Entscheidungsdatum
16.06.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W114 2206134-1/7E
IM Namen der Republik!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ aufgrund der Beschwerde der XXXX , XXXX , XXXX , vertreten durch XXXX , vom 27.08.2018, gegen den Bescheid des Vorstandes für den GB I der Agrarmarkt Austria, Dresdner Straße 70, 1200 Wien, vom 30.07.2018, ZU2018-048/I/3/11/Ra, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Vorstandes für den GB I der Agrarmarkt Austria, Dresdner Straße 70, 1200 Wien (im Weiteren: AMA) vom 23.10.2000, AZ 94.133/II/4/2/Ra, wurde u.a. auf der Rechtsgrundlage der Verordnung (EG) Nr. 2267/2000 der Kommission vom 12.10.2000 zur Festsetzung der Produktionsabgaben sowie des Berechnungskoeffizienten für die Ergänzungsabgabe im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 1999/2000, gegenüber der damaligen XXXX die Produktionsabgabe bzw. die Ergänzungsabgabe unter Berücksichtigung der bereits entrichteten Abschlagszahlung für die im Wirtschaftsjahr 1999/2000 innerhalb der Produktionsquoten erzeugten Zuckermenge mit EUR 15.373.196,39 festgesetzt.
2. Mit Bescheid der AMA vom 15.10.2001, AZ 95.202/II/4/2/BS, wurde u.a. auf der Rechtsgrundlage der Verordnung (EG) Nr. 1993/2001 der Kommission vom 11.10.2001 zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 2000/2001, gegenüber der damaligen XXXX die Produktionsabgabe bzw. die Ergänzungsabgabe unter Berücksichtigung der bereits entrichteten Abschlagszahlung für die im Wirtschaftsjahr 2000/2001 innerhalb der Produktionsquoten erzeugten Zuckermenge mit EUR 3.275.266,43 festgesetzt.
3. Im Urteil vom 27.09.2012, Rs C-113/10, C?147/10 und C?234/10, Zuckerfabrik Jülich AG gegen Hauptzollamt Aachen, u.a., wurde entschieden, dass die Verordnung (EG) Nr. 1193/2009 der Kommission vom 03.11.2009 zur Berichtigung der Verordnungen (EG) Nr. 1762/2003, (EG) Nr. 1775/2004, (EG) Nr. 1686/2005 und (EG) Nr. 164/2007 sowie zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für die Wirtschaftsjahre 2002/2003, 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006 in ihren anderen Bestimmungen als Art. 3, der bereits durch die Nichtigerklärung von Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1686/2005 der Kommission vom 14.10.2005 zur Festsetzung der Produktionsabgaben sowie des Koeffizienten der Ergänzungsabgabe im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 2004/05 durch das Gericht der Europäischen Union im Urteil vom 29.09.2011, Polen/Kommission (T?4/06), für nichtig erklärt worden wäre, ungültig sei.
Weiters wurde bereits damals entschieden, dass in Ermangelung einschlägiger unionsrechtlicher Vorschriften der Wechselkurs für die Berechnung der Entschädigung für die Überzahlung von Produktionsabgaben im Zuckersektor nach dem nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaats zu bestimmen sei und schließlich, dass Rechtssuchende nach dem Unionsrecht, die einen Anspruch auf die Erstattung von Beträgen hätten, die aufgrund einer ungültigen Verordnung festgesetzte Produktionsabgaben im Zuckersektor zu Unrecht gezahlt hätten, auch einen Anspruch auf Zahlung der entsprechenden Zinsen hätten. Ein nationales Gericht könne nicht im Rahmen seines Ermessens die Zuerkennung von Zinsen auf Beträge, die von einem Mitgliedstaat auf der Grundlage einer ungültigen Verordnung vereinnahmt worden wären, mit der Begründung ablehnen, dass dieser Mitgliedstaat keine entsprechenden Zinsen auf die Eigenmittel der Europäischen Union verlangen könne.
Bereits mit dieser Entscheidung wurde vom EuGH unmissverständlich festgelegt, dass auch Österreich einerseits Überzahlungen im Bereich der Produktionsabgaben im Zuckersektor zurückzuzahlen habe und andererseits dafür auch Zinsen – auf der Grundlage einer nationalen Rechtsvorschrift – an den jeweiligen Geschädigten zu entrichten hat.
4. Mit dem Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 geändert wurde, BGBl. I Nr. 47/2014, wurde daher in § 21 Abs. 2 MOG eine solche Bestimmung geschaffen.
