Entscheidungsdatum
17.06.2020Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W212 2188520-1/3E
W212 2188518-1/3E
W212 2188522-1/3E
W212 2188543-1/3E
W212 2188539-1/3E
W212 2188536-1/3E
W212 2188525-1/3E
W212 2188528-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 14.02.2018,
Zl. Damaskus-OB/KONS/2258/2017, aufgrund der Vorlageanträge von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , 5.) XXXX , geb. XXXX , 6.) XXXX , geb. XXXX , 7.) XXXX , geb. XXXX , 8.) XXXX , geb. XXXX , alle StA Syrien, über die Beschwerden gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 06.12.2017 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerden werden gemäß § 35 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Syriens und stellten am 03.08.2017 bei der Österreichischen Botschaft Damaskus (in der Folge: „ÖB Damaskus“) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG. Begründend führten sie aus, der Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin sowie Bruder der Dritt- bis Achtbeschwerdeführer XXXX , geb. XXXX , sei in Österreich seit 03.03.2016 asylberechtigt.
1.2. In seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG 2005 vom 16.10.2017 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass betreffend die antragstellenden Parteien die Gewährung des Status von Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Volljährigkeit der Bezugsperson bereits gegeben sei.
1.3. Mit Schreiben vom 23.10.2017, zugestellt am 02.11.2017, wurde den Beschwerdeführern die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. Ihnen wurde gleichzeitig mitgeteilt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach Prüfung mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Bezugsperson zum Entscheidungszeitpunkt das 18. Lebensjahr bereits vollendet habe und daher die gesetzliche Eigenschaft als Familienangehörige der Antragssteller nicht mehr gegeben sei.
Es werde hiermit Gelegenheit gegeben, innerhalb der Frist von einer Woche ab Zustellung die angeführten Ablehnungsgründe durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.
1.4. In der fristgerecht eingebrachten Stellungnahme vom 07.11.2017 brachten die Beschwerdeführer vor, dass die Bezugsperson zum Zeitpunkt des Antrages auf Gewährung des Einreisetitels minderjährig gewesen sei. Auf Eltern von minderjährigen Asylberechtigten sei Artikel 10 Abs. 3 lit a der Richtlinie 2003/86/EG anzuwenden, welche den Nachzug der Eltern zwingend vorsehe. Dieser stehe im Einklang mit Artikel 5 Abs. 5 der Richtlinie, welche vorschreibe, dass das Kindeswohl in allen Fällen berücksichtigt werden müsse sowie der Judikatur des EuGH, wonach die erfolgreiche Familienzusammenführung den Regelfall darstellen sollte. Außerdem sei ein Vorabentscheidungsersuchen am EuGH anhängig, Rechtssache C-550/16, zur Auslegung des Begriffes „unbegleiteter Minderjähriger“ und wäre somit auch für den vorliegenden Fall bindend. Das Erreichen der Volljährigkeit unabhängig vom jeweiligen Fall könne nicht dazu führen, dass ein Antrag auf Einreise gemäß § 35 AsylG abzulehnen sei.
Die Familie habe sich intensiv bemüht, die Einreiseanträge rasch einzubringen, leider wäre es ihnen aber unverschuldeter Weise nicht früher gelungen. Weiters wären der Vertretungsbehörde zahlreiche Fehler in der Nennung von Daten unterlaufen.
1.5. Nach Übermittlung der Stellungnahme an das BFA teilte dieses mit, dass die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrecht bleibe, da die Bezugsperson volljährig sei.
1.6. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 06.12.2017 verweigerte die ÖB Damaskus die Erteilung der Einreisetitel gem. §26 FPG idgF iVm §35 AsylG 2005 idgF mit der Begründung, die Bezugsperson sei volljährig.
1.7. Gegen diese Bescheide richtet sich die am 02.01.2018 fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher im Wesentlichen das Vorbringen in der Stellungnahme wiederholt wurde.
1.8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 14.02.2018 wies die ÖB Damaskus die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Asylgewährung bzw. die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des Bundesamtes durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht.
Auch nach dem Beschwerdevorbringen sei unstrittig, dass die Beschwerdeführer einen Antrag nach §35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt haben und dass eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ergangen sei. Als alleintragender Grund für die Abweisung der von den Beschwerdeführern gestellten Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gem. §35 Abs. 1 AsylG 2005 komme somit (nur) in Betracht, dass nach der Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Erfolgsaussichten eines Antrags der Beschwerdeführer auf Gewährung desselben Schutzes (wie der Bezugsperson) als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei im angefochtenen Bescheid auch ausschließlich Bezug genommen worden.
