TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/27 I405 2230349-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.05.2020
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Entscheidungsdatum

27.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I405 2230349-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Gambia, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2020, Zl. XXXX ,

zu Recht:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als das in Spruchpunkt VI. gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG verhängte Einreiseverbot auf die Dauer von 6 Jahren herabgesetzt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Gambia, wurde am 25.03.2017 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Identitätsfeststellung unterzogen und wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes zur Anzeige gebracht sowie in weiterer Folge in das Polizeianhaltezentrum verbracht.

2.       Er wurde am 26.03.2017 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und anschließend zwecks freiwilliger Ausreise nach Italien entlassen. Ihm wurde dabei ein Informationsblatt zum Nachweis seiner Ausreise persönlich übergeben.

3.       Am 16.09.2019 wurde über den BF wegen §§ 27 (1) Z1 8. Fall, 28 (3) SMG die Untersuchungshaft verhängt. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 29.10.2019, Zahl XXXX , wurde der BF wegen § 27 Abs. 2a und § 15 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, davon 6 Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, rechtskräftig verurteilt.

4.       Mit Schreiben vom 08.10.2019 wurde dem BF bezüglich der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot, Parteiengehör und eine Frist zur Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt, die er ungenutzt verstreichen ließ.

5.       Mit weiterem Urteil des Landesgerichts XXXX , wurde der BF wegen §§ 28a Abs. 1 5. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, wobei der mit dem Urteil vom 29.10.2019, Zahl XXXX bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe widerrufen wurde.

6.       Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid des BFA vom 28.03.2020, Zl. XXXX , wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungsgründen gemäß § 57 nicht erteilt und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I. und II.). Es wurde zudem festgestellt, dass seine Abschiebung nach Gambia zulässig sei (Spruchpunkt III.). Ferner wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und (Spruchpunkt VI.).

7.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 09.04.2020, worin inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert wurden. Begründend wurde ausgeführt, der BF hätte aufgrund seines italienischen Aufenthaltstitels aufgefordert werden müssen, sich nach Italien zu begeben, was jedoch nicht geschehen sei. Eine Rückkehr des BF nach Gambia sei nicht mögliche, da er dort über kein unterstützendes soziales und familiäres Netzwerk verfüge. Die Verhängung des Einreiseverbots sei nicht gerechtfertigt bzw. sei dessen Dauer überzogen. Der BF stelle keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Er bereue seine Taten sehr und wolle sich bessern.

8.       Mit Schriftsatz vom 10.04.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 24.02.2020, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

9.       Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem BF mit Schriftsatz vom 08.05.2020 im Rahmen des Parteiengehörs umfassende Länderfeststellungen zur Situation in Gambia sowie Fragestellungen zur persönlichen Situation des BF und forderte unter einem ihn auf, binnen zwei Wochen hierzu eine Stellungnahme abzugeben. Am 27.05.2020 langte die entsprechende Stellungnahme des BF beim erkennenden Gericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Verfahrensgang:

Die im Verfahrensgang geschilderten - unstrittigen - Ausführungen werden zu Feststellungen erhoben.

1.2. Zur Person des BF:

Die volljährige BF ist Staatsangehörige von Gambia. Seine Identität steht fest. Er verfügte über einen italienischen Aufenthaltstitel, der bis 18.03.2020 gültig war. Der BF reiste erstmals im März 2017 nach Österreich und da er sich mit einem gültigen Reisedokument nicht ausweisen konnte, wurde er wegen unbefugten Aufenthaltes angezeigt. In der Folge wurde er aufgefordert, nach Italien auszureisen.

Am 16.09.2019 wurde über den BF wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz die Untersuchungshaft verhängt. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX , wurde der BF wegen § 27 Abs. 2a und § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, davon 6 Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, rechtskräftig verurteilt. Mit weiterem Urteil des Landesgerichts XXXX , wurde der BF wegen §§ 28a Abs. 1 5. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, wobei der mit dem Urteil vom 29.10.2019, Zahl XXXX bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe widerrufen wurde. Er befindet sich derzeit in Strafhaft.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Der BF hat in Österreich keine familiären Bindungen, nähere Bekannte oder nennenswerte soziale Kontakte. Der BF weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

Ob er über Familienangehörige, nähere Bekannte oder nennenswerte soziale Kontakte in anderen EU-Mitgliedstaaten verfügt, kann nicht festgestellt werden.

