Entscheidungsdatum
29.05.2020Norm
AsylG 2005 §57Spruch
W243 2231178-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marianne WEBER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.03.2020, Zl. 363841306-200160671, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 57 AsylG 2005 und § 61 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I. zu lauten hat: „Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt.“
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte am 20.10.2005 seinen (ersten) Asylantrag.
Dieser wurde endgültig mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11.01.2011, Zl. D12 266542-6/2010/18E, rechtskräftig negativ entschieden und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.
1.2. In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer am 14.07.2011 einen neuerlichen (zweiten) Asylantrag.
Dieser Antrag wurde schlussendlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 09.09.2011, Zl. D15 266.542-4/2011/2E, gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 und 2 AsylG ebenfalls negativ beschieden.
1.3. Sodann stellte der Beschwerdeführer am 10.05.2012 einen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz.
Dieser Antrag wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27.07.2012, S2 266.542-6/2012/2E, gemäß §§ 4 und 10 AsylG ebenso negativ entschieden, wobei eine Zuständigkeit Kroatiens festgestellt wurde.
1.4. Am 19.05.2018 führte die LPD XXXX einen Einsatz in einer näher genannten Privatwohnung wegen häuslicher Gewalt gegen die Mutter des Kindes des Beschwerdeführers, XXXX geb. XXXX , StA. Russische Föderation, durch. In weiterer Folge wurde gegen den Beschwerdeführer ein Betretungsverbot ausgesprochen und sein Reisedokument sichergestellt.
Der Aufforderung des BFA das österreichische Bundesgebiet zu verlassen, kam der Beschwerdeführer am 21.06.2018 nachweislich nach.
2. Am 09.01.2020 wurde der Beschwerdeführer als Lenker eines näher bezeichneten KFZ durch Beamte der LPD XXXX angehalten. Bei dem Zulassungsbesitzer des KFZ handelt es sich um den Gastronomiebetrieb XXXX . Der Beschwerdeführer legitimierte sich mit einem slowenischen Führererschein und Konventionsreisepass und gab, befragt zu seiner Beschäftigung und seinem Aufenthalt, Folgendes sinngemäß an: „Ich arbeite heute nur als Aushilfe für das Lokal XXXX als Zusteller. Das ist gerade meine erste Fahrt, die ich mache. Ich bin seit ca. 1 Woche in Österreich und schlafe bei meiner Schwester XXXX in XXXX . Dort bin ich nicht gemeldet, aber postalisch erreichbar. Ich bin öfter in Österreich, lebe aber in Slowenien.“
In weiterer Folge wurde der slowenische Konventionsreisepass des Beschwerdeführers gemäß § 39 BFA-VG sichergestellt.
3. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA vom 27.02.2020 gab der Beschwerdeführer im Beisein einer Dolmetscherin für die russische Sprache zusammengefasst zu Protokoll, gesund zu sein und der Einvernahme folgen zu können.
Hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Schwarzarbeit für das Restaurant XXXX führte der Beschwerdeführer aus, dass er dort nicht arbeite, sondern im Lokal gegessen habe und als Bezahlung lediglich eine Auslieferung gemacht habe. Er habe von 2017 bis 2018 dort gearbeitet, jedoch habe man ihn ohne Bezahlung gekündigt. Derzeit arbeite er nicht, sondern finanziere er sich seinen Unterhalt durch die Hilfe seiner Freunde. Er sei jedenfalls erst drei bis vier Tage vor der Sicherstellung seines Reisepasses wegen seiner Familie nach Österreich eingereist. Seinen Lebensmittelpunkt habe er in Slowenien und in Österreich, da die Entfernung zwischen den Ländern nicht so weit sei. In Österreich befänden sich neben seinem Kind, das bei dessen Mutter wohne und zu dem er Kontakt habe, seine Mutter und sechs Geschwister, die allesamt an derselben, ihm jedoch nicht erinnerlichen Adresse im XXXX wohnten. Ein Abhängigkeitsverhältnis zu Personen in Österreich bestehe nicht.