Jenseits und unabhängig von der oben angeführten Bindungswirkung teile die belangte Behörde die Ansicht des BFA, dass im Hinblick auf die Volljährigkeit der Bezugsperson zum Entscheidungszeitpunkt ein Einreisetitel gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 nicht zu erteilen sei. Die Richtlinie 2003/86/EG treffe keine Aussage darüber, auf welchen Zeitpunkt - der Antragsstellung oder der Entscheidung - abzustellen sei. Der Zweck der Ausstellung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG bestehe darin, den Nachziehenden die Einrese zu ermöglichen und ihnen den selben Schutz zu gewähren wie der Bezugsperson in Österreich. Diesem Zweck werde aber nicht entsprochen, wenn die Eltern eines im Laufe des Verfahrens volljährig gewordenen Asylberechtigten die Einreise gestattet werde, weil sie bei Antragsstellung nicht mehr dem Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 unterliegen. Die Frage zum Vorabentscheidungsersuchen stelle wegen der anders als behauptet gelagerten Fallgestaltung keine Vorfrage zur Klärung der Hauptfrage dar.
Soweit argumentiert wird, dass im Sinne des Kindeswohls das Asylverfahren der Bezugsperson schneller hätte durchgeführt werden müssen, sei festzuhalten, dass – selbst wenn das Asylverfahren der Bezugsperson zu lange gedauert hätte – dies keinesfalls etwas an der Anwendbarkeit der einschlägigen Norm ändern würde und dieses Argument somit ins Leere gehe.
1.9. Am 26.02.2018 wurde bei der ÖB Damaskus ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht. Darin wurde hingewiesen, dass zwischen einem zum Zeitpunkt der eigenen Einreise erwachsenen- bzw. minderjährig gewesenen Flüchtling eine Ungleichbehandlung vorliege. Minderjährige würden unter besonderem Schutz der Gesetze stehen und würde ein Verweis auf die Möglichkeiten der Familienzusammenführung nach dem NAG 2005 und FPG 2005 fehlschlagen.
1.10. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 07.03.2018, eingelangt am 08.03.2018, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakten übermittelt. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde die Rechtssache der erkennenden Gerichtsabteilung neu zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführer stellten am 03.08.2017 bei der Österreichischen Botschaft Damaskus jeweils einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 Asylgesetz 2005. Als Bezugsperson wurde XXXX , geb. XXXX , genannt, welcher der Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin und Bruder der Dritt- bis Achtbeschwerdeführer und in Österreich asylberechtigt ist.
Die Bezugsperson XXXX wurde am XXXX volljährig.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl teilte nach Prüfung des Sachverhaltes mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da es sich bei den Antragstellern nicht um Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 handle. Die Bezugsperson sei volljährig.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen, insbesondere das Alter der Bezugsperson, ergeben sich zweifelsfrei aus den Akten der Österreichischen Botschaft Damaskus und wurden von den beschwerdeführenden Parteien nicht bestritten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. § 34 AsylG 2005 lautet:
„(1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;
3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).“
§ 35 AsylG 2005 lautet:
„(1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.“
§ 75 Abs. 24 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:
„(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs. 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter.“
§ 11 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:
„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.
…
§ 11a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.“
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).
Nach dieser Rechtsprechung ist zur Frage des Prüfungsumfangs der österreichischen Vertretungsbehörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels im Sinne des § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 auf die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung der Vorgängerbestimmung (§ 16 AsylG 1997) zurückzugreifen.
Danach sollten die bei den österreichischen Berufsvertretungsbehörden im Ausland gestellten Asylanträge an die Durchführung eines Vorverfahrens gebunden sein. Bei diesem speziellen Sichtvermerksantrag sollte nämlich ein relativ formalisiertes Ermittlungsverfahren betreffend eine mögliche Asylgewährung stattfinden, in welches das Bundesasylamt einzubinden sei. Treffe das Bundesasylamt die Prognose, dass eine Asylgewährung wahrscheinlich sei, habe die Berufsvertretungsbehörde ohne Weiteres einen entsprechend befristeten Sichtvermerk zur Einreise zu erteilen, worauf das eigentliche Asylverfahren stattzufinden habe. Dieser Mechanismus solle auf der Ebene eines Sichtvermerksverfahrens dazu dienen, die im Hinblick auf eine potentielle Schutzbedürftigkeit heiklen Fälle aus der Vielzahl der Asylanträge im Ausland herauszufiltern, ohne zugleich - im Hinblick auf das relativ formalisierte Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde - durch eine negative Asylentscheidung res iudicata zu bewirken und den Asylwerber für immer von einem ordentlichen Asylverfahren auszuschließen. Werde ein Sichtvermerk nicht erteilt, sei der betreffende Asylantrag als gegenstandslos abzulegen (RV 686 BlgNR 20.GP 23).