Der in der Regierungsvorlage vorgeschlagene relevante Gesetzestext hat folgenden Wortlaut:
„12. § 21 erhält die Absatzbezeichnung (1) und folgender Abs. 2 wird angefügt:
„(2) Soweit Vorgaben der Europäischen Union die Zahlung von Zinsen verlangen, sind Auszahlungen, die erst nach Ablauf der in Regelungen des Marktordnungsrechts der Union vorgegebenen Fristen vorgenommen und bei denen die verspätete Zahlung nicht vom Begünstigten zu verantworten ist, sowie Rückzahlungen von Beträgen, die aufgrund ungültiger Regelungen des Marktordnungsrechts der Union zu erfolgen haben, vom letzten Tag der Zahlungsfrist beziehungsweise vom Tag der erfolgten Zahlung an mit 2vH über dem Basiszinssatz zu verzinsen.““
Weder das Vorblatt noch der Besondere Teil der Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage enthalten zu § 21 Abs. 2 MOG Hinweise. Im Besonderen Teil der Erläuterungen der Regierungsvorlage wird Folgendes ausgeführt:
„Zu Z 12 (§ 21):
Mit dieser Regelung wird die Höhe der an die Begünstigten zu zahlenden Zinsen, soweit eine derartige Verpflichtung EU-rechtlich besteht, bestimmt. Eine derartige Verpflichtung zur Gewährung von Zinsen ist beispielsweise dem Urteil des Gerichtshofs in der verb. Rs. C-113/10, C-147/10 und C-234/10, Zuckerfabrik Jülich AG u. a., ABl. Nr. C 366 vom 24.11.2012 S. 8, bei Rückerstattung der Produktionsabgabe im Zuckersektor infolge Nichtigerklärung einer EU-Rechtsvorschrift (konkret: Verordnung (EG) Nr. 1193/2009 zur Berichtigung der Verordnungen (EG) NR. 1762/2003, (EG) Nr. 1775/2004, (EG) Nr. 1686/2005 und (EG) Nr. 164/2007 sowie zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für die Wirtschaftsjahre 2002/2003, 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006, ABl. Nr. L 321 vom 08.12.2009 S. 1) zu entnehmen. Der Zinssatz wurde analog zu § 205a BAO gewählt.“
5. Am 09.02.2017 erklärte der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache C-585/15, Raffinerie Tilemontoise SA/Etat Belge, die Verordnung (EG) Nr. 2267/2000 der Kommission vom 12.10.2000 zur Festsetzung der Produktionsabgaben sowie des Berechnungskoeffizienten für die Ergänzungsabgabe im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 1999/2000 und die Verordnung (EG) Nr. 1993/2001 der Kommission vom 11.10.2001 zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 2000/2001, für ungültig.
In diesem Urteil folgte der EuGH seiner eigenen Argumentation in seinem Urteil vom 27.09.2012, Rs C-113/10, C?147/10 und C?234/10, Zuckerfabrik Jülich AG gegen Hauptzollamt Aachen, u.a., in dem er die korrekte Methode, nach der die Zuckerabgaben hätten berechnet werden sollen, präzisierte. Demnach hätten Erzeuger Anspruch auf Erstattung der in den betreffenden Wirtschaftsjahren zu Unrecht zu hoch angesetzten Beträge der Produktionsabgabe.
6. Mit Verordnung (EU) 2018/264 des Rates vom 19.02.2018 zur Festsetzung der Produktionsabgaben sowie des Berechnungskoeffizienten für die Ergänzungsabgabe im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 1999/2000 und zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 2000/2001, wurden die nach der vom EuGH präzisierten Methode neu berechneten Zuckerproduktionsabgaben für die Wirtschaftsjahre 1999/2000 und 2000/2001 rückwirkend festgesetzt. Gemäß dem Urteil vom 27.09.2012, Rs C-113/10, C?147/10 und C?234/10, Zuckerfabrik Jülich AG gegen Hauptzollamt Aachen, u.a., und nach dem Grundsatz der ungerechtfertigten Bereicherung müsse die Erstattung des Unterschiedes zwischen den ursprünglichen und den neu berechneten Abgaben an die Wirtschaftsteilnehmer Ausgleichszinsen auf Basis nationaler Vorschriften enthalten.
