Irak verlassen haben, noch werden sie gefragt, warum sie keine anderen Dokumente haben. Dem britischen Innenministerium zufolge können Grenzbeamte am Flughafen Bagdad ein Schreiben ausstellen, um die Verbringung an den Herkunftsort oder die Umsiedlung einer Person im Irak zu erleichtern. (Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)

Um in die Provinzen Erbil und Sulaimaniya einzureisen, wird kein Sponsor benötigt. Bestimmungen bezüglich einer erforderlichen Bürgschaft, um in die Verwaltungsbezirke Erbil und Sulaimaniya auf dem Luftweg oder über Binnengrenzen einzureisen, wurden Anfang 2019 aufgehoben. In den Provinzen Erbil und Sulaimaniya müssen Personen, die nicht aus der Autonomen Region Kurdistan stammen, den lokalen Asayish in jenem Viertel aufsuchen, in dem sie sich niederlassen möchten, um eine Aufenthaltskarte zu erhalten. Sie brauchen keinen Sponsor. Ledige arabische und turkmenische Männer benötigen jedoch eine feste Anstellung und müssen einen Unterstützungsbrief ihres Arbeitgebers einreichen, um eine erneuerbare Aufenthaltskarte für ein Jahr zu erhalten. All jene, die keine feste Anstellung haben, erhalten lediglich eine erneuerbare Aufenthaltskarte, die für einen Monat ausgestellt ist. Besitzern einer einmonatigen Aufenthaltskarte fällt es aufgrund ihrer kurzen Aufenthaltserlaubnis schwer, eine feste Anstellung zu finden. (UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen, Mai 2019)

In der zweiten Septemberwoche 2019 ereigneten sich weniger Vorfälle als in der Vorwoche, nämlich insgesamt 30. Zwei dieser Vorfälle waren Leichenfunde. Diese Woche ereigneten sich die meisten Vorfälle, nämlich elf, in Kirkuk. In Diyala waren es neun Vorfälle. Ein Vorfall war in Anbar. Dabei handelt es sich um den Fund eines Massengrabs mit 15 Toten. Jeweils drei Vorfälle entfielen auf Bagdad, Ninewa und Salah al-Din. Einer der drei Vorfälle in Ninewa betraf den Fund von neun Leichen in der Altstadt von West-Mossul. Bei den anderen zwei Vorfällen handelte es sich um Sprengfallen im Gebiet Hamam al-Alil, 27 Kilometer südlich von Mossul. Von den drei Vorfälle in Salah al-Din war einer eine Schießerei, die zur Folge hatte, dass die Autobahn von Tuz Kurmatu nach Bagdad kurze Zeit gesperrt war. Während es in der ersten Septemberwoche in Bagdad eine Reihe von Sprengfallen gab, kehrte in der zweiten Septemberwoche wieder Normalität ein, mit nur drei Schießereien im Norden und Westen. (Musings on Iraq, 23.09.2019)

Nach einem Anstieg der Angriffe Anfang September 2019 sind diese Mitte des Monats wieder auf einen Mittelwert zurückgegangen. Während es im August außerhalb von Diyala kaum Angriffe gab, fanden im September im gesamten Zentralirak welche statt. Es gab in der dritten Septemberwoche 2019 28 sicherheitsrelevante Vorfälle im gesamten Irak. Acht Vorfälle in Bagdad, fünf in Kirkuk, vier in Diyala. Zwei Vorfälle fanden in Ninewa statt und jeweils ein Vorfall in Anbar, Babil, Kerbala und Salah al-Din. Jener Vorfall in Kerbala war eine der selten vorkommenden Autobomben. Dabei gab es zwölf Tote und fünf Verletzte. Ninewa und Salah al-Din, die früher die Hauptfronten des IS waren, sind jetzt nur noch zweitrangig. Im Vergleich dazu sind die Vorfälle in Diyala und Kirkuk weiterhin hoch. (Musings on Iraq, 01.10.2019)

In der ersten Oktoberwoche 2019 gab es nur drei Zwischenfälle in Anbar, Diyala und Ninewa. In der zweiten Oktoberwoche gab es 14 Vorfälle, davon fünf in Diyala, drei in Kikruk, jeweils zwei in Ninewa und Salah al-Din und jeweils einen in Anbar und Babil. Im Zentralirak ist der IS am aktivsten. Ninewa und Salah al-Din sind weniger wichtiger für den IS. In Kirkuk und Diyala findet die meiste Gewalt statt. In Bagdad gab es im September die meisten Angriffe. Anfang Oktober gab es wegen der in Bagdad stattgefundenen Proteste keine Angriffe. (Musings on Iraq, 22.10.2019)

Es gibt kaum noch Autobomben im Irak. In Diyala gab es bis Mitte Oktober 2019 keine einzige Autobombe. In Kirkuk gab es im Jänner 2019 die einzige Autobombe des Jahres. In Ninewa gab es drei Autobomben und zwar im Februar, März und Mai. In Salah al-Din gab es vier Autobomben im Jänner, März, April und August. Früher wurden vom IS routinemäßig Autobomben in städtischen Gebieten eingesetzt. Jetzt kommen diese kaum noch vor und zeigen, dass der IS schwer angeschlagen ist.