Schon diese Ausführungen lassen erkennen, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Visumserteilung an die Mitteilung des (nunmehr) Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Schutzgewährung gebunden ist. Das Gesetz stellt nur klar, dass es bei einer positiven Mitteilung über die voraussichtliche Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten keiner weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung bedarf, somit die Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe des FPG diesfalls unbeachtet zu bleiben haben. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Vertretungsbehörde im Falle einer negativen Mitteilung des Bundesamtes noch einmal eine eigene Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Asylgewährung vorzunehmen hätte und zu einem gegenteiligen Ergebnis als die zur Entscheidung über Asylanträge sachlich zuständige Behörde kommen könnte. Für diese Auffassung gibt das Gesetz keine ausreichenden Anhaltspunkte. Es würde auch dem Zweck der Erteilung dieses Einreisetitels zuwiderlaufen, dem Familienangehörigen einer schutzberechtigten Ankerperson im Hinblick auf die voraussichtliche Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutz die Einreise zu ermöglichen, wenn das zur Beurteilung des Schutzantrages zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Stattgebung unter diesem Titel nicht für wahrscheinlich erachtet (siehe zu dem ganzen BVwG 12.01.2016, W184 2112510-1ua).
Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz – FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offen steht, auch die Einschätzung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis, weil die Prognose des Bundesamtes nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes zutreffend ist:
Im vorliegenden Fall wurden Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson der in Österreich Asylberechtigte XXXX , geb. XXXX , als Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin sowie Bruder der Dritt- bis Achtbeschwerdeführer genannt.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den vorliegenden Akten zweifelsfrei, dass die angegebene Bezugsperson im Zeitpunkt der Entscheidung durch die Behörde bereits volljährig war. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin fallen somit nicht unter den Familienbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005. Die Dritt- bis Achtbeschwerdeführer als Geschwister der Bezugsperson werden per definitionem nicht vom Familienbegriff des § 35 Abs. 5 oder des § 2 Abs. 1 Z22 AsylG 2005 erfasst.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Entscheidung zu Zlen. Ra 2015/21/0230 bis 0231-3 unter anderem mit dem Begriff Familienangehöriger nach § 35 Abs. 5 Asylgesetz näher auseinandergesetzt und insbesondere dargelegt, dass aus den ErläutRV zum FNG-AnpassungsG 2014 eine restriktive Tendenz in Bezug auf den zu erfassenden Personenkreis zu erkennen sei. Auch sehe die RL 2003/86/EG den Nachzug von Aszendenten (insbesondere den Eltern) in ihrem Art. 4 Abs.2 lit. a nur optional vor.
Auch der Verfassungsgerichtshof sah in seiner Entscheidung vom 18.9.2015 zu E 360-361/2015-21 keine verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf eine im Entscheidungszeitpunkt nicht (mehr) vorliegende Eigenschaft der beschwerdeführenden Parteien als Familienangehörige iSd § 35 Abs. 5 AsylG 2005.
Mit seinem Erkenntnis vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611-10 hat der VwGH, unter Berücksichtigung sämtlicher Aspekte eine endgültige Klarstellung getroffen. Zunächst verwies der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis auf seine bisherige Rechtsprechung (vgl. VwGH vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0218), der zusammengefasst zu entnehmen ist, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie nicht regelt, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen eines Asylberechtigten selbst der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist. Die Erlangung eines Visums nach § 35 AsylG zielt aber gerade darauf ab, dem Drittstaatsangehörigen einen Einreisetitel zum Zweck des Stellens eines Antrages auf internationalen Schutz im Inland zu ermöglichen. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 35 AsylG auch auf unionsrechtliche Regelungen der Familienzusammenführungsrichtlinie Bedacht genommen, was dazu führen kann, dass in bestimmten Konstellationen der Familienzusammenführung dem Familienangehörigen weitergehende Rechte – etwa durch die Gewährung des Status des Asylberechtigten – eingeräumt werden als es die Familienzusammenführungsrichtlinie vorsieht, was die Richtlinie auch ausdrücklich zulässt. Somit ist festzuhalten, dass die Bestimmungen des § 34 und des § 35 AsylG Fälle erfassen können, die an sich der Familienzusammenführungsrichtlinie unterliegen würden, gleichzeitig aber den Familienangehörigen eine günstigere Rechtsstellung einräumen als es die Richtlinie verlangt. Daher kann es jedenfalls nicht als unionsrechtswidrig angesehen werden, wenn nicht allen Angehörigen von Asylberechtigten dieser Status eingeräumt wird.