7. Mit Bescheid der AMA vom 07.03.2018, AZ ZU2018-017/1/3/11/Ra, wurde gegenüber der XXXX (im Weiteren: Beschwerdeführerin oder BF) als Rechtsnachfolgerin der XXXX
1. der Bescheid der AMA vom 23.10.2000, AZ 94.133/II/4/2/Ra, gemäß § 19 Abs. 2 MOG insoweit abgeändert, als die Produktionsabgabe bzw. die Ergänzungsabgabe für die im Wirtschaftsjahr 1999/2000 innerhalb der Produktionsquoten erzeugten Zuckermenge nunmehr mit EUR 24.692.801,44 festgesetzt wurde;
2. der Bescheid der AMA vom 15.10.2001, AZ 95.202/II/4/2/BS, gemäß § 19 Abs. 2 MOG insoweit abgeändert, als die Produktionsabgabe bzw. die für die im Wirtschaftsjahr 2000/2001 innerhalb der Produktionsquoten erzeugten Zuckermenge nunmehr mit EUR 12.692.952,23 festgesetzt wurde;
3. hingewiesen, dass über die Höhe des aus diesen Neufestsetzungen resultierenden Rückzahlungsbetrages (nach Maßgabe des Nachweises der Berechtigten) mit gesondertem Bescheid abgesprochen werde.
8. Mit E-Mail vom 19.07.2018 führte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf den Bescheid der AMA vom 23.10.2000, AZ 94.133/II/4/2/Ra aus, dass die Gesamtsumme für alle bisher eingelangten und berechtigten Zuckerrübenerzeuger bzw. sonstigen Anspruchsberechtigten EUR 1.930.447,48 betrage. Der Industrieanteil zur Rückerstattung der Produktionsabgabe betrage zusätzlich EUR 1.233.577,65 (zusammen somit EUR 3.164.025,13).
Wie im Bescheid vorgesehen, stelle die BF einen Antrag auf Zuspruch und Auszahlung von Zinsen in der Höhe von EUR 2.164.455,25.
9. Im Bescheid der AMA vom 30.07.2018, AZ ZU2018-048/1/3/11/Ra, wurde in einem Spruchpunkt 1) der Beschwerdeführerin die Rückzahlung hinsichtlich der in den Wirtschaftsjahren 1999/2000 und 2000/2001 entrichteten Produktionsabgaben und Ergänzungsabgaben auf Basis des Bescheides der AMA vom 07.03.2018, AZ ZU2018-017/1/3/11/Ra, neu festgesetzten endgültigen Produktionsabgaben und Ergänzungsabgaben verfügt.
In einem Spruchpunkt 2) wurde hinsichtlich eines Differenzbetrages in Höhe von EUR 155.903,30 festgestellt, dass keine Rückzahlung erfolge.
In einem Spruchpunkt 3) wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 17. Juli 2018 (berichtigt mit E-Mail vom 18.07.2018) auf Gewährung von Zinsen gemäß § 21 Abs. 2 MOG hinsichtlich der in den Wirtschaftsjahren 1999/2000 und 2000/2001 neu festgesetzten Produktionsabgaben und Ergänzungsabgaben in Höhe von EUR 1.677.397,55 stattgegeben. Das darüberhinausgehende Begehren der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Zinsen hinsichtlich des Mehrbetrages in Höhe von EUR 487.057,70 wurde mangels Rechtsgrundlage abgewiesen.
Spruchpunkt 3) dieser Entscheidung wurde unter Hinweis auf die Mitteilung der EK vom 24.10.2017 COM (2017) 348 final, damit begründet, dass Rechtssuchende, die einen Anspruch auf die Erstattung von Beträgen haben, die festgesetzte Produktionsabgaben im Zuckersektor zu Unrecht gezahlt haben, auch einen Anspruch auf Zahlung der entsprechenden Zinsen haben würden. Dieser Anspruch auf Zinsen bestehe nach Ansicht der Kommission in dem Umfang, der nach nationalem Recht in vergleichbaren Situationen vorgesehen sei.