Bis Mitte Oktober 2019 gab es in Ninewa zwei Attacken auf Checkpoints, die sich beide im Februar ereigneten. In Salah al-Din gab es vier Attacken auf Checkpoints und zwar im Jänner, Mai, Juli und September. In Kirkuk gab es zwölf Attacken (vier im Jänner, eine im März, drei im Mai, zwei im Juni und zwei im September). In Diyala gab es mit 46 die meisten Attacken und bis auf Oktober in jedem Monat. (Musings on Iraq, 01.10.2019 und 22.10.2019)

Internationale Organisationen wie die UN, die Unesco oder die deutsche GIZ helfen dabei, die Wunden der Stadt zu heilen. Es entstehen neue Wasseraufbereitungsanlagen, die immer mehr Menschen mit sauberem Trinkwasser versorgen. An der Universität von Mossul lernen inzwischen 38.000 Studenten. Die Studentenschaft ist wieder multiethnisch, wie sie es früher auch war. Kurden, Jesiden, Christen und Muslime studieren gemeinsam. Das kulturelle Leben kehrt in die Stadt zurück. Manche sprechen schon von einer kulturellen Blüte, wie sie Mossul seit Jahrzehnten nicht erlebt hat. Im Spätsommer kamen Tausende Menschen zu einem Bücherfestival zusammen. In der Stadt entstehen Literaturcafés, in denen nicht nur gelesen, sondern auch diskutiert wird. Es gibt Freilichtkonzerte und Lesungen. Musiker spielen auf den Straßen zwischen zerschossenen Gebäuden - undenkbar zu Zeiten des IS. (Wie sich Mossul von der Terrorherrschaft erholt, t-online.de, 20.02.2019)

Im Juni 2019 wurden die letzten Betonblöcke um die Grüne Zone in Bagdad, der Regierungsbezirk, abgebaut. Die Bevölkerung hat jetzt freien Zugang zu den gut zehn Quadratkilometern, die bis dahin No-Go-Zone war: Der "Hochsicherheitstrakt" im Zentrum von Bagdad ist Vergangenheit. Mit der Öffnung der Grünen Zone hat Iraks Premierminister Adel Abdul Mahdi sein Versprechen eingelöst, das er bei seinem Amtsantritt im Oktober letzten Jahres gegeben hat. Der Bezirk soll ein normales Stadtviertel von Bagdad werden. Seit November wurde Schritt für Schritt abgebaut: Checkpoints aufgelöst, Stacheldraht entfernt, Betonblöcke auf Tieflader geladen und abgefahren. Hundertausende sollen es gewesen sein. Allein in den letzten zwei Monaten hat Bagdads Stadtverwaltung 10.000 Mauerteile abfahren lassen, wie ein Angestellter berichtet. Die Betonblöcke wurden zum Militärflughafen Al-Muthana im Zentrum von Bagdad gefahren und dort abgekippt. Einige von ihnen finden Wiederverwertung in einem Ring, der derzeit um Bagdad gezogen wird, um Terroristen vor dem Eindringen zu hindern. Andere dienen dem Hochwasserschutz. Wieder andere werden als Baumaterial für Silos verwendet. (Mauerfall in Bagdad: Das Ende der Grünen Zone, Wiener Zeitung, 05.06.2019)

Die meisten der Schutzmauern, die in den letzten zehn Jahren errichtet wurden, um öffentliche und private Gebäude zu sichern, wurden abgerissen. Stattdessen finden sich dort jetzt Parks und Grünflächen. Im Zuge der Veränderungen wurde in Bagdad auch das erste Frauencafé eröffnet. Dort können sich Frauen ohne Begleitung von Männern treffen und ihre Kopftücher und die lange Abaya ablegen, die auf den Straßen so verbreitet sind.

Im Café "La Femme" werden Wasserpfeifen angeboten und von einer Frau zubereitet. Es werden alkoholfreie Champagnercocktails, Softgetränke und Snacks serviert. Bisher haben sich noch keine Männer in dieses weibliche Heiligtum gewagt - obwohl sich das Café in einem Hochhaus zusammen mit anderen Restaurants, einer Sporthalle für Männer und nur einem Aufzug befindet. Der Kundenkreis von Adel-Abid umfasst vor allem Frauen aus der Mittel- und Oberschicht. Für ihre jungen Kundinnen organisiert sie reine Frauenfeste zu Geburtstagen, Verlobungen und Abschlussfeiern. Die ältere Generation trinkt lieber Kaffee und hört den alten irakischen Sängern zu, die auf der Musikanlage bevorzugt gespielt werden.

