TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/17 W215 2171368-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.06.2020
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Entscheidungsdatum

17.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W215 2171368-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX , Staatsangehörigkeit Bundesrepublik Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2017, Zahl 1076757002-150808957, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG, § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017,
§ 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2019, und § 55 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, dessen Identität nicht feststeht, reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 07.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer wurde am 09.07.2015 erstbefragt und gab zusammengefasst an, er habe in XXXX gelebt, sei von dort im Jänner 2013 mit dem Bus nach Kenia gefahren, reiste über verschiedene Länder bis nach Italien, wo er einen Zug nach Wien bestieg, am 06.07.2015 in Wien ankam und mit der Bahn nach Traiskirchen fuhr. Der Beschwerdeführer habe seine Heimat verlassen, weil er nach dem Tod seiner Eltern bei seiner Schwester und deren Mann gelebt habe. Dieser sei Mitglied der al-Schabaab. Nach einem Streit mit seiner Schwester habe ihr Mann seine Schwester getötet und wollte den Beschwerdeführer zur al-Schabaab bringen, damit er mitkämpfe. Aus Angst sei der Beschwerdeführer im Jänner 2013 nach Kenia geflohen. Im Fall seiner Rückkehr fürchte er von al-Schabaab getötet oder misshandelt zu werden.

In einer niederschriftlichen Befragung am 04.07.2017 führte der Beschwerdeführer im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass dem Clan der Asharaf angehöre, und neben seiner Muttersprache Somali auch Suaheli und Englisch sprechen würde. Er sei in XXXX geboren und habe bis zu seiner Ausreise in XXXX gelebt. Anlässlich eines zweijährigen Besuchs einer Privatschule habe der Beschwerdeführer Englisch gelernt. Seine Mutter sei bereits im Jahr 2005 verstorben und der Beschwerdeführer, nach dem Tod seiner Schwester, im Jahr 2007 zu seinem Lehrer gezogen, wo er bis zu seiner Ausreise im Jänner 2013 gelebt habe.

Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass seine Schwester und deren Mann nach dem Tod der Mutter ins Elternhaus eingezogen seien, sich aber später scheiden ließen. Danach wollte der Ex-Mann die Schwester noch einmal heiraten. Nachdem diese ablehnte wollte der Ex-Mann mit seinen Cousins (Variante: Brüdern und Cousins) die Schwester vergewaltigen. Als sich die Schwester wehrte wurde sie von den Männern im Jahr 2007 erschossen. Der Beschwerdeführer habe im Nachbarzimmer geschlafen, sei erschrocken, als er Schüsse gehört habe und sei deshalb in seinem Bett liegen geblieben. Danach seien sie in sein Zimmer gekommen hätten dieses und seine Tasche nach den Dokumenten für das Haus durchsucht und den Beschwerdeführer aufgefordert ihnen das Haus zu überlassen, sonst würde er getötet. Daraufhin sei der Beschwerdeführer zu seinem Lehrer gezogen und die Männer hätten sich al-Schabaab angeschlossen.

Im Jahr 2010 sei al-Schabaab aus dem Heimatort vertrieben worden und die Regierung habe die Kontrolle zurückgewonnen.

Der Beschwerdeführer habe ab 2007 problemlos in Haus seines Lehrers gelebt, bis er im Jänner 2013 die Männer, die seine Schwester ermordet hatten, verklagen bzw. sein Elternhaus zurückhaben wollte, weshalb er bei der Polizei eine Anzeige gemacht habe. Fünf Tage nach der Anzeige hätten Polizisten den Beschwerdeführer zu seinem Elternhaus begleitet und dort Brüder und Cousins des Ex-Schwagers angetroffen. Mehrfach nachgefragt konnte der Beschwerdeführer nur angegeben, dass sein Elternhaus und das Haus des Lehrers in dem er lebte weniger als eine Stunde zu Fuß entfernt liegen, es könne sein, dass es weniger als eine halbe Stunde sei. Alle seien gemeinsam mit dem Beschwerdeführer zur Polizeistation mitgenommen und befragt worden. Später sei der Beschwerdeführer von zwei Polizisten, zugleich Cousins seines Ex-Schwager (die aber bei der Ermordung der Schwester nicht anwesend waren), eine Stunde lang inhaftiert, geschlagen und aufgefordert worden, das Elternhaus nicht zurückzufordern. Zudem sei der Beschwerdeführer von den Brüdern und Cousins des Ex-Schwagers bedroht worden.

Eines Tages beim Einkaufen habe der Beschwerdeführer die zwei Cousins seines Ex-Schwager getroffen, die seine Schwester ermordet hätten und sei von diesem geschlagen worden. Der Beschwerdeführer habe seither eine Narbe an der linken Handoberfläche und an der Oberlippe; sie hätten den Beschwerdeführer töten wollen, seien aber von anderen Leuten, die ebenfalls einkaufen waren, davon abgehalten worden (Variante: drei Cousins des Ex-Schwager gingen auf ihn los): „…Mein Schwager hat mich dann ständig angerufen und wollte wissen wo ich bin. Er rief mich 24 Stunden am Tag an. Ich sagte dann meinem Lehrer ich möchte nach Kenia weil ich diese Probleme nicht mehr aushalte…“ Konkret nachgefragt, ob es noch andere Gründe dafür gibt, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat verlassen hat, gab er an, ja, wegen seiner Clanzugehörigkeit. Er habe sich nicht mit anderen Jungs in seinem Alter unterhalten können. Alle Leute hätten ihn beleidigt, alte Leute und kleine Kindern. Das sei alles wegen seiner Haare passiert. Er habe weiße Haare, das sei der Grund. Er sei in der Schule beleidigt worden und es sei ihm nicht erlaubt worden eine Kappe zu tragen. Er habe in der Schule immer alleine ganz hinten sitzen müssen und habe keine Lust gehabt zu lernen, weil alle gegen ihn gewesen seien. Zudem habe er niemanden gehabt, der ihn motiviert habe. Nachgefragt, wie das mit den weißen Haaren gemeint sei, da der Referent nur ein paar graue Haare sehen könne, meinte der Beschwerdeführer, dass er schon als Kleinkind ein paar graue Haare gehabt habe und die grauen Haare mit der Zeit mehr werden würden. Wenn ein 40 oder 50jähriger Mann zum Beschwerdeführer gesagt habe, er sei jünger, sei das für den Beschwerdeführer eine Diskriminierung gewesen. Der Beschwerdeführer sei auch beleidigt worden, wenn er Rahanweyn-Dialekt mit seinen Eltern gesprochen habe und die Nachbarn das gehört hätten, aber das schlimmste Problem sei wegen seiner Haare gewesen. Die Nachbarn hätte wegen des Dialektes nichts gesagt und der Beschwerdeführer habe sonst keine Diskriminierungen wegen seiner Clanzugehörigkeit erlebt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2017, Zahl 1076757002-150808957, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 07.07.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm
§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen, gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für seine freiwillige Ausreise wurde gemäß
§ 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2017, Zahl 1076757002-150808957, zugestellt am 14.08.2017, erhob der Beschwerdeführer am 25.08.2017 fristgerecht die gegenständliche Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer persönlich glaubwürdig sei zumal das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht berücksichtigt habe, dass der Beschwerdeführer als Angehöriger des Clans der Asharaf den al-Schabaab ein „Dorn im Auge“ sei und deshalb von al-Schabaab verfolgt werde und einer Zwangsrekrutierung zum Opfer fallen könne. Zudem sei der Schwager Mitglied der al-Schabaab, weshalb der Beschwerdeführer in Gefahr sei.