1.4. Zum Herkunftsstaat:

1.4.1. Politische Lage

Gambia ist eine Präsidialrepublik. Staatsoberhaupt und Regierungschef ist seit 2017 Adama Barrow von der United Democratic Party - UDP (AA 16.10.2018). Barrow gewann im Dezember 2016 die Wahl gegen den Amtsinhaver Jammeh, der nach einer knapp zweimonatigen innenpolitischen Krise schließlich zur Aufgabe seines Amtes bereit war (AA 5.8.2019).

Seit den Präsidentschaftswahlen vom 1.12.2016, die als weitgehend frei und fair bezeichnet werden (KAS 16.5.2018; vgl. HRW 18.1.2018; FH 4.2.2019), befindet sich das Land in einem tief greifenden und anhaltenden demokratischen Transformations- und Demokratisierungsprozess. Der seit 22 Jahren autoritär regierende Präsident, Yaya Jammeh, wurde abgewählt und durch Adama Barrow ersetzt (KAS 16.5.2018).

Seither befinden sich im Auftrag der CEDEAO/ECOWAS und auf Bitten der neuen Regierung Militärtruppen in Gambia (KAS 16.5.2018; vgl. FH 4.2.2019; HRW 18.1.2018), um die Sicherheit des Transformationsprozesses und der aktuellen Regierung zu gewährleisten (KAS 16.5.2018).

Die internationale Gemeinschaft hat der Barrow - Regierung erhebliche finanzielle Unterstützung gewährt, einschließlich der Unterstützung bei der Untersuchung vergangener Menschenrechtsverletzungen und der Reform der Sicherheitskräfte und der Justiz (HRW 18.1.2018).

Barrow spricht von einem „neuen Gambia“ - öffnet seither das Land nach außen und reformiert es nach innen (KAS 16.5.2018; vgl. HRW 18.1.2018). Direkt nach seiner Amtsübernahme erklärte Barrow sein Land zur Republik und ließ den Zusatz „Islamische Republik“ streichen. Er stärkt die Freiheit der Bürger, indem Militär- und Polizei-Checkpoints im Land reduziert werden und der Stellenwert von Meinungs- und Pressefreiheit öffentlich beteuert wurde (KAS 16.5.2018). Am 13. 12.2017 wurde das Gesetz der Wahrheits-, Versöhnungs- und Reparationskommission (TRRC) von der Nationalversammlung verabschiedet und vom Präsidenten am 13.1.2018 bestätigt (LHG 2018). Unter der Leitung des Ministeriums für Justiz wurde eine „Truth, Reconciliation and Reparation Commission“ eingerichtet, welche an der Aufklärung der unter der Regierung Jammeh verübten Menschenrechtsverletzungen arbeitet (AA 5.8.2019; vgl. KAS 16.5.2018; LHB 2018). In den meisten Fällen gab es keine wirksamen Ermittlungen und die Täter wurden nicht vor Gericht gestellt. Das TRRC-Gesetz sieht die Erstellung einer historischen Aufzeichnung über Art, Ursachen und Ausmaß der im Zeitraum Juli 1994 bis Jänner 2017 begangenen Verstöße und Verletzungen der Menschenrechte und die Gewährung einer Entschädigung für die Opfer vor (LHG 2018).

Ein wichtiges Reformvorhaben der Regierung Barrow ist der am 6.2.2018 vorgestellte nationale Entwicklungsplan (The Gambia National Development Plan), der als Grundlage der Beratung der Geberkonferenz am 22.5.2018 in Brüssel gilt. Der Entwicklungsplan betont die Wichtigkeit von Demokratie, guter Regierungsführung, Menschenrechte, sowie Sicherheit und Wohlstand für alle (KAS 16.5.2018). Die innenpolitische Reformbereitschaft Barrows in Gambia wird auch durch das Moratorium zur Abschaffung der Todesstrafe deutlich, das am 18.2.2018 in Kraft trat. Vorerst wurden keine Hinrichtungen mehr vorgenommen, die Abschaffung der Todesstrafe soll noch folgen (KAS 16.5.2018).