Frauen können jetzt Unternehmen führen. Da der "Islamische Staat" verdrängt und die gegenwärtige politische Stabilität zu spüren ist, fordern irakische Frauen immer mehr ihren Anteil am öffentlichen Raum der Stadt. In Mansour, dem Stadtviertel, in dem sich "La Femme" befindet, sind die meisten Cafés und Restaurants heute gemischt, und auch Frauen rauchen dort Wasserpfeife.

Der frische Wind des Wandels hat auch das Straßenbild verändert. Frauen kleiden sich wieder bunter, anstatt sich hinter schwarzen Schleiern zu verstecken. Die Entwicklung geht so weit, dass junge Frauen sich immer seltener ein Kopftuch umbinden.

Ehen zwischen Sunniten und Schiiten erleben ein Comeback im Irak; unter den Jugendlichen in Bagdad sind sie sogar zum neuen Standard geworden. So wie bei Merry al-Khafaji, die kürzlich Mustafa al-Ani geheiratet hat. Gemeinsam sitzen die beiden Mittzwanziger bei einer Wasserpfeife in einem beliebten Bagdader Garten, sie trägt ihr dunkles Haar offen und ein grünes T-Shirt mit Jeans. Traditionell wählen Eltern die Partner ihrer Kinder, aber Merry al-Khafaji und Mustafa al-Ani lernten sich in dem Telekommunikationsunternehmen kennen, für das sie beide arbeiten. Mittlerweile entwickeln sich immer mehr Liebesbeziehungen bei der Arbeit, im Studium oder in Workshops.

Auch soziale Medien haben eine starke Wirkung. Sie eröffnen jungen Menschen einen neuen Weg, neue Freunde in der konservativen irakischen Gesellschaft zu finden. (Die neuen Freiheiten von Bagdad, qantara.de 01.07.2019)

Im Juni 2019 wurde das neue deutsch-irakische Beratungszentrum für Jobs, Migration und Reintegration in Bagdad eröffnet. Es ist das zweite seiner Art im Irak neben dem Beratungszentrum in Erbil, das seine Arbeit bereits im April 2018 aufgenommen hatte. Im Mittelpunkt der Arbeit des Beratungszentrums steht die Schaffung attraktiver und langfristiger Bleibeperspektiven. Zu den angebotenen Leistungen gehören Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie die Unterstützung bei Existenzgründungen. Das Zentrum steht Rückkehrenden ebenso offen wie Binnenvertriebenen und der lokalen Bevölkerung und fördert damit auch die Stärkung des irakischen Privatsektors. In den kommenden Jahren soll das Beratungszentrum schrittweise in die lokalen Strukturen überführt werden, um den langfristigen und nachhaltigen Betrieb zu sichern. (Neues deutsch-irakisches Beratungszentrum in Bagdad eröffnet, BMZ 13.06.2019)

Mitglieder rivalisierender irakischer Motorrad-Clubs, die in Leder mit Nieten und schwarzen Baskenmützen gekleidet waren, tanzten Breakdance und ließen mit ihren tätowierten Armen Neon-Leuchtstäbe kreisen. Der Tanzkreis des Mongols Motorcycle Club war einer von mehreren bei der ?Riot Gear Summer Rush', einer Automobilshow samt Konzert in einem Sportstadion im Herzen von Bagdad. Die Szene hatte etwas ganz anderes als jene Bilder, die üblicherweise aus der Stadt der Gewalt und des Chaos ausgestrahlt wurden. Aber fast zwei Jahre, nachdem der Irak den islamischen Staat besiegte, hat die Hauptstadt ihr Image stillschweigend verändert. Seit die Explosionsschutzwände - ein Merkmal der Hauptstadt seit der US-geführten Invasion im Jahr 2003, bei der Saddam Hussein gestürzt wurde - gefallen sind, hat sich eine weniger restriktive Lebensweise etabliert. "Wir haben diese Party veranstaltet, damit die Leute sehen können, dass der Irak auch über diese Art von Kultur verfügt und dass diese Menschen das Leben und die Musik lieben", sagte Arshad Haybat, ein 30-jähriger Filmregisseur, der die Riot Gear Events Company gründete. Riot Gear hat bereits zuvor ähnliche Partys im Irak veranstaltet, aber dies war die erste, die für die Öffentlichkeit zugänglich war. Der Tag begann damit, dass junge Männer importierte Musclecars und Motorräder vorführten. Bei Einbruch der Dunkelheit wurde die Show zu einer lebhaften Veranstaltung für elektronische Tanzmusik (EDM). Das irakische Hip-Hop-Kollektiv "Tribe of Monsters" spielte eine Mischung aus EDM- und Trap-Musik, während junge Männer Verdampfer in ihren Händen hielten und neben Blitzlichter und Rauchmaschinen tanzten, während sie ihre Bewegungen live auf Snapchat und Instagram übertrugen. Es war eine berauschende Mischung aus Bagdads aufkeimenden Subkulturen: Biker, Gamer und EDM-Enthusiasten. Was die meisten gemeinsam hatten, war, dass sie im Irak noch nie einer solchen Veranstaltung beigewohnt hatten. Obwohl von jungen Männern dominiert, nahmen auch viele Frauen an der Veranstaltung teil. Einige von ihnen tanzten in der Nähe der Hauptbühne. Die Veranstalter stellten jedoch sicher, dass eine "Familiensektion" zur Verfügung stand, damit Frauen, Familien und Liebespaare auch abseits der wilden Menschenmenge tanzen konnten. (Tanzpartys kehren nach Bagdad zurück, mena-watch, 22.08.2019)