Die für die Gewährung von Zinsen im konkreten Fall maßgebliche nationale Rechtsgrundlage finde sich in § 21 Abs. 2 MOG. Diese Bestimmung sei - gemäß den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Änderung des Marktordnungsgesetzes 2007 - im Rahmen des Bundesgesetzes, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 geändert worden sei, BGBl. I Nr. 47/2014, anlässlich der Rückerstattung der Produktionsabgabe im Zuckersektor infolge Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 1193/2009 zur Berichtigung der Verordnungen (EG) Nr. 1762/2003, (EG) Nr. 1775/2004, (EG) Nr. 1686/2005 und (EG) Nr. 164/2007 sowie Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für die Wirtschaftsjahre 2002/2003, 2003/2004, 2004/2005, und 2005/2006, ABl. Nr. L321 vom 08.12.2009 S.1, in das Marktordnungsgesetz aufgenommen worden. Mit dieser Regelung werde die Höhe der an die Begünstigten zu zahlenden Zinsen, soweit eine derartige Verpflichtung EU-rechtlich bestehe, bestimmt und finde daher auch im gegenständlichen Verfahren der auf der „Verordnung (EU) 2018/264 des Rates vom 19.02.2018 zur Festsetzung der Produktionsabgaben sowie des Berechnungskoeffizienten für die Ergänzungsabgabe im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 1999/2000 und zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 2000/2001“ basierenden Rückzahlung von Produktionsabgaben im Zuckersektor Anwendung.
Gemäß § 21 Abs. 2 MOG wären Rückzahlungen von Beträgen, die aufgrund ungültiger Regelungen des Marktordnungsrechts der Union zu erfolgen hätten, vom Tag der erfolgten Zahlung an mit 2 % über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Hinsichtlich des in Spruchpunkt 1) angeführten Rückzahlungsbetrages errechne sich somit für die Wirtschaftsjahre 1999/2000 und 2000/2001 ein Zinsbetrag in Höhe von EUR 1.677.397,55. Hinsichtlich des beantragten Mehrbetrages in Höhe von EUR 487.057,70 sei der Antrag auf Gewährung von Zinsen mangels Rechtsgrundlage abzuweisen.
Diese Entscheidung wurde der Beschwerdeführerin am 31.07.2018 zugestellt.
10. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch XXXX mit Schriftsatz vom 27.08.2018 Beschwerde.
Von der Beschwerdeführerin wurde unter Hinweis auf eine nach Auffassung der Beschwerdeführerin vorliegende verfassungswidrige Anwendung von § 21 Abs. 2 MOG beantragt, dass das Bundesverwaltungsgericht (BVwG)
a) gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführe;
b) gemäß Art 130 Abs. 4 B-VG und § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache selbst entscheide und der BF Zinsen in Höhe von zumindest 4% (gemäß §§ 1333 iVm 1000 ABGB) zuspreche;
c) in eventu gemäß Art 130 Abs. 4 B-VG und § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache selbst entscheide und die Zinsen in Höhe von 3% über dem Basiszinssatz gemäß § 21 Abs. 1 MOG zuspreche.
Eventualiter regte die Beschwerdeführerin an, dass das BVwG gemäß Art 135 Abs. 4 B-VG iVm Art 89 Abs. 2 B-VG und Art 140 Abs. 1 Z 1 lit a B-VG beim Verfassungsgerichtshof die Prüfung der präjudiziellen Bestimmung des § 21 Abs. 2 MOG vom 31.07.2007 wegen Verfassungswidrigkeit beantrage.
Begründend führte die Beschwerdeführerin zusammenfassend aus, dass die AMA in der angefochtenen Entscheidung zwar gesetzeskonform gemäß § 21 Abs. 2 MOG ihrem Antrag auf Gewährung von Zinsen stattgegeben und das Mehrbegehren in Höhe von EUR 487.057,70 abgewiesen habe. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin erweise sich die Bestimmung des § 21 Abs. 2 MOG hinsichtlich des darin enthaltenen Zinssatzes von 2 % als gleichheitswidrig und damit als nicht verfassungskonform. Die AMA hätte diese Bestimmung wegen Verfassungswidrigkeit außer Acht lassen müssen und der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf §§ 1333 und 1000 ABGB einen Zinssatz von 4 %, jedenfalls jedoch unter Hinweis auf § 21 Abs. 1 MOG einen Zinssatz von 3 % heranziehen müssen.
11. Die AMA legte am 21.09.2018 dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die verfahrensgegenständliche Entscheidung, die dagegen erhobene Beschwerde sowie die maßgebenden Unterlagen des Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor.
12. Gemäß einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des BVwG vom 21.01.2020 wurde die verfahrensgegenständliche Angelegenheit mit 12.02.2020 der ehemals zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der Gerichtsabteilung W114 zur Erledigung zugewiesen.
13. Mit Schriftsatz vom 20.04.2020 zog die Beschwerdeführerin mit Zustimmung der AMA ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der in dieser Entscheidung wiedergegebene Verfahrensgang wird in der gegenständlichen Angelegenheit auch zu Feststellungen erklärt.