In Gambia fanden am 12.4.2018 und am 12.5.2018 Lokal- und Kommunalwahlen statt. Die Wahlen verliefen friedlich ohne Zwischenfälle (KAS 16.5.2018; vgl. UNSC 29.6.2018). Als Bürgermeisterin in der Hauptstadt Banjul wurde mit Rohey Malick Lowe, erstmals eine Frau gewählt (KAS 16.5.2018). Die Vereinigte Demokratische Partei unter der Leitung von Außenminister Ousainou Darboe gewann die Mehrheit der Sitze, während die Alliance for Patriotic Reorientation and Construction of Ex-Präsident Yahya Jammeh weniger als 15 % der Sitze erlangte. In der Zwischenzeit hat die Regierung weitere Fortschritte gemacht bei der eine Reihe von Reformprozessen, unter anderem in den Bereichen Sicherheitssektor Reform und Übergangsjustiz, durchgeführt wurden (UNSC 29.6.2018).

Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen Gambias ähneln einer Herkulesaufgabe und stehen unter Zeitdruck. Die Bevölkerung erwartet sichtbare Resultate in der Dezentralisierung des Landes, in der Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen sowie in der Verbesserung ihrer persönlichen Lebenssituation. Dazu gehört auch ein Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum, die Reform des Sicherheitsapparates, die Aufarbeitung der Schreckenstaten während des Jammeh-Regimes und die sichtbare Entwicklung der Infrastruktur des Landes (KAS 16.5.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.10.2018): Gambia: Überblick, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambia/213610, Zugriff 26.11.2019

-        AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

-        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gambia, The, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/gambia, Zugriff 26.11.2019

-        HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422435.html, Zugriff 18.9.2018

-        KAS – Konrad-Adenauer-Stiftung (16.5.2018): Ein Jahr Demokratie in Gambia, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52476-544-1-30.pdf?180516145500, Zugriff 4.9.2018

-        LHB - Law Hub Gambia (2018): Truth, Reconciliation and Reparations Commission (TRRC) Act, https://www.lawhubgambia.com/truth-reconciliation-reparations-commission/, Zugriff 27.9.2018

-        UNSC - UN Security Council (29.6.2018): Report of the Secretary-General on the activities of the United Nations Office for West Africa and the Sahel, https://www.ecoi.net/en/file/local/1438086/1226_1531382798_n1817627.pdf, Zugriff 6.9.2018

1.4.2. Sicherheitslage

Laut France Diplomatie wird im gesamten Staatsgebiet zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen (FD 14.1.2020; vgl. BMEIA 3.12.2019), vor allem wegen Aktivitäten krimineller Netzwerke in entlegenen Teilen entlang der südlichen Grenze zum Senegal (BMEIA 3.12.2019). Gambia blieb bisher von terroristischen Anschlägen verschont. Angesichts möglicher terroristischer Aktivitäten in der ganzen Region Westafrika können jedoch auch in Gambia Anschläge gegen westliche Einrichtungen oder Staatsangehörige nicht ausgeschlossen werden (AA 8.1.2020). Im Rest des Landes wird ein erhöhtes Sicherheitsrisiko ausgerufen (BMEIA 3.12.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (8.1.2020): Reise & Sicherheit - Gambia - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambiasicherheit/213624, Zugriff 16.1.2020

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (3.12.2019): Reise & Aufenthalt - Gambia - Sicherheit und Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/gambia/, Zugriff 16.1.2020

-        FD - France Diplomatie (14.1.2020): Conseils par pays, Gambie, Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/gambie/, Zugriff 16.1.2020

1.4.3. Versorgungslage

Gambia ist im internationalen Vergleich eines der ärmsten und am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Lediglich ein Drittel der Bevölkerung verfügt über eine garantierte Ernährungssicherheit. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren zwischen 2014 und 2016 über 200.000 Gambier gezwungen, sich auf humanitäre Hilfe zu verlassen (EASO 12.2017). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist v.a. in ländlichen Gegenden nur beschränkt gewährleistet (EASO 12.2017). Das staatliche „Social Welfare Service“ bietet für bedürftige Frauen und Kinder Unterbringung, Nahrung und Kleidung. Nach Angaben der Weltbank sind knapp 40 % der Kinder unter 5 Jahren akut unterernährt. Sozialhilferegelungen etc. bestehen nicht (AA 5.8.2019).