Im Juli 2019 führte der IS seine seit langem erste Attacke auf kurdischem Boden durch. Im Gouvernement Sulaimaniya attackierte er einen Checkpoint an der Grenze zu Diyala, der von Asayish [Anm.: Inlandsgeheimdienst der Autonomen Region Kurdistan] bemannt war. Der Angriff erfolgte in drei Phasen: Auf einen Schussangriff folgte ein IED-Angriff gegen eintreffende Verstärkung, gefolgt von Mörserbeschuss. Bei diesem Angriff wurden fünf Tote und elf Verletzte registriert. Im August wurde in Sulaimaniya ein Vorfall mit einer IED verzeichnet, wobei es keine Opfer gab.

Die am 27. Mai initiierte türkische "Operation Claw" gegen Stellungen der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) im Nordirak hält an. Die erste Phase richtete sich gegen Stellungen in der Hakurk/Khakurk-Region im Gouvernement Erbil. Die zweite Phase begann am 12. Juli und zielt auf die Zerstörung von Höhlen und Zufluchtsorten der PKK. Die türkischen Luftangriffe konzentrierten sich auf die Region Amadiya im Gouvernement Dohuk, von wo aus die PKK häufig operiert. Aktuell befindet sich die Operation in der dritten Phase. Im Kreuzfeuer wurden in den vergangenen Wochen mehrere kurdische Dörfer evakuiert, da manchmal auch Zivilisten und deren Eigentum bei türkischen Luftangriffen getroffen wurden.

Am 10. und 11. Juli bombardierte iranische Artillerie mutmaßliche PKK-Ziele im Subdistrikt Sidakan/Bradost im Gouvernement Sulaimaniya, wobei ein Kind getötet wurde. In dem Gebiet gibt es häufige Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und iranisch-kurdischen Aufständischen, die ihren Sitz im Irak haben, wie die "Partei für ein Freies Leben in Kurdistan'' (PJAK), die von Teheran beschuldigt wird, mit der PKK in Verbindungen zu stehen. (Kurzinformation der Staatendokumentation, Sicherheitsupdate 3. Quartal 2019 und jüngste Ereignisse, 30.10.2019)

Ab 01. Oktober 2019 kam es in zahlreichen Städten und Provinzen im Irak zu Demonstrationen, die sich gegen Korruption und Misswirtschaft richten. Die Proteste gingen nicht von einer bestimmten politischen Gruppe aus. Die zumeist jungen Demonstranten wiesen jede politische Vereinnahmung von sich. Angesichts der gewaltsamen Proteste versucht die irakische Regierung, die Protestierenden mit einem sozialen Maßnahmenpaket zu beruhigen. Unter anderem sollen im ganzen Land 100.000 neue Wohnungen gebaut werden, wie Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi nach einer Sitzung des Kabinetts am 06.10.2019 sagte. Zudem sollen 150.000 arbeitslose Irakerinnen und Iraker in Weiterbildungsprogrammen gefördert werden. (Zeit.de, 06.10.2019, Über hundert Menschen sterben bei Protesten gegen die Regierung)

Im Irak haben erneut Tausende Menschen gegen die Regierung protestiert. Landesweit starben mindestens 42 Menschen. Bereits Anfang des Monats waren bei tagelangen Protesten in Bagdad und anderen Regionen des Landes fast 150 Zivilisten getötet worden. Mehr als 3.000 Menschen wurden verletzt, auch acht Einsatzkräfte kamen ums Leben. (Zeit.de, 25.10.2019, 42 Tote bei neuen regierungskritischen Protesten)

Seit Beginn der Proteste wurden mehr als 420 Menschen getötet und mehr als 15.000 verletzt. Der Rücktritt von Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi wurde vom irakischen Parlament angenommen. (neues-deutschland.de, 02.12.2019, Irak kommt nicht zur Ruhe)

Im Jänner 2020 hat der Iran, als Vergeltung für die Tötung seines Top-Generals Qassem Soleimani, zwei US-Militärstützpunkte im Irak angegriffen. Betroffen waren der Luftwaffenstützpunkt Ain al-Assad im Zentrum des Iraks und eine Basis in Erbil. (welt.de, 08.01.2020, Iran feuert Raketen auf US-Stützpunkte - Trump meldet sich zu Wort)