Wie der Verwaltungsgerichtshof (unter anderem) in seiner Entscheidung Ra 2016/18/0253 vom 21.02.2017 ausführt, stellt die Ausstellung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG nur eine von mehreren im nationalen österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung dar, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck, für die nachziehenden Personen nach Einreise ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG zu eröffnen und ihnen denselben Schutz wie dem bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen zu gewähren. Diesem Zweck wird aber nicht entsprochen, wenn den Eltern eines im Laufe des Verfahrens nach § 35 AsylG volljährig gewordenen Asylberechtigten die Einreise nach Österreich gestattet werden würde, da sie bei der Beantragung des internationalen Schutzes nach der Einreise nicht mehr dem Familienverfahren nach § 34 AsylG unterliegen würden. Der Einreisetitel nach § 35 AsylG erweist sich daher von vornherein als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen der Beschwerdeführer auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen, bereits volljährigen Sohn (bzw. Bruder) zu entsprechen. Sie sind vielmehr auf die anderen, im NAG und FPG eröffneten Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Ausstellung von entsprechenden Einreisetiteln zu verweisen.
Zusammengefasst kommt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0218, zu dem Schluss, dass ausgehend davon, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie nicht zum Regelungsinhalt hat, wann einem Familienangehörigen eines anerkannten Flüchtlings ebenfalls der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen ist, sondern nur Vorgaben dazu enthält, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen ein für den Zweck der Familienzusammenführung vorgesehener Aufenthaltstitel zu erteilen ist, es unschädlich ist, wenn für die Erteilung eines Visums nach § 35 AsylG (dessen Erteilung ja nicht nur die Familienzusammenführung ermöglichen soll, sondern auch dazu dient, dem Familienangehörigen die Gelegenheit einzuräumen, zwecks Erlangung eines besonderen Schutzstatus im Weg des § 34 AsylG eine nur im Inland zulässige Antragstellung auf internationalen Schutz vornehmen zu können) gegenüber der Familienzusammenführungsrichtlinie weitergehende Voraussetzungen festgelegt werden. Sofern sich eine Familienzusammenführung durch Inanspruchnahme des § 35 AsylG als nicht möglich erweist, ist von einem Antragsteller ein anderer Weg im Rahmen weiterer, ebenfalls die Familienzusammenführungsrichtlinie umsetzender Vorschriften zu beschreiten, um die Familienzusammenführung zu erreichen (z.B. im Weg des § 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG). Dass einem Drittstaatsangehörigen die Zuerkennung desselben Schutzstatus wie dem bereits in Österreich lebenden Fremden versagt bleibt, kann somit von vornherein nicht zur Verletzung der Familienzusammenführungsrichtlinie führen.
Zur Frage, auf welchen Zeitpunkt sich die Beurteilung, ob im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG von einem Familienangehörigen in Bezug auf nachzugswillige Eltern auszugehen ist, zu beziehen hat, führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis Ra 2015/21/0230 vom 28.01.2016 aus, dass vor dem Hintergrund, dass gemäß § 35 Abs. 1 AsylG nur Familienangehörige gemäß Abs. 5 den maßgeblichen Antrag stellen können, kein Zweifel an der in § 35 Abs. 5 AsylG enthaltenen Definition bestehen kann und dass ein Verständnis dahingehend, dass bei antragstellenden Eltern bezüglich des Kriteriums der Minderjährigkeit ihres in Österreich Asyl oder subsidiären Schutz erhalten habenden Kindes auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen wäre, nicht in Betracht kommt.
Nach Darlegung seiner bisherigen Rechtsprechung stellt der Verwaltungsgerichthof nunmehr im Erkenntnis vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611-10 klar, dass er (auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in der diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Revision) keinen Anlass sieht, von dieser bisherigen Rechtsprechung abzugehen. In diesem Sinne auch bekräftigend VwGH vom 13.12.2018, Ra 2018/18/0076-0084.