Die diesem Beschwerdeverfahren zugrundeliegende Zahlung in Höhe von EUR 3.164.025,13 wurde von der AMA bereits rechtskräftig entschieden. Die Spruchpunkte 1) und 2) der angefochtenen Entscheidung sind nicht Gegenstand des verfahrensgegenständlichen Beschwerdeverfahrens. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nur Spruchpunkt 3) des Bescheides der AMA vom 30.07.2018, AZ ZU2018-048/1/3/11/Ra.
Ergänzend wird vom erkennenden Gericht festgestellt, dass in der angefochtenen Entscheidung der jeweils gültige Basiszinssatz, beginnend mit 15.12.2000 (und unter Berücksichtigung einer Addition von 2 %) bis zum 24.09.2018 richtig wiedergegeben wurde und dass die in der angefochtenen Entscheidung angestellte Zinsberechnung rechnerisch richtig ist.
2. Beweiswürdigung:
Der wiedergegebene Sachverhalt bzw. die angeführten Feststellungen ergeben sich aus den vom der AMA dem BVwG vorgelegten Unterlagen des gegenständlichen Verfahrens und erweisen sich als unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Zuständigkeit:
Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Gemäß § 1 AMA-Gesetz 1992, BGBl. 376/1992 idF BGBl. I Nr. 46/2014, iVm § 6 Marktordnungsgesetz 2007 (MOG 2007), BGBl. I Nr. 55/2007 idF BGBl. I Nr. 89/2015, erfolgt die Abwicklung der Maßnahmen im Rahmen der einheitlichen gemeinsamen Marktordnung (EGMO) durch die AMA im Rahmen der unmittelbaren Bundesverwaltung.
3.2. In der Sache:
Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass die AMA § 21 Abs. 2 MOG, der einen Zinssatz von 2 % über dem von der Oesterreichischen Nationalbank bekannt gegeben Basiszinssatz vorsieht, mit einem Hinweis auf einen Verstoß gegen den verfassungsgesetzlich verankerten Gleichheitsgrundsatz verstoße und nicht hätte angewendet werden dürfen. An seiner Stelle sollte ein höherer Zinssatz, nämlich 4 % gemäß § 1000 Abs. 1 ABGB oder 3 % gemäß § 21 Abs. 1 MOG treten.
Bereits mit diesem Antragsbegehren, das auf zwei unterschiedliche Zinssätze ausgerichtet ist, und offensichtlich von der Beschwerdeführerin selbst jeweils als rechtskonform und in Übereinstimmung mit dem Gleichbehandlungsgebot betrachtet wird, ist klar erkennbar, dass es in der österreichischen Rechtsordnung unterschiedliche Zinssätze gibt, die – je nach Interessenlage – als gleichheitswidrig oder als gleichheitskonform betrachtet werden können. Nur weil sich aus einzelnen Bestimmungen unterschiedliche Zinssätze ergeben, liegt nach Auffassung des erkennenden Gerichtes noch kein Fall einer Gleichheitswidrigkeit vor.
Bereits aus der Gesetzeswerdung von § 21 Abs. 2 MOG im Zuge der Erlassung von BGBl. I Nr. 47/2014 ist deutlich erkennbar, dass diese Bestimmung insbesondere deswegen geschaffen wurde, weil es bis zu diesem Zeitpunkt keine nationale Regelung gegeben hat, die die Höhe der an Personen, die nicht in den Genuss von Vergünstigungen gekommen sind, sondern letztlich aufgrund einer Verpflichtung zu viel bezahlt haben, zu zahlenden Zinsen bestimmt. Nach Auffassung des erkennenden Gerichtes regelt nämlich der ehemalige § 21 MOG bzw. der nunmehrige § 21 Abs. 1 MOG nur jene Fälle, in denen Rückzahlungsbeträge von Vergünstigungen vorliegen und damit die AMA als Geber von Vergünstigungen auftritt und jemand derartige Vergünstigungen zu Unrecht erhalten hat und in weiterer Folge (mit entsprechender Verzinsung) zurückzuzahlen hat.