Bei einem Angriff im Jänner 2020 auf eine vom amerikanischen Militär genutzten Luftwaffenbasis im Irak hat es einen Raketenbeschuss gegeben. Dabei sind vier irakische Soldaten verletzt worden. In den vergangenen Wochen waren mehrfach Raketen in der Nähe von Stützpunkten eingeschlagen, an denen Truppen der Vereinigten Staaten von Amerika stationiert sind. Auch im Stadtzentrum von Bagdad schlugen zuletzt mehrfach Raketen ein. Einige davon landeten in oder in der Nähe des Regierungsviertels, in dem unter anderem die Botschaft Amerikas liegt. Berichte über Verletzte gab es dabei nicht. (faz.net, 12.01.2020, Raketenangriff auf Luftwaffenstützpunkte nahe Bagdad)

Im Irak gibt es 2.676 bestätigte Covid-19-Fälle, 870 aktive Fälle, 107 Todesfälle, 1702 genesene Personen. Insgesamt wurden 125.000 Tests durchgeführt. Die Ausgangssperren werden gelockert. (UNOCHA, Iraq: Covid-19, Situation Report No. 13, 10.05.2020)

Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP's) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich. Zum 31.10.2019 wurden 1,4 Millionen IDPs (240.750 Haushalte), verteilt auf 18 Gouvernements und 104 Distrikte identifiziert. Aktuell sinkt die Zahl der IDPs rasch. Im September und Oktober 2019 wurde ein Rückgang von 180.414 IDPs verzeichnet, mit den höchsten Rückgängen in Ninewa (-99.828), Salah al-Din (-10.908) und Anbar (-9.048), verzeichnet.

Die Zahl der Rückkehrer liegt bei 4,4 Millionen (743.468 Haushalte) in 8 Gouvernements und 38 Distrikten. Während des Beobachtungszeitraumes September und Oktober 2019 wurden zusätzliche 110.658 Rückkehrer verzeichnet, was einen doppelt so hohen Anstieg wie im vorangegangenen Beobachtungszeitraum entspricht. Die meisten kehrten nach Anbar (42.180), Ninewa (42.090) und Salah al-Din (16.980) zurück.

Nahezu alle Haushalte (95%, 4.247.574 Personen) kehrten an ihren vor der Vertreibung gewöhnlichen Wohnsitz zurück, der sich in einem guten Zustand befand. Zwei Prozent (72.180) leben in anderen privaten Einrichtungen (gemietete Häuser, Hotels, Gastfamilien). Drei Prozent der Rückkehrer (141.054) leben in kritischen Unterkünften (informelle Siedlungen, religiöse Gebäude, Schulen, unfertige, aufgegebene oder zerstörte Gebäude). Von den zuletzt Genannten leben die meisten in den Distrikten Mossul (31.476), Baji (10.020) und Tikrit (9.462). (Displacement Tracking Matrix, Round 112, November 2019)

III. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seiner Schulbildung, zu seiner Berufstätigkeit, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren und den Verwaltungsakten.

Die Feststellung zur strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem zitierten Urteil (OZ 16). Die Feststellung zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergibt sich aus einem GVS-Auszug. Die Feststellung, dass er einer illegalen Beschäftigung nachgeht, stützt sich auf seine eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung (Seite 3f des Verhandlungsprotokolls).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund ist und keiner Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung angehört, ergibt sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung (Seiten 3 und 9 des Verhandlungsprotokolls).

Die Feststellung zum Besuch von Deutschkursen ergibt sich aus der diesbezüglichen Bestätigung (AS 145). In der mündlichen Verhandlung konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer schon gut Deutsch spricht. Er gab aber an, dass er die deutsche Sprache aber nicht lesen noch schreiben könne. Die Feststellung, dass er Farsi spricht, stützt sich auf seine Angaben in der mündlichen Verhandlung (Seite 4 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer behauptete zwar, dass er nicht Kurdisch spreche, doch gab der Dolmetscher an, dass er zu Beginn mit dem Beschwerdeführer Kurdisch gesprochen habe (Seite 2 des Verhandlungsprotokolls). Es erfolgte daher die Feststellung, dass der Beschwerdeführer auch Kurdisch spricht.

Das Vorliegen von Empfehlungsschreiben ergibt sich aus ebendiesen (AS 147 bis 151). Dass der Beschwerdeführer ledig ist, keine Kinder und keine Verwandte in Österreich hat sowie zu den in Deutschland bzw. Europa lebenden Verwandten keinen Kontakt hat, ergibt sich aus seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung (Seiten 4 und 6f des Verhandlungsprotokolls).

