TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/3 L503 2155990-1

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Veröffentlicht am 03.06.2020
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Entscheidungsdatum

03.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §29 Abs5

Spruch

L503 2155990-1/18E

Gekürzte Ausfertigung des am 14.05.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. DIEHSBACHER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 14.05.2020, zu Recht:

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn von den Parteien auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt wird. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten.

2. Diese gekürzte Ausfertigung des nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 14.05.2020 verkündeten Erkenntnisses ergeht gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG, da der (vertretene) Beschwerdeführer nach mündlicher Verkündung des Erkenntnisses auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ausdrücklich verzichtet und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG innerhalb der zweiwöchigen Frist nicht gestellt hat.

3. Im Hinblick auf die wesentlichen Entscheidungsgründe ist wie folgt auszuführen:

Entscheidungswesentlich ist im gegenständlichen Verfahren, ob die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers im Sinne von Art 8 EMRK an einem Verbleib in Österreich überwiegen. In diesem Zusammenhang ist zunächst auf die doch erhebliche Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich von acht Jahren hinzuweisen, wobei er – auch belegt durch seinen Reisepass – seit seiner Wohnsitznahme in Österreich im Jahr 2012 lediglich ein einziges Mal für wenige Tage in der Türkei war. Die Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit des BF stehen außer Frage: Der vorliegende Versicherungsdatenauszug weist eine Vielzahl von Beschäftigungen in Österreich auf, wobei diese allerdings durch Bezüge von Arbeitslosengeld bzw. teilweise auch Notstandshilfe unterbrochen sind und nicht verkannt wird, dass der Beschwerdeführer aktuell im Bezug von Arbeitslosengeld steht. Diese Umstände konnte der Beschwerdeführer aber teilweise durch Hinweis auf saisonbedingte Arbeiten bzw. durch Schwierigkeiten der Beschäftigungsaufnahme nach Verlust des Aufenthaltsrechts erklären. Jedenfalls machte er auf den erkennenden Richter den Eindruck eines fleißigen Mannes, dem die Wiederaufnahme einer Beschäftigung äußerst wichtig ist. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer nahezu perfekt Deutsch spricht und eine Übersetzung durch den Dolmetscher nur zur Sicherheit notwendig war. Schließlich konnte der Beschwerdeführer darlegen, dass er nunmehr in einer Lebensgemeinschaft mit einer – wenn auch türkischen – Staatsangehörigen steht und mit dieser in wenigen Tagen ein Kind erwartet, wobei diese Lebensgefährtin bereits zwei Kinder mit österreichischer Staatsbürgerschaft hat (2008 bzw. 2011 geboren), die von klein auf hier aufgewachsen sind und somit eine hypothetische Wohnsitznahme nach der Geburt des gemeinsamen Kindes Anfang Juni in der Türkei nicht in Betracht kommt. Insgesamt ist somit von einem Überwiegen der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich auszugehen.

Aus § 55 Abs 4 NAG folgt, dass in der gegenständlichen Konstellation (bei der es zum Wegfall des Aufenthaltsrechts aufgrund einer Scheidung des Beschwerdeführers von einer EU-Bürgerin gekommen war) eine Aufenthaltsbeendigung zu unterbleiben hat, sodass mit einer ersatzlosen Aufhebung des bekämpften Bescheids vorzugehen ist und die Behörde nach dem NAG für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zuständig ist.

4. Da keine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und keine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof mehr möglich ist (§ 25a Abs. 4a VwGG bzw. § 82 Abs. 3b VfGG), wurde im Sinne der Rechtsklarheit der in der mündlichen Verkündung erfolgte Ausspruch über die Nichtzulässigkeit der Revision nicht in die gekürzte Ausfertigung übernommen (vgl Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, K 39 zu § 29).

Schlagworte

Arbeitswilligkeit Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung familiäre Interessen gekürzte Ausfertigung Interessenabwägung mündliche Verhandlung mündliche Verkündung Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung behoben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L503.2155990.1.00

Im RIS seit

30.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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