Dem Beschwerdeführer wurde angeboten, in die Länderinformationen der Staatendokumentation zu Slowenien Einsicht zu nehmen, worauf der Genannte jedoch verzichtete.
Danach befragt, ob etwas gegen seine Rückkehr nach Slowenien spreche, führte der Beschwerdeführer an, dass es nur darum gehe, dass seine gesamte Familie hier wohne. Er wolle nicht immer hin und her reisen.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 17.03.2020 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Slowenien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Dem Bescheid wurden folgende aktuelle Feststellungen zur Lage in Slowenien zugrunde gelegt (gekürzt und unkorrigiert durch das Bundesverwaltungsgericht):
“ Schutzberechtigte
Anerkannte Flüchtlinge erhalten einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Die dazugehörige Aufenthaltskarte wird für zehn Jahre ausgestellt und kann vor Ablauf ohne Schwierigkeiten verlängert werden. Eine Verlängerung ist in der Regel jedoch nicht notwendig, da die meisten Personen innerhalb von zehn Jahren entweder die Staatsbürgerschaft oder einen anderen Aufenthaltstitel erlangen. Subsidiär Schutzberechtigte bekommen einen zeitlich begrenzten Aufenthaltstitel für ein bis fünf Jahre mit der Möglichkeit der Verlängerung. 2018 wurde 99 Personen der Flüchtlingsstatus zuerkannt und drei Personen wurde subsidiärer Schutz gewährt (AIDA 3.2019; vgl. UOIM/MNZ o.D.).
Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, die einen längeren Aufenthaltstitel als für ein Jahr erhalten, können die Familienzusammenführung unmittelbar nach der Zuerkennung des Schutzstatus beantragen. Ansonsten gelten für beide Personengruppen die gleichen Bedingungen bei der Familienzusammenführung (AIDA 3.2019).
Schutzberechtigten wird ein Integrationsberater zugeteilt. Gemeinsam mit dem Betroffenen wird ein personalisierter Integrationsplan für einen Zeitraum von drei Jahren erstellt, der bei Bedarf geändert oder ergänzt werden kann (UOIM/MNZ o.D.; vgl. Welcomm o.D.g). Seit 2013 führt die NGO Ondos Integrationsmaßnahmen für Personen mit internationalem Schutzstatus durch (ECRI 5.6.2019).
Schutzberechtigte haben Zugang zum Gesundheitswesen, Sozialleistungen, Bildung, Arbeitsmarkt und Wohnbeihilfe wie slowenische Bürger (AIDA 3.2019; vgl. ECRI 5.6.2019).
Schutzberechtigte fallen unter die obligatorische Krankenversicherung. Sie werden jedoch von den Integrationsbeauftragten dazu ermutigt, auch eine Zusatzkrankenversicherung abzuschließen, da ohne diese die Kosten für Medikamente und medizinische Behandlungen sehr hoch werden können. Sozialhilfeempfänger – darunter auch Schutzberechtigte nach Schutzgewährung – benötigen jedoch keine Zusatzversicherung und genießen trotzdem die vollen Rechte. Minderjährige mit internationalem Schutz haben Anspruch auf medizinische Versorgung wie slowenische Kinder bis zum 18. Lebensjahr (oder als ordentliche Studierende bis zum 26. Lebensjahr). Schutzberechtigte mit psychischen Problemen, einschließlich Folteropfer und andere traumatisierte Personen haben Zugang zu den gleichen medizinischen Leistungen wie Staatsbürger. Für diese Personengruppen werden jedoch nur gelegentlich spezifische Programme von NGOs und anderen Akteuren organisiert. Um die Sprachbarriere zu überwinden, wurde 2017 vom Innenministerium in Zusammenarbeit mit anderen Interessensgruppen das Handbuch „Multilingual Aid for Better Communication in Healthcare“ herausgegeben. Schutzberechtigte erhalten in der Anfangsphase nach Schutzgewährung Unterstützung vom UOIM-Personal und von NGOs. Aufgrund sprachlicher und kultureller Schwierigkeiten bleibt der Zugang zu Gesundheitsversorgung in der Praxis jedoch schwierig (AIDA 3.2019; vgl. Welcomm o.D.b).
Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben Anspruch auf finanzielle Sozialhilfe für Mittellose, der aktuell 297,53 EUR pro Monat beträgt. Dazu kommen noch weitere Leistungen (z.B. Kindergeld, Beihilfe für kinderreiche Familien, Notstandshilfe, Kinderbetreuungsbeihilfe) wenn die Betroffenen die entsprechenden Kriterien erfüllen. Ein wesentliches Problem stellt für Schutzberechtigte das Fehlen der sozialen Sicherheit in der Anfangsphase nach der Schutzgewährung dar. Die Bearbeitung des Antrags auf Sozialhilfe kann bis zu zwei Monate in Anspruch nehmen. Während dieser Zeit sind die Betroffenen oft auf die humanitäre Unterstützung karitativer Organisationen angewiesen (AIDA 3.2019; vgl. Welcomm o.D.c).
Schutzberechtigte haben neben dem Zugang zu Bildungseinrichtungen das Recht auf Stipendien und Unterbringung im Studentenwohnheim unter den gleichen Bedingungen wie Staatsbürger. Minderjährige haben in der Regel bereits vor Schutzgewährung Zugang zu Bildung. Die Kosten für die Anerkennung und Überprüfung der im Ausland erworbenen Abschlüsse werden von UOIM übernommen. Schutzberechtigte haben Anspruch auf einen kostenlosen Sprachkurs in slowenischer Sprache von 300 Stunden, der mit der Zustimmung des UIOM um weitere 100 Stunden verlängert werden kann. Auf die besonderen Bedürfnisse von asylsuchenden Minderjährigen wird ebenso Rücksicht genommen wie bei slowenischen Schülern (AIDA 3.2019; vgl. ECRI 5.6.2019; Welkomm o.D.e).
Schutzberechtigte haben nicht nur freien Zugang zum Arbeitsmarkt, sondern sie werden bei den Programmen der aktiven Beschäftigungspolitik und als Arbeitslose in gleicher Weise behandelt wie Staatsangehörige. Vor kurzem wurden vom Arbeitsmarktservice Sloweniens zwei Stellen für Berufsberater geschaffen, einer in Ljubljana und einer in Maribor, die ausschließlich mit Schutzberechtigten arbeiten. Die sogenannten on-the-job Programme für Schutzberechtigte wurden an ihre Bedürfnisse angepasst (z.B. verlängerte Laufzeit, in Begleitung eines Mentors). Ende 2018 waren insgesamt 100 Personen mit internationalem Schutzstatus erwerbstätig (AIDA 3.2019). Personen mit internationalem Schutz sind bei der Jobsuche mit systematischen und praktischen Hindernissen (z.B. Sprachbarriere, kulturelle Unterschiede, fehlende Bildungsnachweise und Berufserfahrung, medizinische Probleme, Diskriminierung, Vertrauensmangel seitens der Arbeitgeber, etc.) konfrontiert (AIDA 3.2019; vgl. ECRI 5.6.2019; Welcomm o.D.d).