Gambia ist wirtschaftlich schwach. Etwa drei Viertel der Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft. Familien bauen auch in kleinem Umfang Produkte für den Eigenbedarf an. Viele führen kleine Einzelhandelsgeschäfte (EASO 12.2017).

Die Wirtschaft des Landes ist aufgrund von Rückschlägen abgewürgt (KAS 16.5.2018). Zudem ist die Landwirtschaft anfällig für Überschwemmungen und Dürren (EASO 12.2017). Die schlechte landwirtschaftliche Ernte führte 2016/2017 zu Ausfällen (KAS 16.5.2018). Der Landwirtschaftssektor ist nicht vielfältig genug aufgestellt, 91 % der Landbevölkerung sind Kleinbauern, mehrheitlich durch Subsistenzwirtschaft geprägt. Das Land ist stark importabhängig, praktisch alle Güter des täglichen Gebrauchs werden importiert. Die Preise sind entsprechend hoch (KAS 16.5.2018).

Negativ wirkte sich auch die politische Krise des Jahres 2017 aus. Der jüngste Länderbericht des Internationalen Währungsfonds schätzt, dass die Tourismuseinnahmen im ersten Quartal 2017 aufgrund der politischen Turbulenzen um rund ein Drittel (8,8 Mio. $) gesunken sind (EASO 12.2017) und sich nur zögerlich erholten (KAS 16.5.2018). Die Überweisungen (Geldtransfers) von Auswanderern in ihr Heimatland werden auf rund 10% des BIP geschätzt. Im internationalen Handel haben China und Indien die EU (insbesondere Frankreich und Großbritannien) als Hauptexporteur teilweise abgelöst (EASO 12.2017).

Eine zerstörte Wirtschaft, ausgebeutete Staatsressourcen, eine ineffiziente Infrastruktur, enorme soziale Herausforderungen sowie ein Mangel an Möglichkeiten für die junge Bevölkerung waren die Rahmenbedingungen, unter denen Barrow seine Präsidentschaft angetreten hat (KAS 16.5.2018).

Als Jammeh Anfang 2017 ins Exil nach Äquatorialguinea ging, nahm er Vermögenswerte mit unbekanntem Wert mit (EASO 12.2017). Der systematische Diebstahl von Staatseigentum wurde rückwirkend seit 2014 auf 4 % des BIP jährlich geschätzt (KAS 16.5.2018). Laut Medien sei das Land "fast bankrott". Niedrige Ernteerträge, ängstliche Touristen und Investoren sowie wachsende Staatsverschuldung tragen zur weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation bei (EASO 12.2017). Das Land ist auf finanzielle Unterstützung aus dem Ausland angewiesen. Nach Angaben der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) machten die Hilfen ausländischer Geber 2013 11% des BIP aus (EASO 12.2017). Die externe Schuldenlast beläuft sich auf über 1 Mrd. US-Dollar (20 % des BIP). Aufgrund der Schuldennotlage können keine neuen Investitionen im Land getätigt werden, der Privatsektor erhält auch keinen Zugang zu Krediten auf dem Finanzmarkt. Die Elektrizitätskrise mit mehrmals täglichen Stromausfällen behindert zudem wirtschaftliche Aktivitäten und Investitionen (KAS 16.5.2018).