Ebenso befasst sich der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis vom 03.05.2018 mit dem – zwischenzeitig abgeschlossenen – Verfahren über das (auch in den vorliegenden Fällen der Beschwerdeführer erwähnte) Vorabentscheidungsersuchen zur Zahl C-550/16. Der EuGH hat in dem bezughabenden Urteil vom 12.04.2018 ausgesprochen: „Art. 2 Buchst. f in Verbindung mit Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung ist dahin auszulegen, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der zum Zeitpunkt seiner Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates und der Stellung seines Asylantrags in diesem Staat unter 18 Jahre alt war, aber während des Asylverfahrens volljährig wird und dem später die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, als „Minderjähriger“ im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist.“ Allerdings muss – so der EuGH weiter – der auf der Grundlage von Art. 10 Abs. 3 lit. a Familienzusammenführungsrichtlinie eingereichte Antrag auf Familien-zusammenführung grundsätzlich innerhalb von drei Monaten ab dem Tag gestellt werden, an dem der Minderjährige als Flüchtling anerkannt worden ist.
Unter Verweis auf VwGH vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0218, und unter Bedachtnahme auf das Urteil des EuGH vom 12.04.2018, C-550/16, führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611-10, aus, dass der nationale Gesetzgeber aufgrund der Familienzusammenführungsrichtlinie nicht gehalten ist, einem nachzugswilligen Familienangehörigen einen besonderen Schutzstatus (hier: den eines Asylberechtigten) zu gewähren. Solches wurde auch vom EuGH im erwähnten Urteil vom 12.04.2018 nicht zum Ausdruck gebracht (und im Übrigen auch nicht vom Generalanwalt in seinem Schlussantrag, auf den sich die Revision zu stützen sucht). Gerade auf die Zuerkennung eines solchen Schutzstatus – so der Verwaltungsgerichtshof weiter – zielt aber letztlich die Visumserteilung nach § 35 AsylG ab; kann doch gemäß § 35 Abs. 1 AsylG ein solcher Antrag ausdrücklich nur „zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13“ AsylG gestellt werden.
Darüber hinaus nimmt der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 03.05.2018 auch auf das Vorbringen betreffend Familiennachzug von Eltern zu volljährigen Asylberechtigten, der von den Bestimmungen des NAG nicht umfasst ist, Bezug und stellt zunächst fest, dass ein derartiges Vorbringen nichts an der bisherigen Beurteilung ändert. Der Verwaltungsgerichtshof verweist darauf, dass für die Beurteilung, ob jene Voraussetzung vorliegt, die es ermöglicht, als Familienangehöriger einen Aufenthaltstitel nach § 46 NAG erhalten zu können, auch nach seiner zum NAG ergangenen Rechtsprechung der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich ist. Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich festgehalten, dass es geboten sein kann, im Einzelfall den in § 46 NAG verwendeten Begriff der „Familienangehörigen“ von der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG abzukoppeln und zwar (unter anderem) auch dann, wenn dies eine unionsrechtskonforme Interpretation der nationalen Rechtslage (etwa auch um der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften durch den EuGH Rechnung zu tragen) gebietet, um ein dem Unionsrecht widersprechendes Ergebnis zu vermeiden.
Zusammengefasst kann sohin gesagt werden, dass es nun nach der Familienzusammenführungsrichtlinie auch weiterhin nicht geboten ist, den Anwendungsbereich des § 35 AsylG zu erweitern, um dem Anliegen der Beschwerdeführer – die Gestattung der Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich lebenden asylberechtigten volljährigen Sohn bzw. Bruder – in unionsrechtskonformer Weise Rechnung zu tragen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es hinreichend, dass sichergestellt ist, dass den Beschwerdeführern im Einklang mit den Vorgaben der Familienzusammenführungsrichtlinie ein Aufenthaltstitel nach dem NAG – was unter Anwendung der Grundsätze der unionsrechtskonformen Auslegung bzw. allenfalls des Anwendungsvorrangs des Unionrechts im Bereich des NAG nicht ausgeschlossen ist – erteilt wird. Dass aber eine unionsrechtliche Verpflichtung bestünde, den Beschwerdeführern eine über dieses Ziel hinausgehende Rechtsstellung, die die Familienzusammenführungsrichtlinie gar nicht zum Regelungsinhalt hat, zu verschaffen – nämlich letztlich den Status von Asylberechtigten – ist weder zu sehen, noch ist solches aus dem zur Rechtssache C-550/16 ergangenen Urteil des EuGH abzuleiten (vgl. hierzu wie erwähnt VwGH vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611-10).