2. Die Beschwerdevorlage vom 20.09.2017 langte am 22.09.2017 im Bundesverwaltungsgericht ein.

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 08.11.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Es erschienen der Beschwerdeführer und sein Rechtsanwalt. Das ordnungsgemäß geladene Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte sich mit Email für die Verhandlung entschuldigt und die Übermittlung der Verhandlungsschrift ersucht. Der Beschwerdeführer stimmte zu Beginn der Verhandlung ausdrücklich zu, dass diese ohne Rechtsberater, der nicht erschienen war, stattfinden sollte. In der Verhandlung wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Der Beschwerdeführer und sein Rechtsanwalt verzichteten auf Einsichtnahme und Ausfolgung. Den Parteien wurde eine Frist von zwei Wochen zur Erstattung von Stellungnahmen eingeräumt.

Mit Parteiengehör vom 09.12.2019 wurden dem Beschwerdeführer mehrere Fragen zu seiner Situation in Österreich gestellt. Der Beschwerdeführer wurde ersucht, binnen vier Wochen dazu Stellung zu nehmen.

Am 07.01.2020 brachte der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme im Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Parteiengehör vom 09.12.2019 wurden dem Beschwerdeführer mehrere Fragen zu seiner Situation in Österreich gestellt. Der Beschwerdeführer wurde ersucht, binnen vier Wochen dazu Stellung zu nehmen.

Am 07.01.2020 brachte der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme im Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Parteiengehör vom 25.05.2020 wurden dem Beschwerdeführer Fragen zu seiner aktuellen Situation in Österreich gestellt bzw. nachgefragt, ob sich seit seiner Stellungnahem vom 07.01.2020 etwas geändert habe und der Beschwerdeführer ersucht, binnen zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen.

Am 09.06.2020 brachte der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme vom 08.06.2020 im Bundesverwaltungsgericht ein. Darin verwies der Beschwerdeführer auf seine Stellungahme vom 07.01.2020 und zitierte zur aktuellen Lage aus den UN OCHA Berichten update 04 vom 04.05.2020 sowie update 06 vom 24.05.2020, einem Accord Bericht vom 15.04.2020, einem erstinstanzlichen Bescheid - in einem Verfahren eines anderen Asylwerbers - vom 03.02.2020 und einem UNSC Bericht vom 13.05.2020 (siehe dazu Beweiswürdigung 5.).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1. Die Identität des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Somalia und gehört dem moslemischem (sunnitischen) Glauben an.

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 07.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2017, Zahl 1076757002-150808957, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurde. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß
§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführer nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer die Bundesrepublik Somalia verlassen hat, weil der Mann seiner Schwester diese während eines Streits tötete und den Beschwerdeführer zu al-Schabaab bringen wollte, damit er für al-Schabaab kämpft/Variante 2: der Ex-Schwager die Schwester tötete, weil er sie noch einmal heiraten wollte, diese sich weigerte und sich gegen eine daraufhin beabsichtigte Vergewaltigung wehrte/Variante 3: der Ex-Schwager die Schwester wegen deren Clanzugehörigkeit tötete.

Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass der Ex-Schwager die Schwester des Beschwerdeführers, weil diese sich weigerte ihn nochmals zu heiraten, zusammen mit seinen Cousins/Variante 2: zusammen mit seinen Brüdern und seinen Cousins/Variante 3: zusammen mit einem Bruder und zwei Cousins vergewaltigen wollte sowie die Schwester, weil sie sich wehrte, im Jahr 2007 erschossen, um danach den Beschwerdeführer zu vertreiben und sein Elternhaus in Besitz zu nehmen bzw. nachdem der Beschwerdeführer die Männer, wegen dieser Vorfälle im Jahr 2007, im Jänner 2013 anzeigte, von zwei Polizisten, zugleich Cousins des Ex-Schwagers (die aber bei der Ermordung der Schwester aber nicht anwesend waren), eine Stunde lang inhaftiert und geschlagen wurde.

Es kann zudem nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer unmittelbar vor seiner Ausreise von den beiden Cousins des Ex-Schwagers, welche die Schwester ermordeten/Variante 2: von drei Cousins des Ex-Schwagers/Variante 3: zwei Cousins des Ex-Schwagers und einem unbekannten dritten Mann mit einem Metallgegenstand so sehr geschlagen wurde, dass er seine Narben an einer Handoberfläche und an der Oberlippe davontrug.

Es kann weder festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer die Bundesrepublik Somalia wegen seiner behaupteten Clanzugehörigkeit verlassen hat noch, dass er nach seiner Rückkehr in der Bundesrepublik Somalia deswegen verfolgt wird.

3. Der bei seiner Ausreise bereits volljährige und nach wie vor gesunde Beschwerdeführer konnte bis zur Ausreise aus der Bundesrepublik Somalia seinen Lebensunterhalt bestreiten, hatte immer eine Unterkunft und ausreichend zu essen. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr in der Bundesrepublik Somalia ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit droht oder er Gefahr läuft, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können oder in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation gerät. Der Beschwerdeführer wäre jedenfalls in der Lage dort seinen Lebensunterhalt Kraft eigener Arbeit zu bestreiten.

4. In Österreich leben keine Verwandten des ledigen, kinderlosen Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2017 einen eintägigen Werte- und Orientierungskurs besucht, 2018 und 2019 bei der XXXX geholfen, drei Tage im August 2018 bei XXXX „Schnuppertage“ gemacht, vier Tage im September 2018 bei einer XXXX geholfen, am 20.10.2018 bei einer Feier eines XXXX und zweieinhalb Stunden am 10.05.2019 bei einem Freiwilligenzentrum geholfen. Der Beschwerdeführer konnte sich Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 08.11.2018 in Deutsch verständlich machen, verstand aber viele Fragen nicht. Er hat im Jahr 2016 eine Deutschprüfung A2 bestanden und von April bis Juni 2019 an Deutschkursen B1 Teil 1 und 2 teilgenommen. Der Beschwerdeführer ist kein Vereinsmitglied. Besondere Abhängigkeitsverhältnisse zu Personen in Österreich liegen nicht vor und sind allfällige freundschaftlichen Beziehungen zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem sich der Beschwerdeführer seiner unsicheren aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst sein musste. Der XXXX Beschwerdeführer lebt seit seiner Asylantragstellung ausschließlich von der österreichischen Grundversorgung.

5. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Allgemein

In der Bundesrepublik Somalia werden bis Juli 2020 schätzungsweise mehr als 11,75 Millionen Menschen leben (CIA Factbook 11.06.2020).

Die Bundesrepublik Somalia ist eine parlamentarische Demokratie mit starker Stellung des Präsidenten Mohamed Abdullahi Mohamed „Farmajo“. Premierminister ist Hassan Ali Khayre (AA Steckbrief Stand 30.09.2019, abgefragt am 15.06.2020).

Am 15.04.2020 gaben die Sprecher beider Parlamentskammern ihre Entscheidung bekannt, den Beginn der nächsten Parlamentssitzung, die ursprünglich für den 10.04.2020 anberaumt war, aufgrund der COVID-19-Pandemie und gemäß den Empfehlungen des Gesundheitsministeriums zu verschieben, bis alternative virtuelle Vorkehrungen getroffen werden (UNSC 13.05.2020).