Ausländische Geber versprachen der Barrow-Regierung finanzielle Unterstützung unter der Bedingung, dass die Entwicklung der Demokratie gefördert und die Menschenrechte geachtet werden (EASO 12.2017).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

-        EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 20.9.2018

-        KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (16.5.2018): Ein Jahr Demokratie in Gambia, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52476-544-1-30.pdf?180516145500, Zugriff 20.9.2018

1.4.4. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung in Gambia ist mangelhaft (AA 5.8.2019), wogegen die ärztliche Versorgung im Großraum Banjul ausreichend ist (BMEIA 3.12.2019). Die medizinische Versorgung im Lande bleibt eingeschränkt und ist technisch, apparativ und / oder hygienisch problematisch. Auch im privaten Sektor ist nur eine begrenzte Diagnostik und Behandlung möglich (AA 18.9.2018; vgl. AA 5.8.2019). Deutlich besser ist die Lage in Privatkliniken, wobei auch diese diese keinen europäischen Standard bieten (AA 5.8.2019). Die Versorgung ist besonders bei Notfällen, z. B. nach Autounfällen, aber auch im Falle eines Herzinfarktes oder eines Schlaganfalles sehr eingeschränkt (AA 18.9.2018). Die Mehrheit der Gesundheitseinrichtungen befindet sich im Stadtgebiet, was bedeutet, dass der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen in ländlichen Gebieten komplexer ist. Im Allgemeinen leiden alle Einrichtungen unter einem Mangel an gut ausgebildetem Personal und Defiziten in Bezug auf Infrastruktur, medizinische Ausrüstung und Versorgung mit bestimmten Medikamenten (EASO 12.2017).

Eine allgemeine Krankenversicherung existiert nicht. Staatliche Krankenhäuser bieten zwar eine quasi kostenlose Versorgung, diese ist jedoch aufgrund mangelnder Ärzte, Apparaturen und Medikamente unzureichend. Es existiert eine staatliche psychiatrische Einrichtung, in der es allerdings oft an Medikamenten und gelegentlich an Lebensmitteln fehlt. Die Einrichtung wird von kubanischen Ärzten betreut, die nicht immer anwesend sind. Die Versorgung mit Medikamenten ist über Apotheken möglich (AA 5.8.2019).

Die traditionelle Medizin ist für einen Großteil der Bevölkerung Gambias oft der erste Ansprechpartner, da die Ärzte über das ganze Land verstreut und vor allem in ländlichen Regionen besser zugänglich sind. Und auch die Behörden Gambias streben eine stärkere Partnerschaft mit traditionellen Heilern an, um die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern. Im Jahr 2015 gab es in Gambia 213 Mediziner (1.1 Arzt für 10.000 Einwohner). Darüber hinaus erlauben traditionelle Mediziner oft Sachleistungen, die für arme Haushalte günstiger sind (AA EASO 12.2017).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Gambia: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambiasicherheit/213624, Zugriff 18.9.2018

-        AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (3.12.2019): Reise & Aufenthalt - Gambia - Gesundheit & Impfungen, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/gambia/, Zugriff 16.1.2020

-        EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 20.9.2018

1.4.5. Rückkehr

Staatliche Einrichtungen zur Aufnahme von Rückkehrerinnen und Rückkehrern existieren nicht. Rückkehrer werden in der Regel wieder von ihrer (Groß-) Familie aufgenommen. Zwischen der International Organisation of Migration (IOM) und der EU wurde eine Vereinbarung zum Schutz und zur Wiedereinbürgerung von Migranten getroffen (EU-IOM Initiative on Migrant Protection and Reintegration), welche Unterstützung für freiwillig oder zwangsweise zurückgekehrte Gambier vorsieht. Der erhebliche Rückstau bei den Reintegrationsmaßnahmen wegen unerwartet hohen Rückkehrerzahlen v.a. aus Libyen und Anlaufschwierigkeiten des 2017 eingerichteten IOM-Büros konnte seit Mitte 2018 in etwa halbiert werden. Zum Stand März 2019 erhielten knapp 2.500 von insgesamt ca. 4.100 Rückkehrern Reintegrationsunterstützungsmaßnahmen. Des Weiteren gibt es zahlreiche NGOs, die in Gambia tätig sind, hauptsächlich im Grundbildungsbereich (AA 5.8.2019).