Mit dem Urteil des EuGH vom 27.09.2012, Rs C-113/10, C?147/10 und C?234/10, Zuckerfabrik Jülich AG gegen Hauptzollamt Aachen, u.a., wurde jedoch offensichtlich, dass es neben Vergünstigungen auch andere Zahlungen von Betroffenen gibt und dass es dabei zu Überzahlungen kommen kann, die in weiterer Folge an den Betroffenen (mit Zinsen) zurückzuzahlen sind. Dass dabei von im ursprünglichen § 21 MOG enthaltenen Zinssatz abgewichen wird und ein niedrigerer Zinssatz festgelegt wurde, widerspricht nach Auffassung des erkennenden Gerichtes nicht dem Gleichheitsgrundsatz. Den Regelungen liegen nämlich unterschiedliche Sachverhalte und unterschiedliche Positionen der Akteure zugrunde. In § 21 Abs. 1 MOG ist der Empfänger von Zahlungen die AMA als Zahlstelle, während in § 21 Abs. 2 die AMA als auszahlende Zahlstelle auftritt.
Wenn die AMA schließlich auf die Zinsregelung des § 1000 Abs. 1 ABGB hinweist, ist dieses Ansinnen aus der Sichtweise der Beschwerdeführerin nachvollziehbar. Es ist der Beschwerdeführerin auch beizupflichten, wenn sie darlegt, dass der sich aus § 1000 Abs. 1 ABGB ergebende Zinssatz mit 4 % von § 21 Abs. 2, der einen Zinssatz von 2 % über dem Basiszinssatz vorsieht, abweicht und damit nicht gleich ist.
Nach Auffassung des erkennenden Gerichtes handelt es sich sowohl beim Zinssatz gemäß § 1000 Abs. 1 ABGB, beim Zinssatz des § 21 Abs. 1 MOG als auch beim Zinssatz des § 21 Abs. 2 MOG um unterschiedliche Zinssätze, die aufgrund politischer und wirtschaftspolitischer Überlegungen entsprechend den jeweiligen Erfordernissen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung festgelegt wurden. Die einzelnen Ziele und Akteure sind unterschiedlich, was nach Auffassung des erkennenden Gerichtes auch unterschiedliche Zinssätze rechtfertigt.
Würde das ABGB, das von vielen Juristen als Meisterwerk eines Gesetzes betrachtet wird, mit dem Zeitgeist des Jahres 2020 neu verfasst werden, würde angesichts der derzeitigen Zinslage am Markt mit großer Wahrscheinlichkeit § 1000 Abs. 1 einen wesentlich niedrigeren Zinssatz aufweisen. Trotzdem gelangt auch das erkennende Gericht in der gegenständlichen Angelegenheit nicht zur Auffassung, dass § 1000 Abs. 1 ABGB gleichheitswidrig ist und nicht angewendet werden darf.
Damit gelangt das erkennende Gericht zur Auffassung, dass in der gegenständlichen Angelegenheit unter Berücksichtigung von § 21 Abs. 2 MOG die AMA die gegenständliche Angelegenheit rechtskonform entschieden hat und daher das Beschwerdebegehren abzuweisen ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Beschwerdeführerin hat in der Beschwerde selbst ausgeführt, dass die Entscheidung auf der Grundlage von bestehenden Rechtsgrundlagen erlassen wurde. Es besteht lediglich die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass die gesetzeskonforme Anwendung von § 21 Abs. 2 MOG wegen eines von der BF behaupteten Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz und damit wegen Verfassungswidrigkeit nicht hätte zur Anwendung gelangen dürfen. Damit legt die Beschwerdeführerin auch dar, dass die Entscheidung durch die AMA, was auch vom erkennenden Gericht bestätigt wird, gesetzeskonform (nach Auffassung der Beschwerdeführerin jedoch nicht rechtskonform) erlassen wurde. Hinsichtlich der zentralen Frage, ob in der gegenständlichen Angelegenheit ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und damit eine Verfassungswidrigkeit vorliegt, besteht die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes. Diese Zuständigkeit wird durch die Entscheidung, eine ordentliche Revision nicht zuzulassen, auch nicht eingeschränkt.
Für das erkennende Gericht ist darüber hinaus nicht erkennbar, welche Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte, sich stellt, sodass gemäß Art. 133 Abs. 4
B-VG die ordentliche Revision nicht für zulässig zu erklären ist.
Schlagworte
Berechnung Ermessen Erstattungsbetrag INVEKOS Produktionsabgabe Rückzahlung Rückzahlungsanspruch Rückzahlungsantrag Rückzahlungsverpflichtung ZinsenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W114.2206134.1.00Im RIS seit
28.09.2020Zuletzt aktualisiert am
28.09.2020