Antragsteller, die internationalen Schutz erhalten, sind verpflichtet das Aufnahmezentrum (außer das Studentenheim in Postojna) innerhalb von 15 Tagen zu verlassen, wenn die Entscheidung über ihren Asylantrag rechtskräftig wird. Im Falle einer negativen Entscheidung gelten die Aufnahmebedingungen während des Beschwerdeverfahrens weiter. Wenn Schutzberechtigte über keine Finanzmittel verfügen und ihnen keine andere Unterkunft bereitgestellt wird, haben sie Anspruch auf finanzielle Unterstützung für bis zu 18 Monate ab Schutzgewährung. Diese Unterstützung kann für weitere 18 Monate gewährt werden, wenn die Nutznießer mindestens 80% der von der UOIM organisierten kostenlosen Sprach- und kulturellen Trainings besuchen. Der Höchstbetrag für Alleinstehende ist an die monatliche Sozialhilfe, derzeit 297,53 EUR, gekoppelt. Bei Familien ist der Höchstbetrag pro Person geringer; die Berechnung erfolgt nach gen gesetzlichen Bestimmungen. Im ersten Jahr nach Schutzgewährung kann die finanzielle Unterstützung durch eine kostenlose Unterkunft in einem der drei sogenannten Integrationshäuser (Einrichtungen bestehend aus Appartements) des Innenministeriums, mit einer Gesamtkapazität von 90 Plätzen, ersetzt werden. Das Integrationshaus in Ljubljana ist für Familien und alleinstehende Frauen vorgesehen; in Maribor werden alleinstehende Männer untergebracht. Das dritte Integrationshaus befindet sich in Velenje. Aus medizinischen oder anderen Gründen kann die Unterbringung im Integrationshaus um weitere sechs Monate verlängert werden. Ende Dezember 2018 wurden insgesamt 40 Personen in den Einrichtungen beherbergt. Schutzberechtigte erhalten Unterstützung bei der Wohnungssuche und bei der Integration durch die UOIM und NGOs, hauptsächlich von Društvo Odnos und Slovene Philanthropy. Die hohen Preise und das Misstrauen potentieller Vermieter gegenüber Migranten stellen oft ein Hindernis bei der Suche nach einer geeigneten Wohnung dar. Gemeinnützige Mietwohnungen sind gemäß Gesetz nur slowenischen Bürgern zugänglich. Ende Dezember 2018 wohnten 41 Personen mit internationalem Schutz in Privatwohnungen (AIDA 3.2019; vgl. UOIM/MNZ o.D.; ECRI 5.6.2019; Welcomm o.D.a).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report Slovenia 2018, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_si_2018update.pdf, Zugriff 22.11.2019
- ECRI – European Commission Against Racism and Intolerance (5.6.2019): ECRI Report on Slovenia, https://rm.coe.int/fifth-report-on-slovenia/168094cb00, Zugriff 22.11.2019
- UOIM/MNZ – Urad vlade za oskrbo in integracijo migrantov/Ministrstvo za notranje zadeve (o.D.): Persons under international protection, https://infotujci.si/en/persons-under-international-protection/, Zugriff 22.11.2019
- Welcomm (o.D.a): Housing in Slovenia, https://welcomm-europe.eu/slovenia/housing/, Zugriff 22.11.2019
- Welcomm (o.D.b): Health care in Slovenia, https://welcomm-europe.eu/slovenia/health/, Zugriff 22.11.2019
- Welcomm (o.D.c): Welfare benefits and social security in Slovenia, https://welcomm-europe.eu/slovenia/welfare/, Zugriff 22.11.2019
- Welcomm (o.D.d): Employment in Slovenia, https://welcomm-europe.eu/slovenia/employment/, Zugriff 22.11.2019
- Welcomm (o.D.e): Language courses in Slovenia, https://welcomm-europe.eu/slovenia/language/, Zugriff 22.11.2019
- Welcomm (o.D.g): Legal aid in Slovenia, Welcomm (o.D.g): Legal aid in Slovenia, https://welcomm-europe.eu/slovenia/legal/, Zugriff 22.11.2019“
Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Slowenien über den Status des Asylberechtigten verfüge und im Besitz eines bis zum 09.08.2026 gültigen slowenischen Konventionsreisepasses sei. Er leide an keinen subjektiven Gesundheitsbeschwerden. Die Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 seien nicht gegeben. Der Beschwerdeführer führe kein tatsächliches Familienleben und bestehe kein gemeinsamer Wohnsitz mit seinem Sohn. Zu seinen Verwandten im Bundesgebiet bestehe keine über das übliche Ausmaß hinausgehende Bindung. Der Beschwerdeführer sei am 09.01.2020 bei der Schwarzarbeit auf frische Tat betreten worden und habe er keine Mittel zu seinem Unterhalt im Bundesgebiet nachweisen können. Es sei davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führe und diese daher unter diesen Aspekten zulässig sei. Der Beschwerdeführer falle nicht in den Anwendungsbereich der Dublin III-VO, es gebe jedoch ein Rückübernahmeabkommen zwischen Österreich und Slowenien und sei gegen ihn die Anordnung zur Außerlandesbringung unerlässlich. Weder aus der Rechtsprechung des EGMR noch aus sonstigem Amtswissen lasse sich eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Slowenien erkennen.