Rückkehrer bzw. wiedereingebürgerte Personen unterliegen keiner besonderen Behandlung. Fälle von Misshandlung oder Festnahmen sind nicht bekannt. Bei Rückkehr muss nicht mit staatlichen Maßnahmen aufgrund der Asylantragstellung gerechnet werden. Der „Social Welfare Service“ unterhält eine Einrichtung zur Unterbringung von Minderjährigen, dürfte sich aber eher an Kinder jüngeren Alters richten. Ob eine Unterbringung von abgeschobenen Minderjährigen dort möglich ist, muss im Einzelfall geklärt werden (AA 5.8.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der schriftlichen Stellungnahme des BF vom 18.07.2019, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Gambia.

Der BF bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

Die belangte Behörde hat somit ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.

2.2. Zur Person des BF:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand und seiner Arbeitsfähigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des BF im Verwaltungsakt.

Die Identitätsfeststellung und die Feststellung der gambischen Staatsangehörigkeit sowie zum abgelaufenen italienischen Aufenthaltstitel ergeben sich aus der im Verwaltungsverfahren sichergestellten italienischen Aufenthaltsberechtigungskarte. Die Feststellungen zum Privat- Familienleben des BF in Österreich und in der EU ergeben sich aus seinen Angaben im gegenständlichen Verfahren.

Die Negativ-Feststellungen zu den weiteren familiären und sozialen Kontakten des BF in der EU ergeben sich daraus, dass der BF weder konkrete Angaben hierzu machen noch diese belegen konnte. So führt der BF zwar in seiner Stellungnahme vom 27.05.2020 aus, dass sein Vater in Frankreich, ein Bruder in Italien und ein weiterer in der Schweiz aufhältig sei. Der BF wurde jedoch im Zuge des Parteiengehörs darauf hingewiesen, dass wenn die Fragen zu seinen familiären und privaten Bezügen in anderen EU-Mitgliedstaaten nicht mit Bescheinigungsmitteln unterlegt und unter Nennung der Namen und Adresse der jeweiligen Freunde bzw. Verwandten beantwortet werden, das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass sich keine derartigen Personen im EU-Gebiet befinden. Daher war eine Negativ-Feststellung in dieser Hinsicht zu treffen.

Die Feststellung über die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

Die Feststellung Aufenthalt des BF in der Haftanstalt ergibt sich aus einem aktuellen ZMR-Auszug.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Gambia samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der BF trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1.    Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1.  Rechtslage

Gemäß § 58 Abs 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des BF, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

3.1.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Indizien dafür, dass der BF einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des BF seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der BF Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 57 AsylG, abzuweisen war.

3.2.    Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1.  Rechtslage:

Wird laut § 10 Abs. 3 AsylG der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.2.2.  Anwendung auf den gegenständlichen Beschwerdefall:

Zu prüfen ist, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art. 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Im Rahmen der Vereinbarkeit mit Art. 8 EMRK wurden nachstehende Punkte berücksichtigt:

Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtige Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 05.12.2018, Ra 2018/20/0371; 05.11.2019, Ro 2019/01/0008).

Wie bereits unter in den Feststellungen unter konstatiert wurde, handelt es sich bei dem BF um einen gesunden, ledigen und in einem arbeitsfähigen Alter stehenden Drittstaatsangehörigen. Es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten des BF im Bundesgebiet oder in einem anderen Mitgliedstaat der EU. Es ergeben sich auch keine Hinweise, dass der BF engere soziale Bindungen in Österreich unterhält. Besondere Aspekte einer Integration kamen auch nicht hervor. Insbesondere legte der BF weder vor der belangten Behörde noch dem erkennenden Gericht Bescheinigungsmittel einer sprachlichen, beruflichen oder sozialen Integration vor, obwohl ihm mehrmals die Gelegenheit mittels Parteiengehör geboten wurde.