Somalia ist ein Staat im Osten Afrikas, am Horn von Afrika. Nach dem Sturz des autoritären Regimes Siad Barres 1991 war das Land gekennzeichnet von Staatszerfall, Bürgerkrieg, Clanrivalitäten und islamistischem Terror. Im Nordwesten Somalias beansprucht das relativ stabile Somaliland seit 1991 internationale Anerkennung als eigenständiger Staat. Die Region Puntland besitzt weitgehende Autonomie, strebt aber keine Unabhängigkeit an und hat den Status eines föderalen Gliedstaats, wie auch die anderen Bundesstaaten Jubbaland, Südwest, Galmudug und Hirshabelle. Mit der Übergangsverfassung von 2012 schreitet der Staatsaufbau voran, Somalia gilt nunmehr als fragiler Staat. 2017 wurde Mohamed Abdullahi Mohamed zum Präsidenten gewählt. Seine Regierung verfolgt eine ehrgeizige Reformagenda in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Sicherheit Offizielles Ziel der Regierung sind allgemeine Wahlen 2020 (AA politisches Porträt Stand 30.09.2019, abgefragt am 15.06.2020).

Im Hinblick auf beinahe alle in diesem Bericht zu beleuchtenden Tatsachen ist Somalia faktisch zweigeteilt:

a) Somalia

In den föderalen Gliedstaaten Süd- und Zentralsomalias herrscht in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der vom VN-Sicherheitsrat mandatierten Friedensmission der Afrikanischen Union AMISOM (African Union Mission in Somalia) gegen die radikalislamistische, al-Qaida-affiliierte al-Schabaab-Miliz. Die Gebiete sind nur teilweise unter der Kontrolle der Regierung, wobei zwischen der im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkten Kontrolle der somalischen Bundesregierung und der Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete durch die Regierungen der föderalen Gliedstaaten Somalias, die der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen, unterschieden werden muss. Weite Gebiete stehen unter der Kontrolle der al-Schabaab-Miliz oder anderer Milizen. Diese anderen Milizen sind entweder entlang von Clan-Linien organisiert oder, im Falle der moderaten Ahlu Sunna Wal Jama’a in Galmudug, auf Grundlage einer bestimmten religiösen Ausrichtung. Zumindest den al-Schabaab-Kräften kommen als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu. Der Gliedstaat Puntland im Norden des Landes, direkt an der Spitze des Horn von Afrika, hat sich bereits 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Puntland strebt nicht nach Unabhängigkeit von Somalia, erkennt die somalische Bundesregierung an und ist einer der fünf offiziellen föderalen Gliedstaaten Somalias, wenngleich mit größerer Autonomie. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden. Al-Schabaab kontrolliert hier keine Gebiete mehr, sondern ist nur noch in wenigen schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten, ebenso wie der somalische Ableger des sogenannten „Islamischen Staats“. Stammesmilizen spielen im Vergleich zum Süden eine untergeordnete Rolle, wenngleich sie weiterhin präsent sind. Allerdings ist die Grenzziehung im Süden zu Galmudug sowie im Nordwesten zu Somaliland nicht eindeutig, was immer wieder zu kleineren Scharmützeln, in den Regionen Sool und Sanaag auch zu schwereren gewaltsamen Auseinandersetzungen führt.

b) Somaliland

Das Gebiet der früheren Kolonie Britisch-Somaliland im Nordwesten Somalias hat sich 1991 für unabhängig erklärt, wird aber bisher von keinem Staat völkerrechtlich anerkannt. Allerdings bemühen sich die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit. Das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft wurde durch die mehrfache Verschiebung der Parlamentswahlen und schwerwiegende Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Abkommen zum Betrieb des Hafens von Berbera auf die Probe gestellt. Al-Schabaab kontrolliert in Somaliland keine Gebiete. Die Grenze zu Puntland ist allerdings umstritten, hier kam es vor allem im Jahr 2018 zu zum Teil heftigen militärischen Auseinandersetzungen zwischen somaliländischen und somalischen (puntländischen) Truppen. Die Lage bleibt weiterhin angespannt.

Grundsätzlich gilt, dass die vorhanden staatlichen Strukturen in Somalia sehr schwach sind und wesentliche Staatsfunktionen von ihnen nicht ausgeübt werden können. Von einer flächendeckenden effektiven Staatsgewalt kann nicht gesprochen werden (AA 02.04.2020).

Seit dem Ende der Übergangsperiode und dem Beginn des New Deal Prozesses 2013 wurde wiederholt der politische Wille zur umfassenden Reform des Staatswesens (Etablierung von Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Menschenrechten, Demokratisierung, Föderalisierung) bekundet. 2016 und 2017 konnten mit der Gründung der Gliedstaaten und einem relativ demokratisch erfolgten Machtwechsel wichtige Weichen in Richtung Demokratisierung, legitimer Staatsgewalt und Föderalismus erreicht werden. In den anderen Bereichen ist die Situation nach wie vor mangelhaft. Insbesondere das Verhalten der Sicherheitskräfte, Aufbau, Funktionsweise und Effizienz des Justizsystems und die Lage im Justizvollzug entsprechen nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes (AA 02.04.2020).

ad a) Somalia

Seit Jahrzehnten haben keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder nationaler Ebene stattgefunden. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen, insbesondere Clanstrukturen, in Selektionsprozessen vergeben. Traditionell benachteiligte Gruppen wie Frauen, Jugendliche, ethnische Minderheiten, LGBTI, Behinderte sowie auch Binnenflüchtlinge sehen sich somit nicht oder nicht hinreichend vertreten. Im November und Dezember 2016 wurde von über 14.000, von Clanältesten bestimmten Wahlmännern ein 275-köpfiges Parlament gewählt. Wenngleich dieser Prozess einen bemerkenswerten demokratischen Fortschritt darstellte, war er von erheblichen Korruptions- und Manipulationsvorwürfen überschattet. Die Präsidentschaftswahl fand am 08.02.2017 statt, als Gewinner ging der frühere Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed „Farmajo“ hervor, Premierminister ist seit März 2017 Hassan Ali Khayre. Für Ende 2020/Anfang 2021 sind erstmals allgemeine Parlamentswahlen in den Gebieten vorgesehen, in denen die Sicherheitslage solche Wahlen erlaubt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist noch nicht abzusehen, ob es tatsächlich dazu kommen oder ob stattdessen erneut ein clanbasierter Selektionsprozess wie 2016 stattfinden wird (AA 02.04.2020).

(CIA, Central Intelligence Agency, The World Factbook, Somalia, last update 11.06.2020, abgefragt am 15.06.2020, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/so.html

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, politisches Porträt, Stand 30.09.2019, abgefragt am 15.06.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2020, 02.04.2020

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Steckbrief, Stand 30.09.2019, abgefragt am 15.06.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/somalia/203130

UNSC, UN Security Council, Bericht des UNO-Generalsekretärs, Bericht zur Lage in Somalia, S/2020/398, 13.05.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2030188/S_2020_398_E.pdf)

Parteiensystem

ad a) Somalia

Es gibt keine Parteien im westlichen Sinn. Die politischen Loyalitäten bestimmen sich in erster Linie durch die Clanzugehörigkeit oder religiöse Bindung an informelle Gruppierungen. Im September 2016 verabschiedete der Präsident ein Parteiengesetz, das die Grundlage für eine Parteienbildung werden soll. Trotz vorgesehener Mechanismen, die eine breite geografische Repräsentanz in den Parteien sicherstellen sollen, manifestiert sich das Clansystem auch in den neuen Parteien. Dutzende Parteien haben sich provisorisch registriert, weisen jedoch mehrheitlich keine erkennbaren inhaltlich-programmatischen Konzepte auf. Das nächste Parlament soll Ende 2020 erstmals in einer allgemeinen und freien Wahl – dort, wo die Sicherheitslage dies erlaubt – bestimmt werden. Ob eine solche Wahl tatsächlich und im vorgegeben Zeitrahmen stattfinden wird, ist aktuell noch nicht abzusehen. Dies gilt auch für die Frage, ob sich diese Wahlen erstmals an der Parteizugehörigkeit der Kandidaten orientieren werden (AA 02.04.2020).