Der Beschwerdeführer stellte seinen Antrag auf internationalen Schutz unter Angabe des Geburtsdatums XXXX . Damit wäre er zum Zeitpunkt der Antragstellung am 16.10.2015 erst 15 Jahre alt gewesen (AS 1). In einem Aktenvermerk des BFA vom 27.10.2015 ist festgehalten, dass der Beschwerdeführer zugegeben hat, bereits 21 Jahre alt zu sein (AS 47). In einem Schreiben des gesetzlichen Vertreters des Beschwerdeführers, welches auch der Beschwerdeführer unterschrieben hat, wird ebenso vorgebracht, dass der Beschwerdeführer bereits 21 Jahre alt ist (AS 49).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass Fragen der Identität für die Gewährung von Asyl insoweit eine Rolle spielen, als Zweifel an den diesbezüglichen Angaben des Fremden - im Besonderen daran, dass er derjenige ist, für den er sich ausgibt - zu dem Ergebnis führen, seine behauptete Bedrohung als nicht glaubhaft zu qualifizieren (vgl. VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0417). Stellt ein Fremder einen Antrag auf internationalen Schutz bei einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, so haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 42 Abs. 1 BFA-VG eine erste Befragung (gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005) durchzuführen und den Fremden erkennungsdienstlich zu behandeln. Die in § 19 Abs. 1 AsylG geregelte Erstbefragung dient (nach dem Gesetzeswortlaut) insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen. Die Feststellung der Identität des Asylwerbers bereits zu Beginn des Asylverfahrens ist wesentlicher Teil dieses Verfahrens.

Der Beschwerdeführer stellte seinen Antrag auf internationalen Schutz unter Angabe einer falschen Identität. Er gab an, 15 Jahre alt zu sein zu sein, obwohl er zur Zeit der Antragstellung bereits 21 Jahre alt war. Die Täuschung über das wahre Alter spricht gegen die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer ist offenbar bereit, falsche Angaben zu machen, um sich im Verfahren Vorteil zu verschaffen. Es bestehen daher erhebliche Zweifel, dass auch die übrigen im Verfahren getätigten Angaben der Wahrheit entsprechen.

Auf Grund der Erklärung des Beschwerdeführers, dass er bereits 21 Jahre alt sei, wurde sein Geburtsdatum auf den XXXX geändert. Vor dem Bundesverwaltungsgericht legte der Beschwerdeführer eine Kopie seines Personalausweises vor, aus der als Geburtsdatum allerdings der XXXX hervorgeht (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls). Damit stimmt nun zwar das Geburtsjahr überein, doch wurde der Beschwerdeführer an einem anderen Tag geboren.

Der Beschwerdeführer machte zu seinen Eltern derart widersprüchliche Angaben, so dass nicht glaubhaft ist, dass diese tatsächlich nicht mehr am Leben sein sollen. In der Erstbefragung im Oktober 2015 erklärte er, dass diese vor ca. drei Monaten ums Leben gekommen seien, als das Haus der Familie bombardiert worden sei. Dies wäre somit Juli 2015 gewesen (AS 9). In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete der Beschwerdeführer, dass er 16 Jahre alt gewesen sei, als er seine Eltern verloren hätte (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls), was somit im Jahr 2010 gewesen wäre. Auf Nachfrage meinte der Beschwerdeführer aber, er glaube, dass es im Jahr 2016 gewesen sei, als die Eltern gestorben seien. Daraufhin wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, wenn seine Eltern 2016 gestorben wären, wäre dies zu einem Zeitpunkt gewesen, als er schon in Österreich gewesen sei. Hierzu meinte er ausweichend, er erinnere sich nicht mehr an alles und gab schließlich an, wenn er 2016 sage, dann bedeute das nicht, dass das wirklich stimme. Auf die erneut gestellte Frage, ob er schon in Österreich gewesen sei, als die Eltern gestorben seien, meinte er nun, dass seine Eltern vor seiner Ausreise aus dem Irak gestorben sein (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Dieses Aussageverhalten des Beschwerdeführers, die widersprüchlichen Angaben zum angeblichen Tod seiner Eltern und der Umstand, dass er keine Sterbeurkunde vorlegte, sprechen nicht dafür, dass die Eltern tatsächlich gestorben sind. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer ein derart gravierendes Ereignis wie den Tod der eigenen Eltern nicht zeitlich übereinstimmend angeben kann. Es erfolgte daher auch die Feststellung, dass die Eltern weiterhin Mossul leben.

Die Feststellungen zur Lage im Irak stützen sich auf die oben angeführten Quellen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Der Beschwerdeführer trat diesen Feststellungen nicht substantiiert entgegen. Auf die in der Beschwerde zitierten Berichte war mangels Aktualität nicht einzugehen.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die Beschwerde richtet sich ausdrücklich nur gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, welche in Spruchpunkt II. des Bescheides des BFA ausgesprochen wurde. Hinsichtlich der Nichtgewährung von Asyl mit Spruchpunkt I. wurde keine Beschwerde erhoben, weshalb dieser Spruchpunkt in Rechtskraft erwuchs.

1. Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz setzt somit voraus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in seine Heimat entweder eine reale Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK bedeuten würde oder für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Irak mit sich bringen würde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095, mit weiteren Nachweisen). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (vgl. VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236 mwN).