Zulasten des BF wiegen hingegen seine strafrechtlichen Verurteilungen wegen Verstößen nach dem Suchtmittelgesetz, weswegen er auch aktuell in Strafhaft ist. In Anbetracht seiner strafrechtlichen Verurteilung aufgrund des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften, stellt sein weiterer Verbleib im Bundesgebiet eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Sicherheit dar und ist daher auch ein allfälliger Eingriff in sein Privatleben im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen, um die Bevölkerung vor Drogenkriminalität zu schützen.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.

Insoweit war die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.3.    Zum Ausspruch, dass die Ausweisung nach Gambia zulässig ist (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

3.3.1.  Rechtslage:

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

3.3.2   Anwendung auf den gegenständlichen Beschwerdefall:

Im vorliegenden Beschwerdefall gibt es keinen Anhaltspunkt, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Gambia die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juli 2003, 2003/01/0059). Der BF ist volljährig, gesund und arbeitsfähig. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der BF seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht bestreiten können sollte.

Außerdem besteht ganz allgemein in Gambia derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre.

Schließlich ist im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie aufgrund des Corona-Virus festzuhalten, dass es sich beim BF um einen gesunden und arbeitsfähigen Mann handelt, der an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leidet, womit sie nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen fällt. Ein bei einer Überstellung des BF nach Gambia vorliegendes "real risk" einer Verletzung des Art. 3 EMRK ist somit auch hierzu nicht zu erkennen.

Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den BF ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 52 Abs. 9 FPG abzuweisen war.

3.4.    Zum Ausspruch, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):

3.4.1.  Rechtslage:

Gemäß § 55 Abs. 4 FPG hat das Bundesamt von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde einer Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid vom 28.03.2020 die aufschiebende Wirkung - zu Recht, wie unter Punkt 3.5. auszuführen sein wird - aberkannt.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.5.    Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):

3.5.1.  Rechtslage:

Nach § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

So ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist oder der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist.

Wie die Ausführungen zu Punkt I.3.6. deutlichen zeigen, stellt der BF eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar und war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.6.    Zur Erlassung eines Einreiseverbotes (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):

3.6.1.  Rechtslage:

Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat unter anderem nach Z 1 leg. cit. zu gelten, ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

3.6.2. Anwendung auf den gegenständlichen Beschwerdefall:

Der BF wurde unbestritten rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 verurteilt. Der Tatbestand des § 53 Abs. 3 FPG ist zweifelsohne erfüllt. So wurde der BF mit Urteil des Landesgerichts XXXX , BF wegen § 27 Abs. 2a und § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, davon 6 Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, rechtskräftig verurteilt. Mit weiterem Urteil des Landesgerichts XXXX , wurde der BF wegen §§ 28a Abs. 1 5. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, wobei der mit dem Urteil vom 29.10.2019, Zahl XXXX bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe widerrufen wurde. Er befindet sich derzeit in Strafhaft. Bei der Strafzumessung des letzten Urteils wirkten sich das Geständnis und die Sicherstellung eines Teiles des Suchtgiftes als mildernd aus. Erschwerend wurden hingegen die mehrfachen Tatangriffe, das Zusammentreffen von zwei strafbaren Handlungen, die Vorstrafe und der rasche Rückfall gewertet.

Die belangte Behörde hat das Einreiseverbot zu Recht auf § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG gestützt. Der Ansicht, dass das persönliche Verhalten des BF somit eine tatsächliche und gegenwärtige schwerwiegende Gefahr darstellt, ist aus folgenden Gründen beizutreten:

Die belangte Behörde hat die verhängte Dauer des ausgesprochenen Einreiseverbots nicht (nur) auf die Tatsache der Verurteilung bzw der daraus resultierende Strafhöhe, sohin gerade nicht auf eine reine Rechtsfrage abgestellt. Vielmehr hat sie unter Berücksichtigung des Systems der abgestuften Gefährdungsprognosen, das dem FPG inhärent ist, (vgl VwGH 20.11.2008, 2008/21/0603; VwGH 22.11.2012, 2012/23/0030) sowie unter Würdigung des individuellen, vom BF durch sein persönliches Verhalten im Bundesgebiet gezeichneten Charakterbildes eine Gefährdungsprognose getroffen und diese Voraussage ihrer administrativrechtlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht kam aufgrund der Verstöße des BF gegen das SMG, des sich hieraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und der Gefährdungsprognose zur Überzeugung, dass vom BF permanent eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, welche ein Einreiseverbot in der von der belangten Behörde verhängten Dauer zu rechtfertigen vermag.