Eine Besonderheit der Politik und Geschichte Somalias liegt in der Bedeutung der Clans. Clans sind auf gemeinsame Herkunft zurückgehende Großfamilienverbände mit einer bis zu siebenstelligen Zahl von Angehörigen. Die Kenntnis der Clanstrukturen und ihrer Bedeutung für die somalische Gesellschaft ist ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis der politischen und historischen Entwicklungen in Somalia. Die übergeordneten Clans in Somalia sind die Hawiye, Darod, Issaq, Dir und der Clanverbund der Digil-Mirifle bzw. Rahanweyn. Aufgrund des jahrzehntelangen Bürgerkriegs ist es nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Issaq und Digil-Mirifle stellen wohl je 20 bis 25 Prozent der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger. Über 95 Prozent aller Somalier fühlen sich einem Sub-Clan zugehörig, der genealogisch zu einem der Clans gehört. Auch diese Sub-Clans teilen sich wiederum in Untereinheiten auf. Die Zugehörigkeit zu einem Clan bzw. Sub-Clan ist ein wichtiges Identifikationsmerkmal und bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA Innenpolitik Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019).

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2020, 02.04.2020

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand 05.03.2019, abgefragt am 13.11.2019, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162)

Abstammungslinie

Die in der somalischen Gesellschaft übliche Art, seine Abstammungslinie aufzuzählen, heißt Abtirsiimo (auch Abtirsiin). Dies bedeutet wörtlich übersetzt „das Zählen der Väter“. Ein Somali beginnt diese Aufzählung bei sich bzw. seinem eigenen Vater, nennt dann den Grossvater, den Urgroßvater etc. Die Linie setzt sich theoretisch fort bis zu den somalischen Gründervätern Samaale und Saab bzw. von diesen aus weiter über den Propheten Mohammed bis hin zum ersten Menschen, Adam. Im Rahmen dieser Aufzählung wird – beginnend auf der tiefsten Stufe – auch die Zugehörigkeit zu den verschiedenen Clan-Stufen erwähnt. Dabei gibt es aber einen entscheidenden Unterschied zwischen der top-down-Aufzählung der Clanzugehörigkeit und der bottom-up-Aufzählung der Abstammungslinie. In der Abstammungslinie werden alle männlichen Vorfahren genannt, einschließlich jener, die einem Clan ihren Namen gegeben haben. Bei der Clanzugehörigkeit hingegen sind es nur eben jene, die einem Clan, Sub-Clan etc. ihren Namen gegeben haben. Nun ist aber der Stammvater des Sub-Clans meist nicht der Sohn des Clanvaters. In der Regel liegen zwischen ihnen mehrere Generationen. Diese werden bei der top-down-Aufzählung meist ausgelassen. Deshalb umfasst die bottom-up-Aufzählung (Abtirsiimo) deutlich mehr Positionen als die top-down-Aufzählung der Clanzugehörigkeit. Kinder beginnen üblicherweise ab dem Alter von etwa fünf bis acht Jahren, ihren Abtirsiimo zu lernen. Sie beherrschen diesen ab dem Alter von acht bis elf Jahren. Das Wissen wird ihnen von den Eltern oder Großeltern vermittelt. Abtirsiimo wird beispielsweise dann angewandt, wenn man das genaue Verwandtschaftsverhältnis zu einer anderen Person herausfinden möchte, wenn starke Clans ihre Dominanz gegenüber Minderheiten zeigen möchten, um berühmte Personen eines Clans zu preisen, und in Erbschaftsfragen. Er ist auch nützlich, um die Eltern oder Verwandten von unbegleiteten Kindern herauszufinden. Auch die berufsständischen Gruppen und teils die ethnischen Minderheiten haben einen Abtirsiimo. Der Unterschied zu den „noblen“ Clans besteht darin, dass er nur bis zum Gründervater der Gruppe zurückreicht, nicht zu Samaale oder Saab; dies sind meist ungefähr 25 Generationen (SEM 31.05.2017).

(SEM, Staatssekretariat für Migration, EJPD, Schweizerische Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Focus Somalia, Clans und Minderheiten, 31.05.2017, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf)

Asharaf/Ashraf

Das Danish Immigration Service (DIS) geht in einem Bericht zu einer Fact-Finding-Mission in Somalia aus dem Jahr 2000 ausführlich auf die Asharaf ein und erwähnt dabei, dass diese von Asharaf-Ältesten – die sich selbst als Benadiri bezeichnet hätten - in die Gruppen Hussein und Hassan (mit jeweils weiteren Untergruppierungen) unterteilt würden. Jedes Mitglied der Ashraf-Gemeinschaft stammt entweder von Hassan oder Hussein ab. Den Hassan gehören die Untergruppen Mohammed Sharif, Sharif Ali, Sharif Ahmed und Ashraf Sarman an (Accord 06.02.2012; BAMF Juli 2010; Accord 03.07.2012; EASO August 2014).

Das UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (UN OCHA) beschreibt in einer im August 2002 veröffentlichten Studie die Asharaf als arabische Immigranten aus Saudi-Arabien, die ca. 0,5% der Gesamtbevölkerung ausmachen und vor allem in den Küstenstädten Merka, Brava sowie den Regionen Bay und Bakoolin siedeln. Nach Erkenntnissen der Fact Finding Mission 2000, die auf Angaben von Ashraf-Ältesten beruhen, leben die Ashraf in Süd- und Zentralsomalia hauptsächlich in Städten wie Bardera, Kismayo, Baidoa, Jhoddur, Merka, Brava und Mogadischu. In Mogadischu seien sie v. a. im Bezirk Shangani aber auch in Hamar Weyne beheimatet. Ashraf seien auch in Äthiopien (Ogaden, Oromia, Dire Dawa und Harar) beheimatet. Äthiopische Ashraf seien zum Teil zur Zeit des Ogaden-Krieges (1977) nach Somalia gekommen. Ein Teil dieser exilierten Ashraf sei wiederum 1991 –1992 aus Somalia geflohen. Die Ashraf betrachteten sich als Abkömmlinge von Hassan und Hussein, den Enkeln Mohammads von dessen Tochter Fatima und Schwiegersohn Ali. Jeder Ashraf gehöre zu einer dieser beiden Abstammungslinien und jeder weibliche oder männliche Angehörige der Ashraf ab dem Alter von zwei Jahren sei in der Lage sich selbst einer dieser beiden Linien zuordnen. Da Mohammad seinen Enkeln Hassan und Hussein den Titel „Sharif“ verliehen habe, trügen alle ihre Nachkommen die Bezeichnung Sharif als Namensbestandteil, der dem eigentlichen Namen und dem Vaternamen (manchmal werde auch noch der Name des Großvaters verwendet) hinzugefügt werde. Aus diesem Titel leite sich auch die Bezeichnung der gesamten Gruppe als Ashraf (Plural von „Sharif“; daher auch die Benennung „Sharifian“) ab (Accord 29.04.2010; BAMF Juli 2010; U.K. Home Office Juni 2017).