5. Gegen den Bescheid des BFA richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 14.05.2020. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer in Slowenien asylberechtigt sei und über einen slowenischen Konventionspass verfüge. Zweck seiner Einreise nach Österreich sei der Besuch seiner Familie gewesen und habe er mit der Fahrt am 09.01.2020 lediglich einem Freund einen Gefallen getan. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde führe der Beschwerdeführer mit sämtlichen Familienangehörigen ein Familienleben. Jedenfalls sei er grundsätzlich zum Aufenthalt von drei Monaten in anderen Mitgliedstaaten berechtigt. Er habe sich daher rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, weshalb die Behebung des gesamten Bescheides beantragt werde. Selbst wenn sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hätte, sei § 61 Abs. 1 Z 2 FPG im gegenständlichen Fall nicht anwendbar. Vielmehr hätte der Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 6 FPG zur Ausreise aufgefordert werden müssen. Jedenfalls aber liege ein gemeinsames und schützenswertes Familienleben in Österreich vor und sei insbesondere das Kindeswohl zu berücksichtigen.
6. Die Beschwerde samt Verwaltungsakten langte am 22.05.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird zunächst der wiedergegebene Verfahrensgang, insbesondere der Umstand, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 2005, 2011 und 2012 in Österreich Anträge auf internationalen Schutz stellte, die allesamt negativ beschieden wurden.
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation. Ihm wurde in Slowenien der Status eines Asylberechtigten zuerkannt und ist er im Besitz eines bis 09.08.2026 gültigen Konventionsreisepasses.
Der Beschwerdeführer reiste frühestens am 30.06.2019 in das Bundesgebiet ein. Das genaue Datum seiner Einreise kann nicht festgestellt werden.
Fest steht, dass der Beschwerdeführer am 09.01.2020 in XXXX als Zusteller für einen Gastronomiebetrieb ohne arbeitsmarktrechtlicher Bewilligung betreten wurde.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Slowenien an. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Slowenien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.
Der Beschwerdeführer leidet an keiner schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen gesundheitlichen Beeinträchtigung und benötigt keine stationäre oder sonstige Behandlung.
Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet familiäre Anknüpfungspunkte durch seinen im Jahr 2017 geborenen minderjährigen Sohn, welcher bei der Kindesmutter (der Exfreundin des Beschwerdeführers) lebt. Im Mai 2018 wurde gegen den Beschwerdeführer wegen häuslicher Gewalt gegen die Kindesmutter ein Betretungsverbot verhängt. Daneben befinden sich noch seine Mutter sowie seine vier Schwestern und zwei Brüder in Österreich. Zu den angeführten Personen besteht weder ein finanzielles noch ein sonstiges Abhängigkeitsverhältnis. Lediglich zu einer Schwester besteht ein loser gemeinsamer Haushalt.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen über die erfloglosen Anträge des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in Österreich und die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie seines Flüchtlingsstatus in Slowenien ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.
Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer frühestens am 30.06.2019 nach Österreich eingereist ist, ergibt sich aus dem Einreisestempel in seinem Konventionsreisepass. Der Umstand, dass das genaue Einreisedatum nicht festgestellt werden konnte, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer seit 23.03.2019 über keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet verfügt (siehe den im Akt aufliegenden ZMR-Auszug), wobei er offenbar regelmäßig gegen die Meldepflicht verstößt. Zudem machte der Beschwerdeführer zu seiner genauen Einreise keine konstanten Angaben. So behauptete er, zunächst am 09.01.2020, sich seit einer Woche im Bundesgebiet aufzuhalten, während er bei seiner Einvernahme am 27.02.2020 angab, lediglich drei bis vier Tage vor der Sicherstellung seines Reisepasses am 09.01.2020 eingereist zu.
Die Feststellung über die Anhaltung des Beschwerdeführers am 09.01.2020 als KFZ-Lenker ergibt sich aus der im Akt aufliegenden Meldung der LPD XXXX . Dass der Beschwerdeführer über keine gültige arbeitsmarktrechtliche Bewilligung verfügt, ergibt sich aus der von der belangten Behörde eingeholten Auskunft (AS 225f). Sofern in der Beschwerde darauf verwiesen wird, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA am 27.02.2020 angab, in jenem Gastronomiebetrieb nicht zu arbeiten, sondern mit der Auslieferung lediglich einem Kollegen einen Gefallen getan zu haben, so wird dieses Vorbringen seitens des Bundesverwaltungsgerichts im Einklang mit der belangten Behörde als Schutzbehauptung gewertet. Einerseits gab er nämlich bereits bei der Betretung gegenüber Beamter der LPD XXXX dezidiert an, als Zusteller zu arbeiten (vgl. AS 175: „Ich arbeite heute nur als Aushilfe für das Lokal XXXX als Zusteller. Das ist gerade meine erste Fahrt, die ich mache.“). Selbst bei Berücksichtigung sprachlicher Missverständnisse im Rahmen der in deutscher Sprache durchgeführten Kontrolle wird andererseits beweiswürdigend darauf hingewiesen, dass diese Tätigkeit nicht seine erste in Österreich war, sondern er eigenen Angaben zufolge bereits in den Jahren 2017 und 2018 als Zusteller seinen Lebensunterhalt verdiente. Dies wohlgemerkt ebenfalls ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung. Vor dem Hintergrund dessen, dass der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit zwei Jahre lang „Schwarzarbeit“ verrichtete, erweist sich sein Vorbringen, nunmehr in dem Betrieb nicht gearbeitet zu haben, als nicht glaubwürdig. Der Beschwerdeführer ist jedenfalls mit dieser Auslieferung einer Tätigkeit nachgegangen, für die er keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung hatte, weshalb er einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und sich daher unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan. Eine den Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in Slowenien wurde nicht vorgebracht.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Aktenlage. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.
Die festgestellten familiären und persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen eigenen Angaben und der damit im Einklang stehenden Aktenlage.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:
§ 31 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF regelt die Voraussetzungen für den rechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet. § 31 Abs. 1 FPG lautet:
„§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1.
wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;
2.
wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;
3.
wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;
4.
solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt;
5.
bis zur Entscheidung über einen Verlängerungsantrag (§ 2 Abs. 4 Z 17a), solange der Aufenthalt als Saisonier in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt die Dauer von neun Monaten nicht überschreitet;
6.
wenn sie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer gemäß ICT-Richtlinie eines anderen Mitgliedstaates sind, der das SDÜ nicht vollständig anwendet, und § 18 Abs. 13 AuslBG erfüllen, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 180 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 90 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;
7.
wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Forscher“ eines anderen Mitgliedstaates sind und eine Tätigkeit für eine Forschungseinrichtung ausüben, die gemäß § 1 Abs. 2 lit. h AuslBG vom sachlichen Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen ist, oder als deren Familienangehörige Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaates sind, solange jeweils ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 360 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 180 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;
8.
wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Student“ eines anderen Mitgliedstaates sind und an einem Unions- oder multilateralen Programm mit Mobilitätsmaßnahmen teilnehmen oder für sie eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Hochschuleinrichtungen besteht, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet nicht insgesamt die Dauer von 360 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind, oder
9.
soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.“
§ 52 FPG idgF lautet:
„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1.
nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2.
nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1.
dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2.
dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3.
ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4.
ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1.
nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,
1a.
nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,
2.
ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3.
ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4.
der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5.
das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.
Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.
(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.
(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.
(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.
§ 61 FPG lautet:
(1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1.
dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2.
er in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und dieser Mitgliedstaat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung dieses Antrages zuständig ist. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.
(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 24/2016)
3.2. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels (Spruchpunkt I):
Im Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß § 57 AsylG“ nicht erteilt werde. Damit war offensichtlich das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemeint (S. 16f des Bescheids, AS 250f). Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Aus der Beschwerde und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich auch keine Hinweise, die nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.
3.3. Zur Anordnung zur Außerlandesbringung:
Nach § 31 Abs. 1 Z. 3 FPG halten sich Fremde unter anderem dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat – im gegenständlichen Fall Slowenien –ausgestellten Aufenthaltstitels sind, und zwar solange sie keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen und höchstens bis zu drei Monate innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten, wobei Art. 21 SDÜ gilt.
Der Beschwerdeführer verfügt, wie festgestellt, über einen bis 09.08.2026 gültigen slowenischen Aufenthaltstitel und erfüllt daher grundsätzlich die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Z 3 FPG. Allerdings wurde er beim Verrichten einer unerlaubten Erwerbstätigkeit betreten, wodurch sein Aufenthalt nach der Bestimmung des § 31 Abs. 1 Z 3 2. Halbsatz FPG unrechtmäßig wurde.
Die belangte Behörde stützte die Anordnung zur Außerlandesbringung auf § 61 Abs. 1 Z 2 FPG. Eine Anordnung zur Außerlandesbringung kommt nur gegen - nicht begünstigte - Drittstaatsangehörige (gemäß § 2 Abs. 4 Z 10 FPG ein Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist) in Betracht. Insofern gleicht sie der Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG, von der sie sich jedoch hinsichtlich des Zielstaates unterscheidet. Während eine Rückkehrentscheidung den Drittstaatsangehörigen zur Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat verpflichtet (§ 52 Abs. 8 FPG), beinhaltet die Anordnung zur Außerlandesbringung einen Ausreisebefehl in einen anderen Staat („Mitgliedstaat“), somit in einen Mitgliedstaat des EWR-Abkommens oder die Schweiz. Dieser Staat ist in der Anordnung zur Außerlandesbringung konkret zu benennen; nur dorthin ist dann nämlich, wie sich aus § 61 Abs. 2 erster Satz FPG ergibt, die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen zulässig.
Der genannte Ausreisebefehl in einen anderen „Mitgliedstaat“ kommt insbesondere im Rahmen des „Dublin-Systems“ in Betracht. Während die Z 1 des ersten Absatzes von § 61 FPG - va. - jene Fälle erfasst, in denen wegen „Zuständigkeit eines anderen Staates“, in den in der Folge eine Überstellung stattfinden soll, die Zurückweisung eines in Österreich gestellten Antrages auf internationalen Schutz nach § 5 AsylG 2005 zu ergehen hat, bezieht sich die Z 2 auf Konstellationen, in denen eine derartige Antragstellung in Österreich unterblieben ist, gleichwohl jedoch eine Überstellung des Drittstaatsangehörigen (insbesondere) „auf Grund der Dublin-Verordnung“ in Betracht kommt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 24.03.2015, Ra 2015/21/0004, festgehalten hat, wird die „Dublin-Verordnung“ im FPG nicht eigens definiert. § 61 Abs. 1 Z 2 FPG scheint zwar seinem Wortlaut nach nur dann zu greifen, wenn der Staat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, noch eine Prüfung dieses Antrags durchzuführen hat. Ausgehend von der Überlegung, dass es mit § 61 Abs. 1 FPG insgesamt in erster Linie um eine Effektuierung des „Dublin-Systems“ geht, muss indes eine extensive Auslegung Platz greifen, wonach via Anordnung zur Außerlandesbringung auch Überstellungen ermöglicht werden sollen, die nicht zwingend mit einer (neuerlichen) Antragsprüfung im Zielstaat einhergehen, etwa weil der seinerzeitige Antrag des Drittstaatsangehörigen vom zuständigen Mitgliedstaat bereits abgelehnt worden ist (vgl. Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO).