Bei der Abwägung seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet bzw auf dem Territorium der Mitgliedsstaaten mit dem öffentlichen Interesse an seiner Ausreise fällt vor allem ins Gewicht, dass er zur Begehung von strafbaren Handlungen ins Bundesgebiet einreiste, es zu einem Zusammentreffen mehrerer Straftaten gekommen ist und durch sein Fehlverhalten seine mangelnde Rechtstreue und seine Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich rechtlich geschützten Werten deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Das sich aus den mehrfachen Verstößen gegen das SMG ergebende Persönlichkeitsbild lässt keinen Schluss zu, dass der BF sich in Zukunft wohlverhalten werde. Vielmehr geben die zahlreichen Suchtgiftdelikte Anlass zur Prognose, dass vom BF eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Ordnung in Österreich ausgeht.

Da der BF sich noch in Strafhaft befindet, kann auch kein positiver Gesinnungswandel attestiert werden (vgl VwGH 21.01.2010, 2009/18/0485).

In der Zusammenschau zeigt sich für das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die zu treffende Gefährdungsprognose, dass das Gesamtverhalten des BF und dessen Persönlichkeitsbild von einer weitreichenden Missachtung gegenüber der österreichischen Rechtsordnung geprägt sind.

Unter Berücksichtigung aller genannten Umstände und in Ansehung des bisherigen Fehlverhaltens und des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes des BF geht das erkennende Gericht davon aus, dass nach wie vor eine kriminelle Gefahr vom BF ausgeht, weshalb das Einreiseverbot nicht zu beheben, sondern auf 6 Jahre herabzusetzen war. Herabzusetzen deshalb, da die Verhängung eines befristeten Einreiseverbotes für die Dauer von 10 Jahren für das dargelegte Verhalten des BF zu hoch und im Verhältnis als unangemessen erscheint (die Bemessung des Einreiseverbotes von 10 Jahren erscheint in Anbetracht der Tatsache, dass von § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG auch kriminelle Handlungen von höherem Unrechtsgehalt erfasst sind, so strafgerichtliche Verurteilungen zu unbedingten Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren, als angemessen und geboten). Ebenso miteinbezogen waren die mildernden Umstände bei seiner Verurteilung.

Hinsichtlich der Zulässigkeit verhängten Einreiseverbotes gegen den BF angesichts des ihm erteilten Aufenthaltsrechtes für Italien, war angesichts der nunmehr abgelaufenen Gültigkeitsdauer darauf nicht mehr einzugehen. Insoweit in der Beschwerde moniert wird, dass die belangte Behörde den BF zur Ausreise nach Italien auffordern hätte müssen, ist dem entgegenzuhalten, dass BF eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, weshalb diese Möglichkeit nach § 52 Abs. 6 FPG ausscheidet.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der vom BF ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die Verhängung eines langjährigen Einreiseverbots effektiv begegnet werden kann. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird daher mit der Maßgabe insoweit stattgegen, als die Dauer des Einreisverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG auf 6 Jahre herabgesetzt wird.

4.       Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn – wie im vorliegenden Fall – deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Dem Beschwerdevorbringen sind keine maßgeblichen neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen. Es ist somit unsubstantiiert. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und waren auch keine Beweise aufzunehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht musste sich auch keinen persönlicher Eindruck vom BF im vorliegenden Fall trotz des Vorliegens einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verschaffen, da selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten des BF sprechenden Fakten auch dann für den BF kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft, weshalb eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233; 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 bis 0423, Ra 2017/19/0424).

Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden und die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sohin gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Schlagworte

Abschiebung Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot freiwillige Ausreise Frist Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Haft Haftstrafe Interessenabwägung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Persönlichkeitsstruktur Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtmitteldelikt Wiederholungsgefahr Wiederholungstaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I405.2230349.1.00

Im RIS seit

28.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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