Die Asharaf werden häufig als Minderheit kategorisiert. Einer der Gründe dafür, weshalb die Asharaf häufig als Minderheit eingestuft werden, liegt darin, dass sich die Asharaf bei der Errichtung der Vorübergehenden Bundesregierung im Jahr 2004 aus politischen Gründen in die 0,5-Gruppe als Minderheit platzierten, nachdem sie Schwierigkeiten hatten, innerhalb der Rahanweyn-Gruppe voll repräsentiert zu werden. Hier wird in erster Linie auf die Digil-Mirifle-Asharaf Bezug genommen und nicht auf die Benadiri-Asharaf. Weitere Asharaf-Gruppen leben zusammen mit anderen somalischen Clans in verschiedenen Regionen des Landes. Die Asharaf gelten allgemein als religiös bzw. als religiöse Lehrer, die von der Tochter des Propheten Mohammed, Fatima, abstammen. Meist sind sie in die Gruppen, mit denen sie zusammen siedeln (Digil-Mirifle oder Benadiri) integriert und werden normalerweise von diesen wegen ihres besonderen religiösen Status als Nachkommen des Propheten beschützt. Sie werden daher nicht als Minderheit im engeren Sinne angegriffen, doch können sie an denselben Problemen, mit denen ihre ‚Gastgeber‘- Clans konfrontiert sind, leiden. So wurden sie in den frühen Bürgerkriegsjahren zusammen mit den Benadiri zum Ziel von Angriffen. Einer der wichtigsten Minister und Verbündeten des früheren Präsident Sheikh Sharif, Sharif Hassan, ist Angehöriger der Asharaf. Der aktuelle Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed „Farmajo“ war während Sheikh Sharifs Präsidentschaft Premierminister (von Okt 2010 bis Juni 2011). Präsident Farmajo ist der erste somalische Präsident des Darood-Clans (Marehan Sub-Clan) seit 2008; hingegen gehören beide Sheikh Sharif und Hassan Sheikh zu den Hawiye (Abgaal Sub-Clan). Derzeit können die Digil-Mirifle-Asharaf zum Ziel von Übergriffen durch die islamistische Gruppe al-Schabaab werden, da letztere den religiösen Status der Asharaf nicht anerkennen und Sharif Hassan, der zusammen mit Präsident Sheikh Sharif die treibende Kraft hinter dem Dschibuti-Abkommen von 2008 war (Accord 15.05.2009; UN Sicherheitsrat 10.02.2017; Europäische Kommission Februar 2017).

Dr. Markus Höhne, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ethnologie an der Universität Leipzig, schreibt in einer E-Mail-Auskunft vom 20.02.2015 Asharaf sind immer noch mit eine der schwächsten Gruppen in der Bundesrepublik Somalia. Sie werden sicher nicht mehr systematisch verfolgt. Aber im allgemeinen sozialen, politischen, ökonomischen und militärischen Gefüge des Südens, der immer noch weit von Stabilität und Frieden entfernt ist, sind Asharaf anfällig gegenüber Ausbeutung, Übergriffen, Kriminalität, sexueller Gewalt etc. Sie haben keine Miliz, die sie verteidigt. Die Regierung ist bei weitem nicht stabil genug, die Sicherheit Ihrer Bürger zu garantieren. Und noch immer operieren al-Schabaab und Kriminelle sowie undisziplinierte Soldaten in Teilen Südsomalias. Mein Fazit ist: Mitglieder dieser Gruppe sind einer erhöhten Gefahr ausgesetzt. Diese ist aber eher allgemeiner Natur und dadurch bedingt, dass Asharaf politisch und vor allem militärisch nicht stabil verankert sind (Accord 12.06.2015; Accord 08.01.2018).

Teilweise werden auch die Ashraf und die Sheikal (Sheikash) zu den ethnischen Minderheiten gezählt. In kultureller und sprachlicher Hinsicht sind sie aber schwerer von der somalischen Mehrheitsbevölkerung zu unterscheiden. Stattdessen haben sie einen speziellen religiösen Status (u.a. Durchführung von Riten) und spielen traditionell eine wichtige Rolle bei der Konfliktlösung. Beide Gruppen unterhalten Sheegad-Verhältnisse. Es gibt es verschiedene Arten von Allianzen: Nachbarschaft, Angeschlossene, Anhänger und Vortäuschende (bzw. „Adoption“). Die letztere heißt Sheegad. Diesen Status haben normalerweise anzahlmäßig schwache Clans wie z.B. berufsständische Gruppen, da er ihnen erlaubt, gegen außen die Clan- bzw. Abstammungslinie und damit auch den Schutz des alliierten Mehrheitsclans zu übernehmen. Sheegad kann aber auch von Angehörigen eines Mehrheitsclans in Anspruch genommen werden. Der Schutzclan regelt für sie alle externen Angelegenheiten wie beispielsweise die Vereinbarung von Mag/Diya. Im Kontakt mit Fremden, auch im Ausland, identifizieren sich Angehörige von Berufsgruppen häufig nicht als solche, sondern als Mitglieder ihres Schutzclans. Es kommt sogar vor, dass sich der Mehrheitsclan an Mag/Diya-Zahlungen der Geschützten beteiligt. Solche Allianzen bestehen auch heute noch, wenn auch das Ausmaß etwas abgenommen hat. Ausdrücke wie Sheegad oder Gaashaanbuur sind in der somalischen Gesellschaft aber nicht mehr sehr bekannt. Vielmehr sind es simple Allianzen, die eingegangen werden (EJDP bzw. nunmehr SEM 31.05.2017).

Meistens leben die Asharaf mit den Menschen integriert, mit denen sie sich niedergelassen haben, d.h. Digil-Mirifle oder Benadiri, und werden in der Regel von den Menschen geschützt, mit denen sie leben, soweit sie als mit dem Propheten verwandt angesehen werden, daher behalten sie einen besonderen religiösen Status. Der Punkt ist, dass sie nicht als Minderheit als solche ins Visier genommen werden, sondern die gleichen Probleme wie ihre „Host“-Clans haben können – so wurden Benadiri Asharaf während des frühen Bürgerkriegs gemeinsam mit Benadiri ins Visier genommen. Heute ist Sharif Hassan, einer der Top-Minister und Verbündeten von Scheich Shariff, ein Asharaf. Derzeit könnte die Digil-Mirifle/Asharaf von der islamistischen al-Schabaab-Gruppe ins Visier genommen werden, zum einen, weil diese den religiösen Status der Asharaf nicht anerkennen, und zum anderen, weil sie sich gegen Shariff Hassan stellen, der 2008 zusammen mit Präsident Scheich Shariff die treibende Kraft im Abkommen von Dschibuti war (ARC 25.01.2018).

Professor Markus Höhne zitiert die in Somaliland tätige Minderheiten-NGO VOSOMWO. Nach deren Aussagen, würden Minderheiten – und hier speziell Frauen – Grundrechte verweigert, so zum Beispiel das Recht auf Bildung. Schon Anfang der 2000er, als einige europäische Regierungen davon ausgingen, dass in Somalia die schlimmste Zeit überstanden sei, war die Angabe der Zugehörigkeit zu einer Minderheitengruppe in Somalia ein relativ sicheres Mittel, um in Europa Asyl zu bekommen. Klarerweise haben auch Angehörige von „noblen“ Clans von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, und sich als Minderheitenangehörige (z.B. Midgan oder Ashraf) ausgegeben (BFA Anfragebeantwortung 23.01.2017).