Auch in Bezug auf Art. 8 EMRK ist für die Beschwerdeführer in den gegenständlichen Fällen nichts zu gewinnen, da die Regelung des Art. 8 EMRK keineswegs vorschreibt, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nur ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG, worüber die Botschaft in einem relativ formalisierten Ermittlungsverfahren zu entscheiden hat und zu dem (zutreffenden) Ergebnis gelangt ist, dass die Tatbestandsvoraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung in den gegenständlichen Fällen nicht vorliegen. Der Anwendungsbereich des § 35 AsylG ist somit nicht eröffnet.
Außerdem ist es nicht zu sehen, dass ein (allfälliger) Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht im Art. 8 Abs. 2 EMRK gedeckt wäre. Für die Deckung eines solchen (allfälligen) Eingriffs in das Grundrecht nach Art. 8 Abs. 1 EMRK spricht auch, dass nach der Rechtsprechung des EGMR (EGMR 31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie u. a.) die Regeln des Einwanderungsrechtes eine ausreichende gesetzliche Grundlage in Hinblick auf die Frage der Rechtfertigung des Eingriffs nach Art. 8 Abs. 2 EMRK darstellen. Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.09.2007, B 328/07; VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247; 22.01.2013, 2011/18/001).
Auch vermag das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte der Kinder an der Beurteilung nichts zu ändern. Kann doch aus keinem der Art. dieses BVG ein Recht des Kindes auf Erteilung eines Einreisetitels abgeleitet werden. Insb ist auch auf Art 7 dieses BVG zu verweisen, wonach eine Beschränkung der in den Artikeln 1, 2, 4 und 6 dieses BVG gewährleisteten Rechte und Ansprüche nur zulässig ist, insoweit sie gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Das „Kindeswohlvorrangigkeitsprinzips" (Art. 1) – als Orientierungsmaßstab für die Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Verwaltung sowie auch für die Leistungen staatlicher und privater Einrichtungen – steht damit jedenfalls unter Gesetzesvorbehalt. Wie schon oben gesagt, kommt der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung nach der Rsp der Höchstgerichte ein hoher Stellenwert zu und wird gerade im Art 7 des BVG über die Rechte der Kinder die öffentliche Ruhe und Ordnung angesprochen.
Dahingehendes Vorbringen wie sich die (Rechts-) Lage dargestellt hätte, hätte das Asylverfahren der Bezugsperson eine andere Dauer eingenommen, bleibt genauso im Bereich der Spekulationen (hätte allenfalls durch den entsprechenden Rechtsbehelf relativiert werden können, was in casu nicht geschehen ist) wie eine im Nachhinein erkannte Möglichkeit rascherer Visaantragstellungen, kann dies doch nichts an der Anwendbarkeit der einschlägigen Normen ändern. Auch das in der Beschwerde erwähnte Erkenntnis des VwGH vom 25.06.2019, Zl Ra 2018/19/0568-0571 vermag mangels vergleichbaren Sachverhalts zu keinem anderen Ergebnis führen, betrifft diese Entscheidung doch einen Fall, in dem nach Einreise der Antragssteller in das Bundesgebiet § 34 AsylG 2005 zum Tragen kommt, was vorliegend gerade nicht der Fall ist.
Die Volljährigkeit der Bezugsperson ist bereits eineinhalb Monate nach den Visaantragstellungen eingetreten. Die Prognoseentscheidung wurde durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl binnen zwei Monaten erstellt, die Bescheide wurden vier Monate nach Antragstellung gefällt. Es wurde ein ordnungsgemäßes Verfahren geführt und weisen auch etwaige Versehen der Vertretungsbehörde bei der Nennung von Daten nicht die Schwere auf, die zu einem anderen Verfahrensergebnis führen würden.
Das erkennende Gericht schließt sich auch vollinhaltlich den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung an.
Im Hinblick darauf, dass es im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens auch keine Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Einreisetitels gibt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Einreisetitel Familienbegriff VolljährigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W212.2188522.1.00Im RIS seit
01.10.2020Zuletzt aktualisiert am
01.10.2020