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 13.12.2017, Ra 2017/01/0187, mwN).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der EGMR in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko iSd Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (vgl. etwa EGMR vom 28. November 2011, Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi gg. Vereinigtes Königreich, RNr. 218 mit Hinweis auf EGMR vom 17. Juli 2008, Nr. 25904/07, NA gg. Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (vgl. etwa EGMR Sufi und Elmi, RNr. 217).

Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z 2 Asyl 2005 orientiert sich an Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) und umfasst - wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erkannt hat - eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH vom 17. Februar 2009, C- 465/07, Elgafaji, und vom 30. Jänner 2014, C-285/12, Diakite).

Nach der dargestellten Rechtsprechung sowohl des EGMR als auch des EuGH ist von einem realen Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte einerseits oder von einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts andererseits auszugehen, wenn stichhaltige Gründe für eine derartige Gefährdung sprechen.

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (vgl. VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016, mwN).

Nach der ständigen Judikatur des EGMR, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 5. September 2013, I. gg. Schweden, Nr. 61204/09). Die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich das erkennende Gericht nicht von Amts wegen verschaffen kann (vgl. VwGH 30.09.1993, 93/18/0214). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (etwa die familiäre, gesundheitliche oder finanzielle Situation), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht (vgl. VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279). Der Antragsteller muss die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben schlüssig darstellen (vgl. VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus, wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (EGMR U 17.10.1986, Kilic gegen Schweiz, Nr. 12364/86). So führt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller, Beweise zu beschaffen, dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (EGMR U 05.07.2005, Said gegen Niederlande).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 09.07.2002, 2001/01/0164; 16.07.2003, 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden ist (vgl. VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137). Unter Darstellung der maßgebenden persönlichen Verhältnisse des Fremden (insbesondere zu seinen finanziellen Möglichkeiten und zum familiären und sonstigen sozialen Umfeld) ist allenfalls weiter zu prüfen, ob ihm der Zugang zur notwendigen medizinischen Behandlung nicht nur grundsätzlich, sondern auch tatsächlich angesichts deren konkreter Kosten und der Erreichbarkeit ärztlicher Hilfsorganisationen möglich wäre (vgl. VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137 unter Hinweis auf VwGH 17.12.2003, 2000/20/0208).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

Im gegenständlichen Fall brachte der Beschwerdeführer keine individuelle Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr vor und er gehört auch keiner Personengruppe mit speziellem Risikoprofil an, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.

Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059), hat doch der Beschwerdeführer selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung in den Irak jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und er in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. Internationale Organisationen wie die UN, die Unesco oder die deutsche GIZ helfen dabei, die Wunden der Stadt zu heilen. Es entstehen neue Wasseraufbereitungsanlagen, die immer mehr Menschen mit sauberem Trinkwasser versorgen. Es kann sohin nicht erkannt werden, dass dem erwerbsfähigen Beschwerdeführer, der in Mossul über ein familiäres bzw. soziales Netz verfügt, von dem er unterstützt werden kann, im Falle einer Rückkehr nach Mossul dort die notwendigste Lebensgrundlage entzogen und dadurch die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre.

Nach dem festgestellten Sachverhalt besteht auch kein Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände", welche eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Irak unzulässig machen könnten.

Betreffend die Sicherheitslage im Irak, insbesondere in Mossul, in der Provinz Ninewa, ist zunächst auf die Länderfeststellungen in gegenständlichem Erkenntnis zu verweisen. In der ersten Septemberwoche 2019 gab es 39 sicherheitsrelevante Vorfälle. Die meisten Vorfälle, nämlich 14, ereigneten sich in Diyala. Neun Vorfälle ereigneten sich in Ninewa, wobei ein Vorfall der Fund eines Massengrabs war. In der zweiten Septemberwoche 2019 ereigneten sich weniger Vorfälle als in der Vorwoche, nämlich insgesamt 30. Zwei dieser Vorfälle waren Leichenfunde. Die meisten Vorfälle, nämlich elf, ereigneten sich in Kirkuk. In Diyala waren es neun Vorfälle. Drei Vorfälle entfielen auf Ninewa. Einer der drei Vorfälle in Ninewa betraf den Fund von neun Leichen in der Altstadt von Westmossul. Bei den anderen zwei Vorfällen handelte es sich um Sprengfallen im Gebiet Hamam al-Alil, 27 Kilometer südlich von Mossul. Die Angriffe gingen Mitte September 2019 wieder zurück. Es gab in der dritten Septemberwoche 2019 28 sicherheitsrelevante Vorfälle im gesamten Irak. Zwei Vorfälle fanden in Ninewa statt. Im Vergleich dazu sind die Vorfälle in Diyala und Kirkuk weiterhin hoch. In der ersten Oktoberwoche 2019 gab es nur drei Zwischenfälle in Anbar, Diyala und Ninewa. In der zweiten Oktoberwoche gab es 14 Vorfälle, davon zwei in Ninewa. Ninewa und Salah al-Din sind weniger wichtiger für den IS. In Kirkuk und Diyala findet die meiste Gewalt statt.