(UN Sicherheitsrat, Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats zur Situation in Somalia, 10.02.2017, http://www.un.org/depts/german/sr/sr_17/sp17-03.pdf

EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Süd- und Zentralsomalia Länderüberblick, August 2014, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO-COIreport-Somalia_DE.pdf

Staatendoku, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Somalia, Madhiban in Kismayo, 23.01.2017

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Zahl a-8059, 03.07.2012, https://www.ecoi.net/local_link/221187/342651_de.html

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zum Clan der Reer-ow-Xassan (Reer aw Hassan) (Minderheitenclan und Schutz), Zahl a-7879, 06.02.2012, https://www.ecoi.net/file_upload/response_en_209792.html

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum für Asyl und Migration, Minderheiten in Somalia, Juli 2010, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/693991/697672/697677/6029534/13604856/13565580/Deutschland___Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Minderheiten_in_Somalia%2C_Juli_2010.pdf?nodeid=13904432&vernum=-2

Accord, Bericht, Clans in Somalia, Bericht zum Vortrag von Dr. Joakim Gundel beim COI-Workshop in Wien am 15.05.2009, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1261131016_accord-bericht-clans-in-somalia-ueberarbeitete-neuausgabe-20091215.pdf

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, 1) Lage der Asharaf; Gehören die Asharaf dem Sub-Clan der Hassan und dem Hauptclan der Arab an? 2) Heirat zwischen Angehörigen von Minderheiten und Mehrheitsclanangehörigen; 3) Situation von Frauen (Gefahren für alleinstehende Frauen), Zahl a-7230, 29.04.2010, https://www.ecoi.net/file_upload/response_en_141627.html

Europäische Kommission, Somalia 2016-2017; limited election process; EU election expert mission; final report; Framework Contract Beneficiaries, LOT 7 Specific Contract N° 2016/377703/1; 13 September 2016 – 16 February 2017, Februar 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1408355/1226_1505130012_eu-eem-somalia-final-report.pdf

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zur Lage von (weiblichen) Angehörigen der Asharaf (auch: Ashraf) Zahl a-9202-3 (9230), 12.06.2015, https://www.ecoi.net/local_link/305541/442757_de.html

EJPD, Schweizerische Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, bzw. nunmehr SEM, Staatssekretariat für Migration, Focus Somalia, Clans und Minderheiten, 31.05.2017, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf

U.K. Home Office, Country Information and Guidance South and central Somalia, Majority clans and minority groups, Version 2.0 Juni 2017, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/619552/Somalia_CPIN_majority_clans_and_minority_groups_in_south_and_central_Somalia_2_0_June_2017.pdf

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zur Behandlung von Angehörigen der Ashraf [auch: Asharaf]; Aktivitäten der al-Schabaab im Gebiet Jubbaland (Gedo, Middle Juba, Lower Juba), Zahl a-10438, 08.01.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1423102.html

ARC, Asylum Research Consultancy, Situation in South and Central Somalia (including Mogadishu), 25.01.2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1423361/90_1517484171_2018-01-arc-country-report-on-south-and-central-somalia-incl-mogadishu.pdf)

Sicherheitslage

Sollten sie Hargeisa oder Berbera besuchen seien sie besonders Wachsam und Achtsam an öffentlichen Orten, an denen sich Menschen versammeln. Verfolgen sie lokale und internationale Medien, um Demonstrationen oder Unruhen zu meiden. Verlassen sie rasch alle Gebiete, in denen es zu Unruhen kommt und versuchen sie nicht diese zu beobachten oder zu fotografieren (U.K. Reisehinweise Stand 15.06.2020).

Für westliche Staatsangehörige besteht in ganz Somalia (dies gilt auch für Somaliland und Puntland) ein sehr hohes Entführungsrisiko, ausländische Staatsangehörige werden auch immer wieder Opfer von Mordanschlägen. Außerordentlich gefährlich ist die Lage in Zentral- und Südsomalia, einschließlich des Großraums Mogadischu, wobei jedoch auch in den anderen Landesteilen wie Puntland (Nordosten) und Somaliland (Norden) mit extremer Unsicherheit, Entführungen sowie Terror- und Selbstmordanschlägen gerechnet werden muss. Im ganzen Land besteht die Gefahr von nicht explodierten Minen und Bomben. Sehr hohe Kriminalität (BMEIA Stand 15.06.2020).

Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein sehr fragiler Staat. Es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind schwach und weiterhin im Aufbau befindlich. Die Autorität der somalischen Bundesregierung wird unter anderem vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland (Regionen Awdaal, Wooqoi Galbeed, Toghdeer, Sool, Sanaag) im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al-Schabaab-Miliz in Frage gestellt. Darüber hinaus bestehen politische Spannungen zwischen Mogadischu und den föderalen Gliedstaaten (02.04.2020).

Zwischen November 2019 und Anfang Februar 2020 war die Sicherheitslage weiterhin volatil. Die Anzahl der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle stieg von 239 im November 2019 auf 266 im Dezember 2019. Im Jänner 2020 wurden 235 Zwischenfälle verzeichnet. Bei den Zwischenfällen handelte es sich um Angriffe der al-Schabaab auf Sicherheitskräfte, Autobomben, Bomben- und Granatenanschläge sowie kriminelle Taten. In der Region Lower Juba kam es Anfang Februar 2020 zu Kämpfen zwischen Clans mit mindestens 20 Toten. Ende Dezember 2019 wurde ein Friedensabkommen zwischen zwei sich bekämpfenden Subclans in der Region Sanaag geschlossen. In den südlichen und zentralen Landesteilen wurden bei Angriffen der al-Schabaab im März 2020 mindestens 22 Angehörige der Sicherheitskräfte getötet. Bei einem Bombenanschlag der al-Schabaab am 25.03.2020 wurden fünf Zivilisten in Lower Juba getötet. In Middle Juba exekutierte die al-Schabaab am 31.03.2020 sechs Zivilisten, die von der Gruppe der Spionage bezichtigt wurden. In Mogadischu griff die al-Schabaab ein UNO-Gelände mit Granaten an. Bei einem Selbstmordanschlag wurden am 25.03.2020 mindestens vier Personen getötet. In Puntland töteten al-Schabaab-Kämpfer zwischen 17. und 29.03.2020 drei örtliche Beamte. Zwischen 08. und 11.01.2020 tötete die al-Schabaab mindestens sechs Zivilisten in Mogadischu. Bei Zusammenstößen zwischen al-Schabaab und Sicherheitskräften und bei Angriffen der al-Schabaab zwischen 07. und 25.01.2020 wurden in den Regionen Lower Juba, Lower Shabelle und Middle Shabelle mindestens 16 Soldaten und Zivilisten sowie etwa 80 Aufständische getötet. In Hiraan töteten Sicherheitskräfte am 05.03.2020 acht al-Schabaab-Mitglieder. Am 16.03.2020 nahmen Sicherheitskräfte die Stadt Janaale ein. Zwischen 21. und 29.03.2020 töteten die Sicherheitskräfte mindestens 37 Aufständische in den Regionen Lower Juba und Lower Shabelle. Am 02.03.2020 kam es in der Stadt Bula Hawa erneut zu Zusammenstößen zwischen somalischen Truppen und Truppen Jubalands. Berichten zufolge wurden mindestens elf Zivilisten und Kämpfer getötet. Im Februar 2020 kam es nach den Wahlen in der Region Galmudug zur Stationierung von Truppen der somalischen Regierung. Am 04.02.2020 griffen Regierungstruppen die Städte Dolow und Bula Hawa an und nahmen diese ein. Bei Zusammenstößen zwischen Regierungstruppen und Streitkräften Jubalands wurden am 08.02.2020 mindestens zwei Personen getötet. Am 12.02.2020 kam es zudem zu Kampfhandlungen in Kismayo. Am 27. und 28.02.2020 kam es zu Zusammenstößen zwischen Streitkräften der somalischen Regierung und der paramilitärischen Gruppe Ahlu Sunnah Waa-Jama’a (ASWJ). Mindestens 22 Personen wurden getötet. In den südlichen und zentralen Landesteilen wurden zwischen 02. und 27.02.2020 mindestens 34 Soldaten und 61 Aufständische bei Sicherheitsoperationen und al-Schabaab-Angriffen getötet. Zwischen 02. und 28.02.2020 wurden zehn al-Schabaab-Kämpfer bei US-Luftangriffen getötet. Bei US-Luftangriffen wurden zwischen 03. und 27.01.2020 neun al-Schabaab-Mitglieder getötet. In Bosaso töteten Sicherheitskräfte am 06.01.2020 vier mutmaßliche IS-Mitglieder. Am 21.01.2020 erschossen mutmaßliche IS-Mitglieder in Bosaso einen ehemaligen Beamten Accord Sicherheitslage 15.04.2020).