Gleiches muss auch für Fälle wie den vorliegenden gelten, in welchem über den Asylantrag des Beschwerdeführers bereits positiv entschieden wurde. Gegenständlich kommt nämlich eine Anwendung des § 52 Abs. 6 FPG, wie in der Beschwerde argumentiert, nicht in Betracht. § 52 Abs. 6 FPG sieht vor, dass sich ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaats unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats zu begeben hat. Kommt der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, ist eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 FPG zu erlassen. Eine Rückkehrentscheidung verpflichtet den Drittstaatsangehörigen nach § 52 Abs. 8 FPG jedoch zur Ausreise in dessen Herkunftsstaat oder einen anderen Drittstaat. Eine Rückkehrentscheidung kommt somit im Fall von Asylberechtigten nicht in Betracht, weshalb § 52 Abs. 6 FPG gegenständlich nicht anwendbar ist.
Folgte man der in der Beschwerde vertretenen Rechtsansicht, dass § 61 Abs. 1 Z 2 FPG auf Fälle, in denen über den Asylantrag des Drittstaatsangehörigen bereits positiv abgesprochen wurde, nicht anwendbar ist, hätte dies zur Konsequenz, dass gegen in einem anderen Mitgliedstaat asylberechtigte Fremde, die sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, überhaupt keine Außerlandesbringung bzw. Ausweisung ausgesprochen werden könnte, da wie oben ausgeführt eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG aufgrund des Flüchtlingsstatus nicht in Betracht kommt. Eine solche Absicht kann dem Gesetzgeber jedoch nicht unterstellt werden. Entsprechend der oben zitierten Judikatur des VwGH (Ra 2015/21/0004) ist § 61 Abs. 1 Z 2 FPG daher dahingehend auszulegen, dass diese Bestimmung auch auf in einem anderen Mitgliedstaat asylberechtigte Drittstaatsangehörige Anwendung findet.
Die belangte Behörde stützte die Anordnung zur Außerlandesbringung daher zu Recht auf § 61 Abs. 1 Z 2 FPG. Demzufolge ist gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung nach Slowenien zulässig.
3.4. Zu einer möglichen Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK wurde im vorliegenden Fall Folgendes erwogen:
Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes - vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der EMRK - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Jedoch kann die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr rechnen muss, im Zielstaat einer dem Art. 3 widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 30; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 124-125).
Es ist auch ständige Rechtsprechung des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ; es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers, etc. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung - seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen - verschlimmert wird, für welche die Behörden verantwortlich gemacht werden können (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 29; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 134).
Aus den Länderberichten geht hervor, dass Begünstigte internationalen Schutzes vollen Zugang zum slowenischen Wohlfahrtssystem (medizinische, soziale und finanzielle Zuwendung) haben. Mängel im slowenischen Versorgungssystem (die bei einem assoziierten Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Beschwerdeführers plausibel zu machen sind, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005) sind schon auf Basis der Feststellungen des BFA nicht erkennbar und auch nicht vorgebracht worden.
Fallbezogen liegen beim Beschwerdeführer keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit jenem sehr außergewöhnlichen Ausmaß an Leidenszuständen vor, wie es in der Rechtsprechung des EGMR für das Vorliegen eines Abschiebehindernisses nach Art. 3 EMRK gefordert wird.
3.5. Zu einer möglichen Verletzung von Art. 8 EMRK bzw. Art. 7 GRC wurde erwogen:
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst zwar nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983