Die allgemeine Sicherheitslage ist daher nicht dergestalt, dass jeder dorthin Zurückkehrende der realen Gefahr unterläge, mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit einer Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte ausgesetzt zu sein oder für ihn die ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt anzunehmen wäre.

Der Beschwerdeführer kann seine Heimatregion auch sicher erreichen. Um nach Mossul zu gelangen muss der Beschwerdeführer von Bagdad aus durch die Provinz Salah al-Din. In der ersten Septemberwoche 2019 gab es in Bagdad sieben Vorfälle. In der zweiten Septemberwoche 2019 gab es drei Vorfälle in Bagdad. Es gab in der dritten Septemberwoche 2019 28 sicherheitsrelevante Vorfälle im gesamten Irak. Acht Vorfälle ereigneten sich in Bagdad. In Bagdad gab es im September die meisten Angriffe. Anfang Oktober gab es wegen der in Bagdad stattgefundenen Proteste keine Angriffe. In Salah al-Din stieg im März und im Juni 2018 die Zahl der Angriffe auf 35 und 36, sank danach aber stetig ab und erreichte im Dezember nur mehr 8 Angriffe. Ebenso gab es im ersten Halbjahr mehr Schießereien und Entführungen im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2018. In der ersten Septemberwoche 2019 gab es fünf Vorfälle in Salah al-Din. In der zweiten Septemberwoche 2019 gab es drei Vorfälle in Salah al-Din. Von den drei Vorfällen in Salah al-Din war einer eine Schießerei, die zur Folge hatte, dass die Autobahn von Tuz Kurmatu nach Bagdad kurze Zeit gesperrt war; dies liegt jedoch nicht auf dem Weg nach Mossul. Es gab in der dritten Septemberwoche 2019 einen Vorfall in Salah al-Din. In der ersten Oktoberwoche 2019 gab es nur drei Zwischenfälle in Anbar, Diyala und Ninewa. In der zweiten Oktoberwoche gab es zwei Vorfälle Salah al-Din. Den getroffenen Feststellungen zufolge gibt es im Irak kaum noch Autobomben. In Diyala gab es bis Mitte Oktober 2019 keine einzige Autobombe. In Kirkuk gab es im Jänner 2019 die einzige Autobombe des Jahres. In Ninewa gab es drei Autobomben und zwar im Februar, März und Mai. In Salah al-Din gab es vier Autobomben im Jänner, März, April und August. Früher wurden vom IS routinemäßig Autobomben in städtischen Gebieten eingesetzt. Jetzt kommen diese kaum noch vor und zeigen, dass der IS schwer angeschlagen ist. Bis Mitte Oktober 2019 gab es in Ninewa zwei Attacken auf Checkpoints, die sich beide im Februar ereigneten. In Salah al-Din gab es vier Attacken auf Checkpoints und zwar im Jänner, Mai, Juli und September. In Kirkuk gab es zwölf Attacken (vier im Jänner, eine im März, drei im Mai, zwei im Juni und zwei im September). In Diyala gab es mit 46 die meisten Attacken und bis auf Oktober in jedem Monat. Der Beschwerdeführer kann damit seine Heimatregion auch sicher erreichen.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen arbeitsfähigen Mann, bei welchem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der Beschwerdeführer verfügt über zumindest vierjährige Schulbildung und Berufserfahrung als Mechaniker. Er spricht Arabisch, Kurdisch, Farsi und Deutsch. Seine Eltern leben in Mossul. Aus welchen Gründen der Beschwerdeführer als junger und gesunder Mann mit Schulbildung und Berufserfahrung bei einer Rückkehr in den Irak nicht in der Lage sein sollte, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, ist nicht ersichtlich bzw. wurde auch nicht vorgebracht, zumal der Beschwerdeführer auch über den kulturellen Hintergrund und die erforderlichen Sprachkenntnisse für den Irak verfügt. Es kann sohin nicht erkannt werden, dass dem erwerbsfähigen Beschwerdeführer, der in Mossul über ein familiäres bzw. soziales Netz verfügt, im Falle einer Rückkehr nach Mossul dort die notwendigste Lebensgrundlage entzogen und dadurch die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre.

Dem Beschwerdeführer steht auch eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung:

Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz § 11 Abs. 1 AsylG abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Gemäß § 11 Abs. 2 AsylG ist bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

Um vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, müssen die Asylbehörden über Ermittlungsergebnisse verfügen, die die Sicherheit der Asylwerber dartun (vgl. VwGH 16.2.2000, 99/01/0149). Es muss ausgeführt werden, wo der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor der von ihm geltend gemachten Bedrohung finden könnte. Es ist Sache der Behörde, die Existenz einer internen Schutzalter

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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