Am 08,02.2020, 02.03.2020 und 22.04.2020 kam es in Beledxaawo in der Region Gedo nahe der Grenze zwischen Somalia und Kenia zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen der somalischen Nationalarmee und Milizionären, die gegenüber dem Sicherheitsminister von Jubbaland, Abdirashid Hassan Abdinur „Janan“, loyal sind. Die Zusammenstöße verschärften die Spannungen zwischen Somalia und Kenia. Herr Farmajo und der Präsident Kenias, Uhuru Kenyatta, unternahmen Schritte zur Deeskalation der Spannungen, unter anderem durch ein Telefongespräch am 05.03.2020, gefolgt von hochrangigen Ministerbesuchen in Mogadischu und Nairobi. Am 23.04.2020 einigten sich der Präsident von Jubbaland, Ahmed Mohamed Islam „Madobe“, mit seinen politischen Gegnern des Jubbaland Council for Change in Nairobi darauf, seine umstrittene Wahl im August 2019 anzuerkennen und eine Koalitionsregierung zu bilden (UNSC 13.05.2020).

ad a) Somalia

In vielen Gebieten der fünf föderalen Gliedstaaten Somalias und der Bundeshauptstadt Mogadischu herrscht Bürgerkrieg. In den von al-Schabaab befreiten Gebieten kommt es weiterhin zu Terroranschlägen durch diese islamistische Miliz. Am 14.10.2017 kam es zu einem der verheerendsten Anschläge der Geschichte Somalias mit über 500 Todesopfern und zahlreichen Verletzten. Ein Lkw brachte eine Sprengladung in einer belebten Kreuzung in Mogadischu zur Detonation. Die al-Schabaab Miliz wird hinter dem Anschlag vermutet, hat sich jedoch nicht offiziell dazu bekannt Seitdem hat es wiederholt Anschläge im Stadtgebiet von Mogadischu gegeben. Ende Dezember kamen bei der Explosion einer Autobombe an einem Checkpoint am Stadtrand von Mogadischu bis zu 100 Personen ums Leben. Auch in anderen Landesteilen kommt es regelmäßig zu Anschlägen, Tötungen und Entführungen durch al-Schabaab (AA 02.04.2020).

Mutmaßliche Kämpfer der islamistischen Terrorgruppe al-Schabaab haben am 12.12.2019 einen Militärstützpunkt 25 Kilometer nördlich der Hauptstadt Mogadischu angegriffen und mindestens sechs Menschen getötet. Nach Regierungsangaben handelt es sich bei den Opfern um zwei Soldaten und vier Zivilisten. Soldaten hätten die Angreifer zurückdrängen können. Wie viele der Extremisten getötet wurden, war zunächst unklar. Al-Schabaab beanspruchte die Tat im Radiosender Al-Andalus für sich. Erst zwei Tage zuvor hatten Kämpfer der Miliz ein Hotel in Mogadischu angegriffen, bei dem mindestens elf Menschen starben (BAMF 16.12.2019).

Bei einem Bombenanschlag in Mogadischu am 28.12.2019 wurden knapp 100 Menschen getötet und Dutzende verletzt (Wiener Zeitung 28.12.2019, update 29.12.2019).

Am 21.12.2019 wurde eine Autobombe vor dem Global Hotel in Galkayo in der Region Mudug gezündet, in dem sich Militärbeamte befanden. Es wird von sechs Toten und zehn Verletzten berichtet. Derartige Angriffe finden in der Hauptstadt der Region Mudug verhältnismäßig selten statt. Keine Gruppe hat die Verantwortung für den Vorfall übernommen, allerdings führt al-Schabaab regelmäßig Angriffe auf Hotels durch. Am 28.12.2019 explodiert eine Autobombe an einem vielbefahrenen Checkpoint in Mogadischu. Etwa 90 Personen sollen getötet und mindestens 125 Personen verletzt worden sein. Viele Betroffene waren Studenten, die nach dem Wochenende in die Stadt zurückkehrten. Die Terrorgruppe al-Schabaab hat die Verantwortung für den Angriff übernommen und verkündet, dass dieser auf einen feindlichen Konvoi der Türken abzielte. Hunderte Personen, inklusive Regierungsvertretern, versammelten sich am 02.01.2020 in Mogadischu, um Solidarität mit den Opfern und Angehörigen zu zeigen. Der Angriff ist der größte in Mogadischu seit dem Lastwagenangriff in 2017, bei dem mehrere hundert Personen getötet worden waren. Am 08.01.2020 explodierte eine Autobombe der al-Schabaab bei einem Checkpoint in der Nähe des Präsidentenpalastes und anderer wichtiger Regierungsgebäude in Mogadischu. Mehrere Personen wurden getötet oder verletzt - darunter auch zwei Regierungsvertreter (BAMF 13.01.2020)

Mindestens drei somalische Soldaten wurden getötet und zwei weitere verletzt, als am 14.01.2020 eine Bombe in der Nähe von Elasha Biyaha, am Rande von Mogadischu, explodierte. Al-Schabaab übernahm die Verantwortung für den Angriff und teilte mit, dass er auf türkische Arbeiter in Somalia abzielte. Es wurden keine türkischen Opfer gemeldet. Am 18.01.2020 griff ein Selbstmordattentäter der al-Schabaab türkische Arbeiter auf einer Baustelle an einer Straße bei Afgoye (30 Kilometer von Mogadischu entfernt) an. Die meisten Opfer waren somalische Polizisten, die für die Sicherheit der türkischen Arbeiter sorgten, aber auch türkische Staatsangehörige befanden sich unter den Todesopfern. Insgesamt wurden vier Tote und viele weitere Verletzte gemeldet (BAMF 20.01.2020).

Der ehemalige Sicherheitsminister von Jubbaland, Abdirashid Hassan Abdinur (auch bekannt als Abdirashid Janan), wurde am 31.08.2019 wegen Verbrechen gegen das Völkerrecht und anderen Menschenrechtsverletzungen, u.a. die Tötung von Zivilisten und die Behinderung humanitärer Hilfe, verhaftet. Am 28.01.2020 entkam er aus der Haft und soll anschließend nach Kenia geflohen sein. Am 04.02.2020 kehrte er aus Nairobi in seinen Heimatort in Jubbaland zurück. Amnesty International (ai) hat die kenianische Regierung aufgefordert Abdirashid zu verhaften und zur Strafverfolgung nach Somalia zurückzubringen. Abdirashid genießt die Unterstützung der regionalen Behörden in Jubbaland, die mit der somalischen Zentralregierung im Konflikt steht. Zusammenstöße zwischen Clans im Süden des Landes Berichten vom 04.02.2020 zufolge wurden bei Zusammenstößen zwischen zwei Clans am Rande von Kismayo in der Region Lower Jubba mindestens 20 Menschen getötet und weitere 20 verletzt. Die Regierung von Jubbaland habe versucht, die Kämpfe um Landressourcen zu beenden, sei aber bisher erfolglos geblieben (BAMF 10.02.2020).

Am 19.02.2020 soll al-Schabaab zwei Militärstutzpunkte in der Region Lower Shabelle angegriffen haben. Bei einem Angriff stürmten die al-Schabaab die el-Salini-Militärbasis und besetzten sie kurzzeitig, wobei sie Waffen und Fahrzeuge erbeuteten. Der zweite Angriff fand auf einem Militärstützpunkt in der Stadt Qoryoley statt, wo somalische und ugandische AMISOM-Soldaten stationiert sind. Eine unbekannte Anzahl an Soldaten wurde getötet (BAMF 24.02.2020).

Am 29.02.2020 soll sich die Milizgruppe Ahlu Sunnah Wal Jama’a (ASWJ) nach zweitägigen Zusammenstößen in den Städten Dhusamareb und Guriel (Region Galguduud) der somalischen Regierung ergeben haben. Mehrere Menschen sollen getötet worden sein. ASWJ spielt eine wichtige Rolle im Kampf gegen al-Schabaab und sollte in die staatlichen Sicherheitskräfte integriert werden. Die Präsidentschaftswahlen in Galmudug State Anfang 2020 haben allerdings zu Spannungen geführt, da drei rivalisierende Politiker von sich behaupteten, die Wahl gewonnen zu haben, darunter auch ein Vertreter der ASWJ. Mit der Kapitulation gab die ASWJ jedoch auch ihre politischen Bestrebungen auf (BAMF 02.03.2020).

Seit dem 02.03.2020 kämpfen in der Region Gedo Einheiten der Somali National Army (SNA) und der regionalen Jubbaland-Kräfte gegeneinander. Die Kämpfe fanden zunächst rund um die Grenzstadt Bula Hawo in Somalia statt, haben sich aber auch auf die Stadt Mandera auf der kenianischen Seite der Grenze ausgebreitet. Tausende von Familien wurden zur Flucht aus dem Gebiet gezwungen. Die SNA will angeblich den ehemaligen Sicherheitsminister von Jubbaland, Abdirashid Hassan Abdinur, gefangen nehmen. Abdirashid wurde im August 2019 von der somalischen Regierung verhaftet, entkam aber am 28.01.2020 aus einem Gefängnis in Mogadischu. Am 04.02.2020 kehrte er nach Jubbaland zurück. Ein Beamter des regionalen Gerichts wurde am 03.03.2020 in der Hauptstadt der Region Sool in Somaliland, Las Anod, durch eine Autobombe getötet. Es ist nicht klar, wer hinter dem Anschlag stand. Solche Angriffe kommen in der Region relativ selten vor. Berichten zufolge wurden durch die Explosion einer Bombe am 01.03.2020 vier Regierungssoldaten getötet und viele weitere verletzt. Die Soldaten waren mit einem Militärkonvoi auf der Straße zwischen Wanlaweyn und Afgoye unterwegs. Für den Anschlag soll al-Schabaab verantwortlich sein. Am 01.03.2020 schoss al-Schabaab mit Mörsern in die stark befestigte sogenannte „Green Zone" in Mogadischu. Der Angriff zielte auf ein Gebiet, in dem sich Liegenschaften der UN und der Afrikanischen Union (AU) sowie mehrere westliche Botschaften befinden. Die „Green Zone“ gilt als eines der wenigen sicheren Gebiete in der Stadt und umfasst die Niederlassungen von humanitären und diplomatischen Organisationen sowie den internationalen Flughafen von Mogadischu. Es wurden keine Todesopfer gemeldet. Zuletzt wurde im November 2019 die somalisch-kanadische Menschenrechtsaktivistin Almaas Elman in der „Green Zone“ erschossen (BAMF 09.03.2020).

Truppen der Somali National Army (SNA) und AMISOM haben am 16.03.2020 die Stadt Janaale in der Region Lower Shabelle von al-Schabaab zurückerobert. AFRICOM führte zur Unterstützung der Operation Luftangriffe durch. Al-Schabaab hatte Janaale seit 2015 kontrolliert (BAMF 23.03.2020).

Am 25.03.2020 wurden der Gouverneur von Ras Kamboni, sein Fahrer und drei seiner Leibwächter bei einer Landminenexplosion in der Nähe von Ras Kamboni in der Region Lower Juba getötet. Al-Schabaab bekannte sich zu dem Angriff und teilte mit, dass sie auf die kenianischen Verteidigungskräfte zielten, die zusammen mit dem Gouverneur unterwegs waren. Am 29.03.2020 starb der Gouverneur der Region Nugaal nach einem Selbstmordanschlag der al-Schabaab. Der Angriff erfolgte auf eine Polizeistation. Selbstmordattentäter greifen Geschäft an. Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am 25.03.2020 in einem Teeladen in der Nähe des Parlaments in Mogadischu in die Luft. Dabei wurden mehrere Menschen getötet und verwundet, darunter auch Zivilisten. Die al-Schabaab übernahm die Verantwortung für den Angriff und erklärte, dass Ziel die Streitkräfte der Somali National Army gewesen seien, die das Parlament bewachen. Der Polizeichef des Bezirks Afgoye und drei seiner Leibwächter wurden am 22.03.2020 bei einer Bombenexplosion in Hawa Abdi in der Nähe von Afgoye getötet. Niemand hatte unmittelbar nach dem Anschlag die Verantwortung übernommen (BAMF 30.03.2020).

Das US-Afrika-Kommando (AFRICOM) führte am 06., 09. und 10.04.2020 Luftangriffe auf
al-Schabaab in der Region Middle Juba durch. Al-Schabaab-nahe Medien berichteten, dass es sich bei der am 10.04.2020 getöteten Person um einen Zivilisten handelte, was von AFRICOM aber bestritten wird. AFRICOM erklärte, dass der Toten unmittelbar vor dem Luftangriff die ermordeten Leichen von Soldaten der Somali National Army (SNA) in einem Dorf zur Schau stellte, um die Bevölkerung einzuschüchtern. Am 14.04.2020 explodierte in Mogadischu eine gegen Soldaten der SNA gerichtete Landmine, vier Zivilisten wurden dabei verletzt. Offiziell bekannte sich niemand zu dem Angriff. Es ist jedoch bekannt, dass al-Schabaab regelmäßig Angriffe auf Soldaten der SNA durchführt. Al-Schabaab tötete am 10.04.2020 vor einer Moschee in Galkayo (Region Mudug) einen Beamten. Bei einer weiteren Landminenexplosion in der Stadt Awdheegle (Region Lower Shabelle) wurden am 09.04.2020 vier Zivilisten getötet und zwei weitere verletzt. Auch in diesem Fall hat sich niemand zu dem Anschlag bekannt. Die dem IS angegliederte Gruppe in Somalia gab an, am 07.04.2020 in der Nähe des Bakara-Marktes in Mogadischu zwei Polizisten getötet und einen verletzt zu haben (BAMF 20.04.2020).

Nach Angaben verschiedener Quellen wurden am 24.04.2020 im Distrikt Bondhere in Mogadischu ein oder zwei Zivilisten von einem Polizisten erschossen, der die Einhaltung